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Alt 06.08.2008, 10:45
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Registriert seit: 06.02.2008
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Standard AW: Metastasen überall!!

Liebe Mai-Tai.
Ich habe deine Beiträge gelesen und bin traurig, wie schlecht es deinem Papa geht. Die Erinnerung an die schlimme Zeit meines Papas kommt wieder hoch, weil sich einige Erfahrungen, die man hier liest, doch wiederholen...

Es tut mir sehr, sehr leid, dass dein Papa so traurig ist und leidet, weil er an dem Bewusstsein nagt, dass seine Zeit mit euch und die Liebe zwischen euch von Kummer, Tränen, Ängsten und Schmerzen erstickt wird.

Ich kann nur aus meinen Erfahrungen berichten und das möchte ich jetzt gerne tun.
Mein Papa verstarb Silvester 2007 – also vor 7 Monaten.
Sein Krankheitsverlauf begann mit Prostatakrebs (radikale OP), Darmkrebs (erfolgreiche OP) und schließendlich einem Tumor in den Blase mit Metastasen an der Wirbelsäule.

Neben den Chemozyklen bekam er auch Bestrahlungen und Medis zur Stärkung der Knochen. Sobald Metas in oder an den Knochen sind, sind sie angegriffen und können leichter brechen. Bisphosphonate werden da gereicht – die verhindern, dass sich das Knochengewebe „löst“ und sollen den Knochenabbau hemmen – also die Knochen stärken. Das Medi wird auch bei Osteoporose eingesetzt, ist also nicht nur für Tumorpatienten mit Metas.
Mein Papa litt an starken Rückenschmerzen, bei denen er nicht mal auf der Couch liegen konnte. Unsereins kann sich das nur begrenzt vorstellen, wenn wir mal Rückenschmerzen wegen Überanstrengung haben und ein Liegen und Sitzen, Stehen oder Gehen da schon weh tut.
Papa bekam Schmerzpflaster – anfangs nur eines, dann aber bis zu 3 Stück.
Zusätzlich bekam er – passend zu den Schmerzpflastern – noch sein Spray für die Nase, was direkt wirken sollte.
Papas Hausarzt hat ihn sehr gut betreut, als er zu Hause war und sagte ihm, dass er keine Schmerzen aushalten muss – er muss es nur sagen und bekommt ein Medi.

Wenn die Halswirbel deines Papas gebrochen sind, ist die Lage umso schwieriger für ihn... selbst wenn er könnte, dürfte er sich nur eingeschränkt bewegen.
Nun so daliegen zu müssen, deprimiert noch mehr... die Kräfte und Möglichkeiten lassen nach und wenn man das ganz deutlich spürt - was hat das Leben dann noch für einen Sinn?
Sorry, ich versuche mich gedanklich einzufinden... will niemandem runterziehen. Aber überlegt man sich das, ist es mehr als verständlich, dass der Patient viel weint. Nicht nur die lieben Angehörigen müssen damit klarkommen, dass der Patient immer weniger wird, immer weniger leisten kann – auch der Patient selbst. Und da der Verstand funktioniert, hat er keine Wahl, als darüber nachzudenken.

In puncto Pflegestufe und Pflegepersonal möchte ich auch noch was aus eigener Erfahrung sagen:
Wer möchte freiwillig von fremden Personen gewaschen, gebettet, rasiert, gestützt etc. werden? Ich bin der festen Überzeugung: Niemand!
Jeder Mensch, ob gesund oder krank, der noch irgendwie die Möglichkeit hat, sich selbst zu helfen, will das auch weiterhin tun.
Hilfe von Fremden oder Familienmitgliedern bedeutet für manche Menschen, dass sie Schwäche zugeben müssen.
Im Fall meines Papas war es so, dass er sich selbst nicht eingestehen wollte, nicht mehr alles leisten zu können – er war körperlich zu schwach, konnte immer schlechter laufen. Aber er musste unbedingt selbst auf die Toilette gehen – nachts -, ohne unsere Hilfe (wir lagen nebenan). Er stürtze und ab da hatten wir einen Toilettenstuhl.
Papa hatte einen sehr, sehr lieben Pflegedienst. Er bekam parenterale Ernährung, die der Pflegedienst abends an seinen Port angeschlossen und morgens wieder abgeschlossen hat. In seiner Mobilität war er dadurch keinesfalls eingeschränkt.
Als Papa Pflegestufe bekam, übernahmen dieses Team auch das Waschen, Rasieren, Versorgung von Wunden (Papa hatte das letzte Vierteljahr ein Nephrostoma).
Natürlich war das unangenehm für ihn, aber es stand ihm 1. zu und 2. konnte er das bischen Kraft, was er noch hatte, für seinen Weg die Treppe runter bis ins Wohnzimmer sparen.

Selbst unsere Hilfe konnte er schlecht annehmen. Er wollte uns nicht "zur Last fallen".
Ich möchte mich nicht in Details verlieren, weil ich dann ins Grübeln gerate, aber versucht einfach mit Hilfe des Krankenhauses oder besser noch dem Hausarzt, diese Pflege in Anspruch zu nehmen.
Sie entlastet wenigstens zeitweise deine Mama. Auch wenn sie noch recht jung ist, ist diese Belastung enorm. Meine Mama war 77 als die letzten 4 Monate meines Papas immer schwieriger wurden. Sie hats auch geschafft. Ich war auch täglich dort, aber die Hauptleistung hat sie getätigt. Nachts, morgens, zwischendurch – einfach akut zu handeln! Und sie hat ihm 2x sein Leben gerettet.

Ich drücke die Daumen, dass dein Papa diese Hilfestellungen annehmen kann und ihr euch so Unterstützung holen könnt. Allerdings solltet ihr Dampf machen, damit das bald geschieht. Ich hoffe, dein Papa verliert ein großes Stück seiner Traurigkeit und nimmt gemeinsame Erinnerungen an, die ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubern könnten. Vielleicht erinnerst du ihn mal an gemeinsame schöne Geschichten...

Auch für dich und deine tapfere Mama halte ich die Daumen, damit ihr eure Kraft bewahrt und weiter ausbauen könnt.
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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