Liebe Regina.
Der Verlust deines Papas sitzt noch zu tief in dir drin, als dass du DAS jetzt schon verkraften könntest - aber sei froh, dass es Entwarnung gab und es deiner Mama wieder besser geht.
Deine Mama ist sicher noch sehr angegriffen (wie du ja auch) und muss den Verlust ihres lieben Mannes hinnehmen, verdauen, akzeptieren UND ihr neues Leben, was sie jetzt sicher noch nicht vor sich sieht, annehmen.
Das alles wird einfach zuviel. Deine arme Mama - du arme Tochter - es tut mir leid, dass ihr so kurz nach dem starken Verlust so ein Dilemma erleben müsst...
Die Zeit, sich wie ein Kind zu fühlen, hat mit dem Moment aufgehört, als du deinem Papa so stark, selbstbewusst, kraftvoll und aufopfernd beigestanden, deine Mama gleichzeitig unterstützt und für dein Kind auch noch einfach nur die Mutter warst.
Diese Erfahrungen - für mich war es eine Grenzerfahrung - fordert unser Handeln, unser Denken - und schwups, das Kind meines Papas war nicht mehr nur noch die Kleine, nein, das Kind meines Papas war seine Stütze, sein Bote, seine rechte Hand.
Mit diesen dankbaren, aber auch sehr, sehr schwierigen Aufgaben bin ich gewachsen und werde niemals wieder "die Kleine" sein.
Ich bin nach wie vor die Jüngste und Mamas Halt, Streit- und Ansprechpartner - aber ich bin auch ihr Verlass, ihre Stütze, ihr Ein und Alles.
Und jetzt ist es an mir, (mit 38) "die Kleine" als Schutzhülle abzustreifen - zwar immer noch ihr kleines Kind zu sein -, aber zu handeln und zu denken wie ein normal Erwachsener... mitunter über Dinge, die man jetzt noch nicht klären will, die man jetzt noch nicht bedenken will.
Aber ich tue sie, weil sie Mama viel bedeuten, mich weiter reifen lassen und einfach wichtig sind.
Ich war ein Papa-Kind. Und ich bin noch immer ein Papa-Kind. Aber ich bin jetzt seine große Kleine. Voller Stolz, Liebe und Dankbarkeit.
Liebe Regina.
Vielleicht schrieb ich es vorher schonmal, dass ich an das Schicksal glaube.
Ihr ward in dem Zimmer, in dem der Leidensweg deines Papas begann... ich habe Tränen in den Augen, wenn ich das lese...
Das Schicksal will es allerdings so, dass in diesem Zimmer nicht auch der Leidensweg deiner Mama beginnt. ENTWARNUNG wurde angesagt.
Nimm es als gutes Zeichen trotz schlimmer Erinnerung, dass du deine Mama wieder mit nach Hause nehmen konntest - mit besseren Medikamenten, mit Zuversicht, mit Klarheit.
Nichts desto trotz verstehe ich deine Gedanken... Wieviel muss ich noch ertragen? Wann hört das endlich auf? Wo ist mein Ruhepol?!
Bei der kleinsten Belastung fiel ich damals auch sofort wieder in meine alten Gedanken zurück.
Diese Fragen bekommen keine Antwort. Bis auf die Zeit. Und wenn sich das auch oberflächlich anhört, aber die Zeit heilt die Wunden und die Welt dreht sich immer weiter.
Du musst den Schock jetzt erstmal verkraften. Die letzte Zeit ist einfach zu viel auf dich und auch auf deine Mama eingeprasselt.
Das hält kein Mensch so einfach aus. Du und deine Mama müsst dafür sorgen, dass ihr mehr Ruhe bekommt, dass ihr "runterfahrt" und euch was "schönes" gönnen könnt. Vielleicht wisst ihr nicht, was jetzt SCHÖN sein soll... vielleicht ein kleiner Spaziergang an einem See, eine Tasse Kaffee... das war MEIN erstes schönstes Erlebnis mit meiner Mama nach Papas Tod - aber bis dahin vergingen allerdings ein paar Monate.
Ich schicke dir Kraft zur Ruhe, Sonnenstrahlen zum Wärmen und den Willen, die Augen einfach mal zu schließen und dich irgendwohin zu beamen. Es ist nicht einfach, klappt vielleicht auch nicht gleich, aber mit n bisserl Übung... Ich wünsch es dir - und deiner Mama.

