Zitat:
Zitat von Ronnya
Daggi:
Was soll ich sagen?
Ich bin über deine Worte einfach nur sprachlos...
Wie schaffst du es immer wieder, meine Gefühle in die richtigen Worte zu packen....?????
Wir kennen uns nicht persönlich und manchmal hab ich das Gefühl du guckst direkt in mich hinein....
DANKE...
Es ist und bleibt einfach nicht selbstverständlich,das wir alle hier so einen Zusammenhalt spüren...
Und ich sehr dankbar darum...
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Hallo, liebe Regina.
Jetzt sag ich mal
DANKE!!!!
Nicht nur für dich ist es eine Bereicherung, wenn du das Gefühl hast (was du auch haben sollst!), dass du hier verstanden wirst und dich aufgehoben fühlst.
Du glaubst nicht, was es für mich bedeutet.
Dafür möchte ich auch dir DANKE sagen. Du gibst mir mit deiner ganz eigenen Geschichte die Möglichkeit, Dinge von mir zu geben, die ich im normalen Leben nicht preisgebe bzw. nicht preisgeben kann, weil sie nicht überall verstanden werden.
Wir danken uns hier täglich gegenseitig - und darauf baut sich eine Gemeinschaft auf, die so stark ist, dass man es oft nicht glauben mag. Und es tut soooo verdammt gut!
Ihr lieben Mädels schreibt, dass ihr euer Maß betreffs eurer Mütter noch finden müsst.
Vorab: Meine Mama ist 78 Jahre alt und top fit. Sie unternimmt jetzt immer mehr mit verwitweten Bekannten, geht in ihre Gymnastikgruppe, in die Seniorengruppe und eine weitere Gruppe, die meist aus Leuten ihrer Straße besteht. Sie fährt in die Stadt zum Bummeln und hat sich letzte Woche dafür entschieden, über die "schrecklichen Tage" - Xmas und Silvester - zu verreisen, weil sie einfach nur fliehen will. Dazu hat sie einen sehr guten verwitweten Freund meines Papas animiert mitzufahren. Sehr löblich und ich bin sehr, sehr stolz auf sie. Sie meistert jeden Tag mit Aufgaben, die sie sich sucht und manchmal muss ich schon um einen Termin bitten. Grins.
Ich bin die ersten 7 Monate Tag für Tag zu meiner Mama gefahren. Erst der Job, dann die Mama, ihre bürokratischen und organisatorischen Aufgaben an mich, dann mein Zuhause, mein Freund.
Und meine Belange? Was wollte ich? Was tat mir mal gut?
Meine Trauer habe ich irgendwie nebenbei "erledigt" - wie, weiß ich nicht. Wenn´s kam, dann kam´s einfach. Und es ist noch nicht vorbei. Es ruht.
7 Monate lang habe ich versucht, mein Maß der Dinge zu finden...
7 Monate Tag für Tag das Gleiche...
7 Monate kein Vorankommen...
Mit der Zeit ging mir das sehr an die Nerven... Es war und ist auch schwierig, als Jüngste den anfallenden Aufgaben gerecht zu werden... besonders mit einer Mama, die alles recht machen möchte, aber nicht zuhört, die alles hinterfragt, aber die Antworten erst nach 4x erklären versteht...
Ich habe aufgehört zu lachen, habe vermieden, Mama zu viel von mir zu erzählen, damit sie mir keine Löcher in den Bauch fragen konnte, ich war gestresst, verzickt und undankbar - ich habe mich einfach nur noch verpflichtet gefühlt.
Ich habe gemerkt, dass ich so nicht weitermachen will und kann.
Wir haben Gespräche geführt, dass sie nun auch selbst für ihre Unterhaltung sorgen muss, dass ich neben meinem stressigen Job nicht noch ihr Entertainer sein kann - da sagt sie mir, dass sie das weiß, aber sie noch nicht soweit ist, sich aufzurappeln.
BÄNG - wie mit einem Hammer auf den Kopf fühlte ich mich da.
Wie konnte ich nur so reagieren? Warum habe ich ihr meine Verzicktheit, meine Unausgeglichenheit, meinen traurigen Zorn (oder meine zornige Traurigkeit) so gegen den Bug geknallt?
Das hat sie nicht verdient. Niemand hat das verdient.
Mama war seit Papas Tod - und auch in der Pflegezeit - so verdammt tapfer, mutig und stark, dass ich sie erst im Nachhinein dafür bewundere. Sie hat alles für ihn möglich gemacht - OK, es war auch oftmal zu viel des Guten -, aber sie hat für die Liebe ihres Lebens - meinen Papa - gekämpft, als ihm die Kräfte schwanden; sie hat ihn aufgebaut, wenn er am Boden war; sie hat ihn gestärkt, wenn nichts mehr geholfen hat.
Und nun ist sie wieder tapfer und stark, versucht ihre Trauer zu bewältigen, sich abzulenken - und sie macht ihren Job richtig gut.
Ich bin so stolz auf sie, sie rappelt sich hoch - von einem Behördengang zum nächsten, kümmert sich um ihre Finanzen, um handwerkliche Baumaßnahmen...
Und weil ich so stolz auf sie bin, möchte ich sie unterstützen, wo immer es geht und ich möchte ihr helfen, diesen Stolz der Sonne entgegen zu recken und in den Himmel zu rufen: Schau, mein Liebster: ich schaffe das!
Und DAS war für mich der Grund zu sagen: bis hierhin und nicht weiter - jetzt kommst DU!
Ich habe mir ein paar Tage die Woche "von ihr" freigenommen - meist dann, wenn sie eh Termine hat. Ich fahre nach der Arbeit nach Hause, komme zu
mir selbst, regel
meine Dinge, nehme mir
meine Zeit und tue das, was
ich tun will.
Diese Zeit tut mir so gut. Und Mama akzeptiert es lautlos.
Sie weiß, wie wenig Zeit ich seit einem Jahr für mich hatte, wie sehr mir das alles an die Substanz ging und auch heute noch geht und sie weiß, dass ich keine "geheimen" Dinge hinter ihrem Rücken mache.
Natürlich kommen mal Sprüche wie "du willst schon heim?" und "da bin ich ja wieder alleine" - aber dann weiß sie auch, was sie als Antwort von mir bekommt und sie weiß auch, dass wir uns dann in die Haare kriegen und ich zickig werde. In letzter Zeit sagte sie es kaum noch und wenn doch, reagiere ich nicht darauf.
Frauen... jaja... oder besser: Mütter und Töchter...
Ihr Lieben, was ich damit sagen will: Bis ihr euer Maß findet, dauert es vielleicht noch ein Weilchen. Ihr werdet es merken, wenn ihr an eure Grenzen stoßt, wenn ihr merkt, dass etwas in euch zu kurz kommt.
Spätestens dann MÜSST ihr reagieren.
Die Mamas schaffen das - je eher sie sich daran gewöhnen, auch mal alleine zu entscheiden, auch mal alleine was zu unternehmen (mit ihren Freunden), umso besser und schneller geht es voran.
Der Abnabelungsprozess geschieht jetzt genau anders herum.
Jetzt sind wir es, die Töchter, die den Müttern einen Schubbs geben müssen, damit sie auf eigenen Beinen stehen können. Jetzt sind wir es, die sich so stark in der Verantwortung fühlen, dass wir - trotzdem wir uns nicht sehen -, 3x am Tag telefonieren und fragen "wo warst du denn?"... Komisch, das Leben...
Mir ist aufgefallen, dass Mama und ich JEDEN Freitag unseren Papa-Tag hatten... wir haben ALLES der letzten Wochen nochmal durchgespielt, erzählt und ausgeheult. Mir ist dabei auch aufgefallen, dass meine Tränen mit der Zeit geweint waren, dass ich meine Ansichten über den Tod und der Weg dahin gefestigt habe und dass Mama und ich immer stärker wurden. Gemeinsam. Weil wir eben über alles redeten und jeder seine Sicht der Dinge schilderte. Mitunter kamen Erzählungen über Erlebnisse zustande, die der eine nicht wusste und der andere kaum glauben konnte.
Die Tage zwischen den freien Tagen können wir wieder lachen, wir können erzählen, ich gebe Auskunft (OK, ich zicke auch mal; nicht jeder Tag ist rund) - es ist einfach besser geworden, weil jeder für sich wieder seine eigenen Erfahrungen macht, seine eigenen Erlebnisse hat, die er gerne teilen möchte.
Der Weg dahin ist nicht leicht, aber man sollte ihn gehen, wenn er möglich ist.
Ich hoffe, ich habe euch nicht komplett verwirrt mit dem, was ich denke und wie es bei mir zurzeit passiert.
Vielleicht hilft es euch, den richtigen Weg für euch zu finden und den Mamas ihr "neues", ihr eigenes Leben anzuvertrauen.
Sie dürfen ruhig lernen, das anzunehmen.
PS: Gute Besserung, liebe Regina.