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Alt 06.10.2008, 19:14
Mapa Mapa ist offline
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Standard AW: Palliative Behandlung; ambulant, stationär, Hintergründe und Ängste

Hallo Ihr Lieben,
möchte zu dem Thema gerne auch was schreiben. Zuerst möchte ich betonen, dass es selbstverständlich richtig ist, dass es mehr als wichtig, bzw. sogar das Wichtigste ist, dass man durch die Palliativbehandlung schmerzfrei, schmerzarm, lebensverlängernd, usw. eingestellt wird. Mit den richtigen Medikamenten, Maßnahmen, usw.
Zitat:
in der Zeit, die ich inzwischen mit Euch hier verbringe, ist mir aufgefallen, dass ambulante Palliativdienste und Palliativstationen eigentlich nie, bzw. nur selten Thema sind. In vielen Beiträgen lese ich außerdem die Gleichstellung von palliativ mit Hoffnungslosigkeit.
Warum das selten ein Thema ist, weiß ich zwar auch nicht, jedoch die Gleichstellung von palliativ mit Hoffnungslosigkeit möchte ich kurz, zumindest aus meiner Sichtweise erklären.
Es kommt darauf an, wie man das Wort Hoffnungslosigkeit in diesem Zusammenhang interpretiert. Wenn Du, liebe Bibi, damit meinst, dass es bedeutet, man hat Angst davor, qualvoll mit Schmerzen sterben zu müssen, dann ist diese Hoffnungslosigkeit nicht angebracht. Vom Gesamtbild gesehen jedoch ist die Hoffnungslosigkeit nicht unberechtigt. Der Unterschied besteht für mich darin: Jeder, der die Diagnose bekommt, hofft doch darauf, dass sich herausstellt, dass er ein Stadium hat, in dem er noch geheilt werden kann oder zumindest, in dem er wenigstens die Chance hat, evtl. nach Bestrahlungen, OP, usw. für lange Zeit krebsfrei zu bleiben. Hier ist Hoffnung angebracht auf definitive Heilung oder zumindest Stillstand für einen sehr großen Zeitraum. Sobald jedoch dieses Wort palliative Behandlung auftaucht, bekommt das Wort Hoffnung eine andere Bedeutung. Dann ist es nur noch Hoffnung auf Zeitverlängerung oder auf ein Wunder. Ich versuche mal ein Beispiel zu geben:
Jemand hat einen Unfall und ist gelähmt. Der Arzt sagt zu ihm: sie sind im Moment gelähmt, aber es besteht die Möglichkeit zu 50 %, dass sie eines Tages wieder laufen können. In diesem Fall kann man noch recht zuversichtlich daran glauben, dass man tatsächlich eines Tages wieder laufen kann und man hat Hoffnung. Fall 2, wieder ein Unfall, wieder gelähmt. Hier sagt der Arzt: Tut mir leid, sie werden für den Rest des Lebens querschnittsgelähmt sein. In diesem Fall kann man doch nur noch an ein Wunder glauben. Leider sind Wunder seltener, aber es gibt sie!
Ich möchte damit eigentlich nur erklären, warum das Wort palliativ so oft mit Hoffnungslosigkeit verbunden wird. Gut gemeinter Trost kommt auch immer mit dem Vergleich Diabetes, der ja auch palliativ behandelt wird. Trotzdem ist die Aussicht, dass ein Diabeteskranker noch 20 Jahre oder länger lebt, kein Wunder, sondern eine berechtigte Hoffnung.
Das Recht, auf Wunder zu hoffen, hat aber meiner Meinung nach jeder Einzelne. Auch wenn es nur selten ist. Mir fällt auf, dass es hier manchmal Hinterbliebene gibt, die anfangs, als sie selber noch die Hoffnung hatten, ganz anders geschrieben haben, als sie es jetzt tun. Mag es aus einer gewissen, verständlichen Verbitterung heraus, vielleicht gar nicht so gemeint sein. Aber es kommt oft sehr hart rüber, vor allem bei neuen Usern, wenn man gleich die Sätze wie "die Zeit nutzen" usw., gesagt bekommt. Kein Wunder, wenn das Wort "palliativ" jeder so angstvoll betrachtet.
Auch hätte ich noch eine Frage. Ich finde es gut, dass es die Palliativmedizin gibt. Ich finde es auch gut, wenn hier viele Trost bei dem Verlust eines Angehörigen gefunden haben durch die Tatsache, dass es ein friedlicher, schmerzloser Hinübergang war. Andererseits fällt mir aber bei dem größeren Teil auf, dass geschrieben wird: Endlich haben die langen Qualen ein Ende, endlich von den Schmerzen erlöst, usw. Wo war denn da die Palliativmedizin? Oder lag es dann an der fehlenden Patientenverfügung?
Abschließender Satz: Palliativmedizin ist eine sehr gute Sache. Trotzdem hat das Wort palliativ für jeden Betroffenen oder eben auch den Angehörigen dazu immer einen bitteren Beigeschmack. Nicht, weil die Sache nicht gut wäre, sondern weil das Ziel eben anders ist.
Liebe Grüße
Mapa
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