Hallo meine Liebe....
ja, das kenn ich nur zu gut. Ich sage immer, klug scheißen kann, wer in der Scheiße gesessen hat
Ich picke mir mal das einfachste heraus. Die Statistik. Ich weiß wie sie im stübchen sitzt. Immer und immer wieder klopft sie an die Tür und erinnert daran, dass man das, was man eigentlich - wenn wir mal ehrlich sind - so gar nicht lesen wollte, nicht vergisst.
So las ich also. Bei Diagnose. Suchte Mamas Stadium heraus, telefonierte mit Ärzten, googelte... Und da las ich schwarz auf weiß und immer und immer wieder das gleiche. Durchschnittliche Lebenserwartung ab Diagnose...
Panik machte sich breit (als wäre die zuvor nicht schon groß genug gewesen! Angst, jede Handlung davon beeinflusst, jeder Gedanke, jedes Gefühl.
Es war sofort klar für mich. Das letzte Mal gemeinsamer Geburtstag. So arbeiteten wir uns vorwärts. Der Geburtstag ihres Mannes, ihrer, meiner, Weihnachten *staun*, der Geburtstag meiner Oma, Ostern *staun* und ... schon wieder der Geburtstag ihres Mannes, ihrer *staun*....
Vor ihrem Geburtstag kam sie ins Krankenhaus, Du erinnerst Dich sicher. Der Arzt gab mir unaufgefordert eine Prognose, sie war sehr eingegrenzt. Die Nachtschwester sagte ihr drei Wochen vor ihrem Geburtstag, es sei ungewiss ob sie den schaffe.
Dann kam mein Geburtstag, Weihnachten naht...
Der Druck begann erst dann zu weichen, als wir die Statistik (ich weiß, das macht man hier nicht, ABER MIR IST SO SEHR DANACH) in den Arsch getreten haben. Erst dachte ich, ok, wir bekommen ein bißchen Aufschub, eine Gnadenfrist. Aber umso mehr Zeit uns geschenkt wurde, umso weniger dachte ich an den ganzen Mist. Ja, nach wie vor erlebe ich jeden Tag, an dem es ihr gut geht als Geschenk. Das schon. Aber es gibt kein Gott verdammtes Zeitmonster mehr.
UND DAS TUT UNS ALLEN SO GUT!!!
Dieses Jahr die Geburtstage, sie waren viel gelassener und entspannter als die im letzten Jahr. Ja, es ging ihr etwas schlechter, von der Luft her. Aber wir waren fast wieder normal. Und das ist es wohl, was ihr manchmal so sehr gefehlt hat.
Es ist so schwer, damit umzugehen. Man sagte mir so oft, ich solle wieder zu meiner natürlichen Art zurück finden, kritisierte so vieles, das ich gar nicht mehr weiß, was Natürlichkeit eigentlich ist. Aber so langsam und klammheimlich nistet sie sich wieder ein.
Meine Ma sagte nach ihrem Befund heute mit herausforderndem Blick zum Doc: Mir gehts aber besser und ich lass mir auch nix anderes verkaufen!
Fast schon ein bißchen bockig.

Aber ich hätte sie knutschen können. Schxxx auf Befunde, Statistik.... WICHTIG IST DOCH NUR, WIE ES IHR GEHT. Und sie hat das Gefühl, es geht ihr besser. Und ich hab es geschafft, unauffällig beim Jacke anziehen die kleinen glitzernden Verräter aus meinem Gesicht zu wischen.
Das ist das einzige was zählt.
So, und nu les Dir Deine Zeilen nochmal durch, indenen Du beschrieben hast, wie es Deiner Ma geht. Schreib vielleicht einen Teil davon in Blümchens Thread damit Du es wieder realisieren kannst.
Und wenn ihr auch die Statistik dahin getreten habt, wo sie hingehört, dann lässt der zeitliche (!) Druck ein bißchen nach. Die Traurigkeit, die Angst, die bleibt ganz sicher, mal mehr, mal etwas weniger. Aber am schlimmsten finde ich die ängstlichen Blicke auf den Kalender.
