AW: Stammtisch
Lieber Gärtner,
wenn ich lese was Dich zur Zeit umtreibt, fallen mir ganz automatisch 2 weise Sätze ein, die mir die liebe Briele einst schrieb (sinngemäß - ich habe sie nur im Gedächtnis, nicht auf Papier behalten):
1. Man muss das Leben vorwärts leben, obwohl man es nur rückwärts verstehen kann.
Ja, im Nachhinein hätte man manches vielleicht doch ein bisschen anders gemacht, mit etwas Abstand versteht man Motive und Reaktionen besser - doch wenn man in der Situation steckt, kann man nur nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Und wenn man im nachhinein seine Motive durchleuchtet und diese immer ehrlich waren - dann hat man sich nichts vorzuwerfen!
2. Der Verlust bleibt.
Ja, das hatte ich hier schon einmal geschrieben, und ich weiß noch, dass AndreaS meinte, es sei vielleicht nicht tröstend für jemanden, der gerade einen großen Verlust erlitten hat. Nein, in dieser Situation nicht. Aber später wenn es - wie Dir Gärtner - darum geht, den Schmerz loszulassen. Ja, der Verlust wird immer mit Dir sein - aber ist es nicht ein Gewinn, wenn die schönen Erinnerungen endlich "nach vorne kommen"?
Wer verpflichtet uns dazu, ein Leben lang um unsere Lieben zu weinen? Wichtig ist doch nur, dass wir (und da leihe ich mir Helmuts Bild) das Zimmer in unserem Herzen nicht weggeben. Dass wir immer mal wieder hineingehen und einen Moment zu verweilen - vielleicht aufs Bett setzen, das Bild vom Nachttisch nehmen und uns erinnern. Was ist falsch daran, wenn diese Erinnerung uns lächeln lässt? Wenn wir genau hinschauen werden wir immer etwas Wehmut in diesem Lächeln finden.
Wenn ich irgendwann nicht mehr bin, möchte ich, dass sich irgend jemand mit einem Lächeln an mich erinnert. Das wäre wirklich schön!
So, ich hoffe, auch noch andere außer mir haben heute das Glück, bei strahlendem Sonnenschein in ein Winter-Wunderland schauen zu können! Wenn ich aus unserem großen Fenster schaue, blicke ich auf einen dick verschneiten Wald - es ist einfach wunderschön. So muss das Weihnachten der Kindheit ausgesehen haben!
Für alle anderen hier - nein, ich nenne niemanden beim Namen, ich hätte Angst einen zu vergessen - mein Gedicht zum 3. Advent.
Du findest den Weg ....
Weihnachtsstrophe aus dem englischen Volksgut,
übersetzt von Erich Fried
Wieviel Meilen nach Babylon ?
Siebzig. Wenn`s hoch kommt, noch zehn.
Kann ich dorthin bei Kerzenlicht ?
Ja, auch zurückkannst du gehn :
Wenn deine Fersen flink sind und leicht,
Kommst du bei Kerzenlicht hin vielleicht.
Wieviel Meilen nach Bethlehem ?
Unterm Stern dort das letzte Stück.
Kann dorthin meine Seele gehn ?
Ja, und muß nie mehr zurück :
Wenn dein Glaube und deine Hoffnung reicht,
Findest du den Weg nach Bethlehem leicht.
Ich wünsche Euch allen einen sonnigen Tag!
AndreaM
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