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Alt 18.12.2008, 17:14
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Conny44 Conny44 ist offline
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Registriert seit: 31.12.2006
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Standard AW: weiß jemand warum?

Meine liebe Verena,

ich habe in deinem anderen Thread gelesen, dass du denkst, dass dein Mann keine Chemo mehr macht und damit wartet, dass es zu spät ist.
Glaub bitte, bitte sowas nicht. Das ist es nicht. Er würde sicher alles dafür geben, gesund zu werden und mit Sicherheit auch Strapazen auf sich nehmen, wenn er wüsste, dass es hilft. Aber genau das scheint es ja nicht wirklich zu tun, und es ist ihm auch nicht entgangen, dass er sich einfach scheiße fühlt. Er hat sich garantiert auch anfangs in einer Seifenblase befunden und es weit weggeschoben, dass er schwerkrank ist, nämlich genau zu dem Zeitpunkt, als es ihm körperlich noch besser ging. Nun aber merkt er, dass es bergab geht, und damit ist offenbar auch seine Blase geplatzt. Er wird von seinen eignen Gefühlen überrollt, kann sie nicht ordnen. Du weißt doch, wie es bei dir selbst ist, ein ewiges Auf und Ab in deinem Gefühlsleben, am Rand der totalen Verzweiflung. Bei deinem Mann kommt aber noch hinzu, dass er die Krankheit in sich hat, die Medikamente, die Wirkungen der Chemo, die Schmerzen. Das alles schlaucht nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn, nicht umsonst redet man von "Chemohirn" Wir als "Gesunde" bekommen es ja schon kaum auf die Reihe, wie mag es denn in dem Betroffenen aussehen?
Das, was er dir antut, macht er mit Sicherheit nicht aus Böswilligkeit. Und er wird dich auch noch genauso wahnsinnig lieben wie vorher. Nur hat er einfach keine Kraft für dich, weil sie für ihn nicht mal ausreicht. Er wird es auch gar nicht bemerken, dass er dich oftmals verletzt, eben weil sein Blick so sehr auf sich gerichtet ist, auf das was noch kommen könnte oder auch nicht. Er fühlt sich einfach wertlos. Vielleicht fragt er sich auch, was du an ihm noch liebenswert findest? Wenn er soviel Wert auf sein Äußeres gelegt hat und nun merkt, wie alles sich ändert? Vielleicht sucht er auch unbewusst die Konfrontation oder gar Streit, um auf sich aufmerksam zu machen und somit eine Bestätigung zu erhalten? Es liegt in der Natur des Menschen, für alles einen Schuldigen zu suchen. Nur wer ist schuld an dem Krebs? Darauf gibt es keine Antwort. Du bist die, die am greifbarsten ist, die immer für ihn da ist, die sich mit ihm auseinandersetzt. Somit kann er seine Aggression, die logischerweise in ihm steckt, umlenken.
Glaub mir, ich habe auch alles durch. Aber es waren Phasen, die sich immer wieder änderten, auch zum Positiven.
Mir ging es damals ähnlich wie dir, bin auf dem Zahnfleisch gekrochen, auch wenn ich das hier im Forum nicht alles so rausgelassen habe. Heute nach Monaten sehe ich vieles mit anderen Augen und mir tut mein überalles geliebter Mann so unendlich leid, ebenso wie alle anderen Betroffenen.

Liebe Verena, vielleicht schaffst du es wirklich, deinem Mann das Gefühl zu geben, egal was er tut, ob Chemo oder nicht, ob Heilpraktiker oder nicht, oder ob garnichts, dass du immer hinter ihm stehst. Natürlich kann man seine Meinung äußern, aber ohne das Gefühl zu vermitteln, dass du ihn bedrängst. Diesem Druck würde er nicht standhalten.
Denn - und das sind jetzt harte Worte - DU KANNST SEIN LEBEN NICHT RETTEN, DU KANNST ES NUR LEBENSWERTER GESTALTEN.

Und glaube mir, wenn es ihm schlechter geht, so dass er ins Spital müsste, dann meldet er sich - GANZ BESTIMMT! Das verspreche ich dir.

Das sollen jetzt keine klugscheißerischen Worte sein, ich kann nur meine Erfahrung wiedergeben. Denn auch ich habe Jörg immer und immer mit neuen Sachen, die ich gelesen und gefunden habe, konfrontiert, vieles hat er auch angefangen, aber nicht durchgezogen. Und ich hab es akzeptiert.
Das einzige Mal, an das ich mich erinnern kann, liegt genau ein Jahr zurück, als er seinen Darmverschluss hatte, da habe ICH mich durchgesetzt.
Denn nachdem wir ca. 5 Stunden in der Notaufnahme verbrachten und er dann sein Zimmer bezog, wollte er sofort wieder nach Hause, weil es ein übelstes 4-Bett-Zimmer war. Er war fix und fertig, aber auch ein richtig großes Sturköpfchen (wird einigen nicht entgangen sein). Da habe ich ihm knallhart sagen müssen, dass er, wenn er jetzt dort geht, sein Todesurteil fällt und somit Weihnachten nicht überlebt. Er hatte es eingesehen, denn das, was er wollte, war ja LEBEN.

Tut mir leid, falls ich jetzt etwas wirr schreibe, mir kommt jetzt so vieles eigenes hoch. Und es tut mir weh, wenn ich die schlechten Nachrichten hier überall lese. Annettchen, du, Rudi und die vielen anderen.

Hoffe, du nimmst mir nix übel. Ich drücke dich!!
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Traurige Grüße von Conny (& Jörg - seit 15.5.08 nur noch in liebevollen Gedanken)

Ein Millionär und ein Bettler haben statistisch gesehen jeweils 1/2 Million!
Soviel zu Statistiken!

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mein geliebter Mann: BSDK 06.06.1959 - 15.05.2008
mein Pa: BSDK 17.01.1941 - 08.07.2007
meine Mutti: Akute Leukämie 18.11.1941 - 30.03.2011

Geändert von Conny44 (18.12.2008 um 18:23 Uhr) Grund: die liebe Rechtschreibung
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