Thema: Stammtisch
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1698  
Alt 20.12.2008, 23:15
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.02.2005
Ort: SB
Beiträge: 834
Standard AW: Stammtisch

Hallo an alle!

Eines möchte ich vorwegschicken, ich mag sie sehr. Sie ist ein wunderbarer Mensch, hat zahlreiche Schicksalsschläge vorbildlich gemeistert, die Familie steht an erster Stelle ohne dass ihr beruflicher Erfolg auf der Strecke bleibt. Sie hat ein großes Herz, ein offenes Ohr für vielerlei Missstände und Probleme, sehr sozial engagiert und sie war ein sehr fairer und verständnisvoller Arbeitgeber.

Gestern hatten wir Weihnachtsfeier, für meine Kollegin und mich eine Art Abschiedsessen, denn unser Aushilfsjob endet mit dem Jahreswechsel wie von Anfang an besprochen, sobald eine passende Halbtagskraft gefunden würde.

Es war ein netter Abend, ein lustiger Abend mit jede Menge Anekdoten, wie es halt so ist, wenn 4 Mädels zusammensitzen. Natürlich kam man recht bald auf die bevorstehenden Feiertage und sie erzählt, dass sie zur Schwägerin fahren würden zum Jahreswechsel. Und sie erzählt voller Empörung: Da lädt doch meine Schwägerin noch eine ältere Dame ein, die gerade Witwe geworden ist. Das finde ich nicht so toll. Ich meinte: Wieso, ich finde es nett, ist es doch eine besonders schwere Zeit...Und sie antwortete wirklich aus tiefstem Herzen: Nein, was, wenn die anfängt zu weinen? Damit kann ich gar nicht umgehen. Und ich sitze an dem Tisch, die Witwe, der mit einmal mehr als deutlich bewusst wurde, welche Gefühle ich wohl bei manchen ausgelöst habe oder auch heute noch auslöse. Panik verursache. Die Vorstellung hervorrufe, wenn ich dabei bin, gibt es nur Weinen und Trauer, statt der erhofften Abwechslung vom Alltagsleben. Angst, ja wir stören den Weihnachtsfrieden. Sie erzählte es ohne daran zu denken, WEM sie es u.a. erzählt. Ja, bei mir ist es ja schon soooo lange her und außerdem ich gehöre zu den netten Witwen, die die Umwelt denke ich (außer euch armen geplagten Stammtischlern) vor ihren Gefühlen verschont.

Ich habe ihr nicht gesagt: Keine Angst, sie ist schon nicht ansteckend, nein, wie gesagt ich mag sie wirklich, aber befremdet hat es mich, erschreckt hat es mich im Nachhinein oder vielleicht auch noch im Jetzt? Sie sagt dann weiter: Naja, vielleicht ist es ja auch eine lustige Witwe....

Und ich fange wieder an nachzudenken. Was bin ich? Mittlerweile wieder lustig, oft jedenfalls, mittlerweile wieder voller Lebensfreude, meistens jedenfalls, ich funktioniere, habe ich fast die ganze Zeit getan, ja, ich bin lustig, wenn es die Gegebenheit mit sich bringt,kann albern sein wie in frühen Mädchentagen aber eines bin und werde ich nie,eine lustige Witwe, denn das war, ist und bleibt eine vollkommen unlustige Tatsache.

Seltsam, wie solche Gespräche mich tatsächlich auch heute noch immer sehr beschäftigen. Ich wünsche meiner ehemaligen Chefin, die ich wirklich sehr, sehr gerne mag, dass, wenn sie denn mal den unfreiwilligen Familienstand Witwe innehaben sollte, sie an solchen Tagen wie Weihnachten oder Jahreswechsel von Menschen getragen wird, die sich nicht vor ihren Tränen fürchten werden. Dass es Menschen geben wird, die ihr nicht das Gefühl vermitteln: Du gehörst nicht mehr dazu...

Kommt gut durch die Nacht und lasst euch nicht ärgern, ihr tapferen traurig-lustigen Witwen und Witwer, verwaiste Eltern, Kinder und Geschwister.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
Mit Zitat antworten