AW: Vor 12 Jahren Mundboden-Ca - und jetzt "aus heiterem Himmel" Lungen-Ca
Frohe Weihnachten, ihr alle ...
Den Heiligen Abend hätten wir ganz gut überstanden ... Unsere Tochter war ja da, und wir beide (Frauen-Taktik halt) hatten uns abgesprochen, dass sie ihr ganz großes Weihnachtsgeschenk (sie kauft ihr Pferd zurück) erst am Heiligen Abend verrät, hatten wir natürlich den ganzen Abend praktisch nur ein Gesprächsthema .... Das gab meiner Mutter keine Gelegenheit, wieder die alten Familiengeschichten auszukramen und über Gott und die Welt abzulästern ... So war's dann doch sehr nett und harmonisch ...
Leider blieb auch gestern Abend ein Schreck nicht aus: So gegen 21.00 Uhr sind meine Eltern aufgebrochen (meine Mutter war richtig platt, konnte dann auch nicht mehr sitzen), ich hab mir den Hund geschnappt und wollte eine Gassirunde gehen. Ich hab dann von der Straße nur gehört, wie meine Mutter an der obersten Stufe vor ihrer Wohnung rief "Halt mich", und dann saß sie schon im Arm meines Vaters auf der Treppe ... Gott sei Dank war der trotz einiger Erdinger und Ramazottis noch so geistesgegenwärtig und trotz des immensen Übergewichts noch so behände ... Sie schimpfte zwar wieder über die Treppe (anscheinend ist sie da schon öfter gefallen, als sie mir erzählt hat), aber es war ganz eindeutig, dass sie nicht gestolpert ist, sondern sie einfach die Kraft verlassen hat. Zum Glück hat sie sich weiter nichts getan, ihr tut halt heute noch mehr alles weh, aber das hätte auch ganz anders ausgehen können .... Es hat mich wirklich erschreckt - vor allem, weil mir die Gebrechlichkeit (anders kann man's nicht mehr nennen) meiner Mutter von Tag zu Tag mehr auffällt. Selbst unser Tochter hat gemeint, dass die Oma in den letzten 10 Tagen doch sehr abgebaut hätte ...
Wir werden jetzt Anfang des Jahres Pflegestufe beantragen - wenn ich sehe oder mitkriege, was meine Mutter alles gar nicht mehr machen kann, dann ist das sicher berechtigt. Es ist halt schlimm, weil sie dann ihre Hilflosigkeit schwarz auf weiß kriegt, deshalb hat sie wohl die ganze Zeit auch abgewehrt. Aber bis da was entschieden ist, das dauert sicher, und meiner Mutter wird es definitiv nicht mehr besser gehen ...
Nach allem, was ich heute schon gelesen habe, werde ich meiner Mutter wohl von der rein palliativen Chemo (von der Dosierung her wohl im Erhaltungsmodus, keinerlei Zeitverlängerung, nur evtl. Linderung der Beschwerden) mit Taxotere abraten. Sie hat ja schon einige Probleme, wenn die sich durch die Nebenwirkungen dann wahrscheinlich noch verstärken, wird es ihr auch nicht allzuviel bringen. Zumal eben der "Gewinn" durch die Chemo in meinen Augen nicht so groß ist, dass sich der "Einsatz" lohnt ....
Es ist unheimlich schwer abzuwägen, und vor allem kommt ja sofort bei meiner Mutter dann die Frage, was man denn sonst tun könne, wenn sie auf die Chemo verzichtet ... Mein Vater meinte vorgestern, ja nichts könne man dann tun ... - da sitzt sie dann da und schaut uns an wie ein Rehlein den Jäger ... Das ist manchmal schon schwer auszuhalten ... Aber nur um ihr Hoffnung zu geben, sie vielleicht doch beschwerlichen Nebenwirkungen aussetzen? Das sind wieder die Momente, wo ich mir ganz verzweifelt Geschwister wünsche, damit ich nicht immer so allein mit diesen Entscheidungen bin - und ich hab den Eindruck, meine Eltern vertrauen meinem Urteil inzwischen mehr als dem der Ärzte ... Die erzählen (laut meinem Vater) immer so schön und positiv, aber das deckt sich dann nie mit dem, was im Befund steht oder was bei der Behandlung herauskommt ... Das liegt mir schon schwer auf der Seele ... Oft wünsche ich mir, ich hätte überhaupt keine Ahnung von solchen Sachen und auch keine Möglichkeit, mir Informationen zu beschaffen ...
Euch wünsche ich noch einen schönen Feiertag, ich werd uns erst mal einen leckeren Bratapfel-Tee aufsetzen, und dann guck ich eine halbe Stunde in die Waschmaschine - vielleicht werden meine viereckigen Augen (nach drei Stunden PC) dann wieder rund ...
Herzliche Grüße, Karin
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"Das Leben ist keine Autobahn von der Wiege bis zum Grab, sondern ein Platz zum Parken in der Sonne."
(Phil Bosmans)
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