Liebe Bibi,
du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen - so, wie wir auch die Beerdigung eher im Stillen (nach dem Wunsch meiner Mama halt) gehalten haben, wollte ich dazu jetzt nicht einen neuen Thread eröffnen.
So langsam kommt jetzt zur Erleichterung und Dankbarkeit - diese beiden Empfindungen überwogen ja in den ersten Tagen - die Traurigkeit, das Gefühl, vielleicht in der Vergangenheit was versäumt zu haben, vielleicht einmal zu viel mit meiner Mutter "gemeckert" zu haben (sie war ja wirklich nicht ganz einfach zu haben, ohne das jetzt böse zu meinen ....), ihr zu wenig gezeigt zu haben, wie wichtig sie mir war ... Ich träume im Moment jede Nacht von ihr, schlafe dadurch sehr schlecht, wache oft irgendwie verstört auf ...
Die ganzen Erledigungen sind jetzt erledigt, was jetzt kommt ist der Alltag ohne meine Mutter ... Vorhin rief ich bei meinem Vater an und stellte fest, dass ich den Anrufbeantworter jetzt wohl auch neu besprechen muss ... Vieles ist jetzt ganz neu und ungewohnt - mir rutscht immer noch "meine Eltern" heraus, wenn ich eigentlich "nur" meinen Vater meine ... Gestern hat mein Vater beim Aufräumen noch ein paar selbstgestrickte Socken gefunden mit einer Banderole "für Achim" (meinen Mann) drum - anscheinend waren die für seinen Geburtstag vorgesehen, den sie ja nicht mehr erlebt hat ... Da wird einem das Herz schon richtig schwer ... Ich bin die letzten Tage eh ziemlich nah am Wasser gebaut - hab gestern Mittag Ski-WM geguckt, und als eine Fahrerin gestürzt bin, bin ich prompt in Tränen ausgebrochen ... Und dabei hatte ich seit dem Todestag meiner Mutter nicht mehr richtig geweint, wenn man von einem dicken Kloß hin und wieder im Hals mit feuchten Augen und den "Bewegungstränen" beim Trauergottesdienst (ich heule aber auch bei Konfirmationen und Trauungen) und bei der Beisetzung absieht - vielleicht war's gestern einfach mal Zeit dafür ...
Mein Vater hat jetzt die Kleidung meiner Mutter aussortiert und alles Brauchbare einem Sozialkaufhaus gegeben - er meinte vorhin, er bräuchte jetzt Attrappen für die vielen Schränke; meine Mutter war halt in jeder Beziehung ein "Hamster" - Müllbeutel & Co. brauche ich die nächsten drei Jahre sicher nicht zu kaufen

, und von Kleidung konnte sie sich auch schlecht trennen, hängte lieber das Neue in den Schrank (wo auch mal was vergessen wurde

) und trug ihren bequemen "Schlamper-Look" ... Was ich persönlich gut finde: mein Vater kann im Schlafzimmer, im ehemaligen Ehebett, schlafen ... Ich hoffe, wir können ihn mit der Zeit dazu bringen, auch wieder rauszugehen, zum Fußball oder so ... Unseren Hund können wir ja schlecht als "Dauer-Spielpartner" zur Verfügung stellen ....
Ich muss jetzt einfach einen Weg für mich finden, wie ich das alles für mich sortieren kann ... Es ist eine völlig neue Erfahrung für mich, diese Trauer, diesen Verlust in unmittelbarer Nähe ... Das Verhältnis zu meinem Schwiegervater war ja immer eher gespannt (vor allem, weil er sehr engstirnig und intolerant war - er hätte sehr gern weiter in einer früheren Zeit gelebt), so dass da das Mitleid mit meiner Schwiegermama und meinem Mann überwog. Aber jetzt? Auch wenn die Beziehung zu meiner Mutter nie so liebevoll Mutter-Tochter-geprägt war wie z. B. bei Britta, fehlt sie mir - selbst ihr "Geläster" über Gott und die Welt, die "Zickerei", die sie häufig an den Tag gelegt hat, fehlt ... Ich hab immer noch bestimmte Sätze von ihr im Ohr - und oft hab ich halt doch recht genervt drauf reagiert ... Nach der Ansicht meines Vaters zwar völlig zu Recht, aber jetzt tut's mir doch leid ...
Es ist wirklich was dran, dass man erst dann merkt, wie wichtig einem etwas war, wenn es nicht mehr da ist ....
Aber vielleicht lernt man darauf dann eben, die vielen Kleinigkeiten im Leben, die eigentlich so unscheinbar sind, richtig wertzuschätzen ... Und man darf sich nie im Streit von jemandem verabschieden - weil man nie weiß, ob man's wieder gutmachen kann.
Ich muss mir mal auf der Arbeit ein paar Bücher durchsehen, die wir an Trauernde verschenken - vielleicht ist das eine oder andere dabei, das auch mir helfen kann ...
Dennoch bin ich immer noch unglaublich dankbar, dass meine Mutter letztlich nur so kurz leiden musste - eine letzte große Gnade, die ihr erwiesen wurde ...
Alles Liebe für dich,
Karin