AW: Medulloblatom-ich muss Abschied nehmen
Liebe Marsella,
habe gerade deine Geschichte gelesen und wollte dir einfach nur kurz schreiben daß mich das sehr berührt hat.
Es ist immer eine reine Gefühlsentscheidung inwieweit man etwas einem Kind noch zumuten kann/will und es war bestimmt eine gute und von Liebe getragene Entscheidung, deiner kleinen Stella  eben noch eine möglichst schöne Zeit hier zu ermöglichen.
Den Schmerz darüber, das eigene Kind loslassen zu müssen kann dir leider niemand abnehmen, aber dir zuhören und zur Seite stehen macht hier jeder sehr gerne.
Folgende Geschichte habe ich mal gelesen, mir hat sie sehr gut gefallen und vielleicht kannst du auch aus dieser Geschichte ein wenig positive Kraft schöpfen.
Alles Gute für dich,
ganz liebe Grüße, Ilona
Die sehr, sehr alte Seele
Eine sehr, sehr alte Seele, die sehr, sehr viele Menschenleben auf der Erde gelebt hatte und deren Dasein als Seele jetzt ebenfalls fast zu Ende war,ja, bald würde sie mit der Ewigkeit verschmelzen und ein Teil davon werden.
Im Augenblick saß die Seele in der Leere zwischen ihrem letzten Leben und ihrer künftigen Verschmelzung und fühlte sich ein wenig einsam.
Ihre besten Freunde waren auf und davon, die alte Seele konnte sie unten auf Erden sehen, wie jede von ihnen einen Menschen mit Eifer, Neugier und Staunen und den verschiedensten Gefühlen erfüllte.
“Ich will dorthin,“ sagte die alte Seele.“Ich habe immer noch eine Portion Freude übrig. Ich will dorthin und sie ihnen schenken.“
“Aber die Zeit, die dir vor der Verschmelzung bleibt, ist so kurz,“ warnte der Wächter.“Natürlich kannst du ihn Freude schenken, aber wenn du nur so kurze Zeit bei ihnen bleibst, schenkst du ihnen zugleich eine große Trauer, wenn du sie wieder verlässt.“
“Ich weiß,“ sagte die alte Seele,“aber ich will es trotzdem. Ich will ihnen viel Freude schenken, dass sie ihnen danach über die Trauer hinweghilft.“
“Dann soll es so sein, wie du es willst,“ sagte der Wächter und schickte die sehr, sehr alte Seele los.
Daraufhin bekamen ein Mann und eine Frau ein Kind, das sie sich schon lange gewünscht hatten.
Es war ein allerliebstes Kind, das ihnen vom Tag seiner Geburt an Freude bereitete, jene ungetrübte Freude, die Menschen empfinden, wenn ihre Seelen einander begegnen und sich voller entzücken aus der Ewigkeit wieder erkennen.
“Aber bleibt dir nicht nur sehr wenig Zeit?“, flüsterte die Seele der Mutter der alten Seele in dem Jungen zu.
“Diese Zeit ist kurz, aber die Freude groß,“ antwortete die sehr alte Seele.
Und obwohl die Mutter dieses Gespräch nicht hörte, weckte das Geflüster eine ahnungsvolle Unruhe in ihr, ein Hauch des Wissens, dass wir nichts auf Erden besitzen, einer den anderen nicht und nicht einmal uns selbst.
Alles wird uns schließlich genommen werden, alles was wir tragen, alle Lieben um uns herum, schließlich unser Leben und unser Körper.
Aber der Junge wuchs heran, und die Freude, die er verbreitete, war so groß, dass die Mutter den Gedanken vergaß.
Die alte Seele durfte ihre letzte Zeit genauso verbringen, wie sie es sich gewünscht hatte.
Aber die Zeit war kurz, auch nach menschlichem Maß war sie zu kurz, und der Augenblick kam, da die Verschmelzung stattfinden würde.
Die sehr, sehr alte Seele erhielt den Ruf, dass sie sich unverzüglich zur Zeremonie einfinden sollte und sie musste gehorchen.
Für die Menschen sah es so aus, als hätte ein plötzlicher Tod den Jungen ereilt. Ihre Trauer war maßlos, genau wie der Wächter es vorher gesagt hatte.
Aber da alle Erinnerungen an ihr Kind nichts als Freude waren, konnten sie ihre Trauer ertragen, genau wie die sehr, sehr alte Seele es vorhergesagt hatte.
Und wo man früher die sehr, sehr alten Seelen ihr letztes Häppchen Zeit einfach in der Leere hatte absitzen lassen, bürgerte sich von nun an in der Ewigkeit die Sitte ein, dass die alten Seelen zu den Menschen, die sie brauchen geschickt wurden, um ihnen ihre letzte so besonders große Freude zu schenken.
Die Freude gibt den Menschen die Kraft, die anschließende Trauer, die unausweichliche Trauer zu ertragen und allmählich in etwas Gutes zu verwandeln...
>> Abschied ist die innigste Form menschlichen Zusammenseins <<
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