AW: Erfahrungen einer Angehörigen
liebe Kirsten
Ich habe deinen Beitrag gelesen und er hat mich sehr berührt, und es spricht viel Liebe daraus hervor!
Bei uns ist es so, dass nicht ein Familienmitglied von Krebs betroffen ist, sondern ein langjähriger Freund (er ist 43 Jahre, 2 Kinder im Teenie-Alter). Er erkrankte vor 9 Jahren an Hodgkin Lymphom, galt fast 5 Jahre als geheilt, dann kamen die Rezidive, trotzdem hielt sich die Krankheit für eine längere Zeit ziemlich "still". Er kämpfte unglaublich, arbeitete bis vor ein paar Monaten noch voll im Beruf, plante Reisen, Weiterbildungen etc. Nun geht es ihm aber wirklich schlecht. Er hat viele Metastasen, fühlt sich sehr schwach, immer müde, mag fast nichts mehr machen. Es hat uns so weh getan, ihn so zu sehen, er, der immer so aufgestellt war und so gekämpft hat- ihr könnt euch das hier ja alles bestens vorstellen.
Nun ist es so, dass wir sehr unsicher sind, wie wir uns verhalten sollen. Unsere Beziehung zu ihm ist etwas kompliziert- früher lange keinen Kontakt, seit der Krankheit wieder etwas mehr. Und vor allem ist es so, dass eigentlich immer seine Frau ein Treffen oder so organisiert, von ihm aus kommt eher wenig, aber er schätzt es dann schon, uns zu sehen. Wir wohnen nicht am gleichen Ort, können die Familie also nicht allzu oft sehen. Uns geht das ganze sehr nah, da es das erste Mal ist, dass jemand vom Freundeskreis betroffen ist, also in unserem Alter etc und nun tatsächlich sterben muss. Ich habe ein gutes Buch über Sterbebegleitung gelesen, und fand eben die Abschnitte von diesem Beitrag hier darüber, was Angehörige tun können, sehr hilfreich.
Bei uns stellte und stellt sich immer wieder die Frage, was sollen wir tun und wie oft, bzw. ist es angebracht, öfters anzurufen etc, wo wir ja früher einen eher losen Kontakt hatten und wo ja die Kontaktaufnahme fast nie vom Kranken aus kam. Immer wieder hatten wir total ein schlechtes Gewissen, weil wir uns lange nicht gemeldet hatten, dann schickten wir wiedermal eine Karte, dann ein Mail, auf das sie aber meist nicht antworteten. Nun eben, vor 2 Wochen kam dann ein Mail von seiner Frau, ganz knapp, um zu fragen, ob wir uns treffen könnten letzen Sonntag. Wir gingen also hin, zuerst ins Schwimmbad nur mit der Frau und ihren Kindern. Das war sehr toll, auch weil wir da auch mal alleine mit der Frau reden konnten, die ja unglaublich unter der Situation leidet. Danach gingen wir zu ihnen nach Hause, und es war sehr schwer, unseren Freund so schwach anzutreffen. Wir wussten auch nicht recht, was reden (es waren ja auch immer die Kinder dabei und so).
Nun, wir glauben, sie wollen den Kontakt zu uns wirklich und schätzen es wirklich, wenn wir kommen. Die Frau des Freundes hat auch mal angetönt, wie sie sich z.T. isoliert fühlt. Sie selber ist sehr kontaktfreudig und hat viele Freundinnen; er war aber immer fast etwas "exzentrisch", ein wenig Einzelgänger, wenig Freunde, auch nicht so einfach im Umgang. Das machts für seine Frau so schwierig, dass er von sich aus praktisch keine engeren Freundschaften pflegt, das war auch vor der Krankheit schon so, nicht erst jetzt, wo er nicht mehr viel Kraft hat. Er schätzt aber die Gespräche mit uns, besonders mit meinem Mann schon, wenn wir dann da sind.
Wir möchten uns einfach nicht aufdrängen und sie aber auch nicht im Stich lassen, vor allem jetzt nicht, wo's so schlimm ist. Und wie du, Kirsten, geschrieben hast, wir fühlen uns so hilflos, wir können ja auch nichts anderes machen, als uns Zeit nehmen für die Familie und ein wenig reden etc.
Mein Mann findet es auch sehr schwierig, wenn er mit seinem Freund redet: er hat bisher kaum offen über den Tod etc gesprochen, mein Mann hat das Gefühl, nicht an ihn "ran" zukommen, bzw nicht zu wissen, wie's dem Freund wirklich geht, da der meistens z.B. über frühere Zeiten reden will etc. Das ist zwar auch gut und brauchts ja auch.
Kirsten, kannst du da etwas darüber sagen, wie ihr's bei eurem Vater erlebt, wie sich die Freunde verhielten und wie ihrs euch gewünscht hättet?
Sorry, es ist viel zu lang geworden, aber es tat mir gut, das alles mal loszuwerden!
Vielen Dank fürs Lesen...!
Liebe Grüsse
jomo
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