AW: Myriam
Hallo Brigit,
ich weiss nur zu genau, wovon du redest. Mir geht es doch oft genauso. Schlapp, keine Lust für irgendwas, das Geschirr kann auch mal nen Tag stehen bleiben. Zum Kochen oder Essen oft erst recht keine Lust. Staubsauger? Was ist das? Und wenn man dann noch sieht, wie gut es anderen geht, ist es ganz aus.
Dann wiederum Hektik. Putzen, waschen, kochen, aufräumen, alles wird erledigt. Fertig? OK, wieder auf den Stuhl gesetzt und gewartet, bis der nächste Anfall von Arbeitswut kommt. Wut im wahrsten Sinne des Wortes. Ein ständiges Auf und Ab, von Null auf Hundert und genau so schlagartig wieder runter auf Null.
Anstatt sich zu freuen, etwas getan zu haben, eine sinnvolle Arbeit erledigt zu haben, sitzt man regungslos herum und trauert. Warum ist ER/SIE nicht mehr da. Früher war alles einfacher, besser, schöner. Man ist wütend, weil er/sie nicht mehr da ist. Dazwischen schleicht sich dann, ganz heimlich, Trauer über den eigenen Verlust, schliesslich fühlt man sich ja selbst nur noch als halber Mensch. Man beginnt irgendwann sich selbst zu betrauern. Wenn dir das dann erstmal bewusst wird, beginnt ein neuer Abschnitt. Nun wirst du wütend auf dich selbst, weil DU nichts tust. Weil DIR was fehlt. Weil DU antriebslos herumhängst. Das macht dich wütend auf DICH.
Ich finde, das ist ein gewaltiger Unterschied zur Trauer in der ersten Zeit. In der ersten Trauer wird der oder die Verstorbene betrauert. Nun sind wir an der Reihe betrauert zu werden. WIR rücken langsam wieder in unseren Mittelpunkt unsers Denkens. Das ist der Moment, wo wir zumindest nicht mehr krumm und gebeugt am Tisch herumsitzen, sondern wir beginnen uns gerade hin zu setzen. Wir schauen uns um, beginnen zu suchen: "was ist noch da", nicht: "was fehlt".
Darauf lässt sich doch was ordentliches aufbauen, oder?
Nicht, dass jemand glaubt, ich hätte das hinter mir, würde darüber stehen. In keinster Weise. Ich sitze mitten drin und möchte manchmal nur zu gerne mit dem Kopf durch die Wand. So, wie ich manchmal den sprichwörtlichen "Tritt in den Hintern" bekomme, renne ich genauso oft auch gegen die Wand. Beides kann ziemlich weh tun.
Fühl dich mal einfach gedrückt,
Helmut
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