AW: Myriam
Mein Schatz,
die letzten Minuten in deinem Leben, das waren nicht die schlimmsten. Im Gegenteil, das Abschiednehmen war friedlich und klar. Schlimm waren die letzten Stunden zu Hause und in der Klinik. Die Gedanken, der Schmerz vor der Entscheidung.
Als ich dich das letzte Mal im Arm hielt, als du dich vertrauensvoll an mich schmiegtest und für ein paar Minuten Ruhe fandest, da wusstest du bereits was kommen wird. Du wusstest, dass ich die richtige Entscheidung treffen werde. Du hast diese Entscheidung mir überlassen, voller Vertrauen. Der grösste Liebesbeweiss, den du mir geben konntest. Das weiss ich heute. Damals war mir das nicht bewusst.
Als der Notarzt gerufen war, lief alles seinen Gang, war nichts mehr aufzuhalten. Von da ab war ich völlig ruhig, konzentrierte mich darauf, wie ihr geholfen wurde, hatte jede Kleinigkeit im Auge. Jetzt ging es einzig darum, dir zu helfen. Meine Gefühle standen weit im Hintergrund. Ich hatte etwas zu tun und das musste schnell und überlegt sein. Das anschliessende Gespräch mit dem Intensivarzt, da war keine Zeit für Gefühle, wie soll ich sonst etwas verstehen. Es könnte ja sein, dass ich nicht einverstanden gewesen wäre, mit dem was er mir sagt.
Est in deinem Zimmer bin ich wieder aufgewacht. Da hat es mich umgehauen. dich so liegen zu sehen, wohlwissend, dass du nie mehr aufwachst aus ihrem friedlichen Schlaf und auch, dass dieser Schlaf irgendwann trotzdem zu Ende sein wird. Da fühlte ich mich wie im Nebel, hat nur noch einen Fokus: dich! Verzweifelt, wütend, entsetzt.
Die letzten Minuten hingegen: Ruhe, Frieden, unendliche Weite, Liebe. "Geh, mein Schatz. Geh in Frieden. Lass los. Ich lasse dich auch los. Irgendwann sehen wir uns wieder."
Diese beiden Momente, als ich dich im Arm hielt und unsere letzten Minuten, die sind wichtig. Alles andere ist Nebensache. Sie geben mir Trost und Kraft.
Helmut
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