AW: Myriam
Guten Abend, meine Lieben,
heute Nachmittag hatte ich einen Anruf. Da hat sich jemand Sorgen gemacht. Jemand, der meine Beiträge sehr genau verfolgt und nicht nur die Wörter liest, sondern sich auch fragt, warum ich gerade jetzt dies und das schreibe. Dieses Gespräch hat mich doch ein bisschen in's Grübeln gebracht. Seit ein paar Minuten weiss ich warum.
Es geht mir darum, einen Neuanfang zu wagen. Ich denke, dazu muss zuerstmal die Vergangenheit bewältigt werden. Was gibt es da zu bewältigen? Den Verlust meiner grossen Liebe, die Umstände, unter denen es passiert ist. Die Erfahrung, dass das Leben tatsächlich endlich ist. Nicht aus der Ferne sondern hautnah. Zu erleben, wie ein geliebter Mensch langsam, unaufhaltsam dem Ende entgegen geht. Die Schmerzen, die Angst und die Sorgen, die ich mit ihr zumindest zum grossen Teil teilte, über eine lange Zeit.
Und genau das ist es doch, was ich eben beschrieben habe und ich könnte noch viele andere Dinge aufzählen. Wir sehen doch zurstmal nur das Negative. Wie soll ich einen positiven Anfang finden, wenn einzig negatives im Zentrum meiner Gedanken steht? Dabei ist es doch so, dass in etwas mehr als 36 Jahren, die ich meine Frau bei mir hatte, weitaus mehr Positives passiert ist als Negatives. Klar stehen zunächst mal die letzten beiden gemeinsamen Jahre im Mittelpunkt. Nur, 2 Jahre, das ist nicht alles. Ein kleiner Abschnitt in unserem Leben.
Das gemeinsame Leben auf Negatives reduzieren? Nein, das wäre Verat an Myriam. Das heisst nicht, sich nur auf die guten Zeiten zu konzentrieren und das andere vergessen. Es heisst vielmehr Beides in Erinnerung zu behalten. Ich möchte diese Zeit mit Myriam so in Erinnerung behalten, wie sie tatsächlich war: überwiegend heiter. Ich fahre nicht an die Orte, wo wir uns wohlgefühlt haben, um ihr nahe zu sein, sie zu suchen, sondern um mich selbst zu finden und dabei die Lektion zu verdauen, die mir das Leben erteilt hat, um für die Zukunft wenigstens einigermassen gerüstet zu sein. Ich tue das nicht auf Biegen und Brechen, das kann nicht gut gehen, und immer mit dem Bewusstsein, dass es auch wieder Rückschläge gibt.
Ich habe den Anfang erzählt und das Ende. Dazwischenliegen hunderte weitere Geschichten. Ich möchte etwas, was Vergangenheit ist und nie wiederkommen wird, in guter Erinnerung behalten. In meiner Nähe ist sie immer, egal wo ich bin. Sollte sie irgendwann ihr Zimmer beziehen wollen, so muss sie sicher sein, das ich sie dann nicht einsperren will.
Einen schönen Abend wünsch ich euch,
Helmut
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