Hallo Sputnikchen, hallo an alle

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ich möchte Dir liebe Grüße dalassen

...ja, und dann ganz gerne etwas dazu sagen. Also zu Dir, und zu Bibi.
Ihr habt ja seinerzeit Eure Mamas selber gepflegt, ja, rund um die Uhr die Betreuung und Pflege geboten, die selbst ausgebildetem Pflegepersonal so ziemlich alles abverlangen würde. Hinzu kommt ja nunmal eben die unumstößliche Tatsache, dass da die Mama lag, die man pflegen musste. Der Mensch, den man nie, nie gehen lassen will. Und ich glaube es gibt nicht viel vorstellbar Schlimmeres, als dieses Leiden und all das mit eigenen Augen mitansehen zu müssen. Man funktioniert einfach in dieser Zeit. Dieses Liebhaben, die Verbundenheit, die lässt einen Dinge bewerkstelligen und aushalten, die uns im Vorfeld, wo man versucht sich Situationen vorzustellen, unmöglich waren auch nur im Ansatz nachzuvollziehen. All das gelingt, - man schafft das.
Ja, und dann kommt die Zeit, wo man beginnt ein wenig zu realisieren, auch gefühlsmäßig, auch hier eben immer einen Schritt nachhängend, was man da eigentlich mit ausgehalten hat.
Aber jetzt zu hadern, und sich Vorwürfe zu machen....es ist alles unabänderlich. Und ich hadere manchmal auch, aber ich glaube man muss sich dann auch wieder selber ausbremsen, um einigermaßen vernünftig weiterleben zu können.
Gestern war ich bei Mamas Mann. Ich hoffe so sehr auf etwas Handgeschriebenes an mich. Keine "schriftliche Freisprechung" - einfach nur ein paar Zeilen, die mir Trost geben, in genau solchen Momenten wo ich beginne zu hadern. Aber selbst wenn ich diese Zeilen nicht finde, ja, im Prinzip weiß ich was Mama mir sagen würde.
Und Jasmin, schau...das mit dem Palliativdienst, dass diese Frau sich angemaßt hat etwas zu sagen, was wenn überhaupt Dir zugestanden hätte, weil Du ja wußtest wie offen und zugänglich, oder eben auch nicht, Deine Mama war - ich verstehe, dass Dir das irgendwo zu schaffen macht, aber willst Du damit Rest Deines Lebens derart hadern, dass Dich das innerlich kaputtmacht?! Sicher....auf Dinge die man träumt, die einen unterbewusst beschäftigen, da hat man kaum Einfluss, aber das was man beeinflussen kann, das sollte dann auch selbstgerecht begutachtet werden.
Ich finde Du bist Dir gegenüber ungerecht. Angenommen, nur einmal angenommen, Dein Kind würde die ganzen pflegerisch-liebevoll ausgeführten Maßnahmen eines Tages für Dich ergreifen, allein dieser Gedanke, den möchtest Du jetzt gar nicht weiterdenken. Nie, nie - das würdest Du denken. Ich bin ja auch Mama, geht mir ganz genauso. Aber wenn, angenommen es wäre so - würdest Du wollen, dass Dein Kind, nachdem es aus seiner Position heraus alles für Dich in seiner Macht stehende getan hat, derart mich sich hadert?
Zitat:
Dass sie mir sagte dass ich immer daran denken soll ihr zu essen zu geben... und dass sie ab diesem Tag nichts mehr gegessen hat und ich schier wahnsinnig wurde darüber.
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Was wäre gewesen, wenn sie gegessen hätte? Würde es Dir heute damit besser gehen? Sei mal ehrlich. Ich verstehe was Du meinst. Meine Mutter wollte nicht ins KH. Mit Händen u. Füßen hat sie sich gewehrt. Sie wollte nicht. Ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet. Ich habe mit ihr geschimpft. Ich habe vor ihr geweint, meine Verzweifelung unkontrolliert nach Außen gekehrt. Meinst Du das war richtig? Sie konnte ihre Beine nicht mehr steuern, sie war, durch die Metas im ZNS (aber das wussten wir ja da nicht), nicht mehr in der Lage ihre Blase alleine zu entleeren. Es ging soweit, dass sie zusammenbrach, wieder einmal, als sie im Begriff waren, sich zur Lungenbestrahlung aufzumachen. Der Taxifahrer kam, der informierte die Sanitäter. Meine Mutter wehrte sich, schimpfte mit ihrem Mann wie ein Rohrspatz, stieg nicht bzw. ließ sich nicht im Krankenwagen transportieren - nein, ab mit dem Taxi zur Bestrahlung. Erst dort konnten die Ärzte sie "überreden" dort zu bleiben. Es geht mir auch nicht gut damit, Jasmin. Aber es gibt 2 Möglichkeiten für mich, weiterzuleben. Einmal die, mit der unabänderlichen Tatsache zu leben, dass es so gelaufen ist und damit zu hadern, oder aber, ich frage mich, was Mama mir sagen würde. Ja, und dann erweitere ich diesen Gedanken, indem ich mich frage, was ich meinen Kindern sagen würde. Was würde ich ihnen sagen? Was Jasmin, würdest denn Du Deinem Kind sagen?
Jeder von uns ist in gewisser Weise traumatisiert. Viele schreiben mir, ich sei stark. Bin ich in keinster Weise. Ich bin traurig, ich weine oft und möchte am liebsten mit dem Fuß aufstapfen, weil mir mit das Liebste auf der Welt auf so ungerechte, unbarmherzige Weise genommen worden ist. Das alleine, das wiegt so schwer, dass mir das tiefe Durchatmen, welches ich seit Diagnosestellung vermisse, auch heute noch nicht möglich ist. Aber ich hoffe, dass es besser wird mit der Zeit. Und ich möchte weiterleben. Und ich weiß, genau DAS hätte meine Mutter mir gesagt, und das hat sie auch irgendwann. Als es ihr noch möglich war. Gibt es denn bei Euch nichts, was Euch auch mal positiv bestärkt. Jasmin, ich weiß doch, dass Deine Mama Dir einmal etwas so Schönes gesagt hat. Eigentlich - so wunderbar, dass Du auch davon einmal zehren musst, um selber aus der Traurigkeit zu kommen.
Oft denke ich auch den ein oder anderen Gedanken. Z. B. warum diese oder jene Maßnahme nicht eher erfolgte. Aber all das...das wirft mich nur zurück. Und ich kann mich nicht so zurückfallen lassen. Ich hab die Verantwortung für meine Kinder. Ich muss nach vorne schauen. Nicht zuletzt um meiner selbst Willen - aber auch für meine Mama. Denn nichts anderes hätte sie gewollt.
Ganz liebe Grüße
Annika