Thema: Myriam
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Alt 07.11.2009, 14:24
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Myriam

Liebe Ulli, liebe Romanoli,

ich habe noch eine andere Version der Geschichte. Eine Geschichte, mit einem anderen Ende, den man auch als Anfang, Übergang, Trost(?) bezeichnen könnte. Lange hab ich überlegt, ob ich ihn hier niederschreibe.

In etlichen anderen Threads hab ich mit verschiedenen Menschen über Krebs, Tod, Chance, was auch immer, zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Nicht immer konnte ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Was ja auch nicht schlimm ist. Im Gegenteil, jeder darf, sollte, muss darüber seine eigene Meinung haben.

Ich bin mir bewusst, dass hier auch Betroffene mitlesen. Diese Geschichte ist Myriam gewidmet.



Du siehst den Horizont. Ein schmaler, kaum zu sehender Streifen.

Du bist auf dem Weg. Es ist kalt und windig. Du bist allein, ansonsten alles menschenleer. Dein Blick geht Richtung Horizont, dort gehst Du hin. Der Sonne entgegen. Ein beschwerlicher Weg, das Wetter ist selten so schön. Oft schlagen die Wellen bis zur Deichkrone, wollen Dich ergreifen und mit sich reissen. Ein Sturm tobt über den Deich, versucht Dich umzuwerfen, Dich zu Boden zu drücken oder gar vom sicheren Deich zu blasen. Er schüttelt Dich, Du kannst Dich nur mit äussester Not halten. Manchmal fällst Du auch zu Boden und kannst Dich nur mühsam wieder aufrichten. Durchnässt, zitternd vor Kälte, verzweifelt Halt suchend.

Du ist alleine. Niemand ist da, der Dir helfen kann. Wenn die Wolken verflogen sind, die See und der Sturm sich beruhigt haben, machst Du dich weiter auf den Weg zum Horizont. Von dort ist Dir die Sonne ein Antrieb, ein Versprechen. Bis zum Ziel ist immer noch ein weiter Weg. Der nächste Sturm, das nächste Wasser greift nach Dir. Manch anderer verliert seine Kraft, der wird mitgerissen. Nicht so Du. Es ist Dir nicht vergönnt, den asphaltierten Weg auf der sicheren Seite des Deiches in dem bequemen Fahrzeug benutzen zu können. Du hälst durch bis zur Erschöpfung. In den Pausen zwischen den Stürmen kannst Du Dich immer wieder erholen und neuen Mut fassen, Du zweifelst nicht an dem Versprechen der strahlenden Sonne.

Irgendwann hast Du Dein Ziel ereicht. Den Horizont, dort wo die Sonne scheint. Dort kommen Dir Menschen entgegen, nehmen Dich in ihre Mitte auf, geben Dir Schutz und Wärme. Du fühlst dich geborgen und bist glücklich, dass Du deinen Weg geschafft hast, trotz aller Gefahren. Diese Gefahren und auch der Grund für Deine Wanderung sind nicht vergessen, jedoch zeitlos.

Trotz dieser Gefahren bist Du immer wieder aufgestanden. Selbst die kleinsten Sonnenstrahlen gaben Dir Mut und Kraft. Sie lehrten Dich, was Leben wirklich bedeutet. Vieles aus Deiner Vergangenheit war winzig klein und unwichtig geworden. Du spürst die Wärme der Unendlichkeit, die Dich umgibt. Du bist im Einklang mit Dir und der Ewigkeit.

Du steigst auf den Deich und schaust zurück. Der Deich ist nicht leer. Viele Menschen sind dort unterwegs. Ihnen erzählst Du von der Sonne, dem lohnenden Ziel, dem Versprechen. Du gibst ihnen die Kraft und den Mut für ihren Weg. Erzählst ihnen, dass sie immer wieder unterwegs auf Menschen treffen werden, die ihnen Schutz, Wärme und eine sichere Rast bieten.

Du schenkst mir das Vertrauen, dass diese Sonne niemals untergeht.


Blick zurück
(Herbert Grönemeyer, "Mensch", 2002)

Man glaubt, der Regen tut einem nichts
Der Sommer liegt hell auf dem Gesicht

Blick ins Licht, Blick ins Licht, ein Blick zurück


Sommerträume liegen vor der Tür

Lebensfreude ist Teil der Kür

Sommerzweifel werden weggewischt

Mit einem Blick ins Licht, mit einem Blick ins Licht


Ich kenn meinen Namen, ich kenn mein Ziel

Du gibst mir Sicht

Nicht zuwenig, nicht zuviel

Nur ein Stück, mit Dir läppert sich das Glück


Weisst, Du wirst nicht weise, wirst nicht reich

Der Sommer ist Deine Lieblingsjahreszeit

Der goldene Schimmer, der auf Deinen Wimpern liegt

Ist, was Dir genügt, weil Du Dir genügst


Sommerfelder sind bestellt

Sonnenblumen werden blasser gelb

Es bleibt der Krieg

Einarmiger Bandit

Der Hoffnung gibt und Tragik stiehlt

Macht den Herbst zu, es zieht

80 Kalender lang, 80 Kalender lang

Du bist das Beispiel für Zufriedenheit


Du glaubst der Regen tut Dir nichts

Der Sommer liegt hell auf Deinem Gesicht

Blick ins Licht, Dein Blick ins Licht, Dein Blick zurück

Blick ins Licht, Dein Blick ins Licht, Dein Blick zurück



Alles Liebe

Helmut
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Geändert von HelmutL (08.11.2009 um 22:14 Uhr) Grund: Redaktionelles
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