Liebe Bea,
was eventuell hilfreich sein könnte für das Gespräch mit dem Onkologen, ist ein Zettel mit Stichpunkten, den Du Dir machst. Einfach in die Tasche stecken, und wenn Du im Gesprächsverlauf (da verliert man nämlich oft den Faden, weil die Gesprächsrichtung ja auch variiert) merkst:"

...da war doch noch was???", dann hast Du den Wegweiser in´ner Tasche. Das ist beruhigend.
Ja, das mit der Kommunikation mit den Ärzten ist eigentlich sehr wichtig, und bleibt ganz oft auf der Strecke. Ich war auch wissbegierig und wollte im Bild sein. Was nutzt es mir, wenn ich mich in "falsche Hoffnungen" verliere, und dann von der Realität ein einem Tempo eingeholt werde, das niederschmetternd ist. Ne...das wollt ich nie.
Wovon ich ausgehe ist, dass man alles vom Allgemeinzustand Deines Papas abhängig machen wird. Und ich finde es (wie sag ich das jetzt am besten

), wenn ganz objektiv entschieden wird, was Nutzen bringt, und was quasi nur kontraproduktiv wäre. Und wenn ich lese, dass Dein Papa zunehmend an Gewicht verliert, und selber auch gar keine Chemo möchte, dann denke ich, ist das ein wichtiger, unbedingt einzubringender Bestandteil des kommenden Arztgespräches.
Als bei meine Mutter die Symptome schlechter wurden, da fuhr ich am Nachmittag vorbei, weil Mamas Mann mich sozusagen alarmiert hatte. Sie musste ja in der Nacht mitunter bis zu 30 x zur Toilette, weil sie die Blase eigenständig nicht mehr entleeren konnte - aber das wußten wir da ja so noch nicht) und konnte diesen Weg gar nicht mehr alleine bewältigen. Ich werd nie vergessen...sie saß auf der Bettkante, vom gesamten Eindruck, auch im Wesen verändert, und ich redete auf sie ein. Im Guten, dann mit Nachdruck - wir zankten uns. Und ich sagte:"Mensch Mama, das geht doch
so nicht. Da stimmt doch etwas nicht. Wir müssen zum Krankenhaus. Wenn etwas dort ist (im Kopf, so dachte ich ja da), dann müssen wir was tun!" Sie erwiderte:"Ja und Annika?! Und wenn dort was ist...was ist denn dann? Was ist dann? Wieder Chemo? Und dann?" In dem Moment hab ich das gar nicht begriffen. Sie hatte das längst

. Ich sag ja...bin die ganze Zeit immer einen Schritt hinterher hinter der Scheiss-Krankheit. Mitunter auch beim Begreifen.
Wenn Dein Papa sagt, dass er Weihnachten nicht mehr erleben wird, dann ist das ganz schlimm und schwer für Dich. Und es tut so weh. Aber guck, Du machst alles richtig. Du bist für ihn da, Du gibst Deinem Papa Beistand und er weiß, dass er sich auf Dich verlassen kann. Und auch wenn Du Angst hast, oder traurig bist - man muss nicht immer stark sein. Das hängt gewiss auch von dem jeweiligen Verhältnis ab, das ist ja auch immer individuell, aber ich konnte mit Mama auch "gut" traurig sein oder mal weinen. Worum ich heute, im Nachhinein gesehen froh bin, und was dem ein oder anderen vielleicht befremdlich vorkommt, war Folgendes. Als seinerzeit die Diagnose kam, bin ich so tief ins Loch gefallen, dass ich gedacht habe, wenn Mama mal nicht mehr ist, dann möchte ich auch nicht mehr sein. Damit verliert mein Leben jeden Inhalt, und ich will dann auch gar nicht mehr sein. Und Mütter, die fühlen sowas ja. Und das hat meine Mama natürlich bestimmt irgendwo belastet. Und ungefähr 2 Monate vor ihrem Versterben, da hatten wir mal ein sehr intensives und inniges Gespräch. Und ich hatte irgendwie auch erkannt, dass mein Leben weitergehen würde, und ich es auch wollte. Und ich habe ihr das gesagt. Ich sagte ihr:"Noch vor ´nem halben Jahr Mama, da hätt ich selber nicht mehr leben wollen, wenn Du mal nicht mehr bist. Heute, das will ich Dich wissen lassen, ist das nicht mehr so. Du musst Dir um mich keine Sorgen machen!" Sie erwiderte:"Ja, dann ist ja gut Kind."
Wir können viele Dinge nicht ändern, aber das was wir tun können, das tun wir. Und ich glaube das ist auch unsere Rolle, wenn jemand krank wird. So wie die Eltern uns von Kleinauf an, gehegt und gepflegt haben, so geben wir heute davon ein Stück zurück. Ach Bea, manchmal wünscht ich, ich könnte zaubern.
Ich hoffe, dass der Onkologe eine Option in der Hinterhand hat, die Deinem Papa Zeit mit guter Lebensqualität gibt. Das wünsche ich Euch von ganzem Herzen.
Liebe Grüße
Annika