...nach der Lungen-OP
Liebe Maria,
schön, dass Du Dich hier mal wieder gemeldet hast. Auch mir tut es sehr leid, dass jemand aus Deinem Freundeskreis verstorben ist. Gunter schreibt von Päckchen, die manch einer zu tragen hat. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Du kein Päckchen trägst, sondern einen ganzen LKW voll mit Paketen hinter Dir herziehst. Deine Mutter reagiert genauso wie meine Mutter, als klar war, dass meinem Stiefvater nicht mehr zu helfen ist. Sie stürzte sich in Arbeit, wollte keine Hilfe, niemandem zur Last fallen. Auch meine Mutter hat sich damit gesundheitlich völlig ruiniert. Das ist bis heute so geblieben. Sie ist auf 48 kg abgemagert (bei 1.70 Grösse) und sie kann essen, was sie will, da kommt kein Gramm dran. Wahrscheinlich durch innere Unruhe, die halt immer noch da ist und auch wohl noch lange bleiben wird. Auch die Sache mit dem Ausschimpfen. Meiner Mutter, die ein ruhiger und besonnener Mensch ist, sind auch dann und wann schon mal die Nerven durchgegangen. Sie konnte einfach nicht mehr. Ich finde es eigentlich sehr mutig von Deiner Mutter, dass sie mit 73 Jahren noch einmal ein völlig neues Leben begonnen hat. In diesem Alter umzuziehen ist bestimmt ganz schön schwierig und die Beweggründe waren mit Sicherheit sehr heftig. Vielleicht wollte sie auch raus aus der Umgebung, in der sie mit Deinem Vater gelebt hat. Auch das Geld ausgeben ist z.Zt. das liebste Hobby meiner Mutter. Aber auch dies hat seine Gründe. 22 Jahre hat sie mit ihrem Mann sparsam bzw. geradezu geizig gelebt. Er verteilte das Geld und sie musste "Bitte, bitte" machen. Er gab ihr im Urlaub 2 DM für eine Tasse Kaffee, die 1,99 DM gekostet hat und hat sie dann gefragt, als sie zurückkam, wo der Pfennig wäre. Nun geniesst sie (das erste Mal nach langer langer Zeit), dass sie Geld ausgeben kann ohne jemanden zu fragen und ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Maria: du siehst, meine Mutter ist zwar 14 Jahre jünger als Deine Mutter, aber es gibt da jede Menge Parallelen. Ich denke, dass es Dir sehr weh tut, zusehen zu müssen, wie Deine Mutter sich abrackert, aber zwingen kann man sie auch nicht. Ausserdem glaube ich, da es Deinem Stiefvater so schlecht geht, käme ein Umzug wohl kaum in Frage. Sei ganz lieb gedrückt, kuschel Dich auf die Couch mit dem grossen Herzkissen und versuche mal tief durchzuatmen.
Liebe Grüsse
Bee
|