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Alt 16.01.2010, 17:24
Michael83 Michael83 ist offline
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Standard AW: Meine Mutter nun auch :(

Erst einmal danke an euch, alle. Es tut unwahrscheinlich gut, wenn man sich seinen ganzen Kummer von der Seele schreiben kann und ein offenes Ohr, bzw in dem Fall Auge findet.

Hier nun mal der aktuelle Stand:

2 Tage des blanken Horrors...

Wie ich bei meinem letzten Beitrag schon schrieb, erhielt ich am Dienstag von meiner Mutter den Anruf, dass die Ärzte ihr nicht mehr helfen können. Vorgestern dramatisierte sich das ganze nun noch ein wenig mehr. Es war Abends, so gegen 19 Uhr und das Telefon klingelte. Als dort die Nr. vom Krankenhaus auf dem Telefondisplay eingeblendet war, wusste ich schon das irgend etwas nicht stimmen konnte. Die Schwester am Telefon sagte mir, dass es meiner Mutter erheblich schlechter gehen würde und ob ich nicht zu ihr fahren könnte. Wäre ich selbst gefahren, wäre ich wohl keine 100 Meter weit gekommen, ohne einen Unfall zu verursachen, so gezittert habe ich vor Angst um meine Mutter. Gott lob bot sich meine Nachbarin an, mich und meine eine Tante (die ehemalige Schwägerin meiner Mutter) ins Krankenhaus zu fahren um zu sehen was los ist. Ich rechnete eigentlich fest damit, dass meine Mutter schon nicht mehr am leben sei, denn oft hatte ich schon gehört, dass Familienangehörige über eine Verschlechterung des Patienten informiert wurden und dieser inzwischen verstarb.
Wie sich heraus stellte war meine Mutter noch am leben, wenn man das was sich unserem Auge da bot noch Leben nennen konnte. Zugedröhnt mit Morphium sah sie aus, wie eine Drogensüchtige, nach dem aktuellen Schuss. Die Augen halb unter die Augenlider geschoben, der Mund offen und Kurzatmigkeit waren vorhanden. Sprechen konnte sie kaum noch und das was sie da von sich gab waren entweder mehr Gebrabbel als Worte, oder völlig sinnloses Zeug. Zwischendurch kamen dann auch mal so etwas wie lichte Momente und sie sprach - wenn auch leicht unverständlich - normal. Sie erkannte uns, sagte Dinge wie, dass sie bald sterben wird und das sie da hin will wo ihre Mama und ihr Papa (also meine verstorbenen Großeltern) sind. Für mich brach erneut eine Welt zusammen, als ich das sehen und hören musste.
Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte bat ich die Krankenschwester darum die Geschwister meiner Mutter (bin Einzelkind, daher gibt es bis auf mich und ihre Geschwister keine weiteren näheren Blutsverwandte) über den aktuellen Zustand informieren zu können. Was ich jedoch am Telefon erleben musste war ganz und gar nicht schön. Ihre Brüder (die einzige Schwester starb vor ein paar Jahren an einem Gehirntumor) wirkten eher ungerührt, hatten sie, abgesehen vom jüngsten und seiner Frau auch schon alles versucht um der Konfrontation mit der Krankheit und Tod der älteren Schwester aus dem Weg zu gehen. So wunderte es mich auch nicht, dass - wieder abgesehen vom jüngsten Bruder und seiner Frau - sie auch dieses mal alles daran setzten meiner erkrankten Mutter aus dem Weg zu gehen, um bloß nicht den eigenen Seelenfrieden zu gefährden. Ihr ältester Bruder reichte sofort den Höhrer an seine Frau weiter, ohne überhaupt danach zu fragen wie es meiner Mutter geht. Vielleicht gab es ja wieder andere Dinge, wie die Krebserkrankung seines einen Arbeitskollegen. Meiner Mutter hatte er vor ein paar Wochen am Telefon jedenfalls erzählt gehabt, dass er zu eben jenem Arbeitskollegen möchte um ihn zu besuchen. Toll... zu anderen Leuten kann er hinrennen, aber bei der eigenen Schwester wird der Schw... eingekniffen. Den Groll, den ich gegen diesen Menschen derzeit habe lässt sich nur schwer in Worte fassen, ohne dabei zu diversen Worten zu greifen, die auch hier nicht gern gesehen sein dürften. Der Halbbruder meiner Mutter nahm die Sache übrigens auch eher gelassen hin. Und nein, auch er machte nie Anstalten sich mal über den aktuellen Zustand seiner Halbschwester zu informieren.

Wie dem auch sei.... Die Krankenschwester bot an, dass einer von uns bei meiner Mutter bleiben könne. Schließlich wäre es möglich, dass sie in der Nacht für immer die Augen schließt und da ist es doch ganz schön, wenn man als Patient den Weg nicht alleine gehen muss. Obwohl es mir nicht einfach fiel das ganze nun alleine durch zu stehen willigte ich schließlich ein. Die Nacht war grausam. Ich selbst habe keinen Schlaf gefunden und stets die hand meiner Mutter gehalten und mit ihr geredet. Besonders schlimm war es mit anzusehen, wie ab und zu mal die Atmung für ein paar Sekunden ausfiel und man glaubte sie habe es nun endlich geschafft, dann aber wieder reflexartig nach Luft gerungen wurde und die Atmung wieder "normal" einsetzte. (In "" wegen der Kurzatmigkeit)
Zwischendurch wurde sie dann auch mal wieder wach, versuchte etwas zu erzählen, doch das wenigste konnte man davon verstehen. Im Prinzip lief es darauf hinaus, dass ich ihr Fragen stellte, ob sie etwas gebrauchen könnte und die mir dann mit ja oder nein antwortete. Am nächsten Tag ging es dann einigermaßen. Meine Mutter schlief zwar immer noch die meiste Zeit, doch wenn sie wach wurde konnte man sich einigermaßen mit ihr unterhalten. Sie erzählte auch nicht irgendwelchen Unfug, oder redete ständig vom Sterben, sondern wollte wissen wie es unserem Hund geht, etc. Besuch gab es übrigens auch. Und zwar von meiner Tante väterlicherseits, die mich auch schon am Vortag begleitet hatte und sich auch sonst rührend um meine mutter sorgte. Von der Blutsverwandtschaft ließen sich (abgesehen von mir, da ich ja eh da war) ganze.... *Trommelwirbel* 0 Personen bei meiner Mutter blicken. Nein, auch angerufen wurde von deren Seite aus nicht. Die kommende Nacht, also die von gestern auf heute war dann wieder alles andere als angenehm. Um genau zu sein empfand ich sie schlimmer als die Nacht davor. Wieder dieses grauenhafte Wechselspiel zwischen Atemaussetztern und Kurzatmigkeit, dann zwischendurch wach. Wenn sie wach war waren ihre Worte ohne jeden Zusammenhang, oder sie sprach davon bald sterben zu müssen und bei ihren Eltern zu sein. Auch aufmunternde Worte (Ich wollte ihr einfach Mut machen, anstatt in das selbe Horn zu blasen wie sie) kamen bei ihr scheinbar nur teilweise an. Mal meinte sie, sie will kämpfen um weiter zu leben, dann wieder das ganze Gegenteil. Es war ein einziger riesiger Alptraum, den ich niemanden wünsche. Es ging soweit, dass ich selbst kurz vorm Nervenzusammenbruch stand und mir die Nachtschwester erst einmal ein starkes Beruhigungsmittel gab, sodass ich ein klein wenig zur Ruhe kam. Sie rief dann meine Tante an und man einigte sich darauf, dass diese mich am nächsten Tag (also heute) bei der "Wache" ablöst, damit ich nicht noch ganz abklappe und erstma etwas neue Energie tanken kann.

Das ganze geschah dann heute mittag so gegen 11 Uhr. Besuch gab es bis dahin von ihren Geschwistern keinen. Auch wurde wieder nicht angerufen. Ob sich das noch im Lauf des Tages ändert weiß ich nicht, glauben tu ich jedenfalls nicht daran. Meine Mutter lebt übrigens immer noch, doch wie lange noch, das weiß nur Gott. Laut Aussage der Krankenschwester kann es in wenigen Minuten vorbei sein, in ein paar Stunden, oder auch erst in ein paar Tagen. Mir selbst geht es auch eher schlecht. Mein Kreislauf spielt leicht verrückt und mir kommen allein beim tippen dieser Zeilen ständig die Tränen.
Warum kann das nicht alles nur ein böser Traum sein, aus dem ich bald aufwache?

LG:
Michael
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