Thema: Stammtisch
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Alt 17.01.2010, 21:09
Blue Blue ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Hallo zusammen,

Still ist es hier geworden. Viel Zeit ist vergangen und ich hoffe, viele haben ihre Art und Weise gefunden, mit dem erlebten umzugehen. Nein, nicht vergessen, „nur“ damit zu leben – bei mir war es ein langer Weg.

Für das letzte Jahr hat mir Mani alle Farben des Regenbogens gewünscht. Anfang des letzten Jahres dachte ich mir, die Insolvenz hätte ich nun doch nicht gebraucht – ab dem Frühling hatte ich all die schönen, bunten Farben des Regenbogens und die Erkenntnis, mir hätte nichts besseres passieren können als die Insolvenz, hat sie mir doch Achim „geschenkt“. Den langen, langen Urlaub habe ich genossen, so gut es ging, mit sehr viel Zeit für mich und meine Gedanken. Im Herbst nochmal die Schulbank gedrücken – und ja doch, es ging noch. Die Adventszeit habe ich in vollen Zügen genossen, hatte ich doch die Zusage für eine neue Arbeitsstelle – befristet, aber ich habe etwas Neues. Weihnachten etwas ganz anderes gemacht, abgedüst, verwöhnen lassen und Neues entdeckt. Für mich war es ein gutes Jahr, klar auch Tiefen drin aber das gehört zum Leben, hat immer dazu gehört.

Die 2. Woche durfte ich jetzt wieder arbeiten und wieder stürmt viel Neues auf mich ein. Ich erkunde das Amt, bringe die Menschen um mich rum zum lachen und eine Kollegin hat Tränchen weggeblinzelt als ich ins erzählen kam. Ob sie alle sich an mich gewöhnen können?

Heute Nachmittag war ein kleines Menschenkind zu Besuch und beim Grimassen ziehen und rumblödeln wurde mir bewusst, wie sehr so ein kleines Menschenkind trösten kann, alleine durch Gebabbel.

Zeitreise heute morgen beim Frühstück bei Mutsch, seltsam mal wieder. Tränchen vergossen um das was war, um das was kaputt gehen kann und Achim saß neben mir. Es hat sich verändert das Miteinander mit Mutsch. Wir sehen uns deutlich weniger und doch sind wir wieder so herzlich, so lieb und gefühlvoll wie in jungen Jahren. Es ist nicht nur die Zeit die man miteinander verbringt, es ist die Intensivität. Seit über 20 Jahren habe ich eine Freundin die ich 3, 4 mal im Jahr sehe und doch liegen wir uns dann immer in den Armen als hätten wir uns gestern erst gesehen. Nichts fremdes zwischen uns und doch tatsächliches, ehrliches Verstehen.

Welche Farbe hat die Enttäuschung? Ist die Farbe im Regenbogen mit dabei? Ich hatte mehr als genug im letzten Jahr, mit jeder Absage machte sich Enttäuschung breit. Kommt die Enttäuschung von der Erwartung? Dann habe ich zuviel erwartet. Kann ich Erwartungen erfüllen? Ich möchte und werde keine Erwartungen erfüllen – habe es immer wieder gesagt. Ich kann nur das erwarten, was ich selbst zu geben bereit bin.

Fast 10 Monate stecke ich nun in diesem anderen Leben. In dieser Zeit ist sehr viel in mir passiert, oft hätte ich mich austauschen wollen. Es war mir nicht klar, wie sehr die Krankheit von Jürgen unser Leben beeinflusst hat, wieviel uns genommen wurde. Spielerisch leicht haben wir das Erschrecken, die vielen Sorgen und Einschränkungen in unser Leben eingebaut, eben weil es unser Leben war. Vielleicht hätte das eine oder andere besser gemacht werden können – und doch war ich immer mit ganzem Herzen dabei – in dem Moment ging es nicht besser.

Die Wurzeln von diesem „rund“ sein, dieser Gleichklang jetzt in mir liegen in dieser Zeit, in den fast 11 Jahren Ausnahmezustand. Keinen Tag vom Ausnahmezustand möchte ich vermissen und ich bin dankbar, daß in meinem Lebensbuch auch dieser Weg mit Achim steht. Ich weiß nicht, was dieses Jahr uns schenkt, weiß nicht, wie oft ich enttäuscht werde, ob ich zuviel erwarte und zu wenig gebe. Ich weiß nur, auch dieses Jahr werde ich mit ganzem Herzen leben, mit Freude und Kummer, mit Lachen und Weinen. Werde auch in diesem Jahr weiter mitlesen, auch wenn ich wenig zu sagen habe, eben weil mich das Leben wieder zurück hat.

Das meiste was in einem Leben passiert sucht man sich nicht aus, es passiert, Urknall, oder was auch immer. Es braucht Zeit um wieder heiler zu werden, es braucht liebe Freunde die einen weitertragen, mitziehen, wieder auf die Beine stellen. Ich wünsche Euch liebe Menschen an Eurer Seite, mit nie nachlassendem Verständnis für alle Lebenslagen.

Grüßle
Bruni
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