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Alt 23.01.2010, 14:47
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Meine Mama: nichts ist mehr wie es mal war. Und die Welt steht still.

Liebe Thessa,

tu Dir die Ruhe an. Die PN hat Zeit - sie läuft uns nicht weg.

Und wenn Dir das Lesen u. Schreiben hier nicht gut tut momentan, dann lass es so lange sein, bis Du wieder weißt: jetzt geht´s.

Ich bin auch oft traurig in der letzten Zeit, überwiegend an den Abenden. Eine gewisse Hoffnung habe ich gehabt, dass es, wenn die Tage heller werden, der Frühling Einzug hält, auch das Seelendunkel etwas besser wird. Gestern habe ich aus dem Fenster geschaut, und irgendwie war gestern, ich bin sicher ihr wisst was ich meine, schon ein wenig davon zu spüren, dass sich das Wetter bald ändert. Es war ein Vorgeschmack auf den Frühling. Ich freue mich nach wie vor darauf, habe aber begriffen, dass der Frühling wieder eine neue Episode in meiner Trauer darstellt. Auch wieder Erinnerungen, Dinge, die man mit der gemeinsamen Zeit mit Mama in Verbindung bringt. Ich hoffe nun nicht mehr, dass es irgendwann von alleine besser wird. Ich hab glaube ich verstanden, es liegt an mir, damit leben zu lernen.

Liebe Thessa, wenn ich lese, dass Du so genau die Zeit von vor einem Jahr Revue passieren lässt, dann bewundere ich Dich in gewisser Weise für die damit verbundene Kraft. Es ist furchtbar anstrengend, sich so zurückzuversetzen, das ganze Leid erneut zu erleben. Ich kann und will das nicht. Ich breche ab. Ich mache quasi einen Gedankenschnitt. Frag mich nicht wie ich das mache, aber (noch) funktioniert das. Ich versuche mir ganz oft Dinge vor Augen zu führen, die viel weiter in der Vergangenheit liegen. Situationen, in der die Welt noch gut war.

Ich vermisse ebenfalls Mamas Stimme, ihren Zuspruch, ihren Rückhalt. Kürzlich, da habe ich mich mal gefragt, was eigentlich der größte Verlust für mich ist. Also was mir am allermeisten fehlt. Und ich weiß, es ist diese bedingungslose Liebe, dir nur ein(e) Mutter/Vater in der Lage ist einem Kind zu geben. Das fehlt mir am meisten. Ich war nicht einfach in meiner Jugendzeit, hab viele Probleme gemacht. Heute denke ich oft, wenn meine Kinder so wären...ich würd durchdrehen. Und wenn ich darüber nachdenke, wie meine Mama mich immer wieder aufgefangen, mir verziehen und mich gestärkt hat, mit all meinen Macken...ja..das ist einfach besonders. Und Thessa, diese bedingungslose Liebe, ich weiß...das ist jetzt ein ganz ganz schwacher Trost, weil sie sich ja gegenwärtig nicht mehr "erneuern" kann durch aktuelle Geschehnisse und Begegnungen und das Beisammensein - aber diese bedingungslose Liebe, die bleibt ja für immer. Bis zum Schluss hat meine Mama mich erkannt. Meine Mama, die ihren eigenen Mann nicht mehr erkannt hat, ihn teilweise mit Papa verwechselt hat, aber mich, ich durfte sie auch immer berühren, mich hat sie erkannt. Ich liebe sie, und das nimmt mir keiner. Und ich weiß, dass auch ihr das nicht genommen wurde.

Liebe Thessa, kannst Du den "Gedanken-Cut"? Kannst Du aufhören, kannst Du die Traurigkeitsgedanken unterbrechen? Es hat was, wenn man sich ausweinen kann, denn das tut gut. Ich bilde mir ein, wenn ich feste und aus Trauer weine, dann schmeckt und riecht es beim Ein- u. Ausatmen auch anders. Also irgendwie ist man froh, den "Ballast" los zu sein. Aber wenn man zuviel weint, dann schlägt diese "Seelen-Reinigungs-Aktion" irgendwie um und verliert die wohltuende Funktion. Versuch Dich selber an den Haaren da rauszureißen. Ich weiß...das ist sauschwer, aber ich weiß auch, dass es sonst nur immer immer schlimmer wird.

Schlimme Mama-Träume habe ich auch unterdessen mehrfach gehabt. Ein Traum war so furchtbar....ich träumte, meine Mama sei schwer krank. Unheilbar krebskrank . Und so verworren, aber doch "klar" wie Träume manchmal sind, ist sie quasi auf wundersame Weise genesen. Sie war wieder da. Gesund, in alter Frische...meine Mama...wieder ganz die alte Mama. Ja, um, einen Sekundenbruchteil später im Traum, erneut zu sterben . Es ist belastend. Man hat viel miterlebt und mitgelitten, und nun haben wir die Zeit, uns um uns zu kümmern. Die ganze Zeit hat man funktioniert, sich zusammengerissen, weil es dem anderen viel schlechter ging. Neben dem Seelenkummer, war ja dort das körperliche Gebrechen, die Verschlechterung des Gesundheitszustandes, etc. Nun sind wir "alleine", und können auf uns schauen. Aber auf uns schauen, heißt für mich auch, nach vorne zu blicken, und nicht nur zurück. Thessa...genau das, da bin ich sicher, das hätte Dir Deine Mama gesagt, oder?!

Der Jahrestag wird, so denke ich, immer ein intensiver Tag sein. Aber er muss nicht nur intensiv traurig sein. Ich würde mir für Dich wünschen, dass Du an dem Tag auch Punkte findest, an denen Du Dich wieder hochziehen kannst. Und wenn Du hier in der Ecke bist...dann schauen wir mal, dass es mit dem Kaffee klappt, ja?! Ich sende Dir eine Umarmung, und ich hab alle Zeit der Welt, was die PN angeht. Nur die Ruhe!

Liebe Dani,

ja - Rewe. Ich war oft mit Mama dort. Was haben wir häufig gelacht. Meine Mama war ein Typ, der gerne gekauft, und auch gerne gegessen hat . Es gab Zeiten, da ging es ihr noch besser, wo sie den Einkaufswagen dermaßen vollgestopft hat, dass wir echt die Kasse blockiert haben. Wenn ich bestimmte Dinge sehe (Ahoi-Brause ), die ich früher nie gekauft habe, so kaufe ich sie heute manchmal, als wenn ich so ein Stück der Zeit in den Einkaufswagen packen könnte.

Es ist schwer, und ja, die Abende, die haben es in sich. Musik, also traurige Platten, oder Stücke, die mich sehr intensiv an Mama erinnern, kann ich nur schlecht hören. Gibt Tage, da mag ich heulen, weil ich merke es muss raus. Da höre ich solche Platten dann sogar mal zu Ende. Aber häufig schalte ich ab. Momentan bereitet mir auch der Besuch des Grabes am Friedhof so einige Probleme. Nächste Woche fahre ich hin. Ich weiß, dass das schwer wird, aber ich hab auch Sehnsucht.

So Ihr Lieben, nun werde ich ein wenig durch die Fäden lesen.

Ich wünsche Euch allen hier, ein annehmbares Wochenende.

Annika
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