AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen
Hallo Verena, hallo zusammen,
ja, es geht im Moment wieder aufwärts. Der fünfte Chemozyklus hatte bei mir kräftemäßig ziemlich eingeschlagen. Tagelang schlapp und müde, tagsüber schlafen ohne Erholungseffekt, dazu dann das starke Kribbeln und Taubheitsgefühl in den Füßen und Zehenspitzen. Oft fühlten sich die Füße nachts kalt an und waren es nicht. Aber am meisten hatte mir diese körperliche Schwäche zuschaffen gemacht, und trotzdem habe ich mich jeden Tag dazu gezwungen, eine Runde spazieren zu gehen oder Einkaufen zu gehen, um nicht allzu sehr in ein Tief abzurutschen.
Nun am zehnten Tag nach der letzten Infusion fühle ich mich wieder sehr viel besser.
Am nächsten Dienstag bin ich wieder in der Praxis zur Blutentnahme, dann wird auf die Leukozyten geschaut, und wenn sie gut sind, geht es mit dem sechsten und letzten Chemozyklus weiter. Ich rechne aber eher damit, dass ich noch eine Woche Erholung bekomme, so war es bisher immer.
Im Moment spüre ich sehr deutlich, dass ich in eine neue Krankheitsphase eintrete. Die letzten Monate habe ich im sicheren Hafen der Chemotherapie gelebt, die den Tumor und die Metastasen kräftig zurückgedrängt hat. Die Aussichten auf eine Komplettremission sind nicht schlecht.
Aber wenn bald die letzte Chemo zu Ende ist, dann beginnt das große Zittern: Wie nachhaltig ist die erzielte Besserung? Wird es einen Rückfall geben? Und wenn ja, wie gehe ich damit auch seelisch um? - Damit sind sind viele Fragen verbunden. Wie will ich weiterleben falls es eine Komplettremission gibt und eine lange darauf folgende rezidivfreie Zeit? Aber auch der Gedanke an den eigenen Tod tritt wieder vermehrt ins Bewusstsein, jedoch anders als in der Schockphase nach der Diagnose. Der Gedanke an den Tod ist zunehmend mit einem Gefühl von Geborgenheit verbunden, und mit einem "Reisegefühl". Er schreckt mich nicht mehr so sehr wie am Anfang.
Besonders berühren mich im Moment Krebsfälle in meiner näheren Umgebung. Zwei frühere Studienfreunde sind bösartig erkrankt, mit denen ich früher endlos lange diskutierte, Doppelkopf spielte. Ein Mann mit Kehlkopfkrebs aus meiner Gemeinde, den ich einige Wochen vor meiner Erkrankung beistand, ist vergangene Woche beerdigt worden. Auch das tat mir sehr weh. Und da kann und will ich auch nicht mehr die Tränen tapfer zurückhalten.
Es ist jetzt wie das Verlassen des sicheren Hafens, der bisher Schutz bot und das Hinausschwimmen aufs weite Meer. Werde ich mich über Wasser halten können, wenn die Stürme kommen oder werde ich untergehen? Was kommt dann noch an unerwarteten "Überraschungen"? - Mit dem Kleinzeller ist ja nicht zu spaßen, er gehört mit zu dem Heimtückischsten in dieser Liga, was es gibt.
Ob es die Schädelbestrahlung gibt, das wird der Arzt sicher entscheiden, wenn nach der Chemo das nächste Staging gemacht wird. Darauf bin ich natürlich auch schon gespannt.
Dass wir die Reise nach Kanada und in die USA machen konnten, dafür bin ich sehr dankbar. Es war kein Erholungsurlaub, es war ein Ereignis- und Abenteuerurlaub. Und dass es so gut in die Chemopause passte, in der ich gut bei Kräften war, darüber bin ich auch froh. Aber jetzt bin ich wieder dabei, an neuen Zielen und Projekten zu arbeiten. Ich schreibe wieder an einem Text, von dem ich aber noch nicht weiß, ob er nach der Fertigstellung für Print oder Hörfunk ist. Zwei andere Texte sind im Moment im Druck und werden wohl in den nächsten Monaten erscheinen.
Das Schreiben geht nicht mehr so flüssig wie früher. Aber ich setze mich da auch nicht unter Druck. Denn die Arbeit daran ist mir wichtiger als die Fertigstellung.
Was bekamst Du für eine Chemo? Was Du schreibst, klingt ja nach Stillstand, das ist ja schon einiges wert, wenn es so bleibt!
Beste Grüße
Ecki
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