Einzelnen Beitrag anzeigen
  #143  
Alt 01.09.2010, 09:50
Benutzerbild von Cee
Cee Cee ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.08.2008
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 748
Standard AW: Diagnose Gebärmutterhalskrebs

Ja liebe blueblue,

und genau das ist das Problem, denn dieses Forum ist in erster Linie als Hilfe gedacht, für Erkrankte und auch für Angehörige.

Ein Erkrankter möchte sich in seiner Situation nicht darüber belehren lassen, was er zu tun und vor allem zu fühlen hat, weil es aus Sicht eines nicht erkrankte Menschen so "richtig" scheint.

Ein Angehöriger wird sich von Erkrankten sicher häufig unverstanden fühlen, denn alle Ängste, Befürchtungen, Konfrontationen laufen bei beiden auf völlig unterschiedlichen Ebenen ab.

Dennoch haben sich beide etwas zu geben, was ich für wichtig halte. Zuspruch. Annahme. Mut machen etc.

Das Überstülpen von eigenen Erfahrungen eines Angehörigen empfinde ich persönlich als übergriffig, denn viele Betroffene hier sind der Recherche mächtig, können lesen und selbständig denken, haben Freunde & Familie, die sie ihrerseits mit guten Ratschlägen belegen und versuchen, zu helfen. Vor allem aber machen sie ihre eigenen Erfahrungen mit ihrer eigenen Krankheit im eigenen Körper. Und dann daher zu kommen und mit seinem Auftreten und unter Umständen mit gefährlichem Halbwissen dem Erkrankten das Gefühl geben "was Du fühlst ist unwichtig, ich weiss besser, wie das ist, was Du durchmachst und hab' an der Stelle noch einige gut gemeinte Ratschläge für Dich" - das tut weh. Es tut so weh wie das Trauma der Erkrankung selbst.

Angehörige sind dann verletzt, wenn man ihre Ratschläge nicht annimmt, weil sie ja "nur helfen" wollen und sich zurückgewiesen fühlen - durchaus nachvollziehbar! Sie werden mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert, mit ihrem eigenen Unvermögen, in dieser Situation, gegen die Krankheit nichts tun zu können. Auch das tut weh.

Die emotionalen Schmerzen von beiden sind für mich nachvollziehbar, aber finden dennoch auf völlig unterschiedlichen Ebenen statt.

Und gerade weil die Gründer dieser Seite das wissen, sind eben auch zwei unterschiedliche Ebenen geschaffen worden, auf denen sich einerseits Angehörige untereinander stützen können und Hilfestellungen geben, wo Erfahrungen mit dem Sterben & Loslassen eines geliebten Menschen thematisiert werden. Ängste vor wasauchimmer. Und auch mal abladen über den erkrankten Menschen, der so ungerecht, wütend und ichweissnichtwas wird. Auch das hat da Raum und jeder Mensch hat ein Recht darauf, auch dieses auszusprechen.

Und auf der anderen Seite die Erkrankten untereinander, die sich mehr oder weniger (wie im wahren Leben halt ) annehmen und stützen - und auch mal über die Angehörigen abladen, die ihnen mit ihren "gut gemeinten" Ratschlägen auf die Nerven gehen oder mit Fragen überladen, auf die sie selber keine Antworten haben...

Es wird eine ewige Diskussion sein. Auch hier. Weil Menschen mit Emotionen unter uns sind

Nur sollten die Angehörigen sich folgendes vor Augen halten: Die Erkrankung ist eine Sache. Der manchmal schlechte Umgang von Ärzten mit ihren Patienten eine andere. Viele werden nicht ausreichend aufgeklärt, sondern medizinisch regelrecht "vergewaltigt", aufgeschnitten, verstrahlt und mit Chemo vergiftet, und zwar so, dass man selber glaubt (weil man es fühlt), dass man dem Sterben näher ist als dem Leben - KEIN Angehöriger kann nachempfinden wie sich das anfühlt, wenn einem die Lebenslichter per Chemo ausgepustet werden und man täglich schwächer wird. Der Satz "Du musst positiv an die Sache rangehen" klingt da wie blanker Hohn - obwohl er nett gemeint ist.

Was braucht also ein Erkrankter? Niemanden, der sich mit blindem Aktivismus in den Vordergrund spielt, um seine eigene Hilflosigkeit zu kompensieren, sondern jemanden, der einfach da ist. Der ungefragt mal die Wäsche wäscht, wenn grad nichts mehr geht, der einkauft oder fragt "soll ich Dir mal die Haare waschen?". Den Staubsauger schwingt oder abwäscht. Jemanden, der zuhört, wenn man grad selbst wieder weinerlich, das Leben und seine Ungerechtigkeit anklagend da sitzt und das Licht am Ende des Tunnels eben nicht sieht, weil die Augen zu geschwollen sind vom Weinen. Oder auch einen Erkrankten, mit dem man seine Erfahrungen austauscht, der ohne viele Worte zu gebrauchen, weiss um was es geht. So einen Menschen brauchen wir dann.

Und der Angehörige? Der braucht mit Sicherheit einen anderen "Angehörigen", mit dem er genau die gleichen Dinge macht, sich angenommen fühlt in seinem Sein, wie der Erkrankte - nur auf anderer Ebene!

Das soll hier nicht heissen, dass A's zu A's gehören und nicht hierher. Das soll ebenfalls nicht heissen, dass E's nur bei den E's bleiben sollten. Nochmal: Beide haben sich was zu geben. Und das ist wichtig und wertvoll.

Aber verletzte Eitelkeit gehört sicher nicht dazu.
__________________
Liebe Grüße

Cee


© HUNGER, PIPI, KALT - so sind Mädchen halt!
Mit Zitat antworten