AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen
Hallo zusammen,
herzlichen Dank für alle Rückmeldungen und Aufmunterungen!
Der gestrige Tag ist mir noch ziemlich nachgegangen. Aber der Reihe nach: Unsere Kinder hatten uns einen "freien Tag" geschenkt, d.h. sie hüteten unsere Kleinste am Sonntag, und wir konnten mal zu zweit uns aufmachen. Wir waren in Halle a.d. Saale in den Frankeschen Stiftungen und im Museum für Vorgeschichte, um uns die prähistorischen Waldelefanten und die Himmelsscheibe von Nebra anzuschauen.
Im Museum bekam ich in der Mittagszeit Sehstörungen, ein partieller Gesichtsfeldausfall auf der linken Seite. Personen, die sich mir von links näherten, konnte ich nicht mehr sehen. Wie ein großer blinder Fleck. Lesen war auch stark behindert. Abends war der Seheindruck wieder klar. Aber es hieß am nächsten Tag zum Arzt gehen und fragen, was ich tun soll. Dringender Verdacht auf Hirnmetastasen. Die Ärztin erklärte mich kurzerhand zum mittelschweren Notfall, damit ich schnell einen Termin zur Kernspintomographie (MRT) bekomme.
Gestern nachmittag war diese Untersuchung. Bis gestern mittag war ich noch sehr gelassen und euphorisch, dass ich auch Hirnmetastasen nun die Stirn bieten kann. Aber im Wartezimmer wurde mir dann zunehmend mulmig im Bauch.
Solche Untersuchungen empfinde ich zunehmend als seelisch sehr anstrengend. Es ist für mich so ähnlich wie ich es sonst nur von Schilderungen aus Kriegszeiten kenne: du weißt nicht, aus welcher Ecke der Gegner angreift, du merkst, dass etwas nicht stimmt, weißt aber nicht, was es bedeutet. Was für ein Hinterhalt braut sich da jetzt wieder zusammen? Holt der Gegner nun zum tödlichen Schlag aus oder ist alles nur blinder Alarm? Im Krieg kannst du dich in einen Bunker flüchten. Das gibt es hier nicht. Ich fühle mich wie auf freiem Feld, dem Tumor schutzlos ausgeliefert. Sanieren geht immer nur hinterher. Alle Schlachten trägst du hier in deinem Körper aus. Wie verhältst du dich? Wirst du die Ruhe bewahren? Kannst du dich auf Gott verlassen? Ich sehe mich schon dem nahenden Tod gegenüber und denke, bist du darauuf schon vorbereitet? Könntest du diesen Schritt in das Ungewisse wagen voller Vertrauen? Oder ist da noch diese unheimliche Angst vor der Vernichtung? Wie lange kannst du die innere Panik im Zaum halten? Wirst du nochmal mit einem blauen Auge davon kommen? Oder trifft dich ein weiterer harter Schlag?
Es wurden ja diesmal Gottseidank keine Hirnmetastasen festgestellt. Ein weiteres Stück Leben gewonnen, wie Monika und Cghrista schrieben.
Im Wartezimmer, bei der Untersuchung und hinterher beim Gespräch war ich die Ruhe in Person. Ich plauderte munter mit den anderen Wartenden. Keiner merkte mir diese Anspannung an. Aber zuhause angekommen mit der erlösenden Botschaft, merkte ich, wie sehr ich mich zusammen gerissen hatte, wieviel Anspannung ich einfach "weggedrückt" hatte. Morgen habe ich auf Drängen meines Arztes einen Termin beim Augenarzt, der den Sehstörungen nochmal nachgehen soll.
Freilich hatte ich mir gesagt, Hirnmetastasen sind gut behandelbar. Aber dennoch, neben Lunge, Leber und Knochen brauche ich nicht so schnell noch eine vierte Baustelle. Drei Baustellen reichen schon...
Heute morgen im Gespräch mit meinem Arzt: ich bekomme am Freitag Aredia, die Infusion dauert drei Stunden. Was noch weiter unternommen werden kann, erfahre ich erst am Freitag, er will heute nochmal mit einer Klinik telefonieren.
Liebe Kirsten, ich freue mich immer, wenn ich von Euch etwas erfahre. Auch wenn es bedrückend ist, so ist doch geteiltes Leid halbes Leid, und der Austausch über solche Erfahrungen ist doch zu wichtig, um das für sich zu behalten.
Beste Grüße
Ecki
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