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  #1  
Alt 23.08.2012, 15:31
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo Zusammen,

ich heiße Carlos, bin 39 und vor einer Woche war mein Leben noch in Ordnung – zumindest weitgehend.
Heute liegt es in Scherben vor meinen Füßen und mit jedem Schritt den ich mache, schneidet eine von ihnen eine blutende Wunde in meine Sohlen.

Seit Anfang Juli sind meine Eltern in Spanien im Urlaub gewesen. Meine Mutter ist Spanierin, haben ein Haus dort. Sie wollten drei Monaten bleiben.
Vorgestern vor einer Wochen gegen 22.00 Uhr rief mich meine spanische Cousine an und reichte den Hörer an meine Mutter weiter. Sie sagte mir es gäbe ein Riesenproblem: den Zustand meines Vaters.
Er leide seit knapp einer Woche unter Sehstörungen (Doppelbilder), Schwindel und immer schlimmer werdenden Gangunsicherheiten. Zu diesem Zeitpunkt konnte er sich nur noch fortbewegen, wenn er sich irgendwo entlang hangelte – also an einer Mauer zum Beispiel – und das auch nur wenige Meter.
Ins Krankenhaus wollte mein Vater bis dahin nicht, weil er die Beschwerden auf die Nebenwirkungen des Prostatamedikaments schob, das er seit kurzem nahm und setzte es ab. Im Beipackzettel waren leider unter anderem genau diese Symptome aufgeführt.
Die Beschwerden wurden leider nicht weniger, sondern schlimmer. So schlimm, dass meine Mutter ihm drohte abzureisen, wenn er nicht ins KH ginge.
Er ging also.
Thorax-CT auffällig, ziemlich große Raumforderung in der Lunge, ziemlich sicher bösartig. Bedarf weiterer Abklärung.
Kopf-CT auffällig, Verdacht auf Hirnmetastasen oder Schlaganfall und irgendetwas an der Nasennebenhöhle. Bedarf näherer Abklärung durch ein MRT.

Eine Diagnose wie ein Donnerschlag.
Die Ärzte wollten meinen Vater natürlich dort behalten, aber er hat sich unter fast Randale artigen Umständen geweigert. Sein Vertrauen in spanische Ärzte ist nicht sonderlich ausgeprägt, ausserdem gleich sein spanischer Wortschatz dem eines Dreijährigen.
Nein, er wollte zurück nach Deutschland, sofort.

Soweit die Schilderung des Riesenproblems durch meine Mutter.

Ich buchte also für den nächsten Tag zwei Rückflüge inklusive Betreuung durch das Rote Kreuz mit Rollstuhl für meinen Vater.

Das klappte alles gut und am nächsten Tag gegen 22.35 Uhr holte ich meine Eltern vom Flughafen ab. Mein Vater saß zusammengesunken im Rollstuhl und sah mich abwechselnd traurig an und zeterte über unfähige spanische Ärzte. Schon bei den ersten Sätzen fiel mir eine ziemlich verwaschene Aussprache auf.

Eigentlich wollte ich meinen Vater sofort ins nächste Krankenhaus fahren, aber er wollte erstmal nach hause und am nächsten Morgen erstmal mit seinem Hausarzt telefonieren, wegen der Prostatamittel...
Ich dachte kurz nach und entschied mich nachzugeben, da wenn er diese Symptome schon eine Woche lang hat, vermutlich keine akute Lebensgefahr besteht. Da mir klar war, dass er morgen in jedem Fall ins Krankenhaus kommen würde und es vermutlich auch so schnell nicht wieder verlassen wird, gönnte ich ihm die Nacht in seinem Bett. Ich weiss nicht, ob das richtig war.
Aber ich war mir darüber im Klaren, dass es nicht gut um meinen Vater bestellt ist.

Es war schwierig ihn ins Auto zu verfrachten und schwierig ihn schliesslich ins Haus zu bekommen. Hilfe konnte er nur sehr schwer zulassen. Er schwankte sehr stark und wenn man ihn stützen wollte reagierte er ziemlich aggressiv, man solle ihn in Ruhe lassen, er könne das alleine...
Er hakte sich bei mir letztlich doch unter und er wollte erst mal auf die Terrasse und eine mit mir rauchen. Wir schneckten also los und rauchten unsere vermutlich letzte Zigarette. Danach sorgte ich gemeinsam mit meiner Mutter dafür, dass er ins Bett kommt.

Am nächsten Morgen war der Zustand noch ein wenig schlimmer. Noch immer war mein Vater der Meinung ohne Hilfe gehen zu können, versuchte zur Toilette zu kommen, nachdem er jede Hilfe energisch zurückwies. Ich hätte schreien können. Dann rumpelte es und er schrie. Ich eilte zu ihm und er war einfach umgekippt gegen eine Wand und konnte sich mit Mühe dagegen wehren nicht auf den Boden zu knallen. Mit angsterfüllten Augen sah er mich an und ich zurück. Ich hakte ihn unter, schleppte ihn zur Toilette, setzte ihn drauf und hielt ihn fest, damit er nicht umfällt.

Anschliessend schleppte ich ihn zurück in die Küche, wir frühstückten in aller Eile, zogen meinen Vater an und fuhren ins Krankenhaus.

Dort wurden verschiedenste Untersuchungen gemacht, nochmals ein Thorax-CT und der Verdacht auf Lungenkrebs bestätigt.
Natürlich wollte mein Vater noch immer nicht im Krankenhaus bleiben und erst als ich ihm energisch ins Gewissen redete und an seine Vernunft appellierte, gab er klein bei.
Gegen 17.00 Uhr wurde er von der Notaufnahme auf die Lungenstation des AK Hamburg Altona verlegt.
Das war genau vor einer Woche. Die Rasanz der Entwicklung seither raubt mir den Atem.
Am Freitag konnte er nicht mehr alleine (auf)stehen. Er saß an der Bettkante, ich rechts von ihm, meine Mutter links und fassten ihn unter die Achseln, um ihn zu unterstützen. Er versuchte aufzustehen, sah uns mit Tränen in den Augen an und nuschelte verwaschen: „Es geht nicht“. Daraufhin legten wir zurück ins Bett.
Eine Weile sahen wir uns alle an und wir hielten seine Hände. Dann setzte er wortlos Kopfhörer auf, machte den Fernseher an und starrte drauf. Er tat und tut das, obwohl ich genau weiss, dass er wegen der Doppelbildung so gut wie nichts erkennt. Ich erkannte, er verschliesst sich, kapselt sich ab. Dabei nickte er immer wieder ein.
Abends hatte er kaum noch die Kraft alleine zu essen, geschweige denn seine Brote selbst zu schmieren. Zum Mund führen und kauen ging gerade noch.
Kurzum mein Vater ist ein gewindeltes, kraftloses Bündel Elend. Jegliche Kraft ist aus ihm gewichen. Ich ahnte zwar von Anfang an, was die Stunde geschlagen hatte, aber da wurde es mir schlagartig bewusst: mein Vater biegt auf die Zielgerade seines Lebens ein.

Und nichts ist geregelt. Gar nichts. Keine Patientenverfügung – obwohl meine Eltern seit Jahren davon reden, das unbedingt machen zu müssen und zu wollen, keine Vorsorgevollmacht, meine Mutter hat noch nicht einmal Vollmacht für die Bankkonten.

Da ich genau weiss, dass mein Vater wirklich eine Patientenverfügung möchte, überlegte ich, ob ich ihn darauf ansprechen sollte. Den ganzen Freitag überlegte ich hin und her, sprach mit meiner Mutter darüber und wir entschieden uns dafür, auch wenn es in der Situation wirkte, wie mit ihn sein Todesurteil zu besprechen.
Im Januar hatte zum Beispiel eine Nachbarin einen wirklich schweren Schlaganfall und ist seitdem ein Pflegefall. Kann nicht laufen, nicht sprechen, nur eingeschränkt sehen. Jedes mal sagte mir mein Vater, nachdem er von einem Besuch zurückkehrte: „Schrecklich. Lieber tot überm Zaun hängen, als so.“ (O-Ton).

Ich war mir also sicher, es ist letztlich in seinem Sinne und ich scheue mich nur vor der Schwere der Situation und der Schrecklichkeit des Gesprächsinhalts.

Am Samstag nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte zu ihm: „Papa, du wolltest immer eine Patientenverfügung machen, hast es aber nicht, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Wollen wir das noch machen?“ Er nickte.

Ich informierte mich also eingehend und druckte Standardformulare für Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht aus. Das war das Beste, was ich in der Kürze der Zeit machen konnte.

Am Sonntag fragte ich ihn noch einmal, ob er das machen wolle und er nickte. Ich las ihm also alles Punkt für Punkt vor und er nickte und nickte. Am Ende setzte ich ihn im Bett auf, drückte ihm einen Kuli in die Hand und zeigte ihm wo er unterschreiben solle. Er setzte an, versuchte es und nuschelte: „Ich kann nicht.“ Es war nur ein Krakel, der nichts mit seiner Unterschrift zu tun hatte. Er sah mich tieftraurig an und ich fühlte mich wie innerlich erstarrt. Ich nahm alle meine Kraft zusammen, lächelte und sagte: „Mach dir deine keine Sorgen, Papa. Das bekommen wir schon anders hin.“ Eine Träne kullerte ihm über die Wange, er setzte den Kopfhörer auf und starrte zum Fernseher. 2 Minuten später nickte er ein. Ich ging aus dem Zimmer, verliess das Krankenhaus, fuhr an die Elbe und schrie, heulte und schrie.
Eine Stunde später kehrte ich zurück ins Krankenhaus. Er schlief immer noch. Ich packte meine sichtlich mitgenommene Mutter ein und wir fuhren nach hause.

Am Montag sprach ich mit der Stationsärztin darüber und sie erklärte sich bereit, sowohl Patientenverfügung als auch Vorsorgevollmacht als Zeugin zu unterschreiben und zu bestätigen, dass mein Vater klaren Verstandes ist und nicht eigenhändig unterschreiben kann.
Wir alle haben das tapfer durchgehalten und ich war sehr erleichtert, dass es doch noch geklappt hat.

Anschliessend habe ich mit der Stationsärztin gesprochen. Sie hat mir auf den CT-Bildern den Lungentumor gezeigt. Er hat einen Durchmesser von fast 5 cm, sitzt zentral und drückt bereits auf Luft- und Speiseröhre. Das schlechte sei, wie sie sagte, dass Tumore an dieser Stelle meist sehr schnell wachsen, aber auch sehr gut auf Chemo ansprechen. Ein Fünkchen Hoffnung. Der verglomm allerdings sofort wieder, als sie mir sagte, dass im CT bereits mehrere Lebermetastasen zu finden seien. Es solle jetzt eine Bronchoskopie gemacht werden, um den Tumor zu bestimmen und ein MRT, um die Ursache der Doppelbilder, des Schwindels, der Sprachprobleme und der Koordinationsprobleme zu finden.
Beides solle am Dienstag durchgeführt werden.

Das MRT wurde gemacht und zum Erstaunen aller wurden weder Hirnmetastasen, noch Hinweise auf einen Schlaganfall gefunden. Immerhin.

Die Bronchoskopie musste abgebrochen werden, weil die Atmung aussetzte und sie „meinem Vater kurzzeitig helfen mussten“, wie die Ärztin es ausdrückte. Ihr könnt euch wohl denken, was das heisst.
Das hat mein Vater überraschend gut weggesteckt. War zwar Dienstag sehr müde, aber sonst ist keine Verschlechterung seines (ohnehin miserablen) Zustand eingetreten.
Die Bronchoskopie soll nun am morgigen Freitag unter Vollnarkose und Einbeziehung eines gesamten Notfallteams durchgeführt werden.

Gestern war meine Mutter ab mittags bei ihm und ich kam erst gegen 18.00 Uhr ins Krankenhaus, da ich wieder arbeiten gegangen bin – vorher hatte ich einige Tage frei genommen.

Er hat nochmals abgebaut. Hat Schwierigkeiten das Wasserglas zu halten und das Sprechen strengt ihn unglaublich an. Ausserdem kann man ihn fasst nicht mehr verstehen. Nur mit sehr viel Fantasie und Assoziationvermögen. Meine Mutter versteht ihn gar nicht mehr, was er manchmal mit sehr aggressiven Reaktionen quittiert. Es ist schrecklich. Für alle Beteiligten.
Auf der Rückweg sagte mir meine Mutter, dass sie glaube, er baue nun auch geistig ab. Sei verwirrt, macht Gesten, die er noch machte, nicht mehr er selbst...
Der HNO hat ihn gestern noch angeschaut und stellte eine Nasennebenhöhlenentzündung und beidseitige Polypen fest. Nichts, was die „Kopfbeschwerden“ erklären würde.

Heute soll sich das ein Augenarzt anschauen – mal gucken.

Das ist also, was meine Welt in Trümmer schlug.

Ich habe Angst. Gar nicht mal so sehr davor, dass mein Vater stirbt, sondern vor dem Weg dahin.
Mein Vater ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Jede Kraft aus ihm gewichen, unfähig zu gucken, zu sprechen aufzustehen, sich aufzusetzen, selbst zu essen (kauen und schlucken geht noch), kurzum. Der Krebs hat ihn im Wrack seines Körpers eingeschlossen. Das ist schlimm für alle Beteiligten. Aber wenn ich daran denke, wie schlimm es für meine Mutter und mich ist und dann mir versuche vorzustellen, wie schlimm es für ihn sein mag, dann wird mir übel. Er will uns vermutlich noch viele Dinge sagen – ich denke, er weiss was die Uhr geschlagen hat – und kann es nicht.
Ich habe keine Ahnung, wie es weiter gehen soll, weiss aber trotzdem wie es weitergehen wird. Eine paradoxe Situation. Natürlich muss erstmal die endgültige Diagnosestellung abgewartet werden, aber wenn man meinen Vater sieht, dann erkennt man die gesamte Situation auf einen Blick.
Er hatte bereits vor 12 Jahren Stimmbandkrebs, woraufhin man ein Stimmband entfernte. Er rauchte weiter und das nicht wenig und verweigerte jegliche Nachsorgeuntersuchung. Hatte vor 15 Jahren einen Hinterwandherzinfarkt, den er wie durch ein Wunder überlebte, obwohl er erst nach drei Tagen ins Krankenhaus ging. Vor 4 Wochen hat er vor seinem Urlaub noch einen Weg von der Garage zum Haus mit Granitsteinen gepflastert und jetzt...

Das alles klingt vielleicht so, als würde ich meinen Vater vorschnell abschreiben und todweihen. Aber das sind meine Gefühle, Befürchtungen und Ängste. Raum für Hoffnung ist nur sehr klein.

Ich befürchte, dass er die Vollnarkose morgen nicht verkraftet und bin nicht sicher, ob er das Krankenhaus noch einmal verlassen wird.
Die Rasanz seines Verfalls ist überwältigend.

Meine Mutter und ich sind uns einig, dass wenn es irgend geht wir ihn nach hause holen, sobald klar ist, was wird und was man (nicht mehr) machen kann.

Das ist sein einziger Wunsch. Er will nach hause.

Ich wünsche ihm Erlösung.

Und schäme mich dafür.
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  #2  
Alt 23.08.2012, 15:47
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hi!

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer, dass ich deine Angst nachempfinden kann.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft! Für alles, was jetzt noch kommen mag.
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  #3  
Alt 23.08.2012, 18:04
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Lieber Carlos,

es tut mir wahnsinnig leid, dass es deinem Vater so schlecht geht und sein Zustand so miserabel ist. Und ich kann deine Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen... So, wie du es beschreibst, sieht es tatsächlich nicht so gut aus, doch ihr müsst jetzt alle Untersuchungsergebnisse abwarten und dann werden sich die Ärzte sicherlich recht zügig beraten und euch die Möglichkeiten aufzeigen, die verbleiben.

Etwas sehr Wichtiges hast du bereits erledigt... Ihr habt die Patientenverfügung deines Vaters. ich kann dir auch nur empfehlen, dass dein Vater eine Generalvollmacht für euch (dich und deine Mutter ausstellt). Ich meine, da gibt es auch ein Formular, das du online ausdrucken kannst. Vielleicht könnte die Ärztin ja erneut einspringen. Es wäre ganz wichtig für euch, denn damit könnte dein Vater dich und deine Mutter ermächtigen, seine Bankgeschäfte zu führen und mit der Krankenkasse und ähnlichen Institutionen zu verhandeln, wenn es denn sein muss. Ich habe das dieses Jahr auch von meinem Vater bekommen und musste es auch einsetzen.

Ich kann dich so, so gut verstehen. Diese Diagnose schlägt dir den Boden unter den Füßen weg und du hast das Gefühl, dass deine Welt tatsächlich komplett in Trümmern liegt. Für dich ist es um so schlimmer, als dass sich der Gesundheitszustand deines Vaters innerhalb kürzester Zeit so rapide verschlechtert hat... Das ist furchtbar, wenn man zusehen muss, wie alle Kraft aus einem geliebten Menschen weicht und er nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Und all das bei vollem Bewusstsein, es muss auch unglaublich hart für deinen Vater sein, denn so wie du ihn beschreibst, ging ihm seine Eigenständigkeit über alles. Auch er steht sehr wahrscheinlich unter Schock und muss diese Diagnose und all die aufkommenden Gefühle und Ängste erst einmal "verdauen". Es fällt ihm schwer, nun auf Hilfe angewiesen zu sein, da sein Körper ihm einfach nicht mehr gehorcht und selbst einfache Handgriffe so unglaublich schwer fallen.

Ich kann dir nur sagen, dass du ganz wunderbar reagiert hast und ich es sehr schön finde, wie sehr du für deine Eltern da bist und sie unterstützt. Auch wenn dein Vater es momentan vielleicht nicht so zeigen kann, es wird ihm unheimlich gut tun, dass ihr drei so zusammen haltet in dieser schweren Situation. Er spürt, wie wichtig er dir ist und wie lieb du ihn hast. Du bist da, weichst nicht von seiner Seite, auch wenn er dich und deine Mutter vielleicht bisweilen zurück stößt. Ich kann dir nur empfehlen, weiterhin so viel Zeit wie möglich mit deinem Vater zu verbringen. Und so schwer es dir fallen mag, versuch' dich nicht von der Angst "auffressen" zu lassen. Ich habe das eine Zeit lang getan, habe mich ständig mit Horrorszenarien gequält und mich völlig verrückt gemacht. Irgendjemand hier im Forum riet mir, im Hier und Jetzt zu sein. Jetzt ist dein Papa da! Daher nutze die Zeit mit ihm und freue dich, wenn er gute Momente hat.

Es ist auch gut, dass deine Mutter und du bereits darüber gesprochen habt, dass ihr deinen Vater heim holen möchtet, weil dies sein größter Wunsch ist. Und dass du ihm Erlösung wünschst, dafür brauchst du dich nicht schämen, Carlos. Du liebst deinen Vater, das spricht aus jeder deiner Zeilen und du möchtest nicht, dass er solche Schmerzen und Qualen erleiden muss. Lieber lässt du ihn los, lässt ihn gehen, wenn der Zeitpunkt kommt, auch wenn es dich innerlich zerreißen mag.

Ich wünsche dir auch sehr viel Kraft für die kommende Zeit und ich drücke euch die Daumen für die morgige Bronchoskopie! Alles Gute für euch!

Liebe Grüße
Miriam
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #4  
Alt 23.08.2012, 20:45
hope75 hope75 ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo Carlos!

Ich kann das, was Du schreibst, sehr gut nachvollziehen. Mein Vater ist an einem Pleuramesotheliom erkrankt, Metastasen überall, ein Krebs, der sehr agressiv ist. Als einzige Tochter bin auch ich immer unmittelbar mitten drin, immer involviert, immer dabei - bei jedem Schritt ... meistens in die "falsche" Richtung, manchmal aber auch für ein paar Tage in eine gute ....

Es trifft einen wie ein Schlag mit einem Ziegelstein auf den Kopf - plötzlich, von einer Minute auf die andere ist nichts mehr, wie es mal war. Mein Vater war bis kurz vor der Diagnose topfit - seither verwandelt sich sein Körper schnell und auf erschreckende Weise .... manchmal hat man das Gefühl, der Anblick zerreist einen - gerade wenn die Diagnose noch sehr frisch ist - oder man darauf warten muss.

Es gibt überhautpt nichts, wofür Du Dich schämen musst. Erlösung ist ab einem gewissen Punkt das einzige, auf das man hoffen kann.
Ich hoffe, Ihr seid noch nicht an diesem Punkt. Ich hoffe, die Untersuchungen bringen Klarkeit und Ihr bekommt die Möglichkeit, etwas gegen die Krankheit zu tun.

Deine Verzweiflung springt einen aus Deinem Text heraus nahezu an. Ich verstehe Dich, und hier verstehen Dich sicher eine Menge Leute - ich hoffe, dass Dir das ein wenig helfen wird.
Es tut mir sehr leid für Dich, und es tut mir sehr leid für Deine Eltern.

Viele Grüße und alles Gute...

Geändert von hope75 (23.08.2012 um 20:48 Uhr)
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  #5  
Alt 24.08.2012, 09:39
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Zitat:
Zitat von Larimari Beitrag anzeigen
Hi!

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer, dass ich deine Angst nachempfinden kann.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft! Für alles, was jetzt noch kommen mag.
Vielen Dank für deinen Zuspruch, Larimari.
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  #6  
Alt 23.08.2012, 21:01
marni1971 marni1971 ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo Carlos,

Das klingt fast alles wie bei meinem Papa.
Er hatte im Mai eine Ausschälung der Prostata, und danach ging es rasant bergab.
Er bekam nicht mehr viel Luft konnte auch nicht mehr richtig laufen und wir haben ihn dann wieder ins Krankenhaus gebracht.
Dort wurde Lungenkrebs inoperabel festgestellt.
Ausserdem alles auf der Lunge voll Metastasen und auch in der Leber hatte er welche und noch in den Lymphknoten.
Wir haben auch eine Vorsorgevollmacht unterschreiben lassen und der Notar war sogar noch im Krankenhaus.
Mein Papa bekam 3 mal chemo und die 3 Chemo hat ihm die Nieren versagen lassen. Ich habe aber auch darum gebetet das Papa nicht lang leiden soll. Deshalb darf man sich nicht schlecht fühlen. Papa wurde gott sei dank schnell erlöst und wir waren alle bei ihm im Krankenhaus und haben ihn begleitet auf seinem Weg.
Ich wünsche Euch alles Gute
Jutta
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  #7  
Alt 24.08.2012, 13:00
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo Carlos,

du bist wirklich gut organisiert, Hut ab! Ich schätze mal, du wirst das trennen müssen...Hausarzt und Palliativmedizin. Aber wie ich herausgelesen habe, kommst du aus dem Raum HH, vielleicht ist es da besser bestellt um so eine Kombination. Ich kann dir nur empfehlen, dich rechtzeitig an das Palliativnetzwerk zu wenden. Sollte dein Papa nicht heilbar sein und man würde ihm und euch eine palliative Therapie anraten, dann könnte die SAPV für deinen Vater in Frage kommen. SAPV ist Spezielle Ambulante Palliativversorgung und die wird von den Krankenkassen getragen. Sie ist unabhängig von der allgemeinen Pflege.

Sehr gut ist, dass du nächste Woche einen Termin mit dem Psychoonkolgen hast! Ich habe letztes Jahr auch ziemlich bald nach der unheilvollen Diagnose meines Papas die Hilfe einer Psychoonkologin in Anspruch genommen. Es waren nur drei Gesprächstermine, doch die waren Gold wert! Ich wollte mich rüsten für die Zeit, die da kam und das war für mich die richtige "Strategie". Und es hat mir sehr gut getan, in diesem Forum zu schreiben. Ich habe hier Zuspruch erhalten, wurde aufgefangen, oftmals auch wachgerüttelt und verstanden...

Sollte dein Vater palliativ behandelt werden und ihr werdet ihn nach Haus holen, dann kann ich dir und deiner Mutter nur empfehlen, jegliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die euch oder vielmehr deinem Vater zusteht. Wie gesagt, dazu zählt sowohl die SAPV (organisiert über das Palliativnetzwerk, zumindest hier in S.-H.) als auch die Pflegestufe zu beantragen. Ich weiß nicht, wie alt deine Eltern sind, doch die Pflege und Begleitung eines geliebten Menschen belastet nicht nur psychisch extrem sondern auch körperlich... Da ist es gut, dass du dir bereits jetzt so viele Gedanken machst... dann wird man nicht so überrollt.

Was deinen Papa angeht, auch ihn hat die Diagnose Lungenkrebs "überfahren". Wahrscheinlich ist ihm schon klar, dass er sehr, sehr krank ist, doch er verdrängt es derzeit. Vielleicht ist das auch ein Schutzmechanismus, um überhaupt weitermachen zu können. So, wie wir unsere Probleme haben, mit der Diagnose klar zu kommen, so hat auch dein Vater seine eigene Strategie, damit zurecht zu kommen. Er braucht jetzt Ziele, egal, wie unrealistisch die auch sein mögen... Das kenne ich noch so von meinem Vater. Du wirst am besten einschätzen können, ob es Sinn macht, ganz offen mit deinem Vater zu sprechen. Mein Vater hat beispielsweise vieles abgeblockt und sich an der Hoffnung festgeklammert. Zwischendurch fiel er auch in Depressionen (,was er mir jedoch erst sehr viel später anvertraut hat). Ich denke, es ist unglaulich schwierig, sich in die Gedankenwelt hineinzuversetzen. Schließlich sind wir ja (noch) gesund... Aber du kannst ja versuchen, dich langsam vorzutasten und dann wirst du merken, ob dein Vater sich öffnen mag oder lieber nicht.

Ich weiß nur allzu gut, wie du dich jetzt wohl fühlen magst. Auch mir kam es vor, als wären es Tausende und Abertausende kleiner Abschiede und als hätte meine Trauer bereits sehr viel früher eingesetzt als mit dem Tod meines Vaters. All das gehört zu unserem Erleben als Angehöriger bzw. als Sohn / Tochter wohl dazu. Vielleicht ist es auch eine Art Vorbereitung auf das "Schlimmste". Für mich war es unsagbar schlimm, dass ich zur Hilflosigkeit verurteilt war. Wie gern hätte ich mehr für meinen Vater getan, wie gern hätte ich ihm geholfen, doch ich musste akzeptieren, dass es seine Krankheit war und dass letztlich er die Entscheidungen traf. Als Tochter kann ich dir nur empfehlen, nichts über deinen Vater hinweg zu entscheiden. Auch wenn er sehr schwach ist, beziehe ihn in all das, was du tust, mit ein. Letztlich ist nur sein Körper krank, nicht aber sein Geist bzw. Intellekt. Der funktioniert sehr gut.
Und das Wichtigste, was du für ihn tun kannst, tust du ohnehin! Du bist da, hältst seine Hand. Auch wenn dir das wenig erscheinen mag, es ist ungeheuer viel...

Also Carlos, lass' dich nicht entmutigen von solchen Ärzten und Sprechstundenhilfen! Es ist verletzend und macht dich wütend, doch vergeude nicht deinen Kraft! Die kannst du sinnvoller einsetzen!

Nochmals toi, toi, toi für die Bronchoskopie heute!
Alles Liebe
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #8  
Alt 24.08.2012, 13:12
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

mein hausarzt hat mir heute auch eine broschuere von sapv in die hand gedrueckt. es klingt interessant, was sie machen. ich meine, solange man es alleine schafft, ist es super, aber wenn man hilfe braucht, klingt es, als koennte man sich gut an sie wenden.

das mit dem arzt ist aetzend...

aber ich kenns.

wir hatten am dienstag befundgespraech, und es hiess: keine metastasen.

und tags drauf ruft mich die aerztin an, um mir so, by the way, zu sagen, dass metastasen im kopf gefunden wurden. O_o ich haett sie am liebsten erwuergt. wir sollten am naechsten tag zum mrt.
ich also arbeitgeber angerufen, krank gemeldet. verzweifelt. ne stunde spaeter ruft sie an, und meint: hab ich ihnen gesagt, dass der termin zum mrt am freitag ist? also zwei tage spaeter.
ich muss heute nochmal auf station, um sachen zu holen. ich hoffe, sie begegnet mir nicht, sonst kann sie auf was gefasst machen. ich verstehe, dass aerzte nicht mit jedem mitleid haben koennen. aber so viel egal auf einmal habe ich noch nicht erlebt. die bloede kuh merkt offenbar nicht, dass sie mit den gefuehlen und hoffnungen eines todkranken und seiner familie spielt.
sorry, das passte jetzt hier nicht rein.

carlos, ich finde es gut, dass du dich so reinhaengst. es ist, so komisch es klingt, auch eine gute sache fuer die psyche, das gefuehl, dass man was sinnvolles tut in diesem ganzen chaos. ich hab die letzten tage auch nur am telefon verbracht.

ich wuensche uns allen viel kraft! und danke nochmal, dass ihr alle da seid!
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  #9  
Alt 24.08.2012, 14:13
hope75 hope75 ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Meine Güte, das ist so viel, was in so kurzer Zeit auf Dich einstürmt ... Du machst das toll - Hut ab!

... das Gefühl, dass die Trauerarbeit schon jetzt beginnt, kenne ich. Ich habe 100 % die gleiche Empfindung ....

Es ist immer sehr schwierig, im Krankenhaus, mit den (Haus-)ärzten und allem drumherum klarzukommen. Man will das Richtige tun, ist gleichzeitig aber überfordert und kann manchmal nicht glauben, wie mit einem (und den kranken Menschen) umgegangen wird .... ich finde, Du bist auf einem sehr guten Weg und ich spreche Dir ganz großen Respekt aus.

Weiterhin alles, alles Gute für Euch!
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  #10  
Alt 24.08.2012, 15:30
molüfunidami molüfunidami ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

lieber carlos!

ersteinmal möchte ich dir sagen, wie sehr ich deine kraft und stärke bewundere! so kurz nach dieser schlimmen diagnose schon einen solch "klaren kopf" zu haben, ist soo viel wert, auch bzw. gerade für deine eltern - hut ab!

meine ma ist vor 10 wochen, am 15.6. eingeschlafen, nur 6 wochen nach der niederschmetternden diagnose ( kleinzeller lunge mit metastasen in niere, leber etc. ).
ich kann mich noch genau an diese unglaublich schwere zeit erinnern, diese wahnsinnige angst, trauer, hoffnung, wut, es war die hölle für meinen papa, meine schwester und mich.

auch ich hatte ganz grosse probleme, meine ma im kh zu besuchen, konnte es nur mit beruhigungsmitteln! ich hatte jedesmal solch eine panische angst, was mich hinter der krankenzimmer-tür erwartet, geht es ihr wieder schlecher, gibt es wieder irgendwelche hiobsbotschaften...
und vor allem meine ma so leiden sehen zu müssen, es zerreisst einem das herz, man ist so hilflos!

auch bei uns gab es tage, wenn es ihr besonders schlecht ging, dass wir meiner ma gewünscht haben, dass ihr leiden ein ende haben möge. es tat so unglaublich weh, sie so sehen zu müssen.

lieber carlos, ich wünsche dir für die nächste, so schwere zeit, die leider kommen wird, von herzen alles, alles gute,
teile dir deine kraft gut ein, denke auch an dich, denn das ist auch ganz wichtig!

liebe grüsse, dani
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  #11  
Alt 24.08.2012, 18:25
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

carlos, du hast natuerlich recht. alle hilfe, sobald es geht.

meine mam und ich haben am dienstag erstmal einen termin bei der caritas, die sind gut im koordinieren, und koennen uns bestimmt weiterhelfen, vorgehensweisen empfehlen und aehnliches...

mein dad ist ja noch relativ fit, auch wenn die situation akut ist, da der tumor gross und die metastasen im hirn ein quintett bilden koennten. d.h., wir haben am montag erstmal termine beim radiologen und beim chemo-doc, und die behandlung wird dann wohl im laufe der woche anfangen.

ich finde es toll, dass ihr so ein gutes netzwerk habt. das wird bestimmt viel helfen! bei uns ist es nicht gar so dicht, aber es passt.

das mit deinem bruder tut mir leid, aehnliches habe ich auch erlebt. mein bruder hat zwar ueberlebt, aber als schwerstbehinderter, er ist wie eine kleine blume.

wir waren heute wieder auf der station, auf der mein dad zu den untersuchungen lag - ich haett mich zehn mal uebergeben koennen vor angst. vor allem, weil da wirklich nur hiobsbotschaften rauskamen... generell und immer...

die aerztinnen waren heute etwas netter, also die kleine kopflose war gar nicht dabei. nur die oberaerztin. die hat sich zeit genommen, und versucht, uns nochmal alles zu erklaeren.

meine lieben, kopf hoch!!! (ich muss grad ein bisschen ueber meinen dad schmunzeln, er sitzt mir gegenueber, mit ner dicken wurschtsemmel und sagt, das sei essen gegen den krebs )

fuehlt euch alle herzlich gedrueckt!
mari
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  #12  
Alt 24.08.2012, 19:37
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Lieber Carlos,

als ich grade von deinem Bruder gelesen habe, musste ich echt schlucken... Das tut mir sehr, sehr leid... Schrecklich, wenn so ein junger Mensch derart brutal aus dem Leben gerissen wird. Da fehlen einfach die Worte.

Zu deiner Frage:ja, mir ging es ebenso, ich musste auch immer meinen Mut zusammen nehmen, hatte immer die Angst, vor meinem Vater in Tränen auszubrechen und ihn damit womöglich noch mehr zu belasten. Schlimm war es, als er nach einer Lungenentzündung einen Pleuraerguss bekam und ihm Drainagen gelegt wurden. Da lag er so klein, so verletzlich in seinem Krankenhausbett und war an lauter Schläuche angeschlossen. Und diese Pumpe machte ein so schlürfendes Geräusch. Oh, er tat mir so unglaublich leid! Aber dann habe ich tief durchgeatmet und versucht, ihn zum Lächeln zu bringen. Lachen war ja unmöglich...

Im Verlauf der Monate haben wir uns dann an die Krankheit gewöhnt, so seltsam das auch klingen mag. Wir mussten lernen, den Krebs in unseren Alltag zu integrieren, auch wenn nichts mehr wie vorher war. Ich persönlich habe gelernt, intensiv in der Gegenwart zu leben, jeden guten Moment zu genießen. Ich und auch meine Mutter trauten uns nicht mehr, irgendwelche Pläne zu machen, die in der Zukunft lagen. Unser Leben spielte sich im Jetzt ab. Wenn ich zurückblicke, dann bin ich dankbar für all die schönen Augenblicke, die wir teilten. Es war eine sehr intensive Zeit. Schmerzhaft, aber eben auch sehr, sehr innig.

Schön, dass deine Ma so gute Freundinnen hat. Die werden sie sicherlich auch unterstützen, so gut sie können. Wichtig ist ja auch für deine Mutter, dass sie ein, zwei Menschen (außerhalb der Familie) hat, bei denen sie ihr Herz ausschütten kann und auf die sie sich verlassen kann.

Ich denke auch, dass ihr das gemeinsam schaffen werdet. Ganz egal, was da auf euch zukommt. Und man wundert sich, wie viel innere Kraft man aufbringt, wenn es erforderlich ist. Weißt du, du hast da offensichtlich eine sehr gute Gabe, dieses innere Krisenmanagement, das sich aktiviert in Notfällen. Mir ging es wohl ähnlich wie dir, ich musste auch ständig aktiv sein, alles organisieren und planen. Ich konnte nicht mehr still sitzen. Schlafen konnte ich allerdings anfangs auch kaum mehr... Und weißt du, was mir noch geholfen hat? Die Seelsorgerin, bei der meine Mutter Gesprächstermine hatte... Sie sagte, dass wir alle, auch die gesunden Menschen, jeden Tag nur 24 Stunden zur Verfügung haben. Und wenn die rum sind, dann beginnt ein neuer Tag...

Ich hoffe für dich, dass das Ergebnis der Untersuchung nicht so niederschmetternd sein mag!!!
Miriam
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #13  
Alt 24.08.2012, 22:46
lucie79 lucie79 ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo, wenn ich das hier so alles lese kommen mir die tränen, das ist als ob Ihr mir aus der Seele schreibt. Es ist einerseits traurig das wir alle dieses fiese,abscheuliche und ich weiß nicht wie gemein ich es noch nennen soll durch machen müssen aber es tut doch gut wenn man weiß das man nicht alleine im Boot sitzt. Danke!!!! LG Lucie
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  #14  
Alt 19.10.2012, 11:58
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Lange Zeit nichts geschrieben.
In diesem Fall sind no news good news gewesen. Zumindest im Rahmen des Möglichen.

Die echt schlimme Entzündung hat mein Vater ganz gut überwunden, danach wurde der Tumor in der Blase ausgeschabt und hat sich als "halb so schlimm herausgestellt".
Danach schloss sich direkt der 2. Chemoblock an, den mein Vater ziemlich gut wegsteckte. Zwei Tage danach wurde er mit nur 16 Stunden Vorlaufzeit nach hause entlassen.
Als mir die Stationsärztin Donnerstagnachmittag durch meine zufällige Nachfrage mitteilte, dass mein Vater Freitag Mittag nach hause kann, freute ich mich zunächst.
Dadurch, dass mein Vater eigentlich bereits nach der ersten Chemo nach hause sollte, hatten wir schon ein Pflegebett und einen Toilettenstuhl. Kontakt zu einem Pflegedienst gab es auch schon.
Meine Vorfreude auf die Entlassung meines Vaters trübte sich sehr schnell ein und wich heller Aufregung. Der neue Hausarzt meines Vaters würde am Freitag in den Urlaub fahren. Ich benötigte also kurzfristige Vertretung. Der Pflegedienst hatte in der Zwischenzeit neue Patienten aufgenommen und teilte mir mit, dass man meinen Vater nicht mehr ausreichend versorgen könnte. Ich brauchte also auch einen neuen Pflegedienst. Es fehlten grundsätzlich Dinge, wie Urinflasche usw.
Kurzum, es folgten 16 sehr intensive Stunden des Organisierens und letztendlich hat es mich einige Nerven gekostet, aber es hat alles sehr gut geklappt.
Das Entlassungsmanagement des Krankenhauses habe ich im Nachhinein ziemlich rund gemacht. Aber nun gut...

Mein Vater verbrachte gute 2 Wochen zu hause und es ging ihm an sich dabei ganz gut. Er hat sich natürlich sehr gefreut wieder zu hause zu sein in seiner natürlichen Umgebung. Er hatte sehr viel Besuch, war meistens ziemlich gut drauf und Komplikationen blieben aus.
Letzten Freitag hat die Ärztin im Blutbild eine kleine Infektion festegestellt und Antibiotika verabreicht.
Seit letzten Dienstag ist er wieder im Krankenhaus zum 3. Chemoblock. Das Thorax-CT zeigte eine deutliche Verkleinerung des Lungenherdes - immerhin. Dafür wurde irgendetwas im Hals gesichtet, dass sich der HNO heute ansehen soll und vermutlich für seine manchmal vorhandenen Schluckbeschwerden verantwortlich ist.
Ich habe dabei überhaupt kein gutes Gefühl.

Wenn alles gut läuft, darf er Anfang nächster Woche wieder nach hause.
Ich wünsche es ihm sehr.
Er ist so tapfer und hat trotz allem seinen Humor bewahrt. Sehr schwarz zwar, aber von Herzen.
Ich bewundere ihn wahrscheinlich genauso doll, wie er mich bewundert.
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  #15  
Alt 24.08.2012, 14:35
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Liebe Miriam,

danke, das du dir so viel Zeit für mich nimmst. Das weiß ich sehr zu schätzen.
Wir kommen aus dem Raum Hamburg, genauer gesagt südliches Schleswig-Holstein. Ich denke der von mir gedachte Hausarztwechsel war vielleicht gut gemeint, aber vorschnell. Ich werde jetzt mal das Gespräch mit ihm am Montag abwarten und dann weiter sehen.

Am Montag spreche ich auch mit dem Sozialdienst im Krankenhaus, um zu erfragen, ob bereits jetzt eine Beantragung der Pflegestufe Sinn ergibt und es dann ggfs. sofort in die Wege leiten. Außerdem habe ich gelesen, dass der Sozialdienst eine Beantragung der Pflegestufe auch per Eilverfahren nach Aktenlage durchführen lassen kann. Mal gucken.

Mein Vater ist 69, meine Mutter ein Jahr jünger. Sie ist eine sehr willensstarke und sensible Frau. Früher war sie ein echter heißblütiger spanischer Kampfzwerg, der alles geschafft hat, was sie sich vorgenommen hat. Nach einer Sigmaresektion vor 2 Jahren wegen Divertikulitis hat sie sich eigentlich ganz gut erholt, aber körperlich nicht mehr die Stabilste.
Dennoch, für 68 ist sie ausgesprochen fit und kräftig.

Außerdem wohne ich mit meinen Eltern unter einem Dach, werde also oft da sein und helfen. Ich werde meinen gesamten Jahresurlaub und den Resturlaub vom letzten Jahr so nehmen, dass ich wenn mein Vater nach hause kommt, 3 Monate nur halbtags arbeite. Im Notfall brauche ich vom Büro nach hause ca. 15 Minuten.

Dazu werden wir natürlich von Anfang an jede Hilfe wie Pflegedienst und SAPV in Anspruch nehmen, derer wir habhaft werden können.

Meine Eltern, insbesondere meine Mutter hat auch ein sehr intaktes Netzwerk aus wirklich guten Freundinnen, die - besonders wichtig - Tod, Verlust, Trauer, Schmerzen sehr gut nachempfinden können, weil sie persönlich betroffen gewesen sind.

Vor ungefähr 9 Jahren und einem Monat kam ich gegen 23.00 Uhr mit dem Fahrrad total bekifft nach hause. Ich hatte gerade die Haustür geschlossen und etwas getrunken, da klopfte es an der Tür. Als ich sie öffnete standen zwei Polizisten da und ich dachte" Scheisse, bist du Schlangenlinien gefahren?"
Schön wäre es gewesen.
Sie eröffneten mir, dass mein Bruder bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist.
Meine Eltern schliefen bereits und ich musste sie wecken und ihnen sagen, dass ihr Sohn tot sei.
Das und alles was folgte war sehr schwer für alle Beteiligten.

Meine Eltern haben in dieser schweren Zeit auf dem Friedhof - sie sind bis vor Kurzem jeden Tag dort gewesen - sehr viele Kontakte mit anderen Trauernden geknüpft und daraus sind einige sehr tiefe Freundschaften entstanden. Das beweist sich gerade jetzt.
Gestern habe ich zu meiner Mutter gesagt, sie habe tolle Freundinnen - besser geht eigentlich nicht.

Ich bin deswegen ganz zuversichtlich, dass wir die Situation gemeinsam meistern können, egal wie es kommt.
Nichtsdestotrotz bin ich mir absolut darüber im Klaren, dass extremste Belastungen auf uns warten und ich werde das sehr gut im Auge behalten und Notfalls gegensteuern.
Außerdem habe ich meinen Cousin gebeten mich zu sagen, wenn er meint, dass die Strapazen zu groß werden und wir das nicht mehr packen, weil man das von außen vermutlich besser erkennt.

Danke fürs Daumendrücken bei der Bronchoskopie.
Bisher hat mein Handy nicht geklingelt - also zumindest auch keine akuten Hiobsbotschaften.
F*cking Handy. Du machst mir Angst.

Ging es dir auch so, dass du deinen ganzen Mut zusammennehmen musstest, wenn du deinen Vater im Krankenhaus besucht hast?
Ich muss mich heute richtiggehend dazu zwingen.

Vielen Dank noch einmal für dein Ohr, deine Augen und deine Zeit.
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