Wie kommt der Tod?
Hallo Tanja und Manuela,
ob hier oder woanders der richtige Platz ist, wer kann das schon sagen, da wird jeder wieder eine andere Meinung darüber haben. Prinzipiell finde ich es ja nur gut und wünschenswert, dass ÜBERHAUPT darüber geredet wird. Persönlich war ich einfach zu feige, um diese Frage selbst zu stellen, eben weil ich dachte, diese Frage geht den Menschen zu nahe. Aber das sehe ich nun nicht mehr so! Nachdem ich nun das Sterben eines mir sehr verbundenen Menschen selbst miterlebt habe, sehe ich das anders, würde und möchte ich mit anderen Menschen darüber reden. Manuela, Du fragst, WARUM ich wissen wollte, wie der Tod kommt. Ganz einfach, weil ich von vorne herein wußte, dass ich meinen Vater in seinen letzten Stunden, Tagen, Wochen, niemals alleine lassen möchte, ich wollte (und habe) ihm beigestanden. Und ich hatte seit er die Diagnose Krebs erhalten hatte sehr große Angst vor der Zeit unmittelbar vor dem Sterben. Ich fragte mich, wie kann ich ihm in die Augen schauen? Wie kann ich ihn trösten, wie kann ich ihm helfen? Ich hatte nicht die blasseste Ahnung, wie man überhaupt stirbt, sterben kann. Ist man bei Bewußtsein, kriegt man alles mit? Ehrlich gesagt, muß ich im Nachhinein feststellen, dass ich eine ziemlich naive Vorstellung vom Sterben hatte: ich dachte wirklich, man macht einfach die Augen zu und aus ist es. Und es geht mir hier nicht um besonders individuelle und persönliche Details, sondern z.B. um solche, die (wie ich mittlerweile weiß) die meisten Menschen in ihrem Sterben erleben: dass ... und das schreibe ich nun nicht, weil sonst jemand was dagegen hat, wenn ich es ungefragt schreibe... Sieh es doch z.B. einmal auch aus der Seite: mein Vater hatte immer sehr viel Angst in Bezug auf allem mit der Krankheit Krebs, und ich war die Person, die für ihn mit Ärzten telefoniert hat, die Therapien ausfindig gemacht hat, die ihn beraten hat, was er denn tun oder nicht tun könnte, sollte, müßte. Er hat sich voll auf mich verlassen. Und er hatte Angst vor dem Tod und hat sich deswegen auch nicht getraut, darüber zu reden. Aber mit Sicherheit hatte er bestimmte Wünsche hinsichtlich seines Sterbens, was denn z.B. NICHT geschehen sollte, was er verhindern oder nicht erleben möchte. Möchte er z.B. Beruhigungsmittel, möchte er bis zum letzten Moment ärztliche Betreuung und Heilungsversuche oder nicht? Und damit ich helfen kann, diese Wünsche für ihn durchzusetzen, muß ich auch erst einmal den NAHEN TOD erkennen! Was ist passiert: ich erkannte ihn NICHT rechtzeitig genug, und stand dann ziemlich hilflos da, wußte auch nicht so recht, was ich tun sollte. Glücklicherweise hatte ich wenigstens Urlaub, so dass ich sowieso Zeit hatte und rund um die Uhr (ich habe tagelang fast überhaupt nicht geschlafen und gegessen) bei ihm sein konnte. Es muß doch also auch Vorsorge getroffen werden, dass man dann die Zeit hat, in den letzten Tagen einen Menschen so intensiv begleiten zu können, wie ich und meine Familie das getan haben. Es wird hier auch immer wieder angebracht, dass die eigentlich Betroffenen nichts darüber wissen möchten, angeblich nur die Angehörigen. Dazu möchte ich sagen, dass sehr sehr viele Betroffene überhaupt nicht selbst schreiben, egal ob es um den Tod oder die Krankheit an sich geht, sondern dass dies die Angehörigen für die Betroffenen tun. Mein Vater hatte z.B. überhaupt nichts mit Computer und Internet am Hut, wie hätte er es denn selbst tun sollen?
Schließlich möchte ich noch sagen, dass die Erfahrung des Sterbens eines Menschen für mich auch persönlich sehr wichtig war. Ich weiß nun, was auch mich erwarten könnte (offensichtlich liegt eine genetische Anfälligkeit für diese Krankheit in meiner Familie vor), und es erschreckt mich nicht, dies zu wissen, ganz im Gegenteil. Es würde mich mehr ängstigen, wenn ich selbst diese Krankheit bekäme, und mir all diese Gedanken, die ich mir um den Tod meines Vaters gemacht habe, um mich selbst machen müßte. Ich weiß nun, was kommen kann, und ich weiß deswegen auch, was ich im Falle einer eigenen Krebserkrankung in Hinsicht auf den eigenen Tod machen kann und werde. Meiner Meinung nach verbreitet Vorbereitung und Wissen über das Sterben nicht Angst, sondern das Gegenteil. Sterben mag erschreckend sein, aber wenn man weiß was kommt, kann man vorher Entscheidungen treffen, die diese Momente leichter erträglich machen.
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