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  #1  
Alt 11.06.2007, 23:12
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AndreaS AndreaS ist offline
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Liebe Anemone,

16 Monate ERST, 16 Monate verzweifelter Versuch, nicht unterzugehen. Und du machst es so vorbildlich, und dabei kostet es doch so unendlich viel Kraft.

Ich erinnere mich, das erstemal, dass ich das Gefühl hatte, es könnte nun besser werden war nach 19 Monaten. ja, ich erinnere mich ganz genau. Aber es wurde nicht wirklich besser, nur streckenweise. Immer mal wieder ein "es soll mir wieder besser gehen" aber es hat nicht wirklich funktioniert.

Ich werde keine Einzelheiten erzählen, kann ich nicht, zu viele wahnsinnig tolle Ereignisse, eigentlich unfassbar. Aber das erstemal, dass es mir WIRKLICH wieder gut ging war an diesem vergangenen Wochenende, 32!!! Monate später.

Du schreibst von deinem Ausflug, der sich eigentlich gut angefühlt hat. Du hast den Blick nicht verloren für das Schöne. In Begleitung eines Ehepaares, eure Freunde nehme ich an. Was auf der einen Seite wunderbar ist, nämlich die Möglichkeit, über Vergangens zu reden..."weißt du noch?" lässt auf der anderen Seite unbemerkt die Hand nach dem Herz greifen, die Gewissheit, das Spüren, die Freunde sind (zum Glück) noch da, aber er nicht mehr...

Ich war unterwegs am Wochenenden mit zwei Freunden, zwei Hinterbliebenen, zwei, die ihr Leben verloren haben, um geliebte Menschen trauern, genau wie ich. Wir haben erzählt, unsere Lieben waren irgendwie lebendig in unserer Mitte, jeder von uns hatte Geschichten, Erinnerungen, an denen er die anderen teilhaben ließ. Aber es gab keinen Vergleich. Diese Menschen an meiner Seite, sind "neue" Menschen im "neuen Leben". Menschen, die verstehen, ohne dass ich erklären muss, Menschen, die fühlen, weil sie den Schmerz tatsächlich erlebt haben, Dreieinigkeit, ja, das trifft es wohl... Aber es sind keine Menschen, mit denen ich zuvor losgezogen bin, mit meinem Mann an der Seite, so dass der Gedanke "das letzte Mal, oder vor zwei Jahren, oder das letzte Mal in dieser Stadt war Claus noch dabei. Es waren neue Situationen, neue Momente, neue Augenblicke und die Hand ums Herz hat mich verschont trotz der ständigen Präsenz von Claus. Und ich habe erstmals seit über drei Jahren gelacht wie ein junges Mädchen. Unbeschwert, herzhaft, so wie es im alten Leben war.

Ich glaube es wäre mit keinen anderen Menschen möglich, diese Ausgelassenheit, diesen Gleichklang zu spüren, nur mit diesen beiden, die das selbe Heimweh in sich tragen wie ich, die mich nur und ausschließlich so kennen wie ich jetzt bin, die keinen Vergleich haben, die mich nicht vergleichen lassen.

Mmmmh, man kann tatsächlich nicht alles in Worte fassen.

[QUOTE]
Zitat:
Nur wir sind es unseren Lieben schuldig das wir weitermachen. Weitermachen wie sie es gewollt hätten.
...und uns selbst


"Das große Leben ...geht weiter" - die Tour von Rosenstolz.

Ja, und noch nie seit seinem Tod war mir mein Mann so nahe wie an diesem Wochenende, an dem ich mich erstmals wieder richtig lebendig gefühlt habe. Noch nie war er so mittendrin und gab mir das Gefühl seine Stimme deutlich zu hören : "Da bist du endlich wieder..." Denn so wie ich erstmals an diesem Wochenende gelacht und gefeiert habe, ich denke genauso liebt er mich. " Du sollst deine Unbeschwertheit nicht verlieren" das waren seine Worte. Und ich bin dankbar für jeden Augenblick, an dem ich sie wiederfinde, meine Unbeschwertheit...

16 Monate liebe Anemone, nein, nicht lange!

LG
Andrea, wieder Päckchen neu geschnürt
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  #2  
Alt 13.06.2007, 11:37
AndreaM AndreaM ist offline
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Hallo ihr Lieben,

auch von mir mal wieder ein "Pieps" .

So viele Themen sind hier aufgetaucht - da möchte ich doch mal kurz ein paar unsortierte Gedanken dazuwerfen:

Erstens: Immer dieses "Ersetzen" - meine Mami ist gestorben, niemand kann sie mir ersetzen. Ja, ich muss andere Vertraute finden, ich bin nicht dazu gemacht mit allem allein fertig zu werden. Mein Leben wird sich verändern, ich werde neue Begleiter finden.

Ebenso ist es doch mit dem Partner. Es wird niemals einen Ersatz geben, ein neues Leben mit einem neuen Partner - ja, welch ein Glück wenn man das findet. Aber einen "Ersatzpartner" - nein, ich glaube nicht dass es das gibt.

Andrea, für Deine Kinder wird Dein neuer Partner auch kein "Ersatzvater" sein - ein neuer Vertrauter, ein Familienmitglied, aber der Vater, der ist -immer einmalig. Die Schwierigkeit ist sicher die Definition der Rolle, denn sie ist einfach im "Standardprogramm" nicht vorgesehen. Seit Generationen wissen wir, was ein Vater, eine Schwester, ein Onkel ist. Aber für ein Familienmitglied wie den neuen Partner der Mutter gibt es einfach keinen echten Begriff. Nur einen Platz, den gibt es bei euch offensichtlich. Ebenso wie bei Wolkes Vater. Natürlich wird sie nicht die "Ersatzmutter" - aber vielleicht eben etwas mehr als eine Freundin - wer weiss?

Und noch etwas neues habe ich gelernt. Man sagte mir immer "Verdrängen ist falsch". So, nun habe ich letztens eine Psychologin in einem Interview sagen hören, dass Verdrängen so lange völlig in Ordnung ist, wie es das weitere Leben nicht negativ beeinflusst. Sie erzählte aus ihrem Berufsalltag mit traumatisierten Personen:

Zu Beginn einer Therapie werden erst die Punkte / Komponenten im Leben des Patienten herausgearbeitet, aus der er seine Kraft schöpft. Erst danach beginnt man, die schwierigen, traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten. Einige ihrer Patienten fühlten sich am Ende der Phase I so viel stärker, dass sie die Aufarbeitung ihres Traumas garnicht in Angriff nehmen wollten. Ja, und die Psychologin sagte, das sei dann auch völlig in Ordnung so, denn wenn ein Mensch sich stark genug fühlt, sein Leben zu meistern, bestehe für die Psychologin kein weiterer Handlungsbedarf.

So, seitdem habe ich für mich beschlossen, meine Seele leidet nicht zwingend darunter, dass ich ein Verdränger bin. Dass ich die Trauer nur Häppchenweise an mich heranlasse. Was ich davon habe, weiss ich heute noch nicht - vielleicht muss ich es irgendwann auch einer Psychologin erzählen.

Und - das Verrückte - erst jetzt habe ich begriffen, was Briele an dem Satz "der Verlust bleibt für immer" so tröstlich findet. Ich empfinde den Verlust - aber ich glaube, ich bin auf dem Weg zurück in "ein normales Leben". Woran man das merkt? Daran, dass ich z. B. über die mich immernoch plagenden Unfallfolgen jammere. Ja, die Unbillen des Alltags sind plötzlich wieder im Bewusstsein. Und ich glaube inzwischen, das ist ein deutlicheres Zeichen dafür dass es aufwärts geht, als jedes Lachen es sein könnte. (Versteht mich eigentlich noch jemand?).

Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche - und dass sich weiterhin niemand wirklich unterkriegen lässt!

Herzliche Grüße
Andrea
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  #3  
Alt 13.06.2007, 12:23
Anemone Anemone ist offline
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Hallo zusammen,
vielen Dank für Eure tröstenden und aufbauenden Worte. Es geht schon wieder...
Ja, AndreaS, Du hast ja so Recht, vielleicht packe ich mein neues Leben wirklich gut an (...Mensch, du bist so tapfer, prima, dass du mitmachst auf unserer Tour, prima, dass du dich nicht verkriechst, nicht resignierst...) Aber sie wissen wirklich nicht (können nicht wissen), dass es so schrecklich anstrengend ist, so viel Kraft kostet.
Sogar Ärzte wissen GAR NICHTS darüber. Wie ging es mir, als ich wegen Herzproblemen in der Klinik war? Ach nee, wenn Ihr Mann schon soo lange tot ist, dann kann das nicht damit zusammenhängen. Ja wie jetzt?? Soo lange?? Wie lange darf ich denn trauern? Muss ich nach 6, 12, 18 Monaten wieder zur Tagesordnung übergehen und nicht mehr leiden. Leiden mit der Seele und vielleicht auch mit dem Körper, muss ich jetzt wieder einwandfrei funktionieren, mich nicht so anstellen??
Ooch Mensch, warum maule ich eigentlich hier rum? Ihr versteht mich ja, Ihr wisst ja, wie es sich anfühlt.
Es geht mir ja auch schon wieder besser, mein Sonnenschein-Enkelkind besucht mich ab und zu, Kinder, Freunde rufen an. Bin ja nicht wirklich allein (nur manchmal schrecklich einsam).
Ich grüße Euch alle ganz lieb und wünsche Euch helle Tage.
Anemone
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  #4  
Alt 13.06.2007, 14:50
Wolke Wolke ist offline
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Die Psychologin gefällt mir @AndreaM. Ich zähle mich ja auch zu den verdrängern. Vielleicht knallt irgendwann alles zusammen. Aber bis dahin versuche ich mich nicht verrückt zu machen und ein wenig dankbar dafür zu sein, dass ich etwas verschont wurde

Ich glaube die Freundin meines Vaters wird allerdings keine Freundin für mich oder etwas mehr. Dafür ist sie in weiten Teilen zu dominant mit ihren Ansichten, da bleibt mir keine Luft. Aber im Großen und Ganzen und für wir Treffen uns mal, aber müssen uns ja nicht heiraten ist es okay

Wolke
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  #5  
Alt 13.06.2007, 17:59
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AndreaS AndreaS ist offline
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Hallo Ihr Lieben,

@AndreaM und Wolke,

glaubt ihr wirklich, dass ihr verdrängt? Ich weiß nicht, ich empfinde es nicht so. Verdrängen ist für mich so etwas wie : Nö, betrifft mich nicht, will ich nichts mit zu tun haben .. oder so ähnlich. Ihr seid euch des Verlustes doch bewusst, sonst käme ein Gespräch hier im Forum / Stammtisch doch gar nicht in Frage. Ihr schreibt doch hier, ihr lest, und klar, ihr vergleicht. Da kommt das Tier - hier nicht - Ihr stellt euch doch dem, was das Schicksal mit uns allen angestellt habt. Ich denke eher, dass es so ist, wie ich auch von mir häufig erzähle: Dass ein Teil wohlbehütet in der Schublade steckt und wie die Psychologin zu Recht sagt, erst dann an die Oberfläche kommt, wenn es passt, wenn es sich richtig anfühlt. Ich denke, das ist sogar ein ausgesprochen toller Weg, denn so vermag man wohldosiert den Schmerz zu ertragen. Und unsere Seele scheint sehr gut zu wissen, was sie uns zumuten kann und vor allem, wann. Nein, Verdrängen ist bestimmt etwas anderes!

Wünsch euch noch einen schönen Feierabend und denkt dran, lasst euch nicht ärgern, von niemandem

LG
Andrea

@Wolke, meine DUMMKUH schweigt fein still. Eine kurze Anfrage, wie es mir geht und ein enttäuschtes Gesicht, dass ich tatsächlich mit Arbeit ausgebucht bin, tja, dumm gelaufen, zum Glück nicht für mich Bin ich böse???
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  #6  
Alt 14.06.2007, 10:50
Wolke Wolke ist offline
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Ich hätte auch sowas wie die Gattung Dummkuh abzugeben. Bei mir ist es das Brot (dumm wie Brot)

Aber ich teile kein Büro mit ihr. Mich ärgert der PC heute, Geduld ist nicht meine Stärke.

Meinst du sie würde dich sofort zurück nehmen, wenn du sagst du hast keinen Job?

Vielleich Verdrängen wir nur zum Teil. Aber ich glaube ich tue es schon. Hier liest man immer mal wieder, dass die Leute Fotoalben zusammen stellen oder sich bestimmte Lieder anhören und sich in die Zeit zurück versetzen. Da versinkt man total und es tut weh. Ich versuche es zu vermeiden und wenn ein Gedanke angeflogen kommt, so wie gestern (ich war die Woche bevor meine Ma starb im Urlaub, war das wohl so richtig? Warum starb sie an dem Tag, als ich wieder kam und bei ihr war?) Ich versuche schnell was anderes zu machen und an was anderes zu denken. Mein Tagebuch hat auch ein paar leere Seiten, für den Fall, dass ich nochmal aufschreibe, wie alles so war, aber bislang konnte ich das noch nicht.

Wolke
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  #7  
Alt 14.06.2007, 16:59
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AndreaS AndreaS ist offline
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Hallo Wölkchen,

meinst du nicht, dass Verdrängen unbewusst geschieht? Was du beschreibst, geschieht doch offensichtlich mit dem Vorsatz: Nein, ich will da jetzt nicht drüber nachdenken, also ganz bewusst. Du hast für dich eine Methode gefunden, mit dem Schmerz umzugehen, damit er dir nicht die Füße wegreißt. Ich glaube, dass du da sogar ziemlich schnell sehr weit warst. Ich mache es mittlerweile auch, dass ich Gedanken, die mich "runterziehen" könnten ein wenig wegschiebe.

Dummkuh? Ja, ich denke schon, sie ist total überfordert mit der Situation, sie merkt jetzt schmerzlich, dass man nicht an jeder Stelle sparen sollte.

Bei uns hängt ein Riesengewitter in der Luft, mal sehen, wann es runterkommt.

LG
Andrea
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