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#1
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Hallo zusammen,
habe gerade die Beiträge hier gelesen und kann aus eigener Erfahrung auch von zwei Seiten etwas dazu erzählen. Als selbst Betroffene hat mir bei meiner eigenen Erkrankung (1975 Rhabdomyosarkom, kindskopfgroß an der Leber) niemand die Warheit gesagt, ich wurde immer mit irgendwelchen Ausflüchten 'abgespeist'. Natürlich war ich damals zwar 'erst' zwölf Jahre alt, aber Kinder mit solchen Krankheiten sind nach meiner Erfahrung dann doch irgendwie schneller 'erwachsen' oder wie man das auch immer nennen kann. Von der genauen Diagnose habe ich damals selbst erst in einer Klinik in USA erfahren, da ich sehr gut verstehen konnte worüber die Ärzte sprachen. Meine Eltern hatte ich dann darauf angesprochen und daraufhin hat mir meine Mutter dann das Gehörte einfach nur bestätigt. Für mich war das ein totaler Vertrauensbruch, ich war extrem sauer weil man mich einfach immer belogen hatte obwohl ich immer wieder nachgefragt hatte und halt zu denen gehöre, die immer alles ganz genau wissen wollen. Natürlich ist das eine ganz individuelle Entscheidung jedes Menschen, aber ich denke, wer fragt hat ein Recht auf Antwort, wer lieber nichts wissen will der fragt wohl auch nicht nach. Ist halt immer auch eine Entscheidung nach Bauchgefühl für alle Beteiligten, man kann da ganz bestimmt keine allgemeingültigen Regeln aufstellen. Letztes Jahr ist meine allerbeste Freundin an Krebs gestorben (nach fünf gesunden Jahren Brustkrebsrezidiv mit Metas in Lunge und Knochen, sehr heftiger Verlauf innerhalb von zwei Monaten), es war für mich und ihren Mann eine unglaublich schwere Zeit da wir ihre beiden allerwichtigsten Bezugspersonen waren. Meine Freundin hat auch immer noch Pläne für die Zukunft gemacht und uns natürlich davon erzählt, dabei war für uns leider sehr deutlich zusehen, daß sie wohl nicht mehr sehr viel Zeit hatte. Sie wollte wirklich möglichst nichts von ihrer Erkrankung wissen, nur das wirklich allernötigste und sie hat mich immer gebeten, ihr und ihrem Mann bei allen Arztgesprächen beizustehen. Wir hatten das große Glück, daß wir wirklich sehr einfühlsame Menschen sowohl beim Pflegepersonal als auch bei den Ärzten hatten, alle haben genau gemerkt, daß meine Freundin nicht über ihre Krankheit und all das reden wollte und es wurde absolut respektiert. Genau wie Maja bereits geschrieben hat ist das natürlich sehr schwer gewesen, aber ich würde das in dieser Situation immer wieder genauso machen. Wir haben ganz einfach nur versucht für meine Freundin da zu sein und ihr eine Zeit möglichst ohne Schmerzen und vor allem möglichst ohne Angst zu ermöglichen. Mir sind all diese Erlebnisse sehr wertvoll, für mich hat sich auch immer wieder gezeigt, daß es doch gut ist, auf sein 'Bauchgefühl' im Umgang mit so schwierigen Situationen zu vertrauen. Ganz liebe Grüße für alle hier und dir Linde ein ganz großes Kraftpaket für die kommende Zeit, Ilona ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Das Leben ist eine Herausforderung, wir nehmen sie an. |
#2
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Hallo J.F.,
ja, natürlich wissen wir alle, dass wir eines Tages sterben müssen. Aber seien wir ehrlich, die meisten von uns schieben das weit von sich und denken nur selten daran. Bekommt man aber selbst, oder ein Angehöriger, eine Diagnose mit so einer "überschaubaren" Lebenserwartung (lt. Statistik), dann beeindruckt einen das gewaltig. Der Tod rückt dann sofort ein Stückchen näher, wird greifbarer... Eigentlich sind wir ja alle "immer vom Tod umfangen", können jederzeit vom oft zitierten Ziegel am Kopf getroffen werden. Im Grunde weiß niemand etwas Sicheres über seine Lebenserwartung. Trotzdem: Mit Diagnose und Statistik wird das Wegschieben sehr, sehr schwierig. Was du über die kleinen Glücksmomente und die kleiner und überschaubarer werdenen Wünsche schreibst, empfinde ich auch so. Das betrifft auch die Angehörigen! Plötzlich reduziert sich der Wunsch an den Tag auf die Hoffnung, den kranken Vater beim Besuch im Spital halbwegs schmerzfrei und mobil anzutreffen, ohne dass irgendwelche Schläuche an ihm hängen oder er verwirrt ist und im Bett vor sich hindämmert... Der Wunsch an die nächsten Monate ist reduziert auf die Hoffnung, dass mein Vater sie noch erleben darf, dass er sie ohne zu große Qualen erlebt, und dass die Familie das Weihnachtsfest noch zusammen feiern kann, möglichst zu Hause. Ich bin auch dabei, mit eine Liste zu machen, mit Dingen, die ich vielleicht gemeinsam mit meinem Vater noch tun kann, und die ihm Freude machen, um ihm einige schöne Ziele zu geben, auf die er sich freuen kann. Ja, viel Kraft braucht das alles... Ich wünsche sie ebenfalls uns allen! Lieben Gruß, Linde P.S.: Ich persönlich möchte im Fall des Falles sowohl als Angehörige als auch als Betroffene immer alles ganz genau und in rücksichtsloser Offenheit erfahren. Wenn ich mit den Fakten nicht fertig werde, kann ich sie mir immer noch irgendwie "zurechtbiegen", also einen Schutzmechanismus aufbauen. ;-) Aber ich persönlich wäre stinksauer, wenn meine Angehörigen mir etwas verschweigen würden. Mein Vater ist da etwas anders gestrickt, vermute ich - da ist Vorsicht angebracht... Geändert von Linde (02.11.2008 um 16:40 Uhr) |
#3
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Hallo Linde,
ja, das mit dem Dachziegel ist auch ein gern von mir zitierter Spruch. Und ja, Ihr steht vor einem schweren Weg. Man hat soviele Träume, Wünsche, die Zeit zerrinnt, es ist irgendwie wie verhext. Von daher fühle Dich mal gedrückt und Du und Deine Familie mit einem grossen Paket Kraft versehen. Auch Dein Vater wird das ein oder andere realisiert haben, schliesslich ist er derjenige, der alles körperlich durchmacht. Unterschätzt also das Unterbewusstsein nicht. Aber das weisst Du mit Sicherheit. Auch hier würde ich sagen, haben beide Seiten ihre Antennen. Und danke, für den Zusatz. War für mich wichtig, was andere über dieses Thema denken. Und noch ein Danke dafür, dass Du, der eigentliche Fragesteller, mir geantwortet hast.
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#4
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Hallo Linde,
Ich würde ihm auf jeden Fall nur die Tatsachen erzählen, nach denen er fragt. Wenn er nicht fragt, hat er seine Gründe, und auch wenn er nur verdrängen will, denke ich, daß man das akzeptieren muß. Ich weiß, daß es gerade für Angehörige, die das Wissen über den tödlichen Ausgang einer Krankheit mit sich herumtragen, manchmal leichter wäre, wenn man sich mit dem Betroffenen darüber austauschen könnte, aber ich glaube, es kommt wirklich darauf an, was der Patient will. Auf jeden Fall wünsche ich dir von Herzen ganz viel Kraft! Laß dich mal drücken und schreib, wie es dir weiter geht. Liebe Grüße, Regan |
#5
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J.F. und Regan: Ich danke euch ganz lieb - auch das virtuelle Drücken hilft ein wenig... ;-)
Heute war ich bei meinem Papa und habe ihn in einem - im Vergleich zu anderen Tagen - sehr schlechten Zustand angetroffen. :-( Er fiebert, leidet an einer Infektion, deren Ursache die Ärzte bis jetzt noch nicht finden konnten. Man probiert bereits das dritte Antibiotikum in Folge aus. Die Behandlung mit Vidaza, die im Raum stand, wäre zur Zeit wegen seines geschwächten, fiebrigen Zustandes gar nicht möglich. Ich musste ihn füttern und ihm das Wasserglas an die Lippen führen. Seine Hände und sein Mund zitterten, er hätte das Glas nicht mal zum Mund führen können. Er war in gedrückter Stimmung und wirkte sehr abwesend. Leider konnte er kaum was essen, hatte keinen Appetit. Was mir am meisten zu schaffen gemacht hat war, dass er sich sehr in sich selbst zurückgezogen hat. Antworten kamen schleppend, er war irgendwie ganz weit weg. Das wirkte so abweisend... Eine Zeitlang hat er vor Erschöpfung geschlafen. In dieser Zeit bin ich draußen am Gang gesessen und habe geweint. Später hat er aber noch meine Hand eine halbe Stunde lang fest gehalten und gedrückt, obwohl er die Augen zu hatte und zu schlafen schien. Mein Besuch war also doch erwünscht und wichtig! Ich bin dort neben seinem Bett gesessen und habe seine Hand gehalten, obwohl ich fast vom Sessel gekippt wäre. Ich habe heute mehr gemacht, als ich "eigentlich kann", und es ging mir nicht gut dabei. Bin selbst behindert und gerade in einer schwierigen Lebensphase, aber offensichtlich erschließen sich in Krisenzeiten Kraftreserven, von denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie hat. Morgen werde ich wieder hinfahren. Ich wünsche euch allen eine gute Nacht! Linde |
#6
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liebe linde,
das hast du ganz toll gemacht. dein vater hat dich ja eben doch wahrgenommen. er ist natürlich auch voller medis, das verändert ihn auch. ich glaube auch, daß der kranke viel in sich zu tun hat, seine befindlichkeit wahrzunehmen und einzuordnen. der veränderte zustand ist ihm ja selbst noch sehr neu. du hast berichtet, daß du mehr gemacht hast, als du eigentlich kannst. das ist das mit der kraft, die einem zuwächst, wenn man sie braucht. woher auch immer sie kommen mag, wenn nötig, steht sie uns zur verfügung. ich wünsche dir einen erträglichen neuen tag, liebe grüße, tina.
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Du kannst nie tiefer fallen, als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt. Mein geliebter Hase: 14.10.1923 - 28.04.2009 |
#7
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Liebe Linde,
hast Du schon einmal daran gedacht, ob Ihr andersherum an die Sache herangehen könntet. Hast Du Deinen Vater schon einmal zu seiner Krankheit gefragt oder ihn gefragt, ob im Arztgespräch Fragen für Ihn offen geblieben sind, die Ihr für ihn klären sollt? Vielleicht wäre das eine Möglichkeit zu erkennen wieviel Wahrheit Dein Vater möchte undertragen kann? Ich wünsche Euch eine möglichst gute Zeit mit vielen schönen Momenten. Viele Grüße Ibo |
#8
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Hallo Linde,
Zitat:
Was du oben schreibst, erinnert mich an die Sterbephase von schwer kranken Menschen. Und da ist es halt meist so: egal, was man ihnen sagt. Ob Wahrheit oder gespielter Optimismus... Es gibt einen Punkt, ab dem man die Kranken nicht mehr belügen kann, so gut es auch gemeint ist. Der "Rückzug" des Sterbenden und die Konzentration auf wenige wichtige Angehörige / Freunde sind dafür typisch. Dann auch, dass Sterbende langsam aber sicher aufhören, zu essen und zu trinken. Es gibt Mediziner, die dieses Verhalten als "passiven Suizid" bezeichnen :-( Deinem Vater geht es richtig schlecht. Aber Du bist bei ihm! Und du bist für ihn, genau wie du geschrieben hast, "erwünscht und wichtig". Der Vater meines besten Freundes ist dieses Jahr an Lungenkrebs gestorben. Der hatte sich auch völlig zurückgezogen, reagierte kaum noch. Und der einzige Mensch, den er noch an sich heran gelassen hat, war sein Sohn. Auch nur durch "Händchen halten", als Sprechen ihm nicht mehr möglich war. Es wird dir nichts helfen, aber trotzdem: Du hast, was dein Verhältnis zu deinem Vater betrifft, etwas sehr Wertvolles. Die Nähe bis zum "letzten Atemzug". Natürlich ist es ganz beschissen schwer, einen geliebten Menschen sterben zu sehen (ob morgen oder in 1, 3 oder 6 Monaten). Aber wie du schon schriebst: in Krisenzeiten zeigen sich Kraftreserven, an die man vorher nie geglaubt hätte. Ich drücke dir alle Daumen für dieses schwierige Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass du das schaffst. Und ich glaube auch, dass einen Menschen so eine Erfahrung nicht nur auslaugt, sondern ihm (wenn auch vielleicht mit etwas Verspätung) viel geben kann. Das klingt im Moment für dich vielleicht fast etwas makaber. Aber in Liebe und Frieden Abschied zu nehmen und Vertrautheit bis zuletzt zu erleben... Das ist etwas, was nicht so sehr viele Menschen erleben dürfen Viele Grüße, Stefan |
#9
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@Stefan
Das hast du wirklich sehr schön beschrieben, mit der Nähe bis zum Schluß usw. Genau diese Erfahrung habe ich im letzten Jahr bei meiner Freundin gemacht, es war ein ganz besonderer intensiver Tag und in ihren letzten Minuten einfach nur bei ihr gewesen zu sein bedeutet mir unendlich viel. Es gibt einen schönen Satz, der das für mich sehr treffend beschreibt: Abschied ist die innigste Form menschlichen Zusammenseins Liebe Grüße an alle hier, Ilona ![]() |
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