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hanne
02.05.2006, 23:55
Auch ich versuche - nach diversen Erkrankungen und der Diagnose Nierenkrebs als "I-Tüpfelschen" - ein normales Leben zu führen. Funktioniert nicht mehr.

Die schlimmsten Metastasen des Krebses sind die im Kopf, die mit keiner noch so feinen Untersuchungsmethode feststellbar sind. Man kann sie einen Monat, zwei Monate verdrängen, dann sind sie wieder da.

Ich muss alle halbe Jahr zur Kontrolle, d.h. ich habe ein "Krankenkassenquartal" in dem ich nur zu meinem Orthopäden brauche, und ein Quartal, in dem ich mir eine Übeweisung zu einem anderen Arzt holen muss. Der letzte Monat des "normalen Quartals" ist fürchterlich. Habe ich mich dann erst einmal überwunden und einen Termin geholt, bin ich wieder in dem Ausnahmezustand wie vor der Operation, so eine Art unbewusste Verdrängung "es wird schon gutgehen, eigentlich bräuchte ich garnicht zur Nachuntersuchung ...."

Vor kurzem hat mein Zahnarzt zu mir gesagt, ich wirke - trotz allem - immer so ausgeglichen und gutgelaunt (zufrieden?), ob das so wäre oder ob ich mich nur nach aussen so gebe?

Während der "Krebswoche" im Fernsehen hat ein Arzt behauptet, Krebspatienten wären Meister im Verdrängen. Verdrängen wir wirklich oder nehmen wir hin?

Können wir - wie manche "geheilte PatientInnen" behaupten - den Krebs besiegt zu haben? Ich z.B. habe einfach nur Glück gehabt, Zufallsuntersuchungen, gerade den Arzt gewechselt, der dann etwas gründlicher war, ....Seit der Diagnose Krebs sind 2 1/2 Jahre vergangen, OP, Ärzte, die einem nichts sagen,, Informationen zusammengeklaubt aus dem Internet, im Kopf zu einem mit Sicherheit unqualifizierten Brei vermischt, übergossen mit einer Menge Angst, Unsicherheit, offen für jede noch so kleine Hoffnung, vielleicht irgendwann auch einmal "dankbares Opfer" irgendeines Scharlatanes, um jede noch so kleine Chance zu nutzen.

Auch wenn mir die Ärzte nach der jetzt laufenden "Krebsnachsorge" sagen: Sie sind gesund, aus meinem Kopf ist er keine Sekunde mehr verschwunden und alle, die in ihren Büchern vom Sieg durch positive Gedanken und Liebe sprechen, sind meiner Meinung nach nicht besser als ein Dr. ..., der teure Vitamine verkauft und behauptet, den Krebs zu heilen.

Wenn dann die positiven Gedanken den Krebs besiegen sollen, sind dann all die, die daran Sterben, selber Schuld?

Ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich denke positiv und denke auch, dass ich gute Chancen habe, von dem im Körper wachsenden Krebs geheilt zu sein, aber ich glaube nicht, dass allein unser Glaube und die Liebe der Grund für die Heilung sind. Sonst wären im Umkehrschluss alle, die daran sterben, selbst Schuld.

Die Evolution hat Millionen von Jahren gebraucht, um uns Menschen hervorzubringen, mehr oder weniger perfekt, und das kurze Leben und das "beschränkte Wissen" eines einzelnen wird wohl kaum ausreichen, um als einziger ein Allheilmittel gegen den Krebs zu finden. Die einzige Chance, weitere Fortschritte im Kampf gegen den Krebs zu machen, liegt wohl eher in der Zusammenarbeit vieler und in dem Weitertragen von Wissen und Information.

Und letztendlich entscheidet das Schiksal (oder eine höhere Macht).

In diesem Sinne die besten Wünsche an alle

Hanne

Ekaka
03.05.2006, 00:47
Hallo,Hanne! Dein Beitrag war mir direkt aus der Seele gesprochen.Wenn ich die ganzen Beiträge las,habe ich oft gedacht,das ich die einzigste bin,die so empfindet.Ich lebe seit gut 5 Jahren entgegen der Diagnose aller Ärzte und Krankenhäuser mit einem schnellwachsenden Adeno-Ca. inoperabel,zentral rechts über dem Herzen gelegen.Nach Chemo,Bestrahlung und einem Herzinfarkt war der Tumor nach ca. 2Jahren plötzlich verschwunden.Keiner der Ärzte konnte mir dafür eine vernünftige Erklärung geben,inzwischen benutzt man meine Unterlagen für Vorlesungen in der Universität.Ich bin seitdem überglücklich,aber die Angst vor einem neuen Tumor ist seitdem mein ständiger Begleiter.Ich vertraue nicht einmal mehr den jährlichen Untersuchungen,den der Tumor war beim 1.mal auch nur durch Zufall gefunden worden.Also stimme ich Deinem Bericht voll zu.Ich wünsche Dir alles Gute und versuche,genau wie ich,an Wunder zu glauben. Liebe Grüsse Erika.

Geli-Emilie
03.05.2006, 02:00
Liebe Hanne,

wie Recht Du hast! Auch mir wurde schon nahegelegt, ein Buch zu schreiben in Richtung "Wie ich den Krebs besiegte" - ich kann es nicht mehr hören. ICH habe keinen Krebs besiegt. Mit meiner 5-%-Überlebenschance (laut Internet bei Halslymphknotenmetastasen bei CUP) habe ich Glück gehabt, dass bei mir die Therapien wie Chemo/Radio/OP gut angeschlagen haben. Jeder kleine "Knubbel", den ich spüre (auch wenn ich fast sicher sein kann, dass es sich um harmlose Myogelosen handelt), ist zunächst einmal eine Bedrohung bis ich die Sache geklärt habe. Das Damoklesschwert namens "Krebs" wird immer über mir schweben, wie lange ich auch noch leben werde.

Trotz allem muss ich wirklich feststellen, dass ich vorher in meinem ganzen Leben noch nie so gelassen war wie im Augenblick. Ich weiß, dass ich alles getan habe, was mir möglich war - sprich: ich habe alle Therapien erfolgreich mitgemacht. Das positive Denken hat mich zwar vor Depressionen bewahrt, aber den Krebs habe ich damit nicht besiegt. Hätten wir kein positives Denken, bräuchten wir mit einer Therapie überhaupt nicht erst anzufangen. Es wundert mich überhaupt, dass sich alle darüber wundern, wie "toll" ich das alles hinnähme. Für mich ist der Kampf selbstverständlich, da gibt es kein "Toll", nur ein Entweder-Oder.

In ihrer Hilflosigkeit haben mich einige Freunde regelrecht bombardiert mit Büchern, Broschüren, Hinweisen von Beispielen, wie Gott-weiß-wer mit seiner Krankheit umgegangen ist. Da kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln und darum bitten, das sein zu lassen. Die Schwerbehindertenstelle meiner Dienststelle fragte an, ob ich Kollegen beraten könne, die ebenfalls Krebs haben und längst nicht so gut damit umgehen können wie ich. Ja natürlich biete ich meine Hilfe an, aber dann sollen mich die Kollegen selbst anrufen. Ich würde mich niemals aufdrängen, weil ich weiß, wie lästig es sein kann, von allen Seiten Ratschläge zu bekommen. Außerdem warne ich jeden davor, verzweifelten Patienten auch noch "positiv denkende" Betroffene als Vorbild vorzuhalten. Es gibt kaum etwas, was den Kranken noch mehr runterziehen könnte.

Selbst die Psycho-Onkologin in meiner Reha schlug mir vor, meine doch etwas "abweichende" Einstellung in Buchform in die Öffentlichkeit zu bringen. Nein, danke. Wer meint, sich damit zu helfen, die eigene Version unter die Leute zu bringen, der sollte dies tun, um die Probleme bewältigen. Mir liegt es erstens fern, meine Krankheit zu vermarkten, zweitens würde es für mich überhaupt kein anderes Thema mehr geben. Und gerade das will ich vermeiden. Es ist nicht so, dass ich verdränge oder mich nicht mit der Krankheit auseinandersetze, aber ich brauche auch "Normalität". So viel wie möglich. Und wenn mich die (ehemalige) BfA zwangsverrentet, dann bin ich froh, wenn ich nun Gelegenheit habe, gewisse Träume wahr zu machen, mich zu belohnen für erlittene Torturen, indem ich mir sage, gut, ab jetzt bin ich im Urlaub.

Kürzlich wurde eine Klassenkameradin von mir beigesetzt. Auch sie dachte positiv, hatte noch viele Pläne... aber auch sie sagte, sie würde damit klarkommen, wenn es einmal heißen könnte: wir können nichts weiter für Sie tun. Die Trauerfeier war schlimm. Da sie nicht zur Kirche gehörte, haben sich ihr Mann und die Kinder darauf verlassen, dass ein Jugendfreund und zwei Kolleginnen die "Sache" in die Hand nehmen. Im Ergebnis davon wurde ich immer wütender und frustrierter, weil ich wusste, dass alles Gesagte sicher nicht im Sinne meiner Freundin war. Dafür hatten wir zu oft telefoniert, die Zeit der Chemo/Radio zusammen durchgestanden und so vieles miteinander geredet.

Noch heute bin ich froh, dass ich den Mut hatte, ans Mikrofon zu gehen und den Anwesenden ein anderes Bild zu verschaffen. Nämlich Dankbarkeit für ein Leben, das immerhin über ein halbes Jahrhundert gedauert hat, was viele aus unserer Klasse gar nicht erst geschafft haben, dass wir uns niemals vorwerfen müssten, etwas nicht zu der Zeit getan zu haben, als es uns noch möglich war, dass wir wohl nicht die Angst haben müssten, an Alzheimer zu erkranken, wir im Reinen sind mit unserer Familie und die einzige Sorge denen gilt, die wir traurig zurücklassen müssen, aber verbunden mit der Hoffnung, dass auch sie Trost finden.

Den ersten Schock habe ich überwunden. Hätte ich meine Krankheit ein Jahrzehnt früher bekommen, wären meine Metastasen nicht durch Zufall entdeckt worden, dann wäre ich jetzt tot. Aber ich habe das Gefühl, "ich bin noch nicht dran" - trotz miserabler Statistiken. Oder ich habe das "5-%-Glück". Und ich bin gewarnt und halte meine Kontrolltermine ein. Und hoffe auf Weiterentwicklung in der Krebsforschung.

Alles Gute Euch allen wünscht
Geli

hanne
03.05.2006, 10:56
Liebe Geli,

Mir gefällt dein Satz, dass du noch nie so gelassen warst wie jetzt. Ich glaube, dass trifft genau, was ich auch für mich festgestellt habe: Es ist weder Frust noch negatives Denken noch Verdrängen sondern einfach:

Dies ist der Stand der Dinge, was kann ich tun, was ist Stand der Medizin, welche Dinge davon kann ich hier vor Ort nutzen und, was einer der Hauptpunke ist, inwieweit ist mein Leben für mich unter den gegebenen Umständen noch lebenswert.

Und - wie du richtig geschrieben hast -würde man ein Buch schreiben, würde sich das Leben noch mehr um den Krebs drehen, hält man dann noch Vorträge darüber, hat der Krebs im Kopf einen besiegt, obwohl der Körper davon befreit ist.

Ich jedenfalls möchte dieser Krankheit nicht soviel Raum in meinem Leben geben, obwohl manchmal der Frust rausmuss.

Ich werde jetzt mal versuchen, in eine Örtliche Krebsselbsthilfegruppe zu gehen, die sich einmal im Monat trifft, Kaffee trinkt und "nicht nur, aber auch" über Krebs redet.

Ich freue mich, dass ich wohl doch nicht so unnormal bin und viele diesen Zustand "Krebs - geheilt?" mit Gelassenheit hinnehmen und das beste daraus machen.

Liebe Grüße
Hanne

Wir werden hoffentlich noch öfter hier schreiben, wenn auch keine Bücher. Vielleicht hilft es anderen, zumindest aber hilft es auch einem selbst.

asteri71
03.05.2006, 11:23
Liebe Hanne,Erika und Geli,
es ist sehr interessant,was ihr hier schreibt.Ich hoffe,ihr freut euch über einen Beirag von einer Nicht-Betroffenen,da ich ja eigentlich hier nicht mitreden kann!??
Geli,ich finde es toll,dass du auf der Beerdigung deiner Freundin für sie gesprochen hast! Sie kann stolz darauf sein,zumindest eine echte Freundin gehabt zu haben!
Hanne,ich glaube,du hast Recht,positives Denken allein kann nicht ausreichen,um gesund zu werden.Aber eine negative Einstellung ist für den Heilungsprozess bestimmt nicht förderlich! Und man macht sich das Leben dadurch noch schwerer.
Und natürlich kann jeder von uns krank sein,ohne es zu wissen.Bis die ersten Beschwerden bzw.Szmptome auftauchen,kann ja auch viel Zeit vergehen.
Ich hoffe,dass ihr geheilt seid! Mit der Angst werdet ihr wohl leben müssen,d.h.lernen,mit ihr umzugehen und sie positiv für euch zu nutzen.
Ich wünsche euch alles Gute und hoffe,ich durfte hier schreiben.
Viel Grüße von asteri

hanne
03.05.2006, 12:21
Liebe Asteri,

jeder kann hier über fast alles reden oder schreiben. Was ich versuche zu sagen ist, dass man nicht trotz Krebs lebt, gegen den Krebs kämpft, sondern irgendwie mit ihm.

Das Thema sollte nicht überall verdrängt werden, sondern ich persönlich möchte, dass man da einfach drüber reden kann.

Es gibt unzählige "gesellschaftsfähige" Erkrankungen, über die man als "Small Talk" überall reden darf: Z.B. Zucker, Herzrythmusstörungen, Blutdruck, "Rückenschmerzen - soweit sie nicht zu extrem sind und in angemessenem Zeitraum wieder besser werden". Hoch im Kurs stehen natürlich Beinbrüche o.ä., weil einen Unfall kann man ja schlecht beeinflussen und alles wird wieder heil.

Wir - ob Krebspatienten oder andere mit schweren chronischen Krankheiten - werden nicht wieder gesund, das haben wir versucht, deutlich zu machen. Der Krebs bleibt im Kopf, unabhängig vom Körper. Und Ratschläge von Psychotherapeuten, die nicht selbst betroffen sind, sind manchmal wie Schläge ins Gesicht, genau wie der Ratschlag: Du musst positiv denken.

Der Einfluss, den wir und die Ärzte auf unseren Körper nehmen können, ist sehr gering. Es gibt Erfolge, es gibt Glück, aber wir mit unserem beschränkten Wissen können nicht innerhalb unseres kurzen Lebens das Wunder der Evolution entschlüsseln und allen Krankheiten bzw. dem Tod ein Schnippchen schlagen.

Wenn mir jemand "Gesundheit" wünscht, ist das ein Schlag ins Gesicht. Wenn jemand mir Kraft wünscht, Glück und noch einige schöne Jahre, dann bin ich dankbar dafür.

Vielleicht konnte ich Dir, ohne Dir zu nahe zu treten, etwas verdeutlichen, dass wir "keine Dauerkranken" sind, sondern irgendwie Menschen mit einem Händicap und mit anderen Problemen als "Gesunde", die sich vielleicht mehr Gedanken über ihren gesellschaftliche, berufliche oder finanzielle Situation o.ä. machen.

Liebe Grüße

Hanne

asteri71
03.05.2006, 15:27
Hallo Hanne,
ich versuche zu verstehen,wie du es meinst.
Das Thema Krebs sollte in unserer Gesellschaft nicht einfach so verdrängt werden,nicht wahr?Dem stimme ich zu.Alle schweigen betroffen,wenn es um Krebs geht,oder versuchen sich ganz schnell aus dem Staub zu machen,wenn gar ein Betroffener anwesend ist.
Mein Vater war immer der Erste,der solchen Diskussionen ausgewichen ist.Bis er schließlich selbst betroffen war...
Und dennoch muss man mit diesem Thema doch ganz behutsam umgehen,oder? Jeder ist anders und auch während der Krankheit gibt es immer wieder unterschiedliche Phasen,in denen sich der Betroffene befindet.Wenn ich mich jetzt also damit auseinandersetzen möchte,bzw.einem Betroffenen etwas Nettes sagen möchte,oder auch meine Hilfe anbieten will,ist es trotzdem nicht so einfach,dafür den richtigen Ton zu treffen.Wie du sagst,du möchtest nicht,dass man dir Gesundheit wünscht.
Das verunsichert sicherlich viele,wenn schon Gesundheit falsch ist,dann halten bestimmt die meisten von vornherein den Mund,um nichts Falsches zu sagen.
Verstehst du,wie ich es meine?
Ich glaube dir,dass der Krebs für immer in eurem Kopf bleiben wird,wie du sagst. Aber vielleicht kannst du es schaffen,dass er da eines Tages nicht mehr die Hauptrolle spielen darf.
Ich hoffe,ich habe damit nichts Falsches gesagt,
liebe Grüße von asteri!

hanne
03.05.2006, 18:49
Liebe Asteri,

der Krebs ist im Kopf, da geht er nicht mehr raus. Das geht nicht nur mir so. Das heißt nicht, dass ich den ganzen Tag daran denke, aber das heisst, dass ich meine Zeit bewusster nutze oder auch nur bewusster nicht nutze (faulenze).

Wenn man einmal die Diagnose Krebs bekommen hat, wird man nicht wieder "gesund" im Sinne der Gesunden. Außerdem, wer von all den Gesunden ist wirklich gesund, was ist Gesundheit, gibt es dafür bestimmte Kriterien?

Und trotzdem habe ich - wie jeder andere Normale - gute und schlechte Zeiten.

Einen Vorteil hat es für die Meisten: Den von einer der Betroffenen Zustand der Gelassenheit.

Es gibt immer Menschen, nicht nur Krebskranke, die Angst haben vor Krankheit und Sterben, wobei der Krebs wohl am Negativsten gesehen wird. Aber auch das Sterben gehört zum Leben. Wir wären nicht auf der Welt, wenn nicht irgendjemand für uns "Platz gemacht" hätte und so werden wir irgendwann mal Platz machen für jemand anderen. Und die wenigsten Menschen sterben "gesund", abgesehen von Unfällen.

Und zu dem Wunsch "Gesundheit": Würdest Du einem Menschen, dem man beide Beine abggenommen hat, wünschen, dass er wieder "auf eigenen Beinen stehen kann"? Glaubst Du, der könnte ein menschwürdiges Leben führen, wenn er nur darüber nachdenken würde, wie er wieder "richtige Beine" bekommt?


Ich versuche, jede Minute meines Lebens einigermaßen zu genießen, egal, ob ich eine Garantie für 5, 10 oder 40 weitere Jahre habe, die hat ein "Gesunder" auch nicht. Nur bin ich mir der "Vergänglichkeit" meines Lebens bewusst und verdränge es nicht.

Apropo, ich kann mit Wünschen wie Gesundheit leben, derjenige muss allerdings dann aber auch mit einer entsprechenden Antwort leben.

Ich meine das nicht böse, aber es ist schon schwierig, jemandem, der auch Betroffen ist, mit Worten seine Gefühle zu beschreiben, ein "Gesunder" wird es erst begreifen, wenn er betroffen ist. Man wundert sich dann, wieviel der Mensch erträgt, ohne den Mut zu verlieren.

Liebe Grüße

Hanne

asteri71
03.05.2006, 22:12
Hallo Hanne,
meinst du mit Gelassenheit,dass du durch deine Krankheit keine Angst mehr vor dem Tod hast-oder davor,krank zu werden?
Sicherlich haben sich Betroffene viel intensiver mit ihrer Krankheit und dem eventuell drohendem Sterben auseinanderzusetzen.Und dadurch führt ihr vielleicht auch euer Leben unter anderen Vorraussetzungen,bewusster,intensiver.Und wahrscheinlich weißt du um die echten Werte im Leben!
Für mich ist es in einem Alter von 35 Jahren das erste Mal,dass ich mit dem Sterben einer meiner liebsten Menschen konfrontiert werde.Ich beschäftige mich ständig in Gedanken mit diesem Thema und allem,was dazugehört.
Meine Eltern sagen schon seit vielen Jahren,dass sie jeden einzelnen Tag genießen wollen,nicht so sehr an morgen denken,sondern heute leben.
Und so haben sie es auch gehalten.Dafür bewundere ich sie.
Aber jedes Alter setzt natürlich andere Prioritäten.In meiner Situation wäre es schrecklich,wenn ich nicht mehr an morgen denken dürfte,da ich zwei kleine Kinder habe,da muss man auch ein bisschen in die Zukunft sehen,oder nicht?

Hast du auch Familie und Kinder,Hanne? Und wenn ja,wie gehen sie mit deiner Erkrankung um?Ist das Thema für die Angehörigen erledigt,wenn man als geheilt gilt? Ich könnte mir vorstellen,dass das Thema von ihnen dann wieder verdrängt wird,ist es so?
Wenn du auf persönliche Fragen nicht antworten möchtest,ignoriere sie einfach.Ich möchte dir nicht zu nahe treten.
Eine gute Nacht wünscht dir asteri!

Kampfzwerg
03.05.2006, 22:24
hallo,
ich lebe, lebe seit dem 11.2004 mit der Diagnose Ovarialcarzinom. Große Op, Chemo, Reha, Erwerbunfähigkeitsrente bis Ende des Jahres und gehe regelmäßig in eine Selbsthilfegruppe.
Ich lebe nach meinem Motto, ich beuge mich meiner Erkrankung, aber ich gebe mich nicht geschlagen.
Ich bin im Moment Krebsfrei, im Moment das bedeutet für mich, ich muss ab jetzt jederzeit mir einem Rückfall rechnen.Und doch hab ich eine gewisse innere Ruhe gefunden.
Einige in meinem Umfeld halten mich wohl für bescheuert. Ich würde doch so gut aussehen, wie das blühende Leben, wie ich an einen Rückfall denken könnte, man muss sich das nicht einreden.
Ich brauch mir nichts ein zureden, ich habe eine medizinische Ausbildung und sehe das realistisch. wenn ich keinen Rückfall bekomme, kann ich sehr dankbar sein.
Ich bekam eine 2. Chance und lebe heute viel bewusster, für einige auch unverschämt egoistisch.Heute leiste ich mir den gesunden Egoismus.
So lieb, wie es manche Leute meinen, sie können sich nicht in unsere Lage hinein versetzen. Wir haben das Tor zur Hölle gesehen.

Liebe Grüsse Marlene

asteri71
03.05.2006, 22:30
Lieber Kampfzwerg,
ich hoffe nur,du spielst nicht auf mich an.Ich würde mir nie anmaßen zu sagen,ich könnte mich in euch hineinversetzen.
Jeder kann immer nur für sich in der gegebenen Situation sprechen.
Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft!
Liebe Grüße von asteri

hanne
03.05.2006, 23:05
Liebe Marlene,

ich bin auch viel egoistischer geworden. Niemand kann einem diese Krankheit - auch nach der sog. Heilung - abnehmen. Der Vorteil ist, dass es einem meist egal ist, was die anderen denken. Am Anfang versucht man noch, Verständnis zu finden, Leute die einfach zuhören, Jemanden, bei dem man sich "auskotzen kann", aber das funktioniert - auch innerhalb der Familie - meist nur kurze Zeit, dann heisst es : Was willst du, du bist doch geheilt. Dass man Zeit seines Lebens 1 - 2 mal im Jahr zur Nachsorge muss, vergessen sie meist, dass es jedesmal mit der Angst verbunden ist, da könnte wieder etwas sein....

Ich war mal wegen meiner Wirbelsäule in einer Schmerzklinik, danach habe ich mir gesagt: Sei dankbar, im Gegensatz zu den Krebskranken im Endstadium geht es dir gut, du hast es nur mit der Wirbelsäule. 3 Jahre später hatte ich dann auch Krebs. Shit happens.

Ich bin dankbar, dass man den Krebs so früh entdeckt hat und dass ich eine echte Chance für ein" zweites Leben" bekommen habe, aber ich kann nie wieder sagen: ich bin gesund geworden.

Liebe Asteri,

ich habe Kinder, die ich alleine großgezogen habe, die haben Kinder und leben ihr Leben, sollen sie auch. Aber jetzt denke ich an mich. Ich habe aus anderen Gründen Dauerschmerzen und seit ich das Morphium nicht mehr regelmäßig nehme (wg. Nierenkrebs) bin ich sehr geräuschempfindlich. Ich erwarte, dass sie mich anrufen, bevor sie kommen, und mich fragen, ob sie kommen können. Ich bin nicht jeden Tag in der Verfassung, Besuch zu empfangen. Ich bin kein Dauerbabysitter mehr, obwohl ich mich freue, wenn mein Enkel kommt. Ich will mit ihm auch eine Woche nach Sylt fahren. Ich jammer nicht rum, sage aber auch ganz deutlich, wenn ich mal eine Auszeit brauche, dann hat er ruhig zu sein. Er ist 13 und es funktioniert ganz gut. Aber jüngere Kinder, die sehr lebhaft sind, gehen mir (sorry) oft ganz schön auf den Keks, obwohl ich Kinder immer sehr gern mochte.

Du siehst, manche Dinge erledigen sich von selbst, ich fühle mich nicht mehr für Kinder/Kindeskinder verantwortlich und habe auch nicht das Gefühl, diesbezüglich Verpflichtungen erfüllen zu müssen.

Und die Zeit, die ich mit ihnen verbringe, ist rein zum Vergnügen, beschränkt sich manchmal nur auf eine Stunde, manchmal ein Wochenende, aber nach meinen Regeln und nach meiner Verfassung.

Es gibt einen Buchtitel: Ich habe Dir nie einen Rosengarten versprochen. Das Leben ein ständiger Kampf, so gerne ich es früher wollte, ich kann meinen Kindern das Leben, den Kampf und das Leid nicht abnehmen. Aber ich hoffe, dass sie gelernt haben, die kurzen netten Momente im Leben zu geniessen und sich an ihnen zu erfreuen. Mehr konnte und kann ich für sie nicht tun.

Gute Nacht

Hanne

Kampfzwerg
04.05.2006, 09:57
Liebe Asteri,

keine Sorge, das war nicht auf Dich bezogn,sondern eine Erfahrung, die ich gemacht habe und andere hier ja bestättigen.

Liebe Hanne,

du sprichst mir aus der Seele. Meine Töchter sind 24 und 28 Jahre alt. Beide haben sich auf ihre Art sehr um mich gekümmert. Die älteste mehr bürokratisch, da ich alles vor meiner OP geregelt habe , für den Notfall, die jüngste viel auf der Beziehungsebene. Dadurch ist das vorher eher kühle Verhältnis sehr intensiv geworden.
Das hat meiner ältesten wohl mächtig gestunken. Selbst ihr langjähriger Lebensgefährte hat da noch mitgerührt.
Sie hat mir vor 2 Wochen gesagt, ich wäre der egoististe mensch, den sie kennen würde. Ihr Freund hätte ihr geraten, sich das mit mir nicht mehr an zu tun. Fakt ist ich habe mein Haus verkauft und mich neu eingerichtet, es waren nach Abrechnung mit der Bank ca 33.000 Euro übrig, unter anderem kaufte ich mir meine Traumküche. Wer weiss wieviel Zeit ich mal zu Hause verbringen muss.
Und weisst Du was, kommischer Weise belastet mich dieser Sche...... kaum.
Es geht ihr materiell gut, sie hat eine gute Arbeit, für das seelische muss sie selber sorgen.
Alles andere macht die Zeit.

Liebe Grüsse Marlene

PS: es ist schön, das ich diesesKrebs Forum gefunden habe

rezzan
04.05.2006, 10:47
Liebe Marlene,
ich finde deine Haltung sehr gut. Vor einigen Jahren wurde meine Mutter schwer krebskrank und ich (37) und meine Schwester (36) haben uns in ähnlicher Weise wie deine Töchter um sie gekümmert.

Es wäre wundervoll für uns gewesen, wenn unsere Mutter so viel für sich selbst getan hätte, wie du es jetzt tust. Denn das ist ein Zeichen von Stärke und Selbstbestimmung. Es sagt uns Töchtern: Ja, ich bin hier und weiß was mir gut tut. Ihr müsst euch keine Sorgen machen, ich bin stark und nehme mir, was ich brauche! Ich wünschte, meine Mutter hätte diese Chance gehabt. Nichts hätte mich glücklicher gemacht. Leider hatte sie dazu keine Chance...

Ich drücke dir die Daumen, dass du weiterhin Ruhe hast vor dieser Sch...krankheit und wünsche dir alles Liebe, Rezzan

hanne
04.05.2006, 10:50
Liebe Marlene,

auch ich habe nur noch Kontakt zu einer Tochter, hatte sich aber kurz vor der Krebsdiagnose aus anderen Gründen ergeben (Alkoholkrankheit ihres Mannes, ausgezogen, wir haben ihr Wohnung, Arbeit besorgt, Geld gegeben) und dann ist sie zurück zu ihm und war zu feige, es mir selbst zu sagen.

Dann kam bei mir die Krebserkrankung (ist mir wahrscheinlich an die Nieren gegangen), man hat mir gesagt, eigentlich war er schon immer da, nur über Jahre nicht gewachsen, deshalb hat man immer gemeint, es wäre eine Zyste. Außerdem waren es zwei Nieren, die zusammengewachsen waren.

Ich habe kürzlich mit einer Schwägerin von meiner Tochter gesprochen (mit denen sich der Mann auch überworfen hat) und dabei ist mir klargeworden, dass die Krebserkrankung mir indirekt geholfen hat, den "Verlust" meiner Tochter gelassener zu sehen. Es ist ihr Leben und das wird für sie bestimmt nicht einfach, jetzt 4 Kinder, das jüngste wohl schwerbehindert (ich wurde von ihr weder über die Schwangerschaft noch über die Geburt informiert), der Mann hat den Job verloren (nach über 10 Jahre in einer großen Firma geschmissen wg. Diebstahl) und bekommt natürlich keinen neuen Job.

Aber sie hat sich den Weg ausgesucht und ich werde mich von ihr nicht wieder "einwickeln" lassen. Sie ist alt genug und ich bin nicht mehr ihre Feuerwehr für Notfälle.

So hat auch der Krebs seine positiven Seiten und die Aussage, dass man, auch wenn man als geheilt ist, den Krebs im Kopf nicht wieder los wird, ist nicht unbedingt nur negativ gemeint. Aber ich glaube, das können die nicht betroffenen nicht verstehen, trotz Krankheit ist man irgendwie erleichtert, gelassen und glücklich.

Man könnte das Sprichwort "Und ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert" vielleicht übertragen: "Und ist Krebs erst diagnostiziert, ..." Vielleicht ein bisschen makaber, aber was solls.

Liebe Grüßen

Hanne

rezzan
04.05.2006, 12:24
Liebe Hanne,
das tut mir sehr leid, denn auch wenn du deine Beziehung zu deiner Tochter gelassener sehen kannst, ist das tief innen doch bestimmt eine schlimme und traurige Belastung für dich. Ich möchte mir hier auf keinen Fall anmaßen irgendeine Einschätzung zu geben, aber wenn ich darf, möchte ich dir kurz erzählen, wie es uns mit meiner Schwester vor langer Zeit ging.

Meine Schwester hatte in ihrer ersten Ehe einen ähnlichen "Glücksgriff" hingelegt, wie deine Tochter. Der Typ war ein einziger Alptraum, aggressiv, eiskalt, hat uns belogen, bedroht, bestohlen, unsere ganze Familie tyrannisiert. Zu allem Unglück bekam meine Schwester auch noch ein Kind von diesem schrecklichen Kerl (heute übrigens unser größter Schatz - irgendwie hat doch alles seinen Sinn;-). Danach ging der Horror erst richtig los...Was das allerschlimmste war, war aber das Verhalten meiner Schwester. Sie hat diesem ganzen Horror tatenlos zugesehen, hat uns und meinen Eltern Vorwürfe gemacht, hat sich bedingungslos auf seine Seite geschlagen. Hat meine Eltern furchtbar verletzt, wir hatten das Gefühl, sie war ebenso eiskalt geworden, forderte immer nur Geld und schien wie ein Zombie zu sein. Es war furchtbar - vor allem für meine Mutter.

Nach unendlich langen zwei Jahren stand sie eines Tages mit ihrem Kind im Arm bei uns vor der Tür und brach auch auf der Stelle zusammen. Wir konnten ihr gerade noch ihren Zwerg aus dem Arm nehmen. Alles brach aus ihr heraus, dass sie die ganzen Jahre voller Angst gelebt hatte. Sie hatte einfach Angst vor diesem Kerl, hatte auch das Gefühl sich nicht mehr an ihre Familie wenden zu können und der ganze Kreis schloss sich um sie und sie wusste einfach nicht mehr ein noch aus. Die Details erspare ich dir, aber was ich damit sagen möchte ist, dass man nie in den Menschen steckt, ihre Ängste und Sorgen kennt. Und dass ihr furchtbares und verletzendes Verhalten nicht unbedingt bedeutet, dass sie einen nicht mehr lieben. Vielleicht geht es deiner Tochter ähnlich. Aber das weißt du sicher am besten und ich verstehe dich sehr, sehr gut, dass du keine Lust mehr hast für ihre Probleme Feuerwehr zu spielen.

Ich finde, du hast eine sehr gesunde Einstellung dazu und wünsche dir, dass deine Tochter doch noch einen anderen Weg zu dir findet. Liebe Grüße, Rezzan

asteri71
04.05.2006, 22:29
Liebe Hanne,liebe Marlene,liebe Rezzan,
ich finde eure Einstellung bezüglich eines gesunden Egoismus (über den eigentlich jeder verfügen sollte),absolut richtig.Man muss auch mal an sich selbst denken und sich das holen,was man wirklich braucht.Das gilt für alle Menschen,aber solche,die an einer schweren Krankheit leiden,verstehen es vielleicht besser.
Hier in Griechenland,wo ich lebe,fällt auf,dass die Eltern mit erwachsenen Kindern sich oft völlig für ihre Kinder und deren Familie aufopfern,ihr ganzes Leben nur noch darauf konzentrieren.Oft in einem Maße,wo man nur noch mit dem Kopf schütteln kann...Irgendwann kommt aber immer auch ein-wir haben doch alles für euch getan,und das ist nun der Dank!-wenn die Kinder oder Schwiegerkinder die Einmischung in ihr Leben nicht mehr ertragen können.Das kommt so oft vor.
Das gefällt mir nicht.Andererseits ist es bewundernswert,was die Leute hier alles auf die Beine stellen können,um einem Familienmitglied in welcher Weise auch immer zu helfen.Der Zusammenhalt ist echt toll!
Was ich eigentlich sagen wollte:ich kann mir vorstellen,dass kranke Menschen ihre Wertvorstellungen nochmal neu überprüfen.Für mich (man kann schließlich immer nur für sich selbst sprechen) stehen Liebe,Familie und Freundschaft an oberster Stelle.Das war schon immer so.
Wie war das bei euch? Haben sich eure Werte und Prioritäten im Leben nach der Diagnose verändert?
Viele Grüße an euch alle von asteri
P.S.Ich hoffe trotzdem für euch,Hanne und Marlene,dass sich das Verhältnis zu euren Töchtern noch wiederherstellen lässt.

Rubbelmaus
12.05.2006, 18:18
Am 5.5.2000 bekam ich die Diagnose BK. Der Primärtumor war 8 cm gross, eine 3 cm grosse Metastase an der Thoraxhinterwand und alle Lymphknoten in der re. Achsel betroffen. Es wurde mir gleich klipp und klar gesagt, dass ich mal gerade eine 10-20 % Chance hätte, zu überleben. Den Primärtumor könne man sogar nicht ganz wegoperieren. Ich wurde dann in eine Studie mit neoadjuvant je 3xHöchstchemos Epirubicin- und Taxolchemos genommen. Bei der Op. waren die Krebstumore nicht mehr nach zu weisen. Auch histologisch wurden keine Krebszellen mehr entdeckt. Damit hatte niemand von meinen Ärzten gerechnet und ich konnte brusterhaltend operiert werden. Anschl. bekam ich aus Sicherheitsgründen noch 6x CMF-Chemos und 28 Bestrahlungen. Ich habe aber von den Taxolchemos eine Polyneuropathie in Händen und Füssen behalten, so dass ich stark gehbehindert bin und nur noch mit Stock oder Gehwagen sicherer gehen kann. Bin schon oft gefallen, da auch die Muskulatur dadurch nicht mehr richtig funktioniert. Dazu kommen noch div. Erkrankungen wie Diabetes II und eine Schildrüsenunterfunktion. Aber ich habe alles aktzeptiert und habe dank der Mitbehandlung eines Facharztes für Psychiatrie- und Psychotherapie gelernt damit zu leben. Gegen die Schmerzen habe ich auch jetzt ein Antideprissivum bekommen, das mir hilft, damit ich nachts ohne Nervenschmerzen einigermassen schlafen kann. Ich habe 3 Jahre und 8 Monate eine Antihormontherapie mitgemacht, die ich aber wegen der extrem starken Nebenwirkungen abgesetzt habe. Ich habe mich damals gegen Lebensquälerei und für Lebensqualität entschieden.

Dann am 23.3.2002 bekamen wir die schreckliche Nachricht, dass unser einziger Sohn im Alter von 34 Jahren tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Die Todesursache ist bist heute nicht einwandfrei bekannt. Spielt für uns aber auch keine Rolle. Er ist nicht mehr da und nur das ist was für uns zählt. Im Oktober 2002 bekam meine Mutter, die während meiner Behandlung zu einem Pflegefall wurde, ihren 3. Schlaganfall und verstarb einige Tage später. Ich habe also innerhalb von 7 Monaten, 2 meiner wichtigsten, geliebten Menschen verloren. Ich habe auch das mit Hilfe meines Mannes und den Glauben an einem Leben danach, auch einigermassen in den Griff bekommen. Ich habe in den Jahren gelernt, zu akzeptieren und los zu lassen.

Anfang des Jahres bekam ich ziemlich starke Schmerzen in den Rippen. Aber ich habe gewartet, bis im März meine nächste Kontrolluntersuchung wieder fällig war. Warum? Weil ich in meinem Innersten schon genau wusste, dass dieser Schmerz anders ist und nichts Gutes verheisst. Und richtig, nach Skelettszintigramm und mehreren CT-Aufnahmen war klar, es handelt sich um eine 3,5 cm grosse Metastase an der 7. Rippe rechts. Eine Biopsie des Knochens war nicht möglich, da der Knochen zu aufgeweicht und bröckelig ist und damit die Gefahr bei der Biopsie, die Lungen zu verletzen einfach zu gross ist. Ausserdem ist das Rippenfell schon um den Knochen sehr verdickt. Ich bekomme jetzt erstmal alle 4 Wochen eine Bondronat-Infusion um den Knochen zu stabilisieren. Wenn die Rippe dann wieder einigermassen fest ist, kann man mit den Bestrahlungen beginnen. Wann das aber ist, steht noch nicht fest. Wenn die Behandlung so nicht greift, muss man sich etwas Anderes überlegen.

Trotzdem ich jetzt nicht als geheilt mehr gelten kann, habe ich aber nichts von meiner positiven Einstellung am Leben verloren. Ich glaube einfach daran, wenn die Zeit da ist, um zu gehen, dann kann niemand etwas daran ändern.Ich freue mich jeden Tag über mein neues geschenktes Leben und geniesse es in vollen Zügen. Ich lebe mit dem Krebs, aber nicht dafür. Er ist nicht mehr mein Lebensmittelpunkt, dafür ist das Leben einfach zu kostbar. Wir verreisen viel und geniessen einfach jeden Tag, an dem wir beieinander sein dürfen. Gesundheit ist keine Selbstverstänlichkeit, sie ist ein Geschenk. Wer weiss den schon wirklich, ob er gesund ist? Mittlerweile sind schon 3 gute Freunde von uns gestorben, die keinen Krebs hatten und womit niemand gerechnet hat.

Jetzt fahren wird morgen erst mal für 2 Wochen an die Nordsee und ich freue mich schon darauf, Urlaub und frische Luft zu tanken und keine Ärzte zu sehen.

Du kannst nicht das Leben von gestern nachholen und das von morgen nicht vorab leben.Das Leben ist jetzt und hier, in dieser Sekunde, und das Jetzt solltest du leben!

Ich wünsche euch Allen viel Kraft und Zuversicht!

Viele liebe Grüsse
Rubbelmaus/Heidi

asteri71
12.05.2006, 18:46
Liebe Heidi,
es tut mir sehr Leid zu hören,was du schon alles durchmachen musstest.Toll,dass du deinen Lebensmut und deine positive Einstellung nie verloren hast!
Du hast Recht,niemand von uns weiß eigentlich,ob er gesund ist oder wie viel Zeit ihm auf dieser Welt noch bleibt.Deswegen sollten wir es immer genießen und unsere Liebsten stets so behandeln,dass wir es nie bereuen.
Jetzt wünsche ich dir erst einmal einen schönen Urlaub! Wohin fährst du denn genau? Ich komme nämlich von der Nordseeküste.Ich hoffe,ihr habt schönes Wetter,dann ist es nämlich richtig schön da.
Viele liebe Grüße von asteri

Rubbelmaus
12.05.2006, 22:04
Hallo Asteri71,

danke für deine Urlaubsgrüsse. Wir fahren praktisch in unsere 2. Heimat nach Cuxhaven. Dort fühlen wir uns immer wohl. Keine grosse Anfahrt (Kann nicht lange sitzen), die Gegend ist traumhaft, Superfisch und der Strand ist gut für mich zum Laufen. Unsere FEW ist direkt am Strand, brauche nur in Döse über die Strasse gehen. Das ist für mich ideal, da ich nicht lange laufen kann. Den Rest kann ich gut auf dem Balkon in der Sonne (hoffentlich) sitzen. Ach, ich freu mich so!

Danke auch für deine mitfühlende Zeilen. Ich bin so froh, dass ich hier im KK immer alles schreiben kann, was mir auf dem Herzen liegt und hier immer Menschen sind, die Verständnis für mich haben.

Schöne Grüsse:winke: :winke:
Heidi

hanne
13.05.2006, 15:27
Liebe Heidi,

es ist erstaunlich, wieviel Kraft man besitzt. Deine Liebe zur Nordsee kann ich nachempfinden. Ich fahre ab und an mal nach Sylt, im Juli für eine Woche mit meinem Enkel.

Jeder Tag ist ein Geschenk - ob man nun gläubig ist, oder nicht. Viele Dinge verlieren einfach an Gewicht, so dass man vielleicht mit weniger Ballast herumläuft, als mancher Gesunder, was nicht heissen soll, dass man es leichter hat. Es ist halt anders als "vorher", nicht mehr habe ich versucht, zu sagen.

Falls Du noch nicht unterwegs bist, einen schönen Urlaub.

Liebe Grüße von "Fast an der Küste"

Hanne

rezzan
16.05.2006, 15:09
Liebe Heidi,

deine Geschichte macht mich sprachlos. So viel Leid und trotzdem auch so viel Kraft und Mut - bewundernswert! Ich wünsche dir wundervolle Ferien :cool2:
Liebe Grüße, Rezzan

rezzan
16.05.2006, 17:57
Liebe Heidi,
sehe gerade, dass du heute auch noch Geburtstagskind bist! Ich wünsche dir alles Liebe, dicke Geschenke, eine Riesentorte und gaaaanz viele liebe Menschen, die mit dir feiern!!! :prost:
:winke: :winke: Rezzan

Erzengel
30.05.2006, 15:49
Hallo,

ich bin einer derjenigen, der für sich den Kampf gegen den Krebs gewonnen hat. Meine gesammte Heilung war einfach unglaublich und für die Ärzte unfassbar. Es wurde in einer Tour von wundern gesprochen und ich selbst habe den Krebs hinter mir gelassen. Ich habe kraft gefunden, Ängste überwunden und Vertrauen in meinen Glauben. Dabei verdränge ich nichts, rede freizügig über meine Erlebnisse und Reflektiere das Erlebte.

Jeder verarbeitet Dinge anders, darum gibt es keine allgemeingültigen Aussagen in diese Richtung. Ich wünsche allen die Kraft, Ängste zu überwinden und das Leben zu genießen!