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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mama will nicht kämpfen...


Mona1976
23.10.2009, 11:34
Hallo, ich schreibe wegen meiner Mama(52), sie kam vorletzte Woche in die Klinik, wegen einer Eisenmangelanämie.
Seid Sie dort ist, erhält sie jeden Tag Bruchstückhaft , was mit ihr ist. Psychische Folter, würde ich es bezeichnen!
Am Montag op, wurde ihr der Darmkrebs rausgeholt, wieder zu gemacht. Das Ergebnis, ist im Moment, Darmkrebs mit inoperablen Lebermetastasen (neben Blutgefäßen), Darmkrebs war in Bauchdecke eingewachsen, vorgestern wurde noch von Teilbefall der Lunge gesprochen...Gestern sagte man ihr, die Lunge doch nicht, ist aber eh egal.

Vor 4 Jahren hatte sie Eierstockkrebs 1a mit Chemo 3mal. Wir dachten alles sei gut gegangen, sie war immer bei der Nachuntersuchung , alle viertel Jahre Blutkontrolle, nix zu sehen, Blut immer ok.

Vorige Woche vor der Op sagte man ihr, sie hätte auch ein Geschwür, da wo früher der Eierstock war, in der Op haben sie das Geschwür angeblich nicht mehr gesehen.

Wir sind am Ende!!! Ich weiß nicht mehr , was ich glauben soll und wie es weitergehen könnte mit ihr. Was würdet Ihr tun? Ich freue mich über Eure Tips

eine sehr traurige Tochter

Mona

Astreya
23.10.2009, 15:56
Erst einmal ein herzliches Willkommen, auch wenn der Anlass ein trauriger ist.

Ich würde Dir empfehlen, zunächst einmal die Arztberichte und den OP-Bericht einzufordern. Zudem würde ich einen Termin mit dem zuständigen Onkologen machen und wenn möglich Deine Mutter dorthin begleiten und in Erfahrung bringen, welche Therapieoptionen dieser vorschlägt.

Dann wäre es sinnvoll, die Berichte zu kopieren und zusätzlich eine Zweitmeinung anzufordern. Nur wenn man möglichst viele Informationen hat, kann man versuchen, die bestmögliche Behandlung zu beginnen.

Wenn Du magst, kannst Du die Befunde auch hier posten, dann kann Dir auch weiter Rat gegeben werden.

Gute Adressen sind zudem
KID: http://www.krebsinformationsdienst.de
und
Felix-Burda-Stiftung: http://www.darmkrebs.de/de/behandlung/therapieentscheidung/zweitmeinung/

Mona1976
20.11.2009, 13:53
Hallo,

bei meiner Mutter (52) wurde vor einem Monat festgestellt, dass der Eierstockkrebs nach 4 Jahren wiedergekommen ist. Erst hat man gedacht Darmkrebs, jetzt doch Eierstockabsiedlung im Dickdarm. Der Darm wurde operiert, da sonat bald ein Darmverschluss gewesen wäre. Es war bis zum Bauchfell eingewachsen, zusätzlich hat sie noch 5 Lebermetastasen.

Ich war mit vor 2 Wochen bei DR. M. in Würzburg, er sagte er könne die Lebermetastasen operieren sowie die Reste im Bauchraum entfernen, aber erst
sie eine Induktionschemo (was heißt das?) machen, danach die OP, danach nochmal Chemo, mit dem Ziel in einem halben Jahr tumorfrei zu sein.

Die private Situation ist schrecklich, ihr Mann liegt im Koma mit Lungenemphysem und wird die nächsten Tage nicht überleben. Sie ist so am Boden. Ihre Meinung zur Chemo ist NEIN und ich solle sie auch nicht überreden.

Ich möchte ntürlich als Tochter , dass meine Mama solange wie möglich lebt. Herr Dr. Müller sagte,ohne Chemo würde sie nur noch wenige Monate leben.

Was denkt Ihr würde ihr die ganze Therapie überhaupt etwas bringen, oder ist es nur Leidenszeit? Falls sie bei ihrer Meinung bleibt, auf welchen Verlauf muss ich mich einstellen, im Moment scheint sie noch recht fit, ohne Schmerzen, sehr blass aber sonst fit.

Was würdet Ihr mir raten?

Mona

Milashka
20.11.2009, 15:09
Das tut mir leid, dass Deine Mutter da nochmal durch muss, zumal das timing wohl auch ganz schlecht ist im Moment.

Ich selbst bin 47 Jahre alt, und hatte vor 4 Jahren meine EK OP mit anschliessender Chemo. Bin seitdem in Remission, allerdings war mein Tumormarker im Oktober erhoeht und ich werde nun wieder engmaschig kontrolliert. Ich kann mir also gut vorstellen, was ein Schlag das gewesen sein muss, nach so langer Zeit das Ganze nochmal angehen zu muessen.

Waehrend die Erstbehandlung ziemlich standardisiert ist, werden Rezidive individuell behandelt - es gibt einfach zu viele Variablen, und die Aerzte muessen dann entscheiden, was aufgrund deren Erfahrungswerte die beste Vorgangsweise ist.

Ich kenne einige Frauen, bei denen die Folge Chemo - OP - Chemo war. Wie Du das schilderst, ist man ziemlich zuversichtlich, den Krebs damit zu beseitigen. Natuerlich kann man nie wissen, wie die Chemo anspricht und wie dann die OP verlaeuft, aber ich finde es positiv, dass sie eine Kandidatin fuer eine weitere OP ist, viele Frauen sind das naemlich nicht.

Ich kenne Deine Mutter nicht, kann mir aber vorstellen, dass die Situation mit ihrem Mann im Koma und der Stress des Rezidivs und ihrer OP sie ziemlich ueberlastet, und es wundert mich nicht, dass sie die Chemo ablehnt - ist ein bisschen Kopf in den Sand und "ich will nicht mehr es reicht" - ich kenne das von mir selbst. Ich hoffe, sie findet wieder zu sich und kaempft weiter. Wie ihr das gelingt, kann ich leider nicht sagen.

Wenn ich in ihrer Lage waere, wuerde ich auf jedenfall dem Rat der Aerzte folgen - wenn alles gut geht, hat sie in ein paar Monaten das ganze hinter sich und kann sich hoffentlich an weiteren krebsfreien Jahren erfreuen. Garantien gibt es nicht, aber Hoffnung IMMER!

Vielleicht hilft es, wenn sie das Ganze Tag fuer Tag, Woche fuer Woche angeht. Ich wollte vor 4 Jahren auf keinen Fall Chemo machen. Mein Vater sagte mir, versuch's wenigstens einmal - man kann ja jederzeit aufhoeren. Also habe ich es versucht. War nicht so schlimm. Also ein zweites Mal. Ertraeglich. Und nach dem dritten Mal war ich schon halb durch, dann war's einfach (psychologisch gesehen).

Alles gute!

Dagmar

flipaldis
20.11.2009, 17:15
Hallo Mona,
was Dr. M. meinte ist folgendes: Dadurch dass das Rezidiv bei deiner Mutter erst 4 Jahre nach der Erstop. aufgetreten ist, ist bewiesen, dass ihr EK sensibel auf Carboplatin/Paclitaxel reagiert. Er will versuchen, die Metastasen der Leber und des Bauchfells durch diese nachgewiesenermaßen wirksame Chemo zu verkleinern und dann in toto entfernen.
Normalerweise wird nach 3 Zyklen operiert und danach werden die letzten 3 Zyklen verabreicht.
Wenn deine Mutter das ablehnt, werden die Metastasen weiter wachsen und nach und nach ihre Leber zerstören. Stoffwechselvorgänge werden entgleisen, eine Entgiftungsfunktion kann nicht mehr wahr genommen werden. Möglicherweise wird der Tumor am Darm rezidivieren und zwar relativ kurzfristig. Die Metas am Bauchfell werden für einen Aszites vom feinsten sorgen. Deine Mutter wird sehr kurzatmig werden und immer schwächer.

Ich habe dir dieses Szenario so drastisch ausgemalt, da ich finde, dass jeder Mensch seine Chance wahrnehmen sollte.
Deine Mutter hat einen Krebs, der sensibel auf die Chemotherapeutika reagiert. Sie ist mit 52 Jahren noch nicht zu alt, um das nicht durchzustehen.
Der Krebs in ihrem Körper und der immerwährende Gedanke daran, wird sie daran hindern ihrem Mann bei seinem letzten Weg die Stütze zu sein, die er vermutlich braucht.

Mach ihr klar, dass du willst, dass sie lebt und sich nicht aufgibt.

Liebe Grüße
flipaldis

Mona1976
23.11.2009, 16:53
Hallo, vielen Dank für Eure Antworten. Ist schon hart für mich als Tochter zu lesen, was da wohl kommen wird. Bin sehr verzweifelt, da meine Mutter sich nicht von ihrer Meinung abbringen lässt, schon gar nicht von mir. Ich glaube ihr ist gar nicht bewußt, welche Chance sie da verspielt.

Und ich darf zusehen, wie sie sterben wird. Bin so wütend auf sie, (auch in dieser Situation)

Mona

Milashka
23.11.2009, 19:15
Mona, auch wenn es Dir schwer faellt und es fuer Dich keinen Sinn ergibt, versuche Deiner Mutter Verstaendnis entgegen zu bringen und Deine volle Unterstuetzung zu zeigen. Letztendlich ist es immer der Koerper der Patientin, der durch die Chemo muss, und das Leben der Patientin, ueber das entschieden wird.

Als ich damals total gegen Chemo war haben alle Freunde und Verwandten an mir gearbeitet, mich umzustimmen. Ich fuehlte mich voellig ueberrannt, von der ganzen Welt, die zu wissen glaubte, was ICH machen MUSS. Ich bin ein bisschen ein Kontroll-Freak, und das war natuerlich ganz falsch, wenn auch gut gemeint. Meine Eltern/Familie waren letztendlich am hilfreichesten. Obwohl die natuerlich wollten, dass ich kaempfe, sind sie nach vielen Gespraechen akzeptierend in den Hintergrund getreten. Ich hatte deren volle Unterstuetzung EGAL wie ich mich entschieden haette, da war keine Wut oder Verzweiflung. Ich brauchte ca. 3 Wochen, um mich an meine neue Situation anzupassen, sie fuer mich selbst zu verarbeiten, und dann meine Entscheidung zu treffen.

Ich wuerde daher ein ruhiges, sachliches, und umfassendes Gespraech mit deiner Mutter eventuell zusammen mit dem Arzt, vorschlagen, in dem Chemo, OP, nichts tun und Hospiz diskutiert werden. Vielleicht kann Deine Mutter dann eine mehr informierte Entscheidung treffen.

Mona1976
27.12.2009, 15:10
Hallo, mein Name ist Mona, bin 33 ,verheiratet und habe 2 kleine Mädchen.

Es geht um meine Mama, sie ist 52 Jahre, sie hatte vor 4,5 Jahren Eierstockkrebs im Anfangsstadium, war immer zur Kontrolle, es war immer alles ok !!!! und nun im Oktober wurde festgestellt, dass der Krebs sich ausgebreitet hat im Darm mit Einwachsung ins Bauchfell, 5 Lebermetastasen. Der Darm wurde operiert, die Lebermetastasen nicht. Ich war mit ihr beim Spezialisten in Würzburg, der sagte sie müsse eine Chemo machen, danach würde er alles rausoperieren, dannach nochmal Chemo mit dem Ziel sie in einen halben Jahr tumorfrei zu bekommen.

Das Problem ist, sie will auf keinen Fall eine Chemo machen!!! Sie weigert sich. Sie will die restliche Zeit leben und dann sterben.

Ihre seelische Situation ist so traurig, ihr Mann ist vor einem Monat an einem Lungenemphysem gestorben mit 56 Jahren und ihre Diagnose dazu.... ;o(

Ich bin als Tochter so verzweifelt, sie möchte dass ich sie verstehe und ich kann es nicht. Ich möchte so gern dass sie kämpft. Ich weiß nicht , wie ich mit der Situation umgehen soll und kann. Würde mich über einen Austausch mit Euch sehr freuen.

Mona

pit59
27.12.2009, 20:05
Hallo liebe Mona,
ich kann verstehen,wie es Dir geht.Wir befinden uns auch in einer Situation,die einen Teufelskreis ähnelt.Meine Mam hatte von über 2 Jahren Gebärmutterhalskrebs,hat sich gut erholt.................bis dieses Jahr im Juli mein Vater die Diagnose CUP Syndrom bekam.Von diesem Tage an ging es meiner Mam immer schlechter.Sie hat abgenommen,ißt kaum was,organisch ist nix zu finden.Sie hat Angst um sich und nun noch um Ihren Mann und umgedreht das selbe.
Ich denke bei Dir ist es auch so.Sie hat Ihren Mann verloren und hat unendliche Angst.Es ist ein richtiger Teufelskreis.Man weis nicht,wie man Sie da raus bekommt.Rede mit Ihr,sage Ihr,dass Du Sie nicht auch noch verlieren kannst,nur dass kann was bringen.
Ich mache das auch jeden Tag,bitte Sie von ganzem Herzen zu essen.
Es ist alles sehr schwer,für Sie und natürlich für uns genau so.
Kopf hoch,Du mußt das schaffen.Sei lieb gedrückt:knuddel:
Petra

Antiironie
27.12.2009, 23:58
Liebe Mona,

hm, vielleicht ist deine Mama so mutlos weil sie gerade ihren Mann verloren hat. Da hat man das Gefühl das das Leben sinnlos ist. Ist auch ein bisschen viel auf einmal. Aber das was der Arzt sagt klingt doch ganz hoffnungsvoll. Ich weiß nicht was sie für eine Chemo bekäme und wie sie die vertragen würde, ich weiß nur das meine Eltern ihre Chemo recht gut vertragen haben. Und einen Versuch ist es wert. Ich hoffe das sie nicht aufgibt und du deine Mama noch lange hast.

LG Anja

Mona1976
29.12.2009, 17:17
Vielen Dank für Eure Antworten. Warum trifft es so oft die Paare in nahen Zeitabständen?

Ja, was die Ärzte sagen gibt ein wenig Hoffnung, manchmal denke ich, nur ich will sie sehen. Meine Mama gibt auf, sie hat mehr Angst vor der Chemo, als vorm Sterben. Ich rede jeden Tag mit ihr, sage ihr, wie sehr ich sie brauche und ihre Enkelkinder. Sie sieht das Schöne im Leben nicht mehr.

Die Hoffnung gebe ich nicht auf, denke es kommt noch eine Wendung in ihrem Kopf. Mein Mann sagt, ich soll mir keine falschen Hoffnungen machen. Aber wie soll ich es als Tochter akzeptieren, dass sie nicht kämpft?

Es ist so schwer.

liebe Grüße Mona

Antiironie
29.12.2009, 20:31
Hallo Mona,

ich kann verstehen das es für dich als Tochter schwer ist. Bei jedem wirkt sich die Chemo anders aus, bei einigen wäre die Restlebenszeit im Nachhinein betrachtet vielleicht besser gewesen ohne Chemo. Anderen kann mit einer Chemo geholfen werden. Ich weiß nicht wie es bei deiner Mutter ist. Aber das was der Arzt sagt klingt nach einer Chance. Meine Mama wäre wahrscheinlich seit 2007 tot wenn sie keine Chemo gehabt hätte. Sie ist zur Zeit krebsfrei. Und hat die Chemo weggesteckt als wenn es nichts ist. Es ist schwer, aber deine Mutter hat auch einen eigenen Willen, erzähl ihr doch von anderen, lass sie hier lesen. Vielleicht erwacht dadurch ihr Wille zum Kämpfen und wenn nicht, mußt du es akzeptieren.

lg Anja

Stefans
31.12.2009, 22:28
Hallo Mona,

Das Problem ist, sie will auf keinen Fall eine Chemo machen!!! Sie weigert sich. Sie will die restliche Zeit leben und dann sterben.
(...)
Ich bin als Tochter so verzweifelt, sie möchte dass ich sie verstehe und ich kann es nicht. Ich möchte so gern dass sie kämpft. Ich weiß nicht , wie ich mit der Situation umgehen soll und kann.
Ich finde, Anja hat das sehr schön und moderat zusammengefasst: Du musst es akzeptieren. Nämlich das, was deine Mutter will.

Ich sage es mal deutlich provokanter: du musst dir m.E. überlegen, worum es dir geht - was deine Motivation ist. Geht es um dich oder um deine Mutter? (Ich verstehe, dass du im Moment verzweifelt bist. Meine Frau ist auch elendig an Krebs gestorben, nachdem wir über 20 Jahre zusammen waren. Das ist nicht schön mitanzusehen.) Wenn du schreibst "das Problem ist, sie will nicht", "sie weigert sich", "ich kann sie nicht verstehen", ich möchte, dass sie kämpft", "ich weiss nicht, wie damit umgehen"... Dann ist das völlig verständlich, das ist deine Perspektive, und die eigene Sicht der Dinge ist immer die wichtigste, weil wir nunmal nur die wirklich nachfühlen können. Aber: in all diesen statements geht es nur um dich, oder genauer: um deine Probleme mit der Krankheit deiner Mutter.

Wenn du versuchst, von deiner Betroffenheit etwas Abstand zu nehmen, ändert sich die Perspektive: deine Mutter lebt mit dieser Krankheit und den Behandlungen seit fast 5 Jahren. Sie wird Mitpatientinnen kennengerlernt haben. Sie wird die Mortalitätsrate kennen. Gut, bei Eierstockkrebs liegt die nach 5 Jahren bei unter 50%. Aber wenn die Metastasierung da und so weit fortgeschritten ist, sinken die Chancen auf Heilung rapide. Vielleicht weiss deine Mutter das? Oder sie weiss es nicht, aber bei ihr schrillen bei der Vorstellung 1. Chemo, OP, nochmal Chemo schon alle Alarmglocken. Und das m.E. völlig zu recht. Denn: SIE muss das über sich ergehen lassen, nicht du.

Und was der Arzt sagt... Ärzte sagen gerne das, von dem sie denken, das der Patient (oder Angehörige) es hören wollen. Oder das, was sie (als Nichtbetroffene) für "richtig" halten. Und eine selbstbewußte Patientenmeinung, nach der ein Restleben mit Lebensqualität (so wie deine Mutter sie sich vorstellt) wichtiger ist als ein Restleben plus x Jahre in ständiger Quälerei und Verschiebung von Klinik zu Ambulanz zu Klinik zu Ambulanz zu Klinik zu Ambulanz... die halten viele Ärzte für "falsch". Und viele Angehörige auch. Wieso trägt dein thread den Titel "Mama will nicht kämpfen..." - und nicht "Mama will ihre restliche Zeit lebenswert leben"?

Du kannst deine Mutter nicht verstehen. Völlig normal. Aber wenn dir etwas an ihr liegt, dann versuche es. Weil ihr m.E. nur so (ohne deine Besorgnisse und Befürchtungen) einen Draht zueinander finden könnt. Deine Mutter ist schwer krank, nicht du. Ihr wird es schwer genug fallen, darüber überhaupt zu reden - v.a. über eine Ablehnung der Chemo. Wenn du diese Gesprächsbereitschaft mit deinem Unverständnis und deiner Enttäuschung über ihren "mangelnden Kampfeswillen" erstickst, dann wird sie halt nicht mehr mit dir reden. Sondern das tun, was sie für richtig hält. Und nicht nur todkrank, sondern dabei auch noch einsam sein und mit den sie-will-ja-nicht Vorwürfen leben müssen.

Hat sie das verdient? Denn, bei allem Verständnis für Angehörige, darf man als Angehöriger m.E. eines wirklich _niemals_ vergessen: der andere hat Krebs, nicht ich. Der andere leidet, nicht ich. Der andere muss Chemos, OPs, Diagnostik, Klinikaufenthalte usw. aushalten, nicht ich. Kurzum: es geht nicht um mich, sondern um den Krebskranken. Der stirbt, nicht ich. Das schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich sein Sterben mitansehen muss, wenn er eine Behandlung verweigert (und sehr wahrscheinlich auch, wenn er der Behandlung zustimmt).

Und dieser andere, der den Krebs hat und um den es geht; der ist erwachsen, und ausschließlich er selbst bestimmt über sein Leben, sein Sterben und seinen Tod. Darüber kann ich mit ihm sprechen, ihn zu überzeugen versuchen usw., solange ich ihm keine Vorwürfe mache. Aber seine Selbstbestimmung muss ich akzeptieren, auch wenn ich seine Einstellung nicht gut heisse (aber Gott sei Dank stecke ich nicht in seiner Haut, ich darf ja gesund weiterleben!).

Als Angehöriger ist die Situation sehr schwierig - aber andererseits fallen Urteile über Dinge, die man selbst nicht durchmachen muss und nicht nachvollziehen kann, naturgemäß immer leicht. Insofern maße sich bitte kein Mensch an, einem Vogel zu erklären, wie er richtig fliegen soll. Und wann er damit aufhört. Wahre Größe kannst du m.E. ganz einfach zeigen. Indem du deiner Mutter deinen Respekt zu verstehen gibst: egal, wie du dich entscheidest - ich unterstütze dich dabei. Das geht natürlich nur, wenn der Respekt auch da ist. Und dass das nicht leicht ist, weiss ich nur zu genau.

Habe ich dir ein schlechtes Gewissen gemacht? Na, hoffentlich. Denn genau das ist es, was Petra als "Strategie" gegen deine Mutter empfohlen hat und was du übernommen hast: "Ich rede jeden Tag mit ihr, sage ihr, wie sehr ich sie brauche und ihre Enkelkinder. Sie sieht das Schöne im Leben nicht mehr." Na Klasse. Jetzt ist deine Mutter nicht nur todkrank, sondern auch noch unter Druck, weil sie ja gebraucht wird. Und darf ein schlechtes Gewissen haben, weil sie "das Schöne" (das du siehst, nicht nur, weil du nicht in ihrer Haut steckst, sondern v.a., weil du es dir wünschst) nicht mehr sehen will.

Du meinst es sicher nur gut. Aber wenn ich deine Mutter wäre, würde ich den Kontakt zu dir abbrechen mit der Erklärung, dass es nicht um dich geht, sondern um mich. Und dir sagen, dass du mich wieder besuchen kommen kannst, wenn du kapiert hast, dass es nicht um dich geht. Und dass emotionale Erpressungsversuche ala "aber ich brauche dich doch so sehr" das letzte sind, was ein schwer kranker Mensch vertragen kann.

Viele Grüße,
Stefan

mahanuala
01.01.2010, 00:30
liebe mona

du wirst deinen weg finden müssen, genau wie deine mom ihren finden muß.
auch wenn jeder erwachsen ist und seinen eigenen weg finden muß, mit der situation umzugehen, ist es vermutlich möglich darüber in kommunikation zu kommen.
ohne zynismus und ohne harte worte!
vielleicht braucht ihr bei dem *ins gespräch kommen* begleiter/innen: seelsorger/in, hausarzt/in, berater/in einer krebsberatungsstelle...?
und auch hier im forummußt du nur das an dich heranlassen, was im moment für dich *dran* ist
manche religionen lehren daß man ein leben lang das loslassen üben mußt.
sie lehren das mit mitgefühl und freundlichen worten...weil sie wissen wie schwer das ist...und dass man es nicht von jetzt auf gleich kann.
du wirst zeit brauchen, sowohl um mit deiner mutter ins gespräch zu kommen als auch das loslassen zu üben.
...vielleicht braucht sie deinen kampfeswillen, vielleicht benötigt sie etwas ganz anderes von dir...deshalb ist das reden so wichtig....

ich wünsche dir liebevolle begleiter/innen
und einen guten start ins jahr 2010
mahanuala

Boxerhund1
01.01.2010, 22:58
hallo Mona,

ich stimme Stefan mit jedem Wort, das er geschrieben hat, zu.

Begleite deine Mutter auf dem Weg, den sie gehen will. Steh ihr bei, denn was sie jetzt am Nötigsten braucht, ist jemand, der da ist und sie stützt und unterstützt.
Ganz sicher braucht sie keine Vorwürfe, daß sie "nicht kämpfen will".

Daß es dir als Tochter schwer fällt, die Mutter gehen zu lassen, weiß ich aus eigener Erfahrung gut genug. Den letzten Weg mit zu gehen, das kostet unendlich viel Kraft - seelisch und körperlich.

Du bist gesund - du willst deine Mutter nicht hergeben - aber es geht nicht um dich. Klar wirst du leiden, aber du lebst und wirst weiterleben. Deine Mutter ist diejenige, die sterben muß. Sie alleine bestimmt.... du hast das zu akzeptieren.

HeikeL
02.01.2010, 09:53
Liebe Mona !
Auch ich bin an Ek (bzw Eileiterkrebs) erkrankt, auch ich habe ein Rezidiv.
Die Chancen bei einem Rezidiv geheilt zu werden sind sehr, sehr gering. Es geht eigentlich nur um eine palliative Chemo, was auch bedeuten kann, noch einige gute Jahre zu haben. Ich habe für mich einen Kompromiss gefunden, der einzig ung alleine für mich richtig ist, weil ich es so möchte !!!
Ich habe eine Chemo nach Rezidiv gemacht und mache seit 1 Jahr und 4 1/2 Monaten Chemopause. Bis jetzt stagnieren meine Metastasen, aber die Lebensqualität ist nach Beendigung der Chemo trotz Peritonealcarcinose erheblich gestiegen.

Ich will auch nicht kämpfen, sondern leben ! Und die Quantität spielt da eine untergeordnete Rolle !

Du mußt die Entscheidung Deiner Mutter akzeptieren und wenn sie Dir am Herzen liegt, auch darin unterstützen !!!

Wie Stefan schon schrieb, es ist ihre Krankheit und ihr Weg. Wahrscheinlich hat sie sich aufgrund des Todes ihres Mannes schon intensiver mit dem Thema Tod und Sterben auseinandergesetzt und hat ihre Entscheidung gefällt.

Lieber Stafan !
Ich habe schon viele Deiner Beiträge gelesen und möchte Dir meine Hochachtung aussprechen, wie Du Deine Frau begleitet hast.
Du hast sie mit ihrer Persönlichkeit, in ihrer Krankheit und wie sie damit umgegangen ist, völlig akzeptiert, auch wenn es Dir schwergefallen ist, sie zu verlieren. Und Du hast sie auf ihrem letzten Weg begleitet, warst einfach da !
Das ist wahre, selbstlose Liebe.
Auch wenn Du Deine Frau verloren hast, kannst Du immer auf etwas zurückblicken, was nicht jedem zuteil wird, auch wenn es Dich in Deinem Schmerz um ihren Verlust nur wenig tröstet.

Ich wünsche allen ein frohes, möglichst beschwerdefreies, neues Jahr
Heike

Stefans
02.01.2010, 11:41
Hallo Heike,

Wahrscheinlich hat sie sich aufgrund des Todes ihres Mannes schon intensiver mit dem Thema Tod und Sterben auseinandergesetzt und hat ihre Entscheidung gefällt.
Und sie hat erlebt, was für einen grausamen Tod ihr Mann gestorben ist. Ein Lungenemphysem - keine Luft mehr kriegen und langsam, aber sicher zu ersticken - ist eine der schlimmsten Todesarten, die es gibt.

Ich weiss nicht, ob Monas Mutter ihre Entscheidung endgültig gefällt hat. Wer kann das schon, in so einer Situation? Ja, sie kann. Du kannst auch, meine Frau konnte auch, wollte keine Chemo mehr, "nur" noch palliative Behandlung. Aber vielleicht sieht das "5 vor 12" nochmal ganz anders aus. Wie auch immer. Schlimm finde ich, wenn Monas Mutter verstanden (respektiert) werden möchte, und nichtmal der ihr wichtigste Mensch das kann. An wen soll sie sich noch wenden, um auf ihrem Weg unterstützt zu werden :embarasse

Ich will auch nicht kämpfen, sondern leben ! Und die Quantität spielt da eine untergeordnete Rolle !
Ich sehe das (aus der Theorie heraus, zum Glück) genauso. Aber egal, welche Entscheidung. Die braucht m.E. viel Zeit (von Diagnose bis Exitus) um zu reifen. Du hattest die Zeit, meine Frau hatte sie, Monas Mutter hatte sie auch.

Was mir hier in den Foren seit langem auffällt ist, dass die "Toleranz" in Fragen der Behandlung / Nichtbehandlung der Betroffenen (bei den Betroffenen selbst, v.a. aber bei den Angehörigen) umso größer ist, je weniger (schnell) tödlich ein Krebs ist. Ich habe mal vor langer Zeit hier den Fehler gemacht, im Lungenkrebs-Forum nach einer Ablehnung der Behandlung zu fragen. Der Sturm der Entrüstung war orkanartig. Von den Angehörigen - die meisten Betroffenen können halt nach 3-12 Monaten nicht mehr schreiben :embarasse Jemand ist mir genau in Erinnerung geblieben, der meine Frage völlig unverschämt fand und (als Angehöriger) antwortete "wir wollen leben!"

Da habe ich mich zum ersten mal gefragt, ob es nicht so einige Leute gibt, die eigentlich sich (als Angehörige) meinen - und die Kranken einfach so locker in ihre Meinung einbeziehen. Und dass das für mich nicht in Ordnung ist.

Du hast sie mit ihrer Persönlichkeit, in ihrer Krankheit und wie sie damit umgegangen ist, völlig akzeptiert
Was für mich auch das leichteste war. Ich hätte nicht in der Haut meiner Frau stecken und ihre Entscheidungen treffen mögen. Wie kann man das überhaupt? Bei meiner Frau wuchsen die Metas um 1 cm pro Monat, und es war klar, dass eine Chemo bei ihrer Befundlage nur mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 10% ihr Leben verlängern wird. Verlängern - nicht unbedingt qualitativ verbessern. Trotzdem hat sie die gemacht. Ich weiss nicht, was ich getan hätte. Bei meiner Frau hat sich das dann von selbst geregelt, weil die Chemo nicht anschlug, die Metwas weiter wuchsen und sie durch die Chemo immer schwächer wurde - nach ein paar Terminen war Schluss, Versuch als sinnlos abgebrochen.

Da haben wir gewusst, dass es vorbei ist. Nur noch nicht, wann. Und meine Frau wollte nur noch palliativ behandelt werden, so schnell wie möglich aus der Klinik raus und zu Hause in Frieden sterben. Was in der Situation am schlimmsten war (und mich im nachhinein immer noch tierisch aufregt, deshalb reagiere ich auch hier etwas über), waren die "Schönredner". Die, wenn sie mit den Positiv-Sprüchen nicht weiterkamen, auf Vorwürfe und seelischen Druck umgeschwenkt sind. Laien wie Ärzte.

Den Vorwurf mangelnden Kampfeswillens hat meiner Frau (nach erfolgloser Chemo und nachdem klar war, dass sie bald sterben wird!) ausgerechnet ihre Onkologin gemacht. Meine Frau hätte die erwürgt, wenn sie noch die Kraft dazu gehabt hätte. Und ich musste mich auch schwer beherrschen, als die Ärztin das mir gegenüber nochmal wiederholt hat. Man sei ja medizinisch "noch lange nicht am Ende" (6 Wochen später war meine Frau tot...), aber es sei auch eine Frage des Kampfeswillens, und meine Frau wolle ja wohl nicht mehr.

Stimmt, wollte sie nicht. Aber was für eine Anmassung, diese Entscheidung so zu verurteilen :mad: Ich habe dann meine Frau nach Kräften gegen solche Leute abgeschirmt. Die kamen am Telefon nicht an mir vorbei, und als Besuch natürlich erst recht nicht. Kann doch wohl nicht sein, dass man als Todkranker in so einer Situation seine letzte Kraft dafür aufbraucht, um für ein selbstbestimmtes Restleben zu kämpfen.

Naja. Und immer, wenn ich hier lese, mit welcher Unbedarftheit oder z.T. Überheblichkeit Angehörige meinen, den Betroffenen Absolution erteilen bzw. verweigern zu dürfen... Dann wird mir ganz anders. Egal, ob es heisst "du darfst nicht sterben, wir brauchen dich doch" oder "du kannst jetzt loslassen und darfst gehen" (was heisst das? "brauchen" wir dich jetzt nicht plötzlich doch nicht mehr???). Respekt für den anderen und sein Recht auf Selbstbestimmung sieht für mich anders aus.

Viele Grüße,
Stefan

Mona1976
03.01.2010, 10:35
Hallo,

vielen Dank für Eure Worte.

Sie haben mich sehr bewegt und zum Nachdenken angeregt. Es wird auch deutlich, dass man durch seine wenigen Sätze, nur einen kleinen Einblick verleiht in die Situation, in welcher man sich gerade befindet.

Meine Mama ist ein Mensch, welcher sich sehr von der Außenwelt isoliert hat, sie hatte sich mit ihrem Mann eher eingeigelt. Der Kontakt zur Außenwelt besteht nur zu mir (300 km Entfernung) und zu ihren Eltern(400km). In der Stadt, wo sie lebt hat sie leider Niemanden. Wir haben einen sehr engen Kontakt, telefonieren sehr oft täglich haben die Andere immer an jeder wichtigen Entscheidung im Leben mit teilhaben lassen.

Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie selbst entscheidet. Das muss ich akzeptieren, dass weiß ich!!! Mir fällt es sehr schwer, da wahrscheinlich der natürliche Abnabelungsprozess nie stattgefunden hat.

Meine Mama hat sich leider nicht genau über ihre Krankheit informiert, nichts gelesen, sie nimmt es so hin. Aus diesem Grund finde ich persönlich ihre Entscheidung nicht entgültig durchdacht.

Vielleicht kann man ja auch meinen Kampf für sie auch nicht als egoistisch von mir sondern als Liebe bezeichnen.

Wir werden ihr auf jedenfall beistehen und für sie da sein, egal wie es weiter geht

liebe Grüße an alle

Mona

Kyria
03.01.2010, 12:33
Liebe Mona,

mit der Krankheit Eierstockkrebs kenne ich mich nun leider gar nicht aus. Weiß daher auch nicht, ob eine Chemotherapie bei den Lebermetastasen Deiner Mama palliativ oder kurativ wirken würde.

Ich kann Dir nur erzählen, wie es bei uns war. Mein Angehöriger (mein Exmann) hatte kleinzelligen Lungenkrebs, der bereits weit fortgeschritten war, als er entdeckt wurde. Auch da antwortete mir ein Arzt auf meine Frage, ob man den Krebs mittels Chemotherapie verkleinern und dann anschließend rausoperieren könnte, mit "Ja".
Allerdings befragte ich mich noch weiter und stieß überall auf dasselbe Bild: Lungenkrebs in diesem Stadium und bei diesem ausgedehnten Befund sei unheilbar.

Mein Exmann interessierte sich jedoch nicht für Ärztemeinungen und Statistiken und ließ sich genauso behandeln, wie die Ärzte ihm rieten: Drei Chemotherapien folgten rasch aufeinander, Gesicht und Körper schwollen grotesk an, mein Exmann kämpfte...

Er kämpfte einen Kampf, der von vornherein aussichtslos war. Und starb ein Jahr nach der Diagnosestellung.

Seitdem bin ich sehr skeptisch bzgl. der Behandlung bei fortgeschrittenem Krebs. Denn ich weiß, daß die Mediziner in aller Regel ihr Programm abspulen, Chemotherapie, Bestrahlungen etc. Auch dann, wenn für den Patienten von Anfang an keinerlei Heilungsaussichten oder Überlebenschancen bestehen.

Daher ist es umso wichtiger, daß man als Angehöriger und Betroffener sich so "mündig" wie nur möglich verhält.

Liebe Mona, an Deiner Stelle würde ich versuchen, mir so viele Infos wie möglich über die Krankheit Deiner Mutter zu beschaffen. Würde auch die Ärzte direkt und unter vier Augen (nicht im Beisein Deiner Mutter) fragen, wie sie evtl. Behandlungserfolge einschätzen.

Denn ,falls medizinisch gesehen, nur wenig oder gar keine Behandlungserfolge zu erwarten sind, hat Deine Mama jetzt vielleicht intuitiv die richtige Entscheidung für sich getroffen.

Du könntest aber sicher viel besser hinter ihr stehen, wenn Du noch genauer weißt, was Sache ist.

Ich wünsche Dir und Deiner Mutter alles erdenklich Gute.

Liebe Grüße
Kyria

Stefans
03.01.2010, 14:56
Hallo Mona,

Meine Mama hat sich leider nicht genau über ihre Krankheit informiert, nichts gelesen, sie nimmt es so hin. Aus diesem Grund finde ich persönlich ihre Entscheidung nicht entgültig durchdacht.
Damit hast du sicher auch recht. Nur: niemand von uns durchdenkt eine Entscheidung endgültig. Alles, was im Leben wichtig ist, folgt weniger der Vernunft als dem Gefühl. Ich weiss es natürlich nicht, aber: vielleicht _will_ deine Mutter da gar nichts mehr durchdenken? Es gibt halt solche und solche Menschen. Ich z.B. bin immer gerne über alles informiert, um mir ein Bild machen zu können. Statistik, Abwägung, Chancen, Entscheidung. Ein Kopfmensch.

Aber gerade unter dem Druck der Krankheit gibt es eben viele Menschen, die wollen das nicht (mehr). Ist mir durchaus nachvollziehbar. Die wollen, dass ihr Leid endet (ob durch Heilung oder Tod, wie auch immer), sonst nichts. Die einen vertrauen dann gerne den Ärzten, die sagen, da machen wir noch das und das und das und dann werden sie wieder gesund - obwohl das, wie man mit etwas Information wüßte, offenbar häufig gelogen ist. So wollte der Vater meines Freundes das sehen. Also hat er die 6 Monate von der LK-Diagnose bis zum Tod in x verschiedenen Kliniken verbracht und sein Zuhause nicht mehr gesehen. War er zufrieden mit, der wollte das so. Der wollte auch gar nicht wissen, ob ihm die Ärzte die Wahrheit sagen. Er wollte einfach seine Ruhe. Andere wie deine Mutter wollen auch nichts mehr wissen und hören, nur ihre Strategie ist anders. Sie fühlen sich in ihrem Restleben ohne Ärzte und privat wohler als in Krankenhäusern.

Wer will das als Nicht-Betroffener werten? Für meine Frau war der größte Horror, im Krankenhaus oder gar Pflegeheim sterben zu müssen. Sie hatte schon auch angst vorm Sterben. Aber die viel größere Angst hatte sie davor, das nicht Zuhause tun zu dürfen. Vielleicht hätte sie in der Klinik sogar ein paar Monate länger gelebt. Aber sie hätte ihr Zuhause, Haus, Grundstück, Viecher nicht mehr gesehen, Weihnachten nicht mehr Zuhause erlebt. Und ob ich in ihren letzten Stunden (sie starb Samstag früh um 4) bei ihr gewesen wäre? Wahrscheinlich nicht. Der Hund jedenfalls, der ihr kurz vom Tod nochmal die Hand abgeschleckt hat, sicher nicht. Der darf ja nicht auf's Klinikgelände.

Heute jährt sich der Todestag meiner Frau. Und was mir aus ihren letzten Wochen Zuhause am schlimmsten nachhängt, ist nicht ihr Sterben und ihr Tod. Sondern eine Nacht wenige Tage vorher, wo sie Alpträume hatte, dass doch noch "die Leute" kommen und sie von Zuhause wegholen. Ich musste ihr ein dutzend mal versprechen, dass ich es nicht zulassen werden, dass sie jemand holen kommt, aber überzeugen konnte ich sie nicht. Sie hat sich an meiner Hand festgekrallt und gesagt, ich müßte ab jetzt immer bei ihr sitzen bleiben und dürfte nicht mehr weggehen. Weil sonst ja sofort jemand käme, um sie abzuholen. Sie war schon nicht mehr ganz bei sich und vom Morphium umnebelt - aber es war ganz eindeutig, was ihr dringendster letzter Wille ist. Völlig egal, ob der "durchdacht" war oder nicht.

Vielleicht kann man ja auch meinen Kampf für sie auch nicht als egoistisch von mir sondern als Liebe bezeichnen.
Versuch' bitte, auch harte Worte nicht so ganz persönlich zu nehmen. Du bist gerade in einer extrem schwierigen Situation gefangen. Und kannst in dieser Situation deine Entscheidung ebenso wenig "endgültig durchdenken" wie deine Mutter die ihre. Dafür ist gerade alles viel zu schnell und zu belastend. Insofern sind klare Worte mitunter vielleicht nicht verkehrt.

Dass du deine Mutter liebst und das beste für sie willst, ist für mich offensichtlich. Und vielleicht hilft es letztendlich, die Perspektive ein bischen von deinem Besten weg und zu deiner Mutter zu lenken.

Viele Grüße,
Stefan

ange
05.01.2010, 12:14
Hallo Stefan, hallo Mona,
Also erstmal muss ich sagen, Stefan, ich finde deine "Antwort" vom 31.12. zwar hart, aber ehrlich! Und damit gut. Wenn man am Anfang steht mit solcher Diagnose und Entscheidungen, als Angehöriger, da sieht man die Dinge noch nicht realistisch und man muss sich damit Abfinden, wie sich die Betroffene Person entscheidet. Und das ist schwer!

Meine Schwiegermutter hat Lungenkrebs, wird immer weniger, schreit vor Schmerzen bei jeder Bewegung, wollte kein Morphin als Schmerzmittel, ihr ist nur übel von den Nebenwirkungen des anderen schmerzmittels, wir haben immer dagegen an geredet, sie soll das doch nehmen, wenn es ihr hilft usw, aber sie hatte einfach Angst, das zu nehmen, da sich Morphin für sie wie Endstation anhört. Seit gestern, sie hat mit ihrer Ärztin gesprochen, nimmt sie es doch, und dazu Stimmungsaufheller, wir haben ihr seit Tagen zu nichts mehrt geraten und sie gelassen, sie entscheidet. Heute geht es ihr recht gut, sie hat sogar gefrühstückt, sie hat neuen Mut gefasst, aber zu dem Zeitpunkt wie sie es will.

Nächste Woche geht ihre Therapie los, wir hoffen, das ihr diese die Schmerzen etwas nehmen kann, und sie wieder an Lebensqualität gewinnt, auch wenn es ein harter Weg wird. Und wenn sie sagt, sie will nicht mehr, und kann nicht mehr, und will einfach nur noch in "Ruhe" den "Rest" ihres Lebens sogut wie möglich, ohne Therapien und so leben, dann akzeptieren wir das, auch wenn es schwer fällt. Aber hauptsache sie hat für sich eine klare Entscheidung getroffen, denn wenn sie eigentlich nicht will und es nur für uns oder sonstwem macht, hat das auch keinen Sinn, da ihr dann auch die Kraft fehlen wird...

Ich habe zuerst im LK-Forum geschrieben, bevor ich gesehen habe, das es ein extra Forum für Angehörige gibt, auch mir wurde dort der Kopf etwas gewaschen, und ich habe aber auch diese Ratschläge gerne angenommen, auch wenn ich alles nicht nachvollziehen kann. Aber Angehörige sind halt keine Betroffenen!! und umgekehrt. Und wir können es einfach nicht nachfühlen, wie es als Betroffener ist! Und auch das müssen wir akzeptieren.

Liebe Grüsse
ange

Und viel Kraft für alle!!

AndreaM
16.01.2010, 13:13
Liebe Mona,

und auch lieber Stefan,

es ist so schwierig, in einer solchen Situation Entscheidungen zu treffen, von denen man erst hinterher weiß, ob sie richtig oder falsch sein werden.

Meine Mum hat sich nach OP und Bestrahlungen tapfer in eine Chemotherapie gestürzt, nicht weil sie Hoffnung gehabt hätte, sondern weil sie sich ihrer Familie, also auch mir gegenüber, zu diesem Kampf verpflichtet fühlte. Und was Chemotherapie bedeutet weiß man nur, wenn man es selbst erlebt oder jemanden dabei begleitet hat.

Ich bin im Nachhinein froh, dass ihre Freundin mich beiseite genommen hat und mir erklärte, dass meine Mum das alles gar nicht wollte - sondern eigentlich in Ruhe sterben, da sie doch viel genauer wisse, in welchem Zustand sie wäre. Es war für mich ein Schlag ins Gesicht, es hat so unglaublich weh getan, ich wollte es nicht wahrhaben und habe bestimmt 2 Tage gehadert, geweint, getobt. Meine Mum war seit meiner Kindheit mein Held, mein weißer Ritter, mein Fels in der Brandung - und jetzt musste ich akzeptieren, dass auch Felsen erschüttert werden können.

Danach gab es einen "Familienrat" im Krankenhaus - und meine Mutter hat die Therapie abgebrochen, ging zunächst auf eine Palliativstation und dann in ein Hospiz, in dem sie in ihren letzten Tagen noch wirklich zur Ruhe kam. Alles auf ihren ausdrücklichen Wunsch. Am Abend als sie starb hat sie gewartet, bis ich da sein und ihre Hand halten konnte.

Könnte ich heute (4 Jahre später) die Zeit bis zur Diagnose zurückdrehen, weiß ich nicht, ob ich die Augen vor den Tatsachen nicht wieder genauso fest verschließen würde. Und bis heute mache ich ihrer anderen Freundin keinen Vorwurf, die noch länger brauchte zu akzeptieren, dass meine Mum "ja überhaupt nicht kämpft". Aus solchen Sätzen spricht doch oft nur die Hilflosigkeit. Es ist so schwer und schmerzhaft, die Hoffnung auf Heilung, auf Wunder, auf eine glückliche Zukunft fahren zu lassen. Und welche Torturen die Therapie mit sich bringt, ist für "Nicht-Betroffene" auch leicht zu verdrängen.

Ich wünsche Dir liebe Mona viel Kraft um die Zeit mit Deiner Mutter durchzustehen, und dass ihr noch viele schöne gemeinsame Momente erleben könnt.

Und ich wünsche Dir, lieber Stefan, auch weiterhin die Kraft, die sicher wiederkehrenden dunklen Zeiten gut zu überstehen.

Alles Gute
AndreaM

Mona1976
27.01.2010, 15:09
Hallo,

konnte lange nichts schreiben. Seitdem meine Mama mir gesagt hat, dass sie nichts mehr machen möchte, bin ich irgendwie in eine tiefes Loch gefallen. Vorher konnte ich mich informieren, lesen etc.

Die jetzige Situation empfinde ich als unerträglich. Meine Mama scheint im Moment stabil, sie hatte vor einer Woche ein CT, es ergab dass die Metastasen nur minimal gewachsen wären und die Blutwerte ergaben, dass sie einen erhöhten Kaliumwert hat (?). Sie steckt tief in der Trauer wegen ihrem Mann. Wir telefonieren täglich, oft sehr intensiv, tauschen uns über schöne Erlebnisse aus, über ihre Enkelinnen...es gibt aber auch oft andere Tage, an denen sie mir Vorwürfe macht, ich würde alles falsch machen, ihr nicht genug helfen.

Sie hat sich entschieden in ihrer Wohnung zu bleiben, obwohl sie niemanden hat, keine Freunde ... Ich hatte ihr vorgeschlagen, dass wir sie zu uns holen, sie will aber nicht bei uns wohnen, hatte ich schon nach Wohnungen bei uns geschaut, möchte sie auch nicht. Mir graut davor, wenn es ihr schlechter geht, wie kann ich sie versorgen mit 300 km Entfernung und 2 kleinen Kindern? Ich würde so gern mehr für sie da sein.


Weiß nicht weiter, wie ich ihr helfen kann, obwohl sie so wenig zulässt.


an Stefan: danke für die direkten Worte. Wie Du Deine Frau begleitet hast, ist bewundernswert!

liebe Grüsse an Alle

Mona

ange
27.01.2010, 20:09
Hallo Mona,
ich kann mir vorstellen wie du dich fühlst, du willst deiner Mama mehr helfen, bietest ihr mehrere Möglichkeiten an und sie blockt ab. Aber andererseits möchte sie warscheinlich auch gerne in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Was ja auch zu verstehen ist. Sag ihr doch einfach, wenn sie sich doch noch umentscheidet ist sie jederzeit bei euch willkommen. Mehr kannst du ihr nicht anbieten, ausser vielleicht noch einige Telefonate oder was von dem Bürokratiekram zu erledigen.
Aber es ist natürlich auch schwer, wenn man dann noch Vorwürfe bekommt und so.
Wir können meiner Schwiegermutter auch nichts recht machen. Aber die Ärztin hat uns schon vorgewarnt, das es so sein kann. Die Medikamente und auch allein die Krankheit verändern halt. Leider. Nimm es nicht zu persönlich und mach weiter wie bisher, mehr kannst du wohl im Moment nicht machen.
Du musst ja auch noch für deine Kinder stark bleiben, aber unser Kleiner gibt uns immer wieder sooo viel Kraft und zaubert ein Lächeln in allen hervor. Und das ist auch gut so.
ich wünsche dir noch viel Kraft
lieben gruss angelina

Stefans
30.01.2010, 09:36
Hallo Mona,

Sie hat sich entschieden in ihrer Wohnung zu bleiben, obwohl sie niemanden hat, keine Freunde ... Ich hatte ihr vorgeschlagen, dass wir sie zu uns holen, sie will aber nicht bei uns wohnen, hatte ich schon nach Wohnungen bei uns geschaut, möchte sie auch nicht. Mir graut davor, wenn es ihr schlechter geht, wie kann ich sie versorgen mit 300 km Entfernung und 2 kleinen Kindern?
Persönlich anwesend wohl gar nicht, wenn sie nicht zu euch will :cry:

Aber wenn du oft mit ihr sprichst, vielleicht kannst du das Gespräch mal "unauffällig" auf dei Frage lenken, wie sie sich das Zuhause bleiben vorstellt, wenn es gesundheitliche Probleme gibt. Ich meine damit: an Krebs stirbt man leider nicht so oft, dass man bis heute topfit und Selbstversorger ist, und dann am nächsten morgen einfach nicht mehr aufwacht. Meist ist das recht langsam (zumindest so langsam, dass es ohne Pflege nicht geht), mit hoher Schmerzmitteldosierung, und zumindest kurzzeitig als Pflegefall.

Zuhause sterben geht nur mit einem guten Arzt, Pflegedienst _und_ großer privater Unterstützung. Kein Pflegedienst kann jemanden rund um die Uhr betreuen. Es sei denn, man ist reich und kann sowas selbst bezahlen. Von daher wird deiner Mutter, wenn sie bis zum Schluss allein Zuhause bleiben will, wahrscheinlich folgendes passieren: irgendwann baut sie soweit ab, dass sie den Notarzt ruft und dann genau da landet, wo sie nicht hinwill: im Krankenhaus, bis zu ihrem Tod.

Vielleicht kannst du mit ihr darüber mal behutsam sprechen. Und vielleicht auch das Thema Hospiz aufbringen. Es ist nämlich keine schlechte Idee, sich da lange im voraus anzumelden, weil es in der Regel Wartezeiten gibt. Ob / wann deine Mutter dann da tatsächlich hingeht oder nicht, spielt keine Rolle. Die Anmeldung kostet nichts und kann jederzeit abgesagt werden. Aber ohne Voranmeldung kann es im Notfall schwierig werden.

Deine Ma will keine OP / Chemo usw. mehr, aber ohne palliative Behandlung / Pflege... ist mir nicht vorstellbar, wie das Zuhause funktionieren könnte.

Viele Grüße,
Stefan