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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Chemo- und Infektionspatient in einem Krankenzimmer


Giaccomo
28.01.2010, 14:18
Bei meinem Sohn (er wurde am 26. Januar 33 Jahre alt) wurde im Oktober ein cerebrales B-Zell NHL diagnostiziert. Der Diagnose ging eine 14stündige Operation auf der Neurochirurgie einer Uni-Klinik voraus. Wenige Tage nach der OP wurde er auf die Innere verlegt. Zweimal durfte er bisher das Krankenhaus für einige Tage verlassen.
Vor drei Wochen wurden ihm Stammzellen entnommen.
Heute sollte eine Herzuntersuchung durchgeführt werden. Dazu kam es aber nicht. Man hat bei ihm eine Lungenentzündung diagnostiziert. Er kann sie sich eigentlich nur im Krankenhaus zugezogen haben.
Ich finde seine derzeitige Unterbringung nicht für optimal. Die Station ist eine Infektionsstation, mit Schleuse vor jedem Zimmer. Sie ist zuständig für Krebsbehandlung, für Hämatologie und Infektionskrankheiten. Bis vor kurzem lag ein junger Patient mit ihm im Zimmer. Er war HIV-positiv, was ich nicht als das eigentliche Problem ansehe. Aber er hatte noch eine andere Infektion, die nicht im Zusammenhang mit HIV stand. Und er musste gelegentlich husten.
In Phasen der Aplasie eines Patienten müssen Besucher und auch das Pflegepersonal einen Nasen- und Mundschutz anlegen. Ist zwar unbequem, aber man macht es gerne, wenn es dem Patienten nützt.
Sein Mitpatient brauchte keinen Mund-/Nasenschutz. 24 Stunden mit dieser Maske möchte ich auch keinem zumuten.
Aber ist es vom Krankenhaus aus verantwortlich, Patienten in der Aplasie mit infektiösen Patienten zusammenzulegen?
Wie sieht das in anderen Kliniken aus?
Es ist vorgesehen, ihn nach einer Erholung auf eine Spezialstation zu verlegen, auf der er mit hochdosierter Chemie behandelt wird. Danach sollen ihm seine Stammzellen wieder zugeführt werden. Auf dieser Station gelten wesentlich strengere Isolationsbestimmungen. Aber man sollte sich doch auch auf einer anderen Station bemühen, niemanden mit stark geschwächter Abwehrkraft (0,1 Leukos) mit einem an einer Infektionskrankheit leidenden Patienten zusammen zu legen.

eva weiss
28.01.2010, 18:01
Hallo Giaccomo!
Herzlich willkommen hier bei uns!
Finde das auch nicht toll,dass ma da nicht mehr Rücksicht nimmt.Ich würde da schon einmal mit den Ärzten reden,ist ja wirklich nicht muß,dass man Deinen Sohn da zusätzlichen Gefährdungen aussetzt,als wenn nicht alles schon reichen würde....
Wünsche Deinem Sohn von Herzen,dass er alles gut übersteht und bald wieder auf die Beine kommt,liebe Grüße Eva

Giaccomo
28.01.2010, 18:52
Danke Eva, für deine Antwort.

Ich habe heute einen Arzt darauf angesprochen. Er meinte, dass man schon darauf achte, dass man keine Patienten zu anderen legt, deren Krankheit über Tröpfcheninfektion übertragbar ist.

Ich erinnere mich aber noch an einen Fall, den mir ein früherer Mitpatient meines Sohnes erzählt hatte. Er litt an Leukämie. In einer Asplasiephase legte man einen Patienten mit ausgeprägter Lungenentzündung zu ihm. Seine Frau beschwerte sich bei einem Pfleger, der meinte, dies sei nicht schlimm. Zehn Minuten später wurde der Leukämiepatient in ein anderes Zimmer verlegt.

Die Lungenentzündung wird meinen Sohn in der Behandlung wohl um eine Woche zurückwerfen. Seine Blutwerte sind nahezu normal und weisen in keiner Weise auf eine Lungenentzündung hin.

eva weiss
28.01.2010, 21:30
Lieber Ciaccomo!
Kann Dich gut verstehen,am liebsten möchte man in dieser Phase alles in einem Höllentempo durchziehen aber die Sicherheit hat Vorrang.Hatte auch immer zahlreiche Infekte die ich zuhause nicht in den Griff bekam.Nach ein paar Tagen Krankenhausaufenthalt war's dann wieder okay.Dein Sohn wird's auch gleich überstanden haben und so eine Stammzellentransplantation ist das non plus ultra.Ich hab es immer als große Chance gesehen und empfinde es heute nach 7 Jahren auch noch so.Man muß halt einmal reinbeißen,aber der Kampf zahlt sich aus und die Zeit nach den überstandenen Strapazen kann ich persönlich als eine der schönsten Abschnitte in meinem Leben nennen.Entschuldige,das war jetzt ein bißchen viel,es ist gerade so über mich gekommen....Mir hat es sehr geholfen,dass ich mich immer eher auf die Zeit und das Leben danach konzentriert habe und mich nicht völlig von der Krankheit beherrschen lassen habe.
Alles Gute,das wird schon,,,liebe Grüße Eva

Giaccomo
31.01.2010, 14:59
Mein Sohn hat jetzt zu seinem Lymphom noch eine massive Lungenentzündung bekommen. Da ihm die Atmung sehr schwer fällt, und die Sauerstoffsättigung des Blutes auf unter 90 Prozent gefallen ist, wurde er gestern auf die Intensivstation verlegt. Zunächst wurde eine Sauerstoff-Überdruck-Beatmung durchgeführt. Ab heute wird er künstlich beatmet.

Ab 16:30 Uhr ist heute Besuchszeit. Ich fürchte, er wird uns nicht mitbekommen.
Ich hoffe aber sehr, dass man die Lungenentzündung in den Griff bekommt.

Die Entzündungswerte im Blut sprachen eigentlich gegen eine Lungenentzündung. Die Leukos waren mit 8,5 im Normalbereich und der CPR-Wert mit 3,2 ebenfalls.

Dies spricht wahrscheinlich dafür, dass seine körpereigene Abwehr völlig zusammen gebrochen ist.

Kommt so etwas eigentlich öfters vor?

liebe Grüße
Giaccomo

eva weiss
31.01.2010, 15:34
Lieber Ciaccomo!
Das tut mir sehr leid,dass sich der Gesundheitszustand Deines Sohnes verschlechtert hat.Es ist schon eine Zeit lang her,da schrieb hier ein Mann,dessen Schwester auch wegen schwerer Lungenentzündung auf Intensiv mußte,sie wurde sogar in künstl.Tiefschlaf versetzt,hatte ganz schlechte Lungenfunktion,mir scheint weniger als fünfzig Prozent.Das Ganze hat sich aber wieder gebessert,sobald die Entzündung abgeklungen ist....
Wünsch Euch vonHerzen,dass es bald wieder aufwärts geht und Dein Sohn alls gut übersteht,liebe Grüße Eva

Giaccomo
03.02.2010, 18:48
Der Zustand meines Sohnes hat sich heute, nach vorübergehender Stabilität, wieder verschlechtert. Die Ärzte haben durchblicken lassen, dass wir mit dem Schlimmsten rechnen müssen.

Meine Frau und ich sind völlig verzweifelt.

eva weiss
03.02.2010, 18:58
Lieber Giaccomo!
Das tut mir sehr leid,mußte die letzten Tage viel an Euch denken.Wünsche Euch so sehr,dass sich alles noch zum Guten wendet und Dein Sohn diese Krise gut übersteht.Alles,alles Gute,ich hoffe mit Euch,liebe Grüße Eva

Giaccomo
03.02.2010, 19:26
Liebe Eva,
ich danke dir für deinen Zuspruch.
Ich weiss, es gibt hier viele Leute, die ähnliches mitgemacht haben, oder die selbst schwer von Krebs betroffen sind.
Bisher habe ich es mir als die schlimmste aller Erfahrungen vorgestellt, ein Kind zu Grabe tragen zu müssen. Und ich habe gehofft, dass es nie passieren wird.
Der Arzt meinte, noch sei es nicht so weit, und man könne noch hoffen. Aber die Chancen auf eine Erholung seien nicht sehr hoch.
Wir sitzen jetzt auf glühenden Kohlen. Jedes Mal, wenn das Telefon läutet, erschrecken wir.
Mir ist bewusst, dass das, was wir jetzt durchmachen, tausendemale vorkommt. Aber bisher war dies für mich Statisktik, aber keine familiäre Katastophe.
Noch geben wir die Hoffnung nicht auf, aber wir rechnen mit dem Schlimmsten.
LG
Giaccomo

Andorra97
03.02.2010, 20:16
Lieber Giaccomo,
ich denke fest an euch und bete mit euch, dass sich euer Sohn wieder erholt.
Ganz viel Kraft und Zuversicht sende ich euch!

Giaccomo
03.02.2010, 20:28
Vielen Dank Nicole,

uns stehen jetzt einige sehr harte Tage bevor, und wir müssen hindurch, egal wie, und egal, wie es ausgeht.

In einer solchen Situation ist es gut zu wissen, dass andere Menschen mitfühlen, auch und vor allem, wenn sie ähnliche Schicksale erlitten haben.

LG
Giaccomo

eva weiss
04.02.2010, 14:09
Hallo Giaccomo!
Denke immer wieder an Euch und hoffe so sehr,dass Ihr keine schlechten Nachrichten bekommt..
Unvorstellbar so eine Situation..
Wünsch Euch immer wieder das Beste,es wär so schön,wenn Besserung eintreten würde....alles Liebe Eva

Giaccomo
04.02.2010, 14:25
Für Wunder sind unsere Ärzte leider nicht zuständig.

Mein Sohn ist heute um 12:25 Uhr im Krankenhaus im Beisein seiner Eltern und seiner Geschwister verstorben.

Die Lungenentzündung war nicht mehr beherrschbar und führte schließlich zu einem Multiorganversagen. Es war grausam zu sehen, wie die Blutdruckwerte immer weiter sanken bis auf weit unter 30 (systolischer Wert). Danach schlug das Herz immer langsamer, bis 0 angezeigt wurde.

Uns wurde versichert, dass mein Sohn nicht leiden musste.

Wir haben einer Obduktion zugetimmt. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Normalerweise sollte es bei dieser Art von Lymphom und der ausgewählten Behandlung nicht zu einem Zusammenbruch der körpereigenen Abwehr kommen. Dies ist aber bei meinem Sohn eingetreten.

Vielleicht kann die Obduktion dazu beitragen, dass die Ärzte das Wissen um diese Krankheit mehren können, was letztlich nachfolgenden Patienten nützen könnte. Dann wäre der Tod meines Sohnes nicht ganz sinnlos.

Wir vermissen ihn sehr.

Liebe Grüße
Giaccomo

eva weiss
04.02.2010, 15:16
Lieber Giaccomo!
Mein tiefstes Mitgefühl und Beileid,das ist so unsagbar traurig
Möge es Euch ein Trost sein,dass er friedlich und ruhig und vor allem ohne Schmerzen gehen konnte
Viel Kraft und Zuversicht für die kommende Zeit,es bleibt uns die Hoffnung,dass wir alle eines Tages woanders in irgend einer anderen Form besser aufgehoben sein werden,mit innigsten Grüßen Eva

Andorra97
04.02.2010, 16:51
Lieber Giaccomo,
ich bin fassungslos, dass es jetzt doch so schnell ging. Du hast mein tiefstes Beileid. Es ist schrecklich, dass wieder ein so junger Mensch den Kampf verloren hat.
Alles Liebe Dir und Deiner Frau.

Barbara_vP
04.02.2010, 19:05
Lieber Giaccomo
mein aufrichtiges Beileid
ich wünsche euch viel Kraft für die kommende Zeit

Barbara

Giaccomo
07.02.2010, 11:05
Als ich diesen Thread hier eröffnete (am 28. Januar), waren mein Sohn Christoph und wir alle der festen Überzeugung, dass die Lungenentzündung eine vorübergehende Sache sei, die von den Ärzten erfolgreich behandelt werden könnte.

Dass am 4. Februar diese Krankheit sein Leben beenden würde, konnten wir uns in unseren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen.

Ob die Erreger von außen gekommen sind, oder ob er sie schon immer bei sich hatte, kann wohl nicht mehr festgestellt werden. Durch die Chemotherpaie ist sein Immunsystem defacto ausgefallen, und so konnten sich auch ansonsten harmlose Keime hemmungslos ausbreiten und diese tödliche Erkankung verursachen.

Ich danke euch allen für die aufmunternden Worte, aber jetzt ist Trauerarbeit angesagt.

Im Forenbereich für Hinterbliebene habe ich ein neues Thema begonnen (Christoph ist tot).

eva weiss
07.02.2010, 18:43
Lieber Giaccomo!
Bin so erschüttert,hätte mir niemals gedacht,dass es so tragisch endet...
Von meiner Freundin weiß ich,dass in so einer Situation Trauerbewältigung mit einem Psychologen sehr hilfreich ist (ihr Mann war bei der Polizei und starb bei einem Hubschrauberabsturz,eine einzige Katastrophe,die beiden waren seit dem 16.Lebensjahr zusammen).Die Gespräche waren eine große Stütze,sie hat dabei gelernt,besser mit allem umzugehen...
Deiner Familie von Herzen viel Kraft und Mut,liebe Grüße Eva