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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nicht übers Sterben gesprochen


anna11
14.12.2010, 16:04
Hallo,einige Zeit habe ich hier in diesem Forum schon gestöbert und dachte ich schreibe jetzt selbst auch mal einen Beitrag.Vielleicht hilft es mir alles ein wenig von der Seele zu schreiben.
Meine Mutter ist vor 4 Wochen an Krebs gestorben.Die ersten Tage habe ich gut funktioniert,mich um alles zusammen mit meinem Vater und Geschwistern gekümmert.
Seit gut einer Woche geht es mir zunehmend schlechter,ich weine ständig,schlafe schlecht,habe immer Kopfschmerzen und fühle mich völlig erschöpft.Ich weiß das es "normal" ist,nur diese Hilflosigkeit macht mich völlig fertig.
Meine Mutter hat sich mit der Krankheit nie wirklich auseinandergesetzt und wollte auch nur ungern und selten darüber sprechen.Sie ist zu Hause gestorben,was sie denke ich auch wollte.Sie hat weder mit uns Kindern noch mit meinem Vater über das Sterben gesprochen,das macht mir am meisten zu schaffen,wußte sie das sie stirbt?? Hätte sie noch gerne" ihre Sachen geregelt"?? Sie hat zum Schluß die meiste Zeit geschlafen und war teilweise verwiirt.Sie hat als sie kurz wach war meinem Vater über den Kopf gestrichen und "Danke es war schön" gesagt.Ich denke da hat sie sich von meinem Vater verabschiedet.Ich freue mich für meine Mutter das sie nicht lange leiden mußte,bin aber auch wütend das sie nicht mit uns gesprochen hat.
Ich hoffe das sie sich nicht alleine gefühlt hat und Angst hatte und sich nur nicht getraut hat das Thema zusprechen.Ich ärgere mich das ich sie nie direkt gefragt habe!! Meine Mutter hat aber schon immer alles mit sich ausgemacht, vielleicht war das ihr Weg??

Gibt es noch andere Hinterbliebene die auch nicht die Möglichkeit hatten über das Sterben zu sprechen?
Wie geht es euch damit?

Würde mich sehr über Zuspruch und Gedanken aller Art freuen!!

Anna:winke:

vintage
14.12.2010, 17:25
hallo anna,

mein herzliches beileid zu dem verlust deiner mutter.

ich finde den satz sehr schön: "danke, es war schön", den deine mama zu ihrem mann gesagt hat.
sterben ist ja sehr individuell und auf eine gewisse art immer ein einsamer, individueller prozess.
und ich glaube auch, das man zu dem partner, wenn man ihn liebt, ein anderes verhältnis hat als zu den kindern, auch beim sterben. die kinder will man vielleicht schützen und sie haben ihr eigenes leben, da macht man als sterbende vielleicht einiges mit sich aus bzw. mit dem partner, mit dem man eine andere nähe und verbundenheit hat.

den satz also, den würde ich mir aus diesem prozess "herauspicken" und als trost aufnehmen. anscheinend war deine mama also mit ihrem leben zufrieden und hat es als schön empfunden. das ist doch sehr tröstlich, weil es nicht allen menschen so vergönnt ist.

ansonsten lohnt es rückblickend nicht zu hadern, was man hätte anders machen können, sondern man weiss jetzt, was man beim nächsten mal beim (drohenden) verlust eines lieben menschen anders machen würde. dafür ist es also nicht zu spät und das nimmt man als erfahrung mit und sie wird einem sicherlich mal nützlich sein.

sieh es wirklich als den weg deiner mama, das sie sich so entschieden hat, mit ihrer krankheit und dem tod so umzugehen.


liebe gruesse, jana.

Ute08
14.12.2010, 20:11
Hallo Anna,
ich möchte dir von Herzen mein Beileid aussprechen.
Ich kann mir vorstellen, dass die Zeit jetzt sehr schwer ist,
gerade in der WEihnachtszeit.
Wirklich tröstende Worte wollen mir auch nicht einfallen.
Deshalb einfach mal:knuddel::knuddel::knuddel::knuddel::knuddel:
Viel Kraft für die kommende Zeit und liebe Grüße
Ute

monika100
14.12.2010, 21:34
Hallo Anna,

übers Sterben sprechen, das ist so eine Sache. Ich glaube, das können nicht wirklich viele Menschen, das ist oft tabu und unheimlich und so traurig und unangenehm, da wollen und können viele sich nicht mit beschäftigen.

Deine Mama hat es mit Sicherheit gespürt, denn dieser wunderschöne Satz zu deinem Vater, das sagt alles.

Als mein Vater starb wurde vorher auch nicht groß übers Sterben gesprochen, aber gespürt hat er es an dem Todestag mit Sicherheit auch. Es war der einzige Tag seit Wochen, an dem er nicht so benebelt war. Ich habe ihn lange gestreichelt, sagen konnte ich emotional gesehen nichts mehr und er konnte nicht mehr sprechen. Aber es lief ihm eine einzige Träge aus dem Auge... Er hat alle Liebe gespürt, aber reden konnte man nicht. Am Anfang hat man das Thema vermieden, wir haben gehofft, das wird wieder und hinterher war mein Vater - Gott sei Dank - unter Morphium teilweise auch so benebelt, dass er nicht alles mit bekommen hat.
Am Morgen dieses Tages hat er allerdings meiner Mutter die Hand gegeben, so als wenn er sich verabschieden wollte...
Und ich habe Tage später einen Traum gehabt, in dem ich ein Gespräch mit meinem Vater geträumt habe über Dinge, die wirklich zur Regelung anstanden und die er mir bestimmt gesagt hätte, wenn er noch gekonnt hätte. Das hat mich sehr berührt.

Wenn jemand, den man liebt gestorben ist, grübelt man immer, was wäre wenn, hätte man doch nur usw. Aber es ist nicht mehr zu ändern.

Ich weiss wie du dich fühlst, ich wünsche dir viel Kraft.

LG Monika

ulphin
15.12.2010, 00:25
Hallo Anna,

auch ich spreche Dir mein aufrichtiges Mitgefühl aus. Meine Mami starb vor etwa vier Monaten, so dass ich sehr gut nachvollziehen kann, wie Du Dich fühlst.

Auch wir (d.h. meine Mami und ich) haben nicht explizit über ihren bevorstehenden Tod gesprochen, jedoch bin ich sicher, dass meine Eltern dies miteinander getan haben.

Aber ich denke, dass es darauf auch nicht so entscheidend ankommt. Mir scheint es viel wichtiger, wenn Du Deiner Mutter hast zeigen können, dass Du sie liebst, selbst wenn Du es ihr nicht hast direkt hast sagen können, zumal sie ja, so wie Du schreibst, teilweise verwirrt war.

Ebenso wie Jana denke ich, dass Lebenspartner solche Themen eher untereinander besprechen und ihre Kinder nicht so sehr mit ins Boot nehmen.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft.

Gruß

ulphin

m-l
15.12.2010, 04:47
hallo anna,

als erstes möchte ich dir mein beileid aussprechen.

ich habe meinen bruder mit 22jahren an den folgen eines rhabdomyosarkom´s verloren... als ob das nicht alles schon genug wäre, dass man einen geliebten menschen verloren hat, macht man sich danach immer wieder vorwürfe und fragt sich: "warum habe ich nicht"? "hätte ich doch"! usw.

auch ich habe das am anfang getan. ich habe mir vorwürfe gemacht, warum ich mit meinem bruder nicht über das thema sterben gesprochen habe.
doch ist es nicht so, dass man es zwar fühlt, dass der tod nicht mehr weit weg ist, aber dass man auch eine gewisse scheu hat, mit dem betroffenen darüber zu reden? was soll man denn auch sagen in so einer situation? ich wüsste nicht mal jetzt im nachhinein, ob und welche worte ich gehabt hätte.... :-(
ich finde, es war auch eine art "schutz" von mir, dass ich dieses thema vermieden habe. ich wollte mich damit vielleicht (noch) nicht auseinandersetzen und habe insgeheim gehofft, dass er überlebt...
ich habe aus dieser situation gelernt. ich glaube, dass es so gepasst hat damals, wie es war. und ich glaube auch, einfach das dabei sein und die hand halten, während ein mensch friedlich einschlafen kann, ist sogar noch viel mehr wert, als stundenlange gespräche zu führen, die ja leider an dem ganzen sowieso nichts mehr ändern können...

ich glaube, deine mama wollte dich sicher auch nicht mit diesem thema belasten.
ich wünsche dir ganz viel kraft für diese schwere zeit.
der schmerz wird erträglicher - doch vergessen wird man nie!

m-l.

mia32
15.12.2010, 09:23
Hallo Anna,

mir geht es ganz genau so wie Dir! Auch meine Mutter ist heute vor 4 Wochen von uns gegangen und wir hatten kein ausführliches Gespräch über den Tod. Sie hat nur einige Male gesagt, dass sie sehr große Angst davor hat und im Krankenhaus haben wir einmal gemeinsam geweint als die genaue Diagnose feststand. Sie hatte ein Lungenkarzinom (Superior Sulcus Tumor, bzw. Pancoast Tumor) mit 11cm Durchmesser. Man konnte rein gar nichts mehr für sie tun, da ihr Allgemeinzustand zu schlecht war und der Tumor schon in die Rippen eingewachsen war. Meine Mutter hatte einen Graus vor allem, was mit Krankheit, Ärzten und Krankenhaus zu tun hat. Erst als die Schmerzen groß wurden, konnte ich sie überzeugen mit mir zum Arzt zu gehen. Vorher hat sie immer vehement abgelehnt, was für mich auch eine sehr große Belastung war. Nach Diagnose wurde sie nur noch palliativ möglichst schmerzfrei gehalten. Sie ist nur 1 Monat und 17 Tage nach dem ersten Röntgen Zuhause verstorben. Ich hatte ihr noch ein paar schöne Tage bereitet. Wir waren noch in ihrem Lieblingscafé, in der Natur und im Tierpark. Nachdem sie die Schmerzmittel bekam, hatte man anfangs den Eindruck, es würde ihr wieder ganz gut gehen, aber das täuschte leider. In den letzten 2 1/2 Wochen hat sie rapide weiter abgebaut, so dass wir (meine Schwester und ich) mit Hilfsmitteln und weiteren Medikamenten gar nicht mehr richtig hinterherkamen. Die letzten 3 Tage war sie nicht mehr ansprechbar und in einer Art "Zwischenwelt".
Im Großen und Ganzen hat sie kaum über ihre Ängste gesprochen und ich weiß auch nicht sicher, ob sie am letzten klaren Tag gespürt hat, dass sich das Ende nähert. Der Arzt hatte gesagt, dass sie Weihnachten noch erleben würde... Einmal hatte sie während einer Atemnotsphase gesagt, dass sie nicht glaubt, dass sie die Woche noch überlebt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, da ich ihr immer Mut machen wollte. Ich habe sie (nach Gabe von Sauerstoff und Tavor unter die Zunge) einfach nur gestreichelt. Diese ganze Situation hatte uns so überrannt, dass wir diese 1 1/2 Monate so dermaßen unter Strom standen ... Ich frage mich auch, ob wir zum Schluss noch offener über Ängste, Sterben und dergleichen hätten reden sollen, aber ich glaube, dass sie das überfordert hätte. Sie war sowieso Weltmeister im Verdrängen und ich glaube, dass das auch hier ihr Weg war ...

Mir geht es auch sher schlecht und ich vermisse meine Mutter unendlich. Trotzdem versuche ich mich nicht verrückt zu machen. Ich bin mir sicher, dass auch Du Dein Bestes in dieser schweren Zeit gegeben hast und Deine Mutter wird Deine Liebe gespürt haben! :pftroest:

anna11
15.12.2010, 11:32
Hallo Ihr Lieben

vielen Dank für die schnellen lieben Worte. Es ist sehr tröstlich wieviele Menschen mir liebe Zeilen schicken.:) Das Gefühl etwas verpasst zu haben ist noch da aber nicht mehr so schrecklich dominant.Ich denke es ist der Weg meiner Mutter gewesen mit ihrer Krankheit so umzugehen es zu verdrängen und ignorieren und sie wollte uns sicherlich nicht belasten,sie hat immer versucht uns zu schützen und alle Probleme mit sich selbst ausgemacht.

Es fällt mir schwer das zu akzeptieren,da ich eine andere Einstellung zum Tod habe und gerne offen darüber spreche.Ich bin im medizinischen Bereich tätig und habe eine Weiterbildung im Palliativ Care Bereich,im Krankenhaus kann ich mein Wissen und Emotionen auch gut anbringen, aber wenn es die eigene Familie ist, ist man doch sehr hilflos!!Es ist sehr tröstlich von anderen in der gleichen Situation zu hören und das nicht alle offen über den Tod gesprochen haben. Der Vater von einer Freundin von mir wird in naher Zukunft an Krebs sterben und sie hat mit Ihrem Vater bis in letzte Detail(Beerdigung..) gesprochen. Als ich Ihr erzählte das meine Mutter nicht darüber spricht war sie sehr erschrocken und sagte" oh man da seit ihr ja noch ganz am Anfang".Das Gefühl hatte ich nicht, bei uns war es halt nur anders.Und jeder stirbt doch auch so individuell wie jeder Mensch individuell lebt!?
Mein Vater sagt meine Mutter wußte das sie sterben wird und für ihn ist es völlig in Ordnung das sie mit uns nicht darüber gesprochen hat.Mein Vater sagte er würde es wahrscheinlich genauso machen,es ist halt nicht so leicht sagt er...

Liebe Mia,

es tut mir sehr leid das Du Deine Mutter nach einem so kurzen Krankheitsverlauf verlieren mußtest! Das hat Dich sicherlich alles total überrollt...Meine Mutter war 2,5 Jahre erkrankt,es ging ihr zwischendurch gut,sie war auch einmal in kompl.Remission.Ich hatte aber lange Zeit mich auf Mamas Tod vorzubereiten, wenn das so überhaupt sagen kann.Wenn es soweit ist, ist es doch zu früh. Als sie gestorben ist, habe ich mich für sie gefreut,das sie es geschafft hat.Ich hatte große Angst davor,was uns noch erwartet,aber sie mußte nicht viel Leiden zum Schluß.
Ich arbeite auf einer onkolgischen Station und habe schon schreckliche Dinge gesehen.


Ich wünsche allen viel Zuversicht und Kraft für die kommende Zeit.

Anna:winke:

Sumsebrumm
15.12.2010, 15:39
Erstmal möchte ich dir mein Beileid aussprechen! Und dir ganz viel Kraft wünschen!

Das mit dem "über das sterben sprechen" ist so eine Sache. Oft wollen die Betroffenen ihre Liebsten einfach nur schützen, das ihre Angehörigen leiden sehen sie natürlich und versuchen es ihnen so leicht wie möglich zu machen. Was sollten sie auch sagen um ihnen die Angst davor zu nehmen?
Ich war/bin Angehörige und auch Erkrankte. Hatte also die Möglichkeit es von beiden Seiten aus zu betrachten.
Meine Oma hat auch nie offen darüber geredet. Aber sie wusste das die Zeit gekommen war. Sie versuchte uns zu schützen da sie spürte wie verunsichert wir waren. Das einzige was sie sagte war das sie bereit sei.
Als sie starb durchlief ich einige Stationen......sogar Wut war dabei, weil man doch noch so viel Hoffnung in seinem Herzen trug und sie mir diese auch immer ließ. Wieso hat sie nie darüber gesprochen?

Vor einiger Zeit stand es aufgrund von heftigen Nebenwirkungen auch nicht besonders gut um mich. Ich musste mich also mit meinem eigenen Ableben beschäftigen (das passiert ganz automatisch). Ich ließ mir aber nichts anmerken da ich nicht noch mehr Verzweiflung über meine Familie bringen wollte. Diese Krankheit bringt einen dazu über gewisse Dinge nachzudenken doch will man diese Gedanken nicht immer mit seinen Liebsten teilen.
Doch habe ich es geschafft (und ich bin der Meinung meine Oma hat mir von da oben aus ziemlich unter die Arme gegriffen!)...

Nicht nur als Angehöriger sondern auch als Betroffener hat man eine große Verantwortung seinem Umfeld gegenüber.

Jeder Mensch geht anders mit diesem sehr schwierigen und komplexen Thema um. Doch würde auch ich mir wünschen das man etwas offener damit umgehen würde (es würde es vielleicht ein bisschen einfacher für alle Beteiligte machen).

Ich wünsche dir und allen hier die einen geliebten Menschen verloren haben alles Gute und viel Kraft!!!

Jessi77
17.12.2010, 08:55
Guten Morgen liebe Anna,

mein Pa ist im Juli 2009 mit 64 Jahren gestorben. Ein Jahr hat er mit dem Krebs (Lungenkrebs) gekämpft. Er hat alles mit sich selbst aus gemacht. Von Anfang an.

Bei der Diagnose war ich dabei. Noch heute sehe ich ihn vor mir mit Falten auf der Stirn, im Krankenhauszimmer, wie er sich für den Nachhauseweg das Hemd anzieht, über seinen schon dünner werdenden Körper. Wir waren voller Hoffnung und haben nie über das Schlimmste geredet. Ich habe 2 Tage, glaube ich, durch geheult, war nur im Internet um Infos zu sammeln, meine Familie hat erst mal abgewartet! Die Hoffnung lag in einer OP nach einer vorherigen Chemo! Als es nach der Chemo zur OP Voruntersuchung gehen sollte, stellten die Ärzte fest, dass es keine Chance mehr auf OP geben würde. Hier hat mein Pa mich angerufen, damit ich es allen schonend beibringen kann. Ich habe es auch irgendwie gepackt. Ich war leider die, die sich "schlau machte", alle verließen sich da auf mich. Mein Pa wollte aber alles so genau gar nicht wissen, wie so viele Erkrankte! Auch jetzt wollte er nicht mit mir sprechen. Ich habe es immer versucht! Es wäre für mich sehr wichtig gewesen, denn ich beschäftige mich schon sehr mit dem Tod: er gehört einfach dazu und lässt das Leben erst so richtig an Bedeutung gewinnen.

Aber mein Vater wollte nicht - das musste ich akzeptieren.

Dann war er wegen Wasser in der Lunge im Krankenhaus. Wir dachten, ok das Wasser muss weg und gut. Aber nein, dies brach ihn! Zwei Tage vor seinem Tod (er konnte nicht mehr richtig atmen, eine Verklebung schlug fehl, die ganze Lunge nur voll Wasser) fragte er mich überrascht, ob er jetzt schon sterben müsse! Diese Augen werde ich nicht vergessen. Ich sagte ihm nur was ich wußte und fühlte und dass ich immer für ihn da sein werde!Dann ging ich und musste ihn dort so liegen lassen. Er war in seinem Elend lieber allein, Besuch ok aber dort bleiben sollten wir nicht! Ich werde nicht vergessen, wie sein letztes Bild war. So dünn und hilflos und verzweifelt!

Dann ist er, wie uns später berichtet wurde, die ganze Nacht auf dem Flur umher gelaufen (wo die Kraft herkam, keine Ahnung). Er machte "es" wieder mit sich selber aus!!!! Als Ergebnis seiner Überlegungen ließ er sich morgens dann an die Morphiumpumpe legen. Als wir kamen, war er schon in einer anderen Welt. Kein Wort vorher von ihm, kein Anruf, kein Abschied!!!! Wir saßen einfach schweigend an seinem Bett und schauten ihn an! Vielleicht hat er uns gespürt? Am nächsten Morgen ist er dann einfach gegangen. Kein Arzt, keine Schwester hat damit gerechnet! Und ich leide heute noch unter den unausgesprochenen Worten!

Tage später habe ich geträumt, dass ich mit meinem Pa am Tisch sitze und er mich fragt, wie denn jetzt so alles ohne ihn funktioniert und ob meine Ma, die auch noch Parkinson hat, klar kommt. Nach diesem Traum ging es mir etwas besser. Er schien mir so normal!

Sorry, jetzt ist alles aus mir heraus gesprudelt. Aber manchmal ist es so, auch noch nach 1,5 Jahren. Ich denke, dass geht nie vorbei. Vielleicht erst, wenn ich selbst diese Welt verlassen muss.

Ich wünsche dir alle Kraft, Wärme und Liebe für dein weiteres Leben. Wir müssen damit leben! Irgendwie!

Jessi

monika100
17.12.2010, 09:29
Hallo Jessi,

deine Zeilen haben mich sehr berührt - es hat mich soviel an meinen Vater erinnert. :weinen:

Du hast recht, man muss damit leben und man schafft das auch, aber vergessen kann man es nicht.

Alles Gute für Dich.

LG Monika

Pferdchen
17.12.2010, 10:44
Liebe Anna,

es tut mir sehr leid das du deine Mutter verloren hast und ich wünsche dir und deiner Familie weiterhin viel Kraft.

Als mein Freund vor 11 Monaten gestorben ist, ging es mir ähnlich wie dir jetzt. Nach der Diagnosestellung durfte er nur noch 3 Monate leben und es ergab sich nicht das wird uns über das Sterben unterhalten konnten. Als er nach der schweren, erfolglosen Wippel Op in meinem beisein die endgültige Diagnose gesagt bekommen hat, fragte er mich danach ob er jetzt sterben müsste. Ich habe ihm gesagt das er den schlimmsten Krebs hat den es gibt und seine einzige Chance das "Kämpfen" sei.
Mein Freund war schon immer ein Meister darin, negative Dinge aus seinem Kopf zu drängen und nicht darüber zu reden...und genau so hat er es mit seiner Krankheit gehalten. Er wußte das ich mich über alles informiere und mich um alles Wichtige kümmer und gut war es für ihn.
Ca. 2 Wochen vor seinem Tod, als es ihm sehr schlecht ging, sagte er nur zu mir das er so langsam selber anfangen würde sich ernsthafte Sorgen um sich zu machen...ich denke das zeigt wie wenig er sich selber mit seiner Krankheit beschäftig hat.
Ich hätte mich so gerne mit ihm über das Sterben und das "danach" unterhalten aber ich habe nie die Gelegenheit dazu bekommen. Durch das Morphium war er von einem auf den anderen Tag nicht mehr er selber und hatte nur wenige klare Momente. In einem kurzen klaren Moment, wenige Tage vor seinem Tod, schaute er mich plötzlich an und sagte nur ein Wort: Danke. In diesem Moment war es mir nicht so bewußt aber heute bedeutet mir dieses Wort sehr, sehr viel.
Ich glaube nicht das er bis zu seiner Verwirrtheit realisieren konnte das er nun wirklich bald sterben wird...und heute muß ich sagen bin ich sehr dankbar dafür.
Mein Freund hätte es nicht verkraftet Wochen zu leben mit der Gewissheit das es bald zuende ist und so war es für ihn das beste.

Alles Gute wünsche ich dir!

Michaela

Pferdchen
17.12.2010, 10:48
denn ich beschäftige mich schon sehr mit dem Tod: er gehört einfach dazu und lässt das Leben erst so richtig an Bedeutung gewinnen.

Jessi

Das hast du sehr schön geschrieben!

anna11
17.12.2010, 21:54
Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten. Es gibt mir ein gutes Gefühl Eure Zeilen zu lesen.
Einiges hat mich sehr berührt!!Und ich finde mich und meine Mutter in vielen
Situationen wieder.Das ist sehr tröstlich..

Anna:winke:

datkleene
20.12.2010, 17:16
Liebe Anna,

erstmal möchte auch ich dir mein Beileid aussprechen... Ich kann dich gut verstehen, meine Mama ist vor etwa 2 Monaten verstorben.

ich kann von beiden Seiten erzählen!
Meine Mama wollte nie über ihren Tod reden. Ich habe sie zu diesem Thema immer versucht zu drängen. 2 Jahre lang, bis Weihnachten 2008... Es ging ihr so schlecht nach der neuen Chemo und wir mussten sie am 29.12. ins Krankenhaus bringen.
Niemand hat damit gerechnet, dass sie das überleben wird. Und da stand ich und hatte nichts mit ihr besprochen.
Ich war so schrecklich wütend auf sie!
Neujahr besserten sich ihre Werte und wie durch ein kleines Wunder hat sie das ganze überlebt.

Von da an haben wir ständig über das Sterben gesprochen!
Ich habe sehr intensiv mit ihr darüber gesprochen, was sie sich wünscht und was ich dabei tun kann. Dafür musste sie mir versprechen alles zu tun, um nicht zu hause zu sterben. Das war etwas, was ich nicht ertragen hätte. Ich hätte das Haus nur noch betreten um meine Sachen zu packen!
Ich habe ich dafür versprechen müssen, dass ich alles tue um bei ihr zu sein! Damit sie nicht alleine ist. Davor hatte sie große Angst.
Dieses Versprechen hat mich wiederum irre gemacht. Bei jedem Anruf bin ich aufgescheckt... Fast 2 Jahre lang habe ich mit der Angst gelebt, ich würde nicht bei ihr sein können, wenn sie ihre letzte Reise antritt.

In der Woche vor ihrem Tod habe ich sie sehr bedrängt :( Sie sollte ihre Patientenverfügung ausfüllen und doch meinen Papa und mich denken.

Am Ende brauchten wir sie nicht. Viel schlimmer war es, dass ich genau wusste, dass sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen will. Das auszusprechen war das Schlimmste. Ich habe ihr alle anderen Wünsche erfüllen können...

Ich weiß nicht, ob es besser war, das wir darüber geredet haben, oder ob es vorher besser war. Beides hatte seine Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite diese Hilflosigkeit, auf der anderen Seite die Angst nich da zu sein...
Es ist so passiert und ich möchte es nicht mehr ändern.

Vielleicht hilft dir das ein bisschen :)

LG Steffie

anna11
21.12.2010, 12:50
Liebe Steffie,

mein tiefstes Mitgefühl für Dich und vielen dank für Dein Schreiben,es tut gut Dinge auch mal von einer anderen Seit aus zu sehen.

Meine Mutter ist zu Hause gestorben. Ich denke sie wollte das so. Ich hatte in der Vergangenheit Angst davor, das sie zu Hause sterben könnte. Als wir sie aus dem Krankenhaus geholt hatten war ich aber sehr erleichtert das sie zu Hause ist. Die Schwestern und Ärzte waren sehr nett und lieb, aber man ist ja doch in einer fremden Umgebung und verhält sich doch ein bißchen anders als zu Hause.Wir hatten ein gutes Netzwerk angefangen beim Pflegedienst bis hin zum Schmerztherapeuten den wir rund um die Uhr anrufen konnten.

Als sie dann gestorben war hatten wir sie noch knapp zwei Tage zu Hause gelassen. Auch wenn sich das komisch anhört war es eine schöne Zeit. Wir sind immer wieder an ihr Bett gegangen, haben sie angefasst und konnten ganz langsam und in Ruhe begreifen was da eigentlich geschehen ist. Ich hatte immer die Befürchtung das das Haus meiner Eltern mich dann nur noch an den Tod meiner Mutter erinnert,so ist es aber zum Glück überhaupt nicht und ich fahre nach wie vor sehr gerne dorthin.

Ich habe mir gar keine Gedanken gemacht das es sich auf mich vielleicht auch negativ hätte auswirken können mit ihr über das Sterben zu sprechen.
Unter was für einem enormen Druck Du gestanden haben mußtest, als Du Ihr das versprechen bei ihr zu sein gegeben hast!
Vielleicht ist alles gut so wie es ist!?

Lieb Grüße
Anna

datkleene
22.12.2010, 12:34
Liebe Anna,

ich kann dich gut verstehen, ich denke, wenn meine Mama nicht schon vorher so viel Hilfe gebraucht und ich das nicht übernommen hätte, wäre ein Pflegedienst und alles andere auch wesentlich besser gewesen!

Aber dadurch, dass ich meine Ausbildung abgebrochen habe und mich um meine Mama gekümmert habe, war ich einfach zu nah dran, als das wir dann noch einen Pflegedienst hätten einschalten können.
Meine Mama war auch noch zu mobil um das zu erreichen, was sie brauchte. Nämlich immer jemanden, der da war, wenn mein Vater arbeiten war oder ich in der Schule.
Da das in ihrem Fall nicht möglich war, habe ich das übernommen. Ich bin seit Ende August nicht mehr zur Schule gegangen und keiner hat es verstanden. Meine Mama hat es nie laut ausgesprochen, aber sie wollte es so. Ich habe es jeden Morgen in ihrem Gesicht gesehen, wenn ich gefahren bin. Sie hatte Angst, sie würde fallen, sie hatte Angst, etwas würde nicht mehr klappen und sie würde alleine und hilflos sein. Und in dieser Situation wollte ich nicht, dass sie noch mehr Angst hat. Der Krebs und ihr Allgemeinzustand waren schon schlimm genug!

Wenn wir alles für zu hause vorbereitet hätten, hätte ich alle bekloppt gemacht, weil ich vorher alles übernommen habe und es dann nicht hätte abgeben können.
Im Krankenhaus waren uns ja nun wirklich die Hände gebunden. Ich konnte mich voll und ganz auf meine Mama konzentrieren und das war für mich das wichtigste!

Ich habe großen Respekt davor, dass ihr deine Mama noch 2 Tage bei euch hattet... Das hätte ich nicht verkraftet!

Dieser Druck war für mich fast unerträglich. Aber auch, als ich in der Schule war. Ich hatte mein Handy immer in der Hosentasche, ich habe immer drauf geguckt, ich wäre sofort los gefahren, wenn ich gesehen hätte, dass jemand angerufen hat. Bei jeder SMS bin ich hochgeschreckt, bei jedem Anruf von Mama, wenn ich unterwegs war, habe ich damit gerechnet, ich müsste sofort fahren.
Aber nicht sie hat mir den Druck gemacht. Ich habe das selbst getan! Ich hätte alles für sie möglich gemacht.
Sie hat mit mir als Kind viel durchgemacht und war immer da. Ich denke ich wollte auch das wieder gut machen. Und ich denke auch, es war meine Aufgabe sie zu versorgen, ihr Sicherheit zu geben und Kraft.
Ich war aber auch die Einzige, die sie in den Hintern treten durfte. Als sie es noch konnte, habe ich sie oft genug mit alle4 Mühe und Not aufstehen lassen. Ich war immer bei ihr und habe sie gehalten, aber laufen musste sie. Auch Kleinigkeiten aus dem Kühlschrank holen, habe ich nur dann gemacht, wenn es ihr wirklich schlecht ging.
Am Ende habe ich auch gemerkt, dass es nicht mehr geht. Da hätte ich sie nie aus dem Bett aufstehen lassen. Aber ich habe sie wirklich versorgt, weil ich etwas wieder gut machen wollte.
Ich wollte immer stark sein. Selbst im Krankenhaus konnte ich nicht weinen vor ihr. Sie sollte keine Angst habe. Ich habe noch versucht ihr Mut zuzusprechen, alles würde wieder gut werden, aber sie wusste, dass ich lüge. Sie hat mit dem Kopf geschüttelt und meine Hand gedrückt. Das war ihr Dankeschön und ich weiß, dass ich alles richtig getan habe.

Ich denke es war alles wirklich gut so, wie es ist. Sie fehlt mir zwar unglaublich, das wird bei dir nicht anders sein, aber ich denke sie sind jetzt frei und unbeschwert, wo auch immer sie sein mögen.

Liebe Grüße
Steffie

anna11
27.01.2011, 23:05
Hallo,

am kommenden Samstag hätte meine Mutter Geburtstag gehabt. Es ist der erste

ohne sie und mir graut davor!! Leider mußte mein Mann heute bis Samstag auf

Geschäftsreise einen schlechteren Zeitpunkt gibt es kaum!!

Wir werden uns bei meinem Vater treffen und ein wenig "feiern" so wie wir das immer gemacht haben.

Mama ich vermisse Dich so sehr und im Moment wird es immer schlimmer..

Anna

mia32
28.01.2011, 08:32
Hallo Anna,

das ist leider eine Sache, durch die ich auch noch durch muss.
Ich hoffe sehr, dass Du es gut überstehst und ihr auch ein wenig mit positiven Gedanken an Deine Mutter denken könnt! :pftroest:
Ich werde Freunde meiner Mutter fragen (die ich auch alle sehr mag), ob wir ihren Geburtstag in einem Restaurant feiern möchten. Die haben sich untereinander auch schon lange nicht mehr wiedergesehen (bis auf die Trauerfeier) und ich denke, dass das vielleicht eine ganz gut Idee wäre.

Mia

anna11
02.03.2011, 23:38
Heute war eigentlich ein ganz schöner Tag, aber heute Abend fehlst Du mir so sehr Mama, ich hoffe es geht Dir gut...

anna11
02.03.2013, 22:21
Merkwürdig,genau 2 Jahre ist es jetzt her das ich hier geschrieben habe. Ich vermisse dich so unendlich doll Mama und heute Abend ist es mal wieder besonders schlimm.Ich hoffe du bist gluecklich und zufrieden wo auch immer du jetzt bist....Papa stürzt sich in die Arbeit und findet kaum Zeit für uns.:embarasse Ich denke du fehlst ihm auch sehr und es ist seine Art damit umzugehen. Du kennst ihn ja, er mag nicht darueber reden wie es ihm geht.Aber es verletzt mich sehr das er so wenig Interesse an unserem Leben zeigt!Ich weiß er ist hilflos....
Mach's gut Mama:engel: