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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Und ich habe ihr dabei zugeschaut


Cameronia
18.02.2011, 21:54
Meine geliebte Mutter ist am 15.02. erlöst worden. Zwei Jahre hat sie dem Brustkrebs getrotzt, war unheimlich stark, hat nie gejammert und immer versucht stark zu sein. Sie hat unter allen Umständen vermeiden wollen, dass wir ihr Leid sehen. Obwohl sie extrem gehustet und über sehr viele Wochen starke Luftnot aufgrund der Lungenmetas hatte, hat sie in Telefonaten oder bei Besuchen von uns immer versucht mit starker Stimme zu sprechen. Sie wollte auch zuletzt nicht mehr, dass wir zu oft bei ihr sind, da sie uns nicht mit ihrem Zustand belasten wollte.

An ihrem letzten Tag, als sie aufgrund der Medikamente "geschlafen" hatte, waren wir bei ihr und haben sie bis zum letzten Atemzug begleitet. Es war für mich wichtig dies zu tun. Sie ist in meinen Armen gestorben. Es war einerseits eine unfassbar schreckliche Erfahrung sie sterben zu sehen, andererseits hoffe ich damit die Tatsache ihres Totes besser und schneller akzeptieren zu können.

Aber wie egoistisch war das von mir? Inzwischen habe ich große Zweifel und ein schlechtes Gewissen, da ich genau weiß, dass sie es niemals gewollt hätte, dass ihre Kinder ihr in einer solchen Situation "zuschauen". Wir konnten ja nichts mehr für sie tun.

Ich komme mir inzwischen vor wie ein Voyeur :cry:.

Drehe ich aufgrund des Erlebten schon ab oder gibt es auch andere Angehörige, die sich mit ähnlichen Selbstzweifeln plagen?

Uli

anna11
18.02.2011, 22:06
Liebe Uli,

mein aufrichtiges Beileid!

Ich glaube das ein Mensch den Zeitpunkt wann er gehen möchte/muß selber mitbestimmt. Meine Mutter ist nachts 1 Stunde nachdem ich nochmal nach ihr gesehen habe gestorben. Mein Vater schlief im Wohnzimmer auf der Couch da er so ein komisches Gefühl hatte. Ich war mir sicher das sie die Nacht nicht gehen wird und wollte so gerne dabei sein, wenn sie geht. Mein Vater muß in dem Moment aufgewacht sein als sie aufgehört hat zu atmen.Ich denke es war einfacher für sie zu gehen als sie alleine war,ich bin mir sicher das sie sonst auf mich "gewartet" hätte.

Ich kann mir vorstellen das es schön für Deine Mutter war das sie nicht alleine war!!

Das mit den Selbstzweifeln ist denke ich leider völlig normal und ich frage mich immer noch häufig(meine Mutter ist vor 3 Monaten gestorben)ob ich alles richtig gemacht habe,noch mehr hätte tun können...

Ich wünsche Dir viel Kraft und Zuversicht

Anna:pftroest:

sanne2
18.02.2011, 23:28
Liebe Uli,
erst einmal mein herzliches Beileid!
Lass Dir Zeit zu trauern, das ist sehr wichtig.
Lebe Deinen Schmerz aus!

Es ist unendlich schwer eine liebe Person gehen lassen zu müssen.
Aber, und da schließe ich mich meiner Vorschreiberin vollkommen an, die Menschen suchen sich aus, wann sie gehen wollen oder müssen.
Du solltest ein gutes Gefühl dabei haben, bei Deiner Mutter bis zum Ende geblieben zu sein.
Es schaffen nicht alle Angehörige, diesen letzten Weg gemeinsam zu gehen.

Hätte Deine Mutter Dich nicht dabei haben wollen, wäre sie gegangen während Du nur kurz mal das Zimmer verlassen hättest.
Sie wollte ganz bestimmt, das Du bei ihr bist und sie begleitest.
Es war Dein letzter Liebesbeweis an sie und ihrer an Dich.

Bei uns war es ähnlich als meine Mutter ging. Wir waren alle bei ihr und obwohl immer mal wieder einer oder mehrere von uns kurz das Zimmer verließen, starb sie erst als wir alle bei ihr waren.

Ich wünsche Dir alles Gute für die Zukunft,
Sanne

HeikesFreundin
18.02.2011, 23:44
Hallo Ulli,

mein herzliches Beileid ...

Aus meiner Arbeit im Hospiz und auch aus der Erfahrung, die ich mit Heike gemacht habe, möchte ich mich meinen Vorschreiberinnen anschließen -
auch ich erlebte immer wieder, dass Menschen, wenn sie sich noch äußern konnten, letztendlich SO starben wie sie es wollten.

Die, die alleine gehen wollten gingen alleine -die, die gerne nicht allein sein wollten, konnten ihre Reise besser und leichter antreten, wenn die Menschen bei ihnen waren, die sie sich wünschten. Und auch bei mir entstand und entsteht immer wieder der berechtigte Eindruck, dass Menschen ihren wirklichen Zeitpunkt, das Leben loszulassen, selbst bestimmen oder zumindest beeinflussen können.
Auch bei Heike war es .... wir warteten, dass Mittags ihre Kinder kamen.

Als die Kinder gerade wieder aus der Tür waren, tat Heike einen einzigen/ihren letzten tiefen Atemzug, der erfüllt war von Erleichterung.

Ich glaube, ich kann Dir guten Gewissens sagen:
Deine Mutter war froh, dass Du da warst - auch wenn sie es Dir in Worten nicht mehr sagen konnte. Aber dass sie in Deinen Armen friedlich gehen konnte
und gegangen ist spricht dabei für sich.

Auch bei Sterbenden kann man klar erkennen ob sie entspannt sind oder zB Schmerzen haben - selbst wenn sie es nicht mehr sagen können ;o)

Und Du kannst davon ausgehen, dass Du ihr damit, bei ihr gewesen zu sein, ein sehr großes Geschenk gemacht hast!

Zergrüble nicht diesen einzigartigen Moment, in dem Dir Deine Mutter einen ganz intimen Augenblick schenkte - den ihres Sterbens.
Es ist ein ganz besonderes Geschenk - ein Geschenk der Liebe und des Vertrauens!!!!!!! Und auch umgekehrt ist es ein solches Geschenk, das Du ihr gemacht hast.

So seid ihr zwei am Beginn Deines und am Ende ihres Lebens ganz nah beieinander gewesen. Ganz nah! So wie sie Dich ins Leben begleitet hat, hast Du sie in ihr neues Dasein begleitet.

Nimm Dir Zeit für Dich und sie, in Deinen Gedanken, Gefühlen, in Deiner Trauer.

Du hast alles richtig gemacht. Das würde sicher auch Deine Mutter Dir sagen, wenn sie es jetzt könnte.

Viel Kraft und Sonnenschein für Deine Seele
schickt Dir Angie :pftroest:

monika100
19.02.2011, 10:58
Liebe Ulli,

du bist doch kein Voyeur!!

Du hast deiner Mutter beigestanden und sie begleitet. Sie ist stolz auf Dich und Du kannst es auch sein.

Mein herzliches Beileid und viel Kraft für diese schwere Zeit.

LG Monika

Shamo
19.02.2011, 11:26
Ich glaube ebenfalls das die Menschen in der Situation sterben, in der sie es wollen!
Mein Schwager ist gestorben als meine Schwester für ein paar Minuten mit den Krankenschwestern gesprochen hat!
Ich bin mir sicher, dass er nicht wollte, dass meine Schwester diesen Moment miterlebt!
Also denke das es bei dir auch richtig war wie es passiert ist!

Christian

AndreaM
20.02.2011, 14:02
Liebe Uli,

mach Dir doch darum keine Sorgen - es ist alles richtig wie es ist.

Meine Mami war auch so stark bis zum Schluss - sie war immer mein Held, mein weißer Ritter - und trotzdem musste sie so früh gehen. Und, ja, auch sie hat den Zeitpunkt so gewählt dass ich sie begleiten konnte. Meine Mami starb im Hospiz, und dort hat man mir auch gesagt, was hier schon erzählt wurde - den "passenden Moment" sucht sich der Sterbende selbst aus.

Mir hat es gutgetan zu sehen, wie ihre Stirn sich entspannt hat, das ganze Gesicht - ich habe gesehen, wie sie im wahrsten Sinne zur Ruhe kam.

Ich wünsche Dir viel viel Kraft für die kommende Zeit - und lass die Trauer zu!

Alles Liebe
AndreaM

tochtermama
21.02.2011, 09:13
Liebe Uli,

mein herzliches Beileid zu Deinem großen Verlust! Du hast großen Mut bewiesen. Ich wünschte, auch ich hätte diesen Mut gehabt. Seit Jahren quäle ich mich mit Selbstvorwürfen, weil ich nicht dabei war. Tu Dir nicht das Gleiche in umgekehrter Form an! Ich schätze, wir Frauen neigen dazu, jegliche (in diesem Fall nicht vorhandene) Schuld auf uns zu nehmen bzw. uns einzureden.

Ich wünsche Dir viel Kraft für diese schwere Zeit.

Alles Liebe
tochtermama

sunflower77
22.02.2011, 17:57
liebe uli

es tut mir leid, ist auch deine mami nicht mehr da, herzliches beileid...

ich glaube, für deine mama war es ganz wunderbar, dass du dabei warst... du musst doch kein schlechtes gewissen haben, ja, wenn sie alleine hätte gehen wollen, wäre es wohl so geschehen... so war es doch schön, warst du an ihrer seite, bist ihr beigestanden und warst ihr nahe, das hat sie sicher gespürt...

ich war auch bei meiner mam, sie ist in unseren armen eingeschlafen...

ich denke, du wirst du froh sein, sie begleitet zu haben, mit ihr diesen letzten weg gegangen zu sein... du warst sehr sehr stark :engel:

alles liebe, herzlich chris