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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Biopsie Metastasen


adrianopongau
19.11.2012, 12:49
Hallo liebe Betroffene,
Nachdem meine Frau im Januar ihren Kampf gegen den Krebs verloren hat, beschäftigt mich nach wie vor eine Frage. Und die könnt wahrscheinlich ihr am besten beantwortet.
Seht ihr einen Zusammenhang zwischen einer durchgeführten Stanzbiopsie und später auftretenden Metastasen?
Bei meiner Frau gab es einen soliden Tumor. Beim ersten Staging wurde im gesamten Körper nichts gefunden. Dann die Biopsie und spätere OP. Von der OP war bekannt, dass mit sehr viel Reserve operiert wurde.
Dennoch dann nach einem 3/4 Jahr alles voll mit Metastasen. Und dann...
Wie war das bei Euch ?
Es gibt ja einige sehr kritische Studien zu diesem Thema.

Über eine Einschätzung von Euch würde ich mich freuen.

Euch alles Gute.

joanajo
19.11.2012, 13:33
Hallo,
also das ist eine sehr schwierige Frage, auf die du wahrscheinlich keine Antwort bekommen kannst.
Aber, mir hat man gesagt, dass längst nicht alle Krebszellen, die in den Körper gelangen, dazu in der Lage sind, Metastasen zu bilden.
Da muss wohl einiges mehr an biologischen Vorgängen zusammenkommen, als eine Stanzbiopsie.
Ich kenne auch viele Frauen, die die Stanze hatten und noch keine Metas haben! Und das bleibt hoffentlich so!
Bestimmte Dinge werden wir nie erfahren, ich z. B. nicht, warum ich jetzt ein Rezidiv habe, trotz ursprünglich guter Prognose.
Das ist kein Trost für dich, ich weiß das zu gut, aber fertig machen bringt auch nichts!:pftroest:

LG joanajo

NicoleZ
19.11.2012, 13:36
Ich glaube, wir alle hier hatten zwischendurch eine Stanzbiopsie ? Und die meisten leben danach deutlich länger als ein Jahr.

Die Biopsie - Theorie ist doch von Köhnlechner und schon seit 30 Jahren mega-out.

remeni
19.11.2012, 14:18
Hallo adrianopongau,
leider ist es so, dass bei Feststellung von Krebs und Ausschluss von Metastasen keiner garantieren kann, dass es nicht über kurz oder lang doch zur Bildung von Metastasen kommt. Das ist ja das Brutale an dieser Krankheit.

Ich glaube nicht, dass eine Stanzbiopsie das Freisetzen von bösartigen Zellen begünstigt. Selbst wenn, ist nicht jede freigesetzte Krebszelle in der Lage, auf Wanderschaft zu gehen und Metastasen zu bilden. Dies sollen nur die sog. Tumorstammzellen können. Und auch die brauchen eine geeignete Stelle, um sich ansiedeln zu können.

Sehr wahrscheinlich waren solche freien Tumostammzellen schon vorher unterwegs und beim ersten Staging noch nicht nachweisbar, weil zu klein. Wurde eine Chemo gemacht? Selbst wenn, garantiert eine Chemo nicht das völlige Vernichten dieser freien Zellen.

Ich wünsche dir sehr, dass du deinen Frieden finden kannst.

adrianopongau
19.11.2012, 21:14
Zu der Theorie:
So mega out ist das glaube ich nicht. Erst 2002 gab es eine Studie, die die eindeutig belegte:

im Jahr 2002 berichtete das American Journal of Surgical Pathology von einer Studie, die zu dem Schluss gekommen war, dass die Entstehung von Metastasen vermehrt bei Patienten auftritt, bei denen zuvor eine Biopsie vorgenommen wurde (The American Journal of Surgical Pathology, 2002/26:14-24


A. Pelloni und P. Gertsch vom Ospedale San Giovanni in Bellinzona, Schweiz, gehen gar davon aus, dass eine präoperative Biopsie den Erfolg einer anschließenden chirurgischen Entfernung des Tumors gefährden kann (Pelloni, A., Gertsch, P.: „Risks and consequences of tumor seeding after percutaneous fine needle biopsy for diagnosis of hepatocellular carcinoma”; in Schweiz Med Wochenschr 2000/10;130(23):871-7).

Ein Freund von mir der als Arzt in einer großen Klinik tätig ist, sagte mir, dass auch in pathologischen Befunden, nach OP's die Stanzkanäle untersucht wurden. Es konnten dort tatsächlich abgestorbene Krebszellen nachgewiesen werden.
Ob von dort aber auch Krebszellen weiter ausgeschwemmt wurden, war nicht bekannt.

In diesem Sinne danke ich doch allen, die eine Meinung zu den Biopsien abgeben. Die Frage stellt sich ja auch oft noch, wenn man die Sinnhaftigkeit sich anschaut.

Warum wird bei Frauen eine Stanzbiopsie gemacht, wenn ein Tumor mit 5.7cm Durchmesser vorliegt?? Das muss doch sowieso operiert werden.

Es geht mir auch nicht ums Ruhe finden.
Es ist nur so, dass ich z.B. vieles im Zusammenhang mit dem Abarbeiten dieser tückischen Krankheit in den Kliniken sehr seltsam finde.
Wenn wir in der Technik bestimmte Fehler feststellen, wird teilweise monatelang untersucht, was da falsch lief.

Habt ihr schon einmal gehört, dass sich irgendjemand ein Akte eines verstorbenen Krebspatienten nochmal vornimmt und versucht herauszufinden, ob wirklich alle Schritte richtig gesetzt wurden???
Um daraus für die Zukunft zu lernen???
Nein, ich habe das Gefühl, hier wird ständig experimentiert und sinnvolle Untersuchungen werden zu spät angesetzt.....

Das Forum ist ja voll davon.

Krasi
19.11.2012, 21:36
Hi,

das sind die Gedanken, die ich mir zur Zeit auch mache, nur das ich noch vor der Wahl stehe...aber meine Entscheidung ist klar, ich werde keine Biopsie machen lassen, sondern das Ding direkt rausnehmen lassen.
Viele denken man hört Flöhe husten, wenn man so was gegen die derzeitige Standart-Therapie äussert, aber ich denke wer will mir zu 100% garantieren, dass es nicht doch nur 1 Zelle schafft sich irgendwo in meinem Körper anzusiedeln. Verhandel zur Zeit mit meiner gesetzlichen Kasse bzgl. der Übernahme der MRT-Kosten ohne die mein Doc mich nicht operieren wird. Die haben mir noch heute gesagt, dass sie im normalfall das MRT nicht zahlen würden, da das Standart-Verfahren die Stanzbiopsie ist, als ich ihm sagte dass mein Doc nicht blind stanzen will und auch vor OP nen MRT benötigt, konnte der Sachbearbeiter dies überhaupt nicht verstehen. Als ich von der artigen Theorien sprach, meinte er nur schicken sie mir bitte Ihre ärztliche Unterlagen zu mit Anschreiben, dazu reicht mein medizinisches Wissen nicht aus.
LG Krasi

Sim
19.11.2012, 22:14
Hallo zusammen,
ein interessantes Thema, das mich damals (2006) auch beschäftigt hat. Ich habe immer nach der absoluten Sicherheit gesucht, denn auch bei mir wurde eine Stanze gemacht. Heute weiß ich, dass es keine Sicherheiten gibt und schon gar nicht bei Krebs. Es ist alles möglich. Kleinste Tumore, die schon früh Metastasen gebildet haben, riesige Tumore die keine Metastasen gebildet haben. Rückfälle trotz super Prognose, keine Wiedererkrankung trotz schlechter Prognose. Damals habe auch ich alles hinterfragt und war mir nicht sicher, in welche Richtung es bei mir geht. Heute weiß ich, dass man auch Vertrauen in die Ärzte haben sollte. Außerdem ist nicht jede Krebszelle auch in der Lage Metastasen zu bilden, sollte tatsächlich eine übrig geblieben sein.
Obwohl ich bereits 6 Jahre gesund bin, konnte ich das Thema Krebs nie ganz abhaken. Aber heute kann ich gelassener mit dem Thema umgehen.
LG von der Sim

gilda2007
20.11.2012, 00:00
fine needle biopsy for diagnosis of hepatocellular carcinoma”; in Schweiz Med Wochenschr

Man sollte aber auch nicht Äpfel und Birnen durcheinanderwerfen: Hier geht es um HCC, eine sehr aggressive Form des Leberkrebses. Ein ganz anderes Organ, andere Risiken, andere Therapien. So eine Studie kann man doch nicht einfach auf Brustkrebs übertragen. :rolleyes:

bifi65
20.11.2012, 18:48
Hallo,

erst einmal tut es mir sehr leid, dass deine Frau den Kampf verloren hat.

ich denke, wenn diese Theorie Bestand hat, wie sieht das aus, wenn zwei oder dreimal operiert werden muss? Wenn der Sicherheitsabstand zu den Schnitträndern nicht eingehalten wurde? Ist das nicht noch "schlimmer" als eine Stanze? Und gerade bei größeren Tumoren wird doch oftmals eine neoadjuvante Chemo empfohlen um den Tumor zu verkleinern und besser abgrenzen zu können, da muss vorher natürlich eine Typisierung erfolgen. Auch die Beurteilung, ob G1 oder G3 und ob mit oder ohne Rezeptoren spielt doch für die Behandlung eine Rolle. Also für mich hat die Stanze durchaus einen Sinn.

Ob sich jemand Akten von Verstorbenen vornimmt, weiß ich nicht. Besprochen werden Abläufe durchaus noch einmal, gerade wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Leider hat der betroffene Patient selbst nichts mehr davon...


Liebe Grüße von Birgit

Tati P.
20.11.2012, 19:10
Eine Stanzbiopsie macht natürlich Sinn. Ansonsten weiß man doch gar nicht, was für eine Tumorbiologie vorliegt. Wie bifi schon schrieb, kann man doch sonst gar keine neoadjuvante Chemo geben.
Den Tumor rausholen ist ja schön und gut, aber eben nicht das gesamte Bild.
Und selbst für den Fall dass irgendwann bewiesen wird, dass es doch ein erhöhtes Risiko der Krebszellenübertragung auf nahes Gewebe gibt, ist die Risiko-Nutzen-Abwägung in diesem Fall doch immer zugunsten des Nutzens, oder?

Es können überall im Körper Krebszellen schlummern und leider auch eine Chemo überstehen.
Ich denke dass diese Gefahr vielleicht sogar größer ist, als dass bei einer Stanze Krebszellen verschleppt werden.

Die Studie ist von 2002. Das klingt nicht lange her, ist aber immerhin schon 10 (!) Jahre her, in denen sich so unendlich viel getan hat in der Forschung, dass sie mit hoher warscheinlichkeit eben doch nicht mehr aktuell ist.

Meine Ärztin sagte mir bei meiner Diagnose, dass meine Überlebenschancen vor 10 Jahren deutlich geringer gewesen wären. Die Forschung hat eben einen sehr großen Schritt gemacht.

Ich kann verstehen, dass Dich das nach wie vor beschäftigt, aber eine konkrete Antwort wirst Du darauf wohl nicht finden.

adrianopongau
21.11.2012, 12:03
Ich verstehe euch schon.
Nur nochmal: es geht mir weniger um eigene Aufarbeitung. Es geht mir auch nicht darum, die Zeit zurückzudrehen.
Mich würde nur mal interessieren, ob es bei Patienten mit Stanzbiopsie hier ein höheres Riskiko gibt.
Es könnte ja ein Hinweis sein, dass unmittelbar nach der Stanze eine Chemo sinnvoll ist um ausgeschwemmte Krebszellen direkt zu bekämpfen.
Die Frage ist ja in vielen Fällen, wie die Metas entstehen.
Aber ich lege das Thema jetzt hier auf die Seite, da ich euch nicht verunsichern möchte.

Euch vielen Dank für die Antworten und alles Gute.
Und allen hier wünsche ich eine schöne Vorweihnachtszeit.

Nati85
21.11.2012, 22:02
Hallo!

Es tut mir sehr leid, dass deine Frau im Januar gestorben ist!

Zu deiner Frage:
Damit ein Tumor metastasieren kann, brauchen die Krebszellen eine ganze Reihe von Eigenschaften. Sie müssen die Fähigkeit haben sich zu bewegen, dann müssen sie umliegendes Gewebe auflösen und durchwandern, weiter müssen sie in Blutgefässe/Lymphgefässe eindringen (also durch die Gefässwand hindurch). Wenn sie von Blut/Lymphe abtransportiert werden, bleiben sie nicht einfach irgendwo hängen und wachsen dort weiter, sondern es braucht auch da nochmals eine ganze Palette an Fähigkeiten. Zuerst müssen sie an die Gefässwand andocken und sich quasi festklammern, dann durch die Gefässwand durchwandern, weiter durchs Gewebe wandern, bis sie an einen Platz kommen, wo Wachstum überhaupt möglich ist. Während der ganzen "Reise" müssen sie sich vor dem Immunsystem verstecken um nicht abgetötet zu werden.
Also es braucht grundsätzlich einiges, bis Metastasen entstehen können und so denke ich, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Biopsie Metastasen auslösen kann. Selbst wenn dabei Zellen mobilisiert werden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die in die Blutbahn gelangen und dann sämtliche Fähigkeiten haben, die sie benötigen, um zu einer Metastase zu werden. Und wenn die Zellen effektiv schon all diese Fähigkeiten besitzen, hat der Tumor vermutlich eh schon vorher gestreut.

Wenn im staging nichts gefunden wird, heisst das leider nicht, dass keine Metastasen vorhanden sind. Metastasen können mit CT, Szinti etc erst ab einer gewissen Grösse (je nach Verfahren ca ab 5mm) detektiert werden und so ist es leider auch bei einem guten staging Befund nicht ausgeschlossen, dass schon viele kleine Metastasen vorhanden sind...

Alles Gute!
Liebe Grüsse
Nati