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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit


Kerejon
25.09.2013, 23:57
Hey Ronny et al,

Ich hatte in einem anderen Thread einen netten Satz gelesen: ich habe Krebs aber ich bin nich der Krebs".

Die Gedankenwelt wird sich für Betroffene zwangsläufig ändern, und zwar in einem für Außenstehende schwer zu begreifenden Ausmaß.

Als Beispiel: ich nehme jetzt nach meinem Rezidiv ( Metastase?? Who Knows? ) wieder mein "geliebtes" Pflanzenschutzmittel DDT, pharmakologisch auch gerne Mitotane genannt, ein. Anscheinend scheint meine Leber es diesmal besser zu verdauen. Aber genau so ist das Gefühl. Du schüttest Dir dieses Gift rein und schickst jedesmal einen Schauer Hoffnung hinterher. Denn sind wir mal ehrlich, viele von uns würden den puren Schwefel inhalieren, wenns denn hilft ;-)

Und genau das heißt, die Erkrankung anzunehmen und ihr den Krieg zu erklären.

Das familiäre Umfeld oder Freunde, bzw. Kollegen können lediglich unterstützen, aber kämpfen tut man alleine nur für sich. Und dies beinhaltet eben auch die persönliche Annahme der Erkrankung.

Liebe Grüße

Kerejon

Mathias974
26.09.2013, 10:17
Was ich auch schlimm finde ist folgendes. Man hat zwar Krebs aber für mich steht fest das ich kämpfe, dazu gehört aber auch das ich weiterhin Tageslicht tauglich aussehe. Immer wieder dann die Sprüche wie "Du siehst doch so gut aus, so schlecht kann es dir ja nicht gehen", ja soll ich nun wie der letzte Penner rausgehen, nur um zu unterstreichen wie schlecht es mir geht.

evelyn-wieda
26.09.2013, 10:18
Ein herzliches Hallo in die Runde,

„trotz oder gerade wegen meiner Diagnose Krebs mit Metas liebe ich das Leben und das Leben liebt mich, denn das Leben ist viel zu schön und will gelebt werden – jeder Augenblick zählt, denn ich bin viel mehr als „K“, ICH BIN!“

Und nun, ich für meinen Teil kämpfe nicht, habe nie gekämpft und will nicht kämpfen, sondern ich habe mich angenommen, lerne mich immer besser kennen und öffne nach und nach viele Fenster in mir, so dass Licht und Liebe in mich fließen kann. Das ist mein Weg des Annehmens, des Lebens.

Ja, es stimmt Kerejon, viele würde alles tun, um zu leben, zu überleben ganz nach dem Motto: Nichts muss sein, Alles kann sein – ich probiere und probierte auch verschiedene Dinge aus und habe gelernt, dass ich immer mehr auf meinem Körper höre, er sagt mir einfach, was gut ist und was gar nicht geht. Somit habe ich ein anderes, achtsames Körperempfinden entwickelt und das ist doch schon mal was.

Deine Meinung über das familiäre Umfeld, Freunde etc. kann ich nicht ganz unterstützen. Für mich ist es einfach ganz wichtig, ein harmonisches Umfeld, verständnisvolle Ärzte, gute Freunde und liebevolle Familie zu haben. Es ist für mich einfach auch Therapie, Hilfe, Kraft, Motivation und Lebensfreude und all das brauche ich einfach für die Heilung, für das heil sein, dass im Kopf anfängt und sich durch den ganzen Körper zieht – es sind deren Hände, die mich tragen und halten. Genau dadurch bin ich nicht alleine und die Last „K“ kann auf viele Schultern verteilt werden, so dass wir alle trotzdem oder gerade deshalb aufrecht gehen können.

Somit wünsche ich allen zufriedene Augenblicke, viele Hände und ganz viel Licht.

Alles Gute
Evelyn

Chilipeperli
26.09.2013, 22:01
Hallo zusammen

Das ist ein interessantes Gesprächsthema.

Früher habe ich ausnahmslos immer von "Krebs bekämpfen" und "Krebs besiegen" gesprochen. Heute sehe ich es anders. Obwohl die bei mir eingesetzten Therapien, den Tumor verschwinden liessen.
Was heissen diese Wörter: kämpfen und siegen im Bezug auf den Krebs schon? Ich denke, bei Betroffenen kann man von Kämpfen und Siegen sprechen, wenn man die Krankheit als Teil von sich selbst akzeptieren lernt. Denn ob man jetzt will oder nicht, der Krebs ist da und ändern kann man die Situation nicht. Höchstens die Einstellung und das Gedankengut gegenüber dem eigenen Schicksal.
Anders ist es bei einer psychischen Krankheit, bei der man selbst in den Genesungsprozess einsteigen kann. Bei der man aktiv z.B. etwas gegen die Depression tun kann.
Um Tumorzellen verschwinden zu lassen, reicht es nicht, dass man z.B. immer wieder nach draussen geht. Vielleicht hilft es der Psyche, aber dass dadurch bösartige Zellen verschwinden, das mag ich zu bezweifeln.
Ich denke, dass es für Betroffene wie Angehörige eine grosse Schwierigkeit darstellt, die Situation so zu nehmen wie sie ist und das Beste daraus zu machen.
Meine Erfahrung im Umgang mit meiner bösartigen Erkrankung hat mir gezeigt, dass mein Umfeld besser mit meinem Schicksal umgehen konnte und mir eine Stütze war, wenn ich mit einer positiven Einstellung der Krankheit gegenüberstehe. Da gab es für mich am Anfang eine grosse Hürde zu überschreiten. Ich mag mich noch an die Situation erinnern als mein Operateur einen Tag nach erfolgtem operativen Eingriff vor meinem Bett stand, weinte und sagte: "Es tut mir so leid für Sie, Sie sind noch soooo jung". Darauf habe ich geantwortet:"Ich habe bereits soooo viele schlimme Sachen in meinem kurzen Leben erlebt. JETZT nehmen wir auch den Krebs". Mein Doc war sichtlich erstaunt ab meiner Reaktion und meinte in erster Linie zögerlich:"Ja? Ja?" dann sichtlich überzeugt:"Und ich werde sie dabei unterstützen." Und das hat er dann auch getan. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Denn, nicht immer war ich stark. Aber Schwäche und Ohnmacht meinem "gesunden" Umfeld zu zeigen war Gift. Wenn ich Trauer zeigte, dann bekam ich Mitleid. Mitleid wollte ich nicht. Ich brauchte das Gegenteil. Aber ich brauchte auch einen Ort, an dem ich meine üblen Gedanken und Gefühle rauslassen konnte und wusste aufgefangen zu werden. Bei meinem Operateur hatte ich diesen Ort und das Angebot. Ich nutzte es. Es hat mir sehr geholfen.
Dieser Ort, der Geborgenheit und mein Operateur der der Krankheit mit der nötigen Distanz begegnet ist, hat mir im übertragenen Sinn, die Möglichkeit gegeben: "die Bösewichter zu einem Kaffee einzuladen und mit ihnen über die Notwendigkeit von ihrem da- oder nichtdasein zu diskutieren".

Ich wünsche jedem Betroffenen, einen Ort an dem er sich genug sicher fühlt, auch einmal schwach zu sein, schwierige Gefühle und Gedanken ohne Scham und Hemmung zum Ausdruck bringen kann und danach gestärkt seinen Weg weiter gehen kann.

Liebe Grüsse
Chili

Ilse Racek
27.09.2013, 07:15
@all :winke:


eine Userin, die leider nicht mehr unter uns weilt hat mal geschrieben, dass sie das Wort kämpfen nicht mag. Ich habe das damals auch so empfunden und war erleichtert, dass Jemand das sozusagen direkt ausspricht.

Es ist wahrscheinlich nicht relevant, wie man sein eigenes Verhalten bei Diagnose und Therapie bezeichnet, aber es hat m.E. absolut was, sich nicht als Kämpferin zu sehen, die nur gewinnen oder verlieren kann.

Gleichwohl müssen ja alle Betroffenen ihre eigene Angst und ihr eigenes Umgehen mit dem Schicksal verkraften.....im glücklichsten Fall mit klasse Freunden, Angehörigen und natürlich nicht zuletzt tüchtigen und verständnisvollen Ärzten.


Durchhalten, Mut und Hoffnung - wie es im Titel dieses Thread formuliert wird - entwickelt man leichter mit Anderen zusammen...... aber das wissen ja Alle, die hier lesen :knuddel:

Liebe Grüße

chrissi1969
27.09.2013, 09:37
Hallo zusammen ,
ich bin auch nicht fuers kaempfen - sondern ich will LEBEN mit oder trotz? meiner krankheit .Ih freu mich ueber jeden Tag den ich erleben darf ob Regen oder Sonnenschein . Wenn ich die Regentropfen auf meiner Haut spuere denke ich jetzt wie wunderbar es doch ist das zu fuehlen . Das hoert sich vielleicht komisch an , aber erst jetzt kann ich das Leben wirklich geniessen ,kann mich an Kleinigkeiten erfreuen . Weil ich jetzt den Wert eines gesunden Lebens kenne .
Keiner weiss wieviel Zeit einem bleibt - aber ich werde meine restliche Zeit (wie viel oder wenig das auch ist ) auf jeden Fall -leben -Tag fuer Tag aufs neue .

Herzliche Gruesse
Christina :rotier::winke:

J.F.
27.09.2013, 09:49
Hallo zusammen,

ich denke man sollte differenzieren. In der Zeit der Diagnosefindung und insbesondere während der Therapien kämpft man sich schon durch diese Zeit. Man hat mit der Diagnose, mit den Operationen, mit den Therapien, mit den Operationsauswirkungen, mit Nebenwirkungen aller Art, mit dem Umfeld usw usw genug zu tun. Es ähnelt einem Kampf. David gegen Goliath. Und dann kommt die Zeit nach den Therapien. Hier "lernt" man das Dulden, das Annehmen, das Durchatmen nach den Strapazen. Dann hat man auch "den Kopp" den Sonnenschein, die Tasse Kaffee oder Tee zu geniessen. Davor doch wohl weniger ;). Da ist der Kopf nicht frei, da kreist mehr oder minder - je nach Gusto - das Kopfkino.

Wangi
27.09.2013, 09:57
Sorry, aber das sehe ich komplett anders.

Ich habe gegen den Krebs gekämpft und zwar sehr, ich wollte leben und das ging nur mit kämpfen. Ich habe MIT der Chemo und MIT der Bestrahlung und MIT meinem Körper gegen den Krebs gekämpft, denn auch meine Liebsten konnten mir in der Phase nicht wirklich helfen, da musste ich alleine durch. Sie konnte mir Mut und Durchhalten zusprechen, Schmerzen, Ko..anfälle, Hustenanfälle, Durchfallanfälle usw. musste ICH ertragen.
Deshalb bin ich auch stolz auf mich dass ich das geschafft habe.
Ich will die Hilfe der Angehörigen aber nicht schmälern, ich habe keinen Partner und meine Kinder waren zu der Zeit im Ausland, deshalb weiß ich nicht ob es anders gewesen wäre wenn sie dabei gewesen wären. Ich hatte aber HIlfe von Schwester und Schwager, nur waren die oft selber hilflos. Sehr geholfen haben mir die Schwestern und Pfleger im Kh, wenn es ihre knapp bemessene Zeit zugelassen hat.
Hier wurde öfter geschrieben Ich höre auf meinen Körper und lebe intensiver.
Also wenn ich während der Chemo auf meinen Körper gehört hätte wäre ich nicht mehr hier, denn der hat sich heftigst gegen das Gift das da in ihn rein geschüttet wurde gewehrt und wollte das auch wieder los werden, was er mir auch gezeigt hat. Nur da mußte er durch, um das was ihn kaputt gemacht hätte loszuwerden.
Intensiver lebe ich jetzt auch. Geniesse Sachen die vorher selbstverständlich waren und nehme Manches nicht mehr so wichtig.

Gruß Wangi

@J. F.

Sehe jetzt erst beim Abschicken meines Beitrages dein Statement und sehe das genauso. Geht das "Bekämpfen" des Krebs denn ohne Kämpfen? Ich glaube nicht

L. G. Wangi

HelmutL
27.09.2013, 15:03
Guten Morgen,

"Ich kämpfe nicht, ich lebe!" Das ist die Aussage. Genau wie J.F. und Wangi sehe ich das differenzierter, das ist mir persönlich ein bisschen zu flach.

Bereits das Ausrufezeichen in dieser Aussage bedeutet Kampf und zwar mit sich selber. Nämlich bereits zu Beginn in der Depression nach der Erstdiagnose zu sagen: "Das ist nicht das Aus. Ich kann was tun gegen den Tot durch Krebs. Ich stelle mich der Herausforderung." Was keineswegs selbstverständlich ist. Man darf nicht nur von der Klientel hier im Forum ausgehen. Die will ja in der Regel was tun, sonst wäre sie nicht hier bzw. sie sucht sich hier die Hilfe, die sie braucht, um sich eben der Herausforderung erst mal stellen zu können. Ich denke, dass hauptsächlich außerhalb der bekannte Vogel Strauss immer wieder muntere Einkehr feiert. Davon kann man hier nichts lesen. Wobei er auch bei uns nicht selten zu Gast ist.

Ich denke, ich weiß welche Userin Ilse meint. Diese Userin benutzte jedoch auch folgenden Satz: "Siehst du den Wasserfall in ihren Augen?" Dieser Wasserfall bedeutet Angst und/oder Verzweiflung. Diesen Wasserfall zu überwinden, das heißt die Angst als aufmerksamen Partner, der vor Gefahren warnt, zu verstehen oder die abgrundtiefe Verzweiflung zu überstehen um sich der Gefahr überhaupt erst sinnvoll stellen zu können, bedeutet schwersten Kampf mit sich selbst. Das nicht nur bei der Erstdiagnose, sondern immer wieder. Sei es, wenn der erste Tropfen der x-ten Chemo in die Ader läuft, vor der OP, bei einem Rezidiv oder auch nur vor der Kontrolluntersuchung. Ich weiß, dass bewusste Userin das Leben liebte und in vollen Zügen genoss. Ich weiß jedoch auch, dass sie keineswegs frei war von Angst und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in ihrer letzten Zeit mit allem, was ihr greifbar war und sinnvoll erschien, gegen ihren Krebs kämpfte. Leider war für sie der Wille alleine nicht entscheidend.

Kämpfen heißt für mich: leben wollen. Das muss man zuerst mal erreichen, bevor man leben kann. Etwas wollen heißt: man hat ein Ziel. Im Jetzt muss man die Weichen erst mal stellen (können), um es vielleicht irgendwann zu erreichen. Diesen Willen muss man sich, gegen sich selbst, erkämpfen und ganz sicher auch immer wieder auffrischen. Vielleicht wird es mit der Zeit weniger kräftezehrend. Schön, wenn man ihn irgendwann verinnerlicht hat und nicht mehr daran zu denken braucht.

Die Aussage: "Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs" ist falsch. Er tut es sehr wohl. Für immer. Die Unschuld in Bezug auf Krebs ist dahin. Er ist die Ursache für das Leben nach der Diagnose und was immer er auch ausgelöst hat und weiterhin auslöst. Er ist die Ursache für die Aussage vieler: "Ich lebe jeden Tag. Bewusst. Besser. Anders als früher". Hut ab vor den Betroffenen, die sich bis dahin gegen alle Widrigkeiten hindurch gekämpft haben. Diese Aussage ist absolut OK, denn sie kann und soll Mut machen, soll zeigen, dass man es schaffen kann und ist für den Betreffenden richtig. Für andere gibt sie ein Ziel vor. Nur, jeder muss für sich selbst und letztendlich alleine (wenn auch, je nach dem, mit Unterstützung des Umfeldes) den Weg dahin schaffen. Das heißt jedoch nicht, der Krebs wäre dann aus dem Gedächtnis gestrichen.

Krebs zu haben heißt für mich Kampf. Sei es ins Leben oder in den Tod. Man ist sich selbst dabei Rüstung und nicht zu unterschätzende Waffe. Weitere Waffen heißen Chemo, OP, Bestrahlung und was es alles an komplementären und sonstigen Dingen gibt. Man muss begreifen, dass es scharfe Waffen, stumpfe und eigengefährliche gibt. Die Rüstung, der Lebenswille, die Kraft von Kopf, Bauch und Körper wird mit jedem Tag, den man wieder leben kann, stärker und stabiler. Ein schwerer Weg bis dahin. Wenn man die Chance dazu überhaupt hat.

Es mir geht nicht darum, bewusste Beiträge zu verneinen. Ich gehe ebenso keineswegs davon aus, dass es leicht war, zu dieser Einstellung zu kommen, doch manche Beiträge können diesen Eindruck erwecken. Es geht vielmehr darum, die Krankheit und ihre Begleiterscheinungen bewusst zu erleben, zu akzeptieren, dass sie da ist, das persönlich Bestmögliche daraus zu machen. Es geht darum, anderen mögliche Ziele zu zeigen und zu helfen, Ängste an zu nehmen, und den jeweils persönlichen, gangbaren Weg zu finden. Es geht darum, einem krebskranken Menschen zu helfen, zunächst ein starker krebskranker Mensch zu werden, der selbstbewusst und eigenverantwortlich seinen Weg geht. Hoffnung ist dabei ein starkes Wort.

Einen mit dem Ziel: "Ich lebe."


Das ist meine persönliche Meinung.


Liebe Grüße,

Helmut

Chilipeperli
27.09.2013, 22:54
Guten Abend,

Diese Diskussion regt zum Nachdenken an.

Das Wort: "Kämpfen" im Bezug auf die Krebserkrankung kann sicher verschieden angeschaut werden.

Die Krebserkrankung ist eine ganzheitliche Erkrankung. Sie betrifft sowohl Körper, Seele wie auch der Geist.
Für mich persönlich bedeutet: Kampf, etwas aktiv gegen die wild wuchernden Zellen im Körper zu tun. Doch ein(e) Erkrankter kann in dieser Hinsicht nichts tun ausser die von aussen zugeführten Therapien über sich ergehen lassen. Diese Therapien mögen hart und keinesfalls lustig sein. Doch bei diesen Therapien stehen wir nicht auf und nehmen das Schwert in die Hand. Wir befolgen lediglich den Rat des Fachpersonals, lassen die Chemo in uns laufen, liegen auf dem Bestrahlungs- od. Op Tisch und ertragen! Das empfinde ich als passiv auch wenn diese Therapien oftmals mühsam, eklig, schmerzvoll, unangenehm, etc. sind.
In seelischer und geistiger Hinsicht kann man meiner Meinung nach gut von Kampf sprechen. In meinem Blog (leider schon lange nicht mehr geschrieben) verwende ich dieses Wort: "Kämpfen" auch. Ich verwende auch das Wort: "Sieg" im Bezug auf die Krebserkrankung und ich meine damit genau das: seelischer und geistiger Kampf.
Ich finde Helmut hat sehr schön beschrieben, was dieser Kampf ist.

"Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs." Das Leben nach einer Krebsdiagnose verändert einfach alles und egal ob die Krebserkrankung nun überwunden ist oder noch vorhanden ist. Verändert wird das Leben in vielen negativen ABER auch in vielen positiven Hinsichten.

Mit meinem letzten Abschnitt merke ich, dass sich der Kreis schliesst und ich wieder beim Wort: "Kampf" angelangt bin. Ja, ich glaube man kann in jeder Hinsicht von Kämpfen sprechen.

Und somit wünsche ich Euch allen eine gute Rüstung um möglichst wenig Wunden in unserem Kampf davonzutragen.

Liebe Grüsse
Chili

Ilse Racek
28.09.2013, 08:17
@all :winke:


wenn ich mir so die Beiträge der letzten Tage alle so in Ruhe durchlese stelle ich fest, dass sozusagen Alle irgendwie Recht haben :rolleyes:

Beispielsweise nutze auch ich öfter mal fast unmerklich das Wort KÄMPFEN in Situationen, die noch nicht mal so dramatisch wie Krebs sind....... beispielsweise werde ich heute vormittag mit etwas Fahrradfahren gegen die Arthrose kämpfen und morgen ist Schwimmen dran :grin:

Ich wünsche Euch einen guten beschwerdefreien Spätsommertag :)

mit herzlichen Grüßen.....nicht zuletzt an den selten hier postenden Helmut ;)


:winke:

HelmutL
28.09.2013, 13:57
Hi Ilse, hi chili & @all,

ich möchte kein Haarspalter sein (ok, manchmal bin ich es schon ;)). Man kann das Thema durchaus so sehen, wie einige es tun.

Normalerweise versuche ich zunächst die Situation so realistisch wie möglich einzuschätzen. Siehe oben. Natürlich ist das immer auch persönlich gefärbt. Jeder Mensch denkt anders, hat ein anderes Umfeld und eine andere Vorgeschichte. Selbst eine sogenannte 'realistische Einschätzung' ist immer auch eine persönliche und muss vielleicht irgendwann mal revidiert werden.

Ich baue mir damit ein Fundament, auf die ich meine weiterführenden Gedanken und Entscheidungen aufsetze. Spätestens da kommen dann Emotionen wie Wut, Angst, Verzweiflung, Glaube und Hoffnung ins Spiel und auch manchmal gedankliche Klimmzüge, welche ein anderer vielleicht nicht so einfach nachvollziehen kann. Die Bedeutung und Inhalte einzelner Wörter ist nicht nur dabei unter Umständen von Mensch zu Mensch und im Kontext gesehen verschieden. Was zu großen Missverständnissen führen kann.

Ich sehe durchaus einen Sinn darin, das Wort 'kämpfen' nicht zu mögen. Kein Problem, es wird durch ein anderes ersetzt oder umschrieben. Z.B. durch "Ich will leben!" oder "Ich bestimme, nicht der Krebs!". oder wesentlich subtiler "Ich lebe!". Kämpfen, das riecht nach Blut, Schweiss und Tränen, ist also eher negativ besetzt. Nicht besonders gut in dem Moment. Nagtives hat man bereits genug oder davon irgendwann die Nase voll. Die Umschreibungen jedoch bauen auf, sie haben einen positiven Charakter und zeigen deutlich den Weg nach vorne. Für sich selbst und für andere. Gerade bei dieser Erkrankung sehr wichtig. Obwohl, sowohl das Wort als auch die Umschreiben haben für uns hier prinzipiell die gleiche Bedeutung: leben und/oder überleben.

So gesehen gebe ich den Menschen recht, die das Wort 'kämpfen' nicht mögen oder gar aus ihrem Wortschatz gestrichen haben und ehrlich gesagt: ich mag es auch nicht besonders. ;) Ich hoffe, ihr habt mich verstanden.

In einem muss ich dir widersprechen, Chili: kein Patient muss wie entmündigt irgendetwas über sich ergehen lassen. Man sollte durchaus selbstbestimmt mit den Ärzten zusammenarbeiten. Meine Frau hatte damals in der Regel sehr genau gewusst, was sie will und was sie nicht will. Ich kann mich an so manche Diskussion mit den Ärzten erinnern und manchmal setzte sie einfach einen Punkt. Viele machen das genau so und sie haben recht. Wie mir ihr Onkologe hinterher sagte, sei es ihm genau aus diesem Grund sehr schwer gefallen, die beiderseitig meist nötige menschliche Distanz zu wahren und letztendlich sei es ihm auch nicht wirklich gelungen.


In diesem Sinne auf das Leben,

Helmut

Ilse Racek
28.09.2013, 14:23
@Helmut :winke:

Du bist kein Haarspalter und mir hat besonders Dein letzter Absatz gefallen :winke:

J.F.
28.09.2013, 15:24
Hallo zusammen :knuddel:

Helmut, ich würde bei dem Wort "Kampf" ebenfalls differenzieren wollen. Es kommt auf die Assoziationen an, die sich im Kopf des Jeweiligen im jeweiligen Moment aufbauen. Wer Kampf mit Krieg kombiniert, wird natürlich dies ablehnen. Aber das wäre zu einfach gemacht.

Wer aber Kampf auch mit den täglichen (unangenehmen) Entscheidungen und Weggabelungen, an denen man doch des öfteren steht, verbindet sieht es dann mit anderen Wertmaßen. Das Leben beginnt mit einem Kampf ;). Die Geburt, das Duchquälen durch den Geburtskanal ist der erste Akt im Leben eines Jeden. Also nicht mal auf der Welt und der Kampf beginnt :). Manch eine(r) musste mit Hilfe anderer auf die Welt geholt werden. Dann das laufende Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Manch Entscheidung wurde nach einem langen Kampf mit sich selber oder mit anderen getroffen. Da ist auch kein Blut geflossen (hoffentlich), aber nicht umsonst heißt es "nicht aus der Haut können", "Dir ist was auf den Magen geschlagen", "ist Dir was an die Niere gegangen", "Du beißt Dich durchs Leben" etc pp. Der Kampf wurde ggf mit Ignorieren aus dem Weg gegangen. Aber viele kennen es, dann kommt die nächste Lektion um so heftiger. Bis man sich dem Kampf stellt. Es muss nicht immer gleich Krebs sein. Es können auch "banale" Dinge sein. Und es müssen nicht immer gleich die Waffen ausgepackt werden. Für manch Erkrankte ist schon das morgendliche Aufstehen zu einem Kampf mit sich selber geworden, zB beim burnout oder Fatigue.

Und da wäre ich beim Posting von Chili :). Nein, man duldet nicht was die Ärzte einem als Therapie auf den Weg mitgeben, man nimmt sie aktiv an. Klar ab und an hat man das Gefühl mit dem Rücken an der Wand zu stehen. Der Kampf mit sich: Ja oder nein zur Therapie und seinen Nebenwirkungen. Man entscheidet sich für die Therapie, nimmt den Kampf auf. Gegen die Krankheit, gegen die Widrigkeiten, die sich in den Weg stellen. Ich mag zB keine Boxkämpfe, für mich ist das Brutalität, die in meinen Augen kein Sport ist. Aber das ist rein meine Meinung, ich akzeptiere es, dass andere dies anders sehen. Im Kampf gegen den Krebs habe ich meine Rolle im Ring gesehen (das zum Thema Assoziation). Und bisher sind die Runden an mich gegangen, auch wenn ich sehr angeschlagen bin. Und mich manchmal fühle als würde man mich auszählen. Aber ich stehe wieder auf. Und mache weiter. Und geniesse in den Zwischenzeiten das Leben, denn dies habe ich mir schwer erarbeitet.

Auch Angehörige von Erkrankten, die auf dem letzten Weg sind, kämpfen um die vermeintlich richtige Entscheidung, um allen den Abschied zu erleichtern. Auch für sie ist es nicht einfach heraus zu finden was sowohl für sie als auch für den Sterbenden der Weg ist, damit alle ihren jeweiligen weiteren Weg beschreiten können. Da wären wir dann beim Ende eines Menschenlebens. Der Kreis schliesst sich.

In diesem Sinne hoffe ich, dass alle das heutige supertolle Wetter geniessen und für sich für ein paar Minuten, Stunden innehalten und friedlich verschnaufen können. Denn auch die Natur mit ihren Herbstfarben und den beginnenden morgendlichen Frösten ist das langsame Zurückfahren der Ressourcen, um den Winter trotzen zu können.

Chilipeperli
28.09.2013, 19:52
Lieber Helmut, lieber JF

Nein, man duldet nicht was die Ärzte einem als Therapie auf den Weg mitgeben, man nimmt sie aktiv an.
Da bin ich gleicher Meinung.

Aber während dessen man auf dem Op-Tisch liegt, unter dem Bestrahlungsgerät liegt oder an der Chemo hängt, schenkt man sein Vertrauen den Ärzten, der Technik und der Chemie. Der aktive Entscheid hat man vorher getan. Wenn die Chemo in die Vene läuft, das Bestrahlungsgerät in Gang gesetzt ist, die Narkose gespritzt ist, dann übergibt man sich in Verantwortung Fremder. Klar, die Folgen der Nebenwirkungen dieser Therapien muss der eigene Körper tragen und erdulden und dann ist man wieder in den Kampf eingestiegen.

Und ja, da bin ich durchaus gleicher Meinung Helmut, jeder sollte selbstbestimmt mit den Ärzten zusammenarbeiten. Man sollte für sich entscheiden können, was für einen gut ist und was nicht. Das ist doch des Menschens gutes Recht, wenn er handlungsfähig ist.
Leider kommt es immer wieder vor, dass über den Patienten hinweg entschieden wird. Doch da sind wir bei einem anderen Thema.

Ich hoffe, ich konnte mich gut genug ausdrücken, sodass man nachvollziehen kann, was ich mit passivem Kampf meine!

Einen ruhigen Abend wünsche ich Euch
Chili

HelmutL
28.09.2013, 22:53
Liebe Chili,
Ich hoffe, ich konnte mich gut genug ausdrücken, sodass man nachvollziehen kann, was ich mit passivem Kampf meine!
jou, hast du. Das war ein kleines Misverständnis meinerseits. So schnell geht das. Sorry.

Es ist schon interessant, wieviele Ansichten, Deutungen und Meinungen es zu dem kleinen Wörtchen 'kämpfen' gibt. Trotz eigentlich doch allgemeiner inhaltlicher Übereinstimmung.


Allseits eine gute Nacht,

Helmut

Ilse Racek
29.09.2013, 08:15
:winke:


......und allseits nun einen guten Spätsommersonntag.....

dieser Tag ist für mich gut gestartet.... die alten Knochen zwicken zwar, aber die SchwimmBadTasche ist schon gepackt :grin:

.... und .... nicht zu glauben, in unserem vom Dorf zur Stadt ernannten kleinen Ort springen heute früh schon die rostroten Eichhörnchen furchtlos direkt vor der Haustür herum :)

:winke:

Chilipeperli
29.09.2013, 12:13
Liebe Chili,

jou, hast du. Das war ein kleines Misverständnis meinerseits. So schnell geht das. Sorry.

Da bin ich aber froh:tongue. Missverständnisse gibt es. Aber immer wieder ist es gut, dass man darüber diskutieren kann.

Wünsch Euch allen einen wunderschönen Sonntag
Chili

Volker.M
29.09.2013, 14:07
Erst ein mal ein Hallo in die Runde. Als "Neuer" habe ich diese Diskussion gefunden, habe lange überlegt ob ich mich dazu äußern sollte und mich entschlossen es doch zu tun:
Diese Diskussion regt zum Nachdenken an.

Das Wort: "Kämpfen" im Bezug auf die Krebserkrankung kann sicher verschieden angeschaut werden.
Ich kann viele meiner eigenen Gedanken in deiner Beschreibung wiederfinden und habe versucht es mit meinen eigenen Erfahrungen abzugleichen. Als mir vor nunmehr 12 Monaten die Diagnose "inoperabler Lungentumor" eröffnet wurde (hier eine kurze Zusammenfassung (http://www.krebs-kompass.org/showpost.php?p=1216142&postcount=622)), habe ich ohne Kenntnis der möglichen Therapien innerlich meine Koffer bepackt und ging nicht mehr davon aus, das Ende des letzten Jahres zu erleben.
Nachdem ich dann in die Therapie im Krankenhaus übernommen wurde konnte ich erleben, wie trotz jeder negativen Prognose immer noch eine kleine gute Seite daran zu finden war, die mir Hoffnung auf ein paar weitere Tage/Wochen gab. Wenn ich da aber so im Nachherein betrachte, dann war das nie ein Kampf ums Überleben - eher die Erkenntnis, dass es irgendwie weiterging.

Mein Fazit daraus: Ich habe gelernt mit der Krankheit zu leben, hoffe (weiterhin) auf positive Entwicklungen und versuche mich selbst durch durch zwei unterschiedliche Kontrollinstanzen (1x Kankenhaus mit der Therapie, 1x Radiologie mit unabhängigen CT´s) immer auf einem aktuellen Stand meiner Krankheit zu halten.

Ansonsten bemühe ich mich den Rest meiner Zeit so intensiv wie möglich zu (er)leben.

Volker

evelyn-wieda
29.09.2013, 16:30
Ein harzliches Hallo in die Runde,

und was für eine interessante Diskussion um so ein kleines Wörtchen, die mich zum Nachdenken inspiriert hat. Danke für all die Denkanstöße und Meinungen.

Wie so schön treffend Helmut schreibt: Es ist schon interessant, wie viele Ansichten, Deutungen und Meinungen es zu dem kleinen Wörtchen 'kämpfen' gibt. Trotz eigentlich doch allgemeiner inhaltlicher Übereinstimmung.

Aber nach wie vor mag ich dieses Wort nicht für mich benutzen. Assoziiere ich es doch mit Schlacht, Krieg, Gemetzel und das stelle ich mir dann in meinem Körper vor.
Geht gar nicht.
Ich stelle mir viel lieber vor, wie sich bestimmte Zellen auflösen, wie sie schrumpfen und verschwinden, wie sich mein Körper selbst hilft und mein Immunsystem stark, kraftvoll und liebevoll mit Hilfe von Medikamenten, Therapien, Meditationen, Tees usw. reagiert.

Ebenso nenne ich z. B. das morgendlich manchmal mühselige Aufstehen nicht Kampf, sondern einfach Überwindung, wie ich auch nicht die schlimmen Nebenwirkungen von Chemotherapie oder Operationen mit kämpfen interpretiere, sondern ich ertrage diese und nehme sie an, ganz nach dem Motto: das schaffe ich, dass schafft mein Körper.

So ist gerade das Annehmen für mich ganz wichtig und bedeutet für mich: leben.
Doch diese Überzeugung war nicht einfach da, nein, es ist ein Entwicklungsprozess, ein Weg, den ich beschreite. Bevor ich Annehmen konnte, durchlebte ich Zweifel und Wut, Traurigkeit und Hilflosigkeit, Schmerz und Erdulden, Suchen und Lernen. Am Anfang, als ich die Diagnose bekam, war ich einfach hilflos und ohnmächtig, irgendwann reagierte und funktionierte ich und schließlich begann ich die Situation anzunehmen, mich mit ihr bewusst auseinander zu setzen und ich fing an selbst zu agieren. Heute sind für mich z. B. meine behandelnden Ärzte, Therapeuten usw. gleichberechtigte Partner, mit denen ich gemeinsam überlege, diskutiere und die nächsten Schritte auslote. Genau deshalb informiere ich mich und bin offen für verschiedene Therapieansätze und bei all dem ist mir wichtig, dass ICH letztendlich bestimme, was, wie, wo, wann geschieht.

In der Diskussion ist mir aufgefallen, dass gesagt wird: Man setzt seine Kräfte, seinen “Kampf“ gegen den Krebs ein.
Ich jedoch setze meine Kräfte, mein Handeln für die Gesundheit, das Leben ein.

Und aus diesem Grund ist für mich die Aussage nicht zutreffend: „Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs“ ist falsch.“

Natürlich bestimme ich mein Leben bewusst, weil ich stets die Wahl habe und Entscheidungen treffen kann oder auch nicht. Ich ordne mich nicht meiner Erkrankung unter, sondern ich ordne diese meinem Leben unter. Das ist für mich ein wesentlicher Unterschied. Denn ich entscheide, wann ich welche Termine wahrnehme, welche Medikamente ich einnehme oder welche zusätzlichen Therapien, Wohlfühlmaßnahmen ich in Anspruch nehme. Dabei ist mir wichtig, dass ich das, was ich tue, gerne mache. So sehe ich z. B. die „Mädels“ in meiner „Onkopraxis“ als liebe Vertraute an. Ich fahre seit 2010 alle 3 bzw. 4 Wochen dort hin und bekomme meine jeweiligen Medikamente mittels Tropf verabreicht. Es ist wie vieles Andere zu einem Teil von meinem Leben geworden, was ich positiv angenommen habe. Dazu zählt auch, dass, wenn plötzlich mal wieder mein Leberstent verstopft und ich ins Krankenhaus „darf“, es dann einfach so ist wie es ist.

Richtig ist, dass sich mein Leben durch die Diagnose total verändert hat und eventuell verändern wird, es ist auch ein wachsender Prozess für mich und für meine Angehörigen. Auch ich musste lernen, mit den Veränderungen im positiven wie negativen Sinn umzugehen. Anfangs dachte ich, ohne Arbeit geht mein Leben gar nicht. Doch es geht, gut sogar. Dann kamen die finanziellen Einschränkungen und ich dachte wieder, dass geht gar nicht. Doch es funktioniert. Schließlich musste ich mich der Angst stellen und ich dachte anfangs, sie bestimmt mein Leben. Doch es kam anders und ich bestimme über meine Angst. Ich habe einen freien Willen und kann entscheiden, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, ob ich mich von der Krankheit beherrschen lasse oder ob ich mich dem Leben zuwende.

Nun möchte ich noch kurz auf JFs „Lebenskreis“ eingehen. Interessant und gut beschrieben. Doch ist es wirklich so, dass das ganze Leben ein großer Kampf ist?
Ich habe dazu eine weniger kämpferische Meinung. Für mich ist das Leben in vielen Dingen ein ganz natürlicher Vorgang, was manchmal anstrengend, schmerzhaft, traurig, wunderschön, ängstlich … ist. Es ist das Leben und dazu gehört auch der Tod.

Chili, du hast deinen Weg wunderbar beschrieben und ich finde gerade diese Aussage einfach schön und möchte mich ihr gerne anschließen: „Ich wünsche jedem Betroffenen einen Ort an dem er sich genug sicher fühlt, auch einmal schwach zu sein, schwierige Gefühle und Gedanken ohne Scham und Hemmung zum Ausdruck bringen kann und danach gestärkt seinen Weg weiter gehen kann.“

Volker, dir ein herzliches Willkommen hier im Forum und du beschreibst es treffend: „Wenn ich das aber so im Nachherein betrachte, dann war das nie ein Kampf ums Überleben - eher die Erkenntnis, dass es irgendwie weiterging.“

Und genau das wünsche ich allen, dass das Leben weitergeht und man gerade mit der Diagnose Krebs intensiv, bewusst und positiv lebt.

Allen noch einen wunderschönen sonnigen Herbstsonntag
Evelyn

Ilse Racek
29.09.2013, 16:51
@all :winke:


wie stark man als Betroffene/r sein Leben nach Diagnose und Therapie als selbstbestimmt bezeichnen kann, ist sicher subjektiv.

Ich bin dankbar um die Unterstützung meiner Lieben, aber auch dafür, dass ich bisher nicht jede Minute auf Hilfe angewiesen bin.


Euch Allen wünsche ich das Beste

und natürlich noch weiterhin einen schönen spätsommerlichen Sonntag

mit herzlichen Grüßen :winke:

juma68
29.09.2013, 18:31
Moin, moin...
ich komm mal auf das eigentliche Thema zurück. Nachdem bei mir fast 5 Jahre nach der ersten Brustkrebs-Behandlung jetzt Metastasen in Leber und Knochen entdeckt wurden und mich es auch eigentlich auch nervt, dass manch einer nicht weiss, wie er mit uns umgehen soll, bin ich angefangen mir T-Shirts mit Sprüchen zu machen.
Ich will damit einfach die Kommunikation anregen, mir und anderen Mut machen und natürlich auch meine positive Einstellung zeigen. Je nach Laune der passende Spruch. :-) Und ich hab den Eindruck es hilft mir und auch meinem Gegenüber.
Beispiele: "Nur mein Lächeln ist ansteckend!" oder "Charakterkopf mit Haaren auf den Zähnen!" oder auch schöne Zitate "Man muss aufwärts blicken, um die Sterne zu sehen!" Es hilft die ersten schwierigen Minuten zu überbrücken...
Ich versuch sogar gerade es ein bisschen zu vermarkten. Mehr als Hobby... :-)

Lieben Gruss
Juma

J.F.
29.09.2013, 19:37
Hallo Juma,

warum zurück zum Thema? Wir waren nie vom Thema entfernt. Auch das gehört zum Umgang mit der Erkrankung dazu.

So wie bei Dir die - Deine - kommerzielle Seite mit dem Umgang (der Erkrankung, der Metastasen, dem Umfeld). Auch hier wurde eine Entscheidung getroffen. Mal die esoterische Seite weggelassen und meine doch sehr ausgedehnte Definition herangezogen, scheinst Du den Kampf mit einer jetzt - erst - recht Herangehungsweise i.V.m. barer Münze bewältigen zu wollen ;). Auch ein Weg. Einer von vielen. Die sich auch täglich bei jedem ändern können. Man ist flexibel.

So schliesse ich mich Ilse´s Wunsch an und wünsche einen schönen Restsonntagabend.

juma68
29.09.2013, 20:29
In erster Linie (laut Titel) sollte es hier um Sprüche zum Mut machen etc. gehen. Daher mein "zurück zum Thema"... :-)

Und ich denke so ein offenes Statement, wie ich es mache, gehört dazu.

Vielleicht hätte ich mir den letzten Satz im vorherigen Post sparen sollen, denn Du, J.F., scheinst dann doch einen etwas sehr merkwürdigen Eindruck von mir bekommen zu haben. Von Geld kann ich mir nicht mehr Lebenszeit kaufen, aber es motiviert mich, wenn ich weiss, das andere stolz einen Spruch von mir tragen. Ich möchte einfach ein paar Zeichen von mir hinterlassen...

Juma

J.F.
29.09.2013, 22:45
Jepp :D, Juma,

so ist es. Es hat mich sehr befremdet. Eben weil Geld keinen Gesundheit kaufen kann. Es erleichtert manches ...

Und nur mal so, wenn man mal von diesem negativem Touch absieht, dass das Wort Kampf inne hat, dann darf man doch sagen, dass dies doch aussagt, das man sich nicht aufgibt, sondern den Mut zusammennimmt, um durchzuhalten. Und das doch Hoffnung besteht gut aus der Affäre zu kommen. Und da hätten wir doch drei Worte aus der Überschrift :)

Aber ich lasse es mal gut sein:), denn jetzt rutscht es in Klugsche...erei etc pp aus :augendreh

Ilse Racek
30.09.2013, 08:26
:winke:

Sprüche auf TShirts verkaufen - na, ja - heutzutage etwas schwierig :shy: nachdem fast Jede/r sich solche Machwerke selbst fummeln kann :augen:

Zu nicht gewerblichen Zwecken hat mein Herzallerliebster das schon oft praktiziert und es sieht recht lustig aus :grin:
Manchmal trage ich ein (mir inzwischen etwas eng gewordenes) Shirt mit dem Aufdruck "Heul doch"..... d a s kommt allerdings aus der Werkstatt meines Sohnes :grin:

Im Übrigen bin auch ich der Meinung, dass dieses Thread durchaus auf eine gewisse Weise ein Sammelbecken für Verschiedenes ist.....

.....gleichwohl ist der Titel sicher nicht so zu verstehen, dass hier Geschäftsideen publiziert werden :rolleyes:


:winke:

juma68
30.09.2013, 10:06
Neee... das wollte ich garantiert nicht! :-) Aber ich merke halt, das es hilft Hemmungen zu überwinden und man kann dezent seinem Gegenüber auch mal was sagen ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Wenn mir das als Idee so wichtig wäre, würd ich die Sprüche hier nicht posten... man könnte auch sagen "verdammt schlechte Geschäftsfrau!". :-)

Letzte Woche hat mich die Sprechstundenhilfe meines Frauenarztes total nett angesprochen und wir haben bestimmt ne viertel Stunde lang gequatscht aufgrund des Spruches auf dem T-Shirt. Sie kannte natürlich meine Krankheitsgeschichte, hat sich vorher aber nicht getraut... ...und das ist doch positiv, oder? Dein Gegenüber hat einfach einen leichteren Einstieg dich anzusprechen ohne auf eine Floskel zurückgreifen zu müssen.

Übrigens der allererste Spruch hiess: Wer nicht kämpft, hat schon verloren! Kurzfassung von Berthold Brecht.

Juma

Wangi
30.09.2013, 10:17
Ich sehe das wie Helmut und J. F. und sehe das "Kämpfen" nicht nur negativ. Im Gegenteil, was ist verkehrt für die Gesundheit und gegen den Tod zu kämpfen? Auch wenn der Tod zum Leben gehört wollte ich ihn noch nicht so früh begegnen.
Für mich würde bedeuten wenn ich nicht mehr kämpfen kann, ich habe aufgegeben oder ich sterbe. So kämpfe ich auch heute noch, mit den Nachwirkungen, mit manchem Fleischstück (:)).
Das bedeutet doch aber nicht dass ich IMMER kämpfe. Natürlich geniesse ich, sogar die meiste Zeit und finde Ruhe und spaziere durch die herbstliche Natur und freue mich.

@Juma
Ich habe aus J. F.s Kommentar nix Negatives heraus gelesen, auch nicht über deinen letzten Satz

Gruß Wangi

Chilipeperli
30.09.2013, 13:08
Ein ganz herzliches : Hallo :winke: in die Runde

Erstmal möchte ich schreiben, dass ich mich irgendwie gerade geehrt fühle. Ich werde gerade etwas verlegen:rotenase:. Aber ich nehme dankend an, was ich erhalte. Komplimente tun wahnsinnig gut.

Dann möchte ich Euch: Evelyn, Ilse, JF, Wangi, Helmut, Volker und Jumba, fragen was ihr davon haltet, wenn wir einen neuen Thread zum Thema: "Kämpfen" eröffnen! Wie es scheint, beschäftigt es uns sehr. Gerade deswegen fände ich es wichtig, wenn wir einen eigenen für vorgesehen Ort einrichten, in dem wir uns spezifisch mit diesem Thema beschäftigen könnten. So würden wir auch vom Ursprungsgedanken dieses Thread: Sprüche... für Umgang mit Krebs, Durchhalten, Mut, Hoffnung... abkommen.
Einer der Admins, würde uns vielleicht den Dienst erweisen und die bisherigen Beiträge vom Thema Kämpfen in den neuen Thread verschrieben.
Jeder der nach positiven Sprüchen zum Thema Umgang mit Krebs sucht, muss sich dann nicht durch eine Flut von längeren Texten kämpfen. Was haltet ihr davon?
Eure ehrliche Meinung ist gefragt.

Und schlussendlich, möchte ich trotzdem noch zu einigen Aussagen von äussern, auch wenn wir den vielleicht bald entstehenden Thread noch nicht haben!

Volker
„Wenn ich das aber so im Nachherein betrachte, dann war das nie ein Kampf ums Überleben - eher die Erkenntnis, dass es irgendwie weiterging.“


JA, das Leben geht immer weiter auch wenn man noch so tief am Abgrund steht. Aber manchmal kann man den Weg vor lauter Bäumen und Wald nicht mehr sehen. Ich bin überzeugt, man kann in jeder noch so misslichen Lebenslage etwas Positives finden. Doch dass man das Positive trotz Dunkelheit finden kann, braucht Training. Bei mir das auf alle Fälle ein langer Weg.

"Das Leben geht weiter" So habe ich meinen Blog: http://http://chili-fight.blogspot.ch/ genannt, in dem ich das Thema: Umgang mit einer bösartigen Erkrankung nach erfolgreich überstandenen Krebstherapie aufgreifen. Ich denke, du kannst sicher auch Sachen für dich herausnehmen obwohl du nicht in der gleichen Situation bist wie ich. Ich muss allerd. gestehen, ich habe schon lange nicht mehr geschrieben. Doch bald wird es einen neuen Eintrag geben. Das Thema Kämpfen sowie deine Äusserung, dass du dich in vielem von mir geschriebenen wiederfinden kannst. Dies ist ein Zeichen für mich, dass ein Anliegen besteht über dieses, doch nicht ganz einfache Thema: Krebs zu diskutieren. Also Lets go:D.

Evelyn,
In der Diskussion ist mir aufgefallen, dass gesagt wird: Man setzt seine Kräfte, seinen “Kampf“ gegen den Krebs ein.
Ich jedoch setze meine Kräfte, mein Handeln für die Gesundheit, das Leben ein.

Das ist mir auch aufgefallen! Fällt mir aber nicht nur in dieser Diskussion auf sond. auch immer wieder im Gespräch mit anderen Menschen.
Ich finde es schöner, wenn man sagen kann: Ich kämpfe für mein Leben, für meine Gesundheit. Denn das lässt uns Pläne schmieden und Ziele setzen! Man sieht dadurch was man noch alles erleben möchte, was sich lohnt um zu leben. Hingegen wenn man gegen den Krebs kämpft sieht man die bösen, wuchernden Zellen, die uns das Leben verderben und der Gedanke an den Tod ist näher als umgekehrt.
Verfolgen wir Betroffene, Angehörige, Ärzte, Betreuende und Freunde nicht alle dasselbe Ziel: Leben.

In dieser Hinsicht wünsche ich Euch, dass ihr vor lauter Bäumen, den Wald trotzdem seht.

Liebe Grüsse
Chili

J.F.
30.09.2013, 18:35
Hallo Chili,

wie ich bereits Juma geschrieben habe, finde ich, dass die bisherigen Postings sehr wohl hierher gehören. Und dabei bleibe ich auch. Man muss nicht immer alles negieren. Alles hat zwei Seiten. Und es gibt immer ein für und ein wider. Warum also diese Münze teilen? Wo es nichts zum Teilen gibt. In meinen Augen.

Außerdem finde ich, dass ich aus meiner Warte das geschrieben habe, was ich zu dem Thema sagen wollte, mehr wird es nicht mehr geben :). Es wurden Statements abgegeben. Was jetzt folgen würde wäre das Zerkleinern, auseinanderreden des bereits Geschriebenen, das Austreten. Aber das ist meine Meinung. Ich finde einfach, dass alle ein rundes Bild erstellt haben. Schade, wenn man es nun zerpflücken würde. Meine Meinung. :). Lesen werde ich selbstverständlich, wenn denn neue Beiträge kommen sollten.

HelmutL
01.10.2013, 02:46
@Dirk.

Danke!


"Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs."

Diese Aussage ist insofern richtig, daß man bei Diagnosestellung genau eine Wahl hat zwischen:

1. Ich mache nichts. Über die Konsequenz daraus brauchen wir nicht zu diskutieren. Sie ist glasklar.

2. Ich mache etwas. Das heißt, wie Evelin schreibt (andere ähnlich): "Ich setze meine Kräfte, mein Handeln für das Leben ein." Ich sage nicht, dass das falsch ist. Nur, wo es ein Für gibt, gibt es zwangsläufig auch ein Gegen. Man kann nicht sagen: "Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.

3. Ich überlasse es anderen, etwas zu tun. Dann muss man sehr viel Glück haben, dass es für das Leben ausgeht. Dann geht es 'irgendwie' weiter. Ohne eigenes Zutun mit zweifelhaftem Ausgang.

Frage: wer oder was stellt uns vor diese Wahl? Wer oder was zwingt uns, diese Wahl anzunehmen? Die Antwort ist wohl eindeutig. Nicht man selbst will vor eine Wahl oder Entscheidung gestellt sein, sondern der Krebs zwingt dazu. Insofern wäre es allerdings im Gegensatz wiederum richtig, dass obige Aussage falsch ist.

Welche Wahl man trifft (1,2 oder3), das ist/kann absolut selbstbestimmt sein. Ohne Zweifel. Sollte auch so sein.

Das Gleiche oder Ähnliches gilt für jede weitere einzelne Entscheidung, die im weiteren Verlauf zu treffen ist. Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.

Das alles sind grundsätzliche Überlegungen. Welche Philosophie man sich später darauf aufbaut, ist eine ganz andere Frage. Jeder muss für sich selbst den richtigen Weg finden und wer das Wort 'kämpfen' nicht mag, wird es durch sinngleiche Wörter ersetzen. Was absolut OK ist. Man kann die erste Seite der obigen Aussage favorisieren, doch, denke ich, man behält trotzdem die andere Seite im Hinterkopf.

Einem Krebskranken in der Diagnose-Depression und ganz sicher auch später in der heißen Therapiephase kann man nicht einfach so sagen: "Freue dich deines Lebens und genieße es." Ganz sicher wird er oder sie einem vor die Füße :smiley11:. Eventuell nicht nur bildlich. Da sollte man sagen: "Los! Steh auf! Kämpfe! Du willst doch leben! Es wird dir nicht immer nur schlecht gehen, es kommen auch gute Phasen. Du schaffst das, ich helfe dir dabei." Da kann man nicht um den heißen Brei reden sondern Tacheles. Ist diese Zeit überwunden, dann kann man mit ihr oder ihm darüber reden, wie man das Leben genießen kann und welchen Stellenwert der Krebs gegenüber dem Leben noch hat. Dann sollte man von Leben reden und nicht von Kämpfen. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man immer auch bedenken, wer das alles liest. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.

Hätte mir, damals als Angehörigem, in der Anfangsphase und auch noch lange danach jemand sowas wie: "Genießt das Leben! Pfeif auf den Krebs." gesagt ... ich hätte ihn oder sie ungespitzt in den Boden gerammt. Letztendlich hat es fast 6 Jahre gedauert, bis ich selber wieder mit beiden Füßen auf selbigem stand. Heute lebe und genieße ich in vollen Zügen. Anders. Vielleicht sogar besser. Ich liebe das Leben und es ist schön. So, wie es ist. Doch vergessen/verdrängen, wieso und weshalb ich heute wo bin? Nein. Das wäre Verrat an mir selbst. Nicht nur an mir selbst.

Ohne Vergangenheit sind wir ein Nichts.

Wie geschrieben: das sind meine Gedanken. Niemand muss sie verstehen. Vielleicht mal ein bisschen darüber nachdenken, dass es neben dem eigenen, wohl- und schwerverdienten Ich (da zieh ich meinen Hut vor) noch was anderes gibt. Ich wünsche jedem, dass er oder sie mit seiner/ihrer Lebensphilosophie zufrieden, vielleicht sogar glücklich, und möglichst gesund durch ein hoffentlich noch langes Leben kommt.


Liebe Grüße und eine gute Nacht,

Helmut

Tifflor
01.10.2013, 12:54
Hallo Helmut,

habe die letzte Zeit hier nur mitgelesen.

Aber Dein Beitrag, das muss ich einfach schreiben, ist Klasse.

Viel schöner und treffender kann man viele Dinge aus meiner Sicht nicht schreiben.

"Ich wünsche jedem, dass er oder sie mit seiner/ihrer Lebensphilosophie zufrieden, vielleicht sogar glücklich, und möglichst gesund durch ein hoffentlich noch langes Leben kommt."

Dem ist fast nichts hinzuzufügen.

LG
Tiff

evelyn-wieda
01.10.2013, 14:52
Einen Herbstsonnengruß in die Runde,

und was für interessante und nachdenkenswerte Meinungen. Ich bin sehr beeindruckt und sage erst einmal Dank für die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der hier diskutiert wird. Dabei hat für mich Helmut einfach trefflich, wunderbar und mit Klarheit seine Auffassung aufgeschrieben.

Jedoch kann ich nicht allem zustimmen. So möchte ich noch einmal meine persönliche Meinung äußern. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich mein Leben selbst bestimme und nicht der Krebs. Ich habe in allem, was ich tue oder auch nicht, die Wahl, welche Therapie angewendet wird … Was natürlich für mich ein Entwicklungsprozess war, wie ich ja bereits schrieb, ging er von Hilflosigkeit über Funktionieren zum Agieren. Und mal ehrlich, bei der Diagnosestellung war ich nicht wirklich in der Lage, zu entscheiden – ich stand unter Schock und fühlte mich damals fremdbestimmt. Zum Glück stand meine Familie, mein Freund hinter mir und halfen bei den damaligen Schritten.

Bei mir kam der entscheidende Wendepunkt nach der ersten Chemo, als ich nach 10 Tagen Krankenhausaufenthalt entkräftet und innerlich leer nach Hause kam und zu meinem Freund sagte: „Ich glaube, ich schaffe das nicht!“ Er hat mich nicht liebevoll getröstet, nein, er hat mit mir Tacheles geredet und sagte sinngemäß: „Nun gut, wenn du so denkst und handelst, dann wirst du es auch nicht schaffen. Doch glaube ja nicht, ich sehe mir deinen Untergang an. Ich werde gehen.“ Drehte sich um und verließ meine Wohnung. Und genau diese Worte, diese Handlung haben MICH wachgerüttelt, mich aufgerichtet und seit dem sage ich mir: ICH schaffe das, mein Körper schafft das. Ich lebe und werde leben!

Helmut schreibt: „Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.“
Stimmt. Das ist vollkommen richtig. Für mich ist es bei dieser Aussage aber wichtig, worauf ich meinen Fokus und meine Kräfte richte.
Chili hat das, finde ich, schön formuliert: "Ich kämpfe für mein Leben, für meine Gesundheit. Denn das lässt uns Pläne schmieden und Ziele setzen! Man sieht dadurch, was man noch alles erleben möchte, was sich lohnt um zu leben. Hingegen, wenn man gegen den Krebs kämpft sieht man die bösen, wuchernden Zellen, die uns das Leben verderben und der Gedanke an den Tod ist näher als umgekehrt.“

Dann schreibt Helmut wieder trefflich ausgedrückt: „Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.“

Und ich mag antworten:
Fälle ich meine Entscheidungen freiwillig?
Ja, mich zwingt kein anderer dazu, sondern nur mein eigener Körper, der jetzt so ist wie er ist, und mein Wille lässt mich die jeweilige Wahl treffen.
Wer oder was ist die Ursache?
Der Krebs war die Ursache. Und genau deshalb hat sich mein Leben total verändert, trotzdem ist es nach wie vor mein Leben, es sind meine neuen/anderen Lebensumstände und nein, ich wollte keinen Krebs haben und war total am Boden zerstört, als ich erfuhr, dass sich der Krebs in meinem Körper überall ausgebreitet hatte. Genau hier hatte ich auch die Wahl, es anzunehmen oder mich aufzugeben.
Ich habe gelernt, mich so anzunehmen, denn daran kann ich nichts ändern, ich konnte aber meine Einstellung dazu ändern.
Die Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", stellen mir vielleicht auch Andere, doch in erster Linie stelle ich sie mir selbst und suche nach Möglichkeiten und Wegen gut zu leben.

Ferner schreibt Helmut:„Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.“
Dem kann ich nur beipflichten.

So schreibe ich selten über andere oder äußere Mutmaßungen, wie sie manche Situationen finden oder was sie fühlen könnten. Ich möchte das nicht, weil ich einfach nicht wissen kann, wie andere fühlen, spüren, denken und wie sie die Situation aus ihrer Welt sehen. Ich kann nur durch ihre eigenen Erzählungen mitfühlen und mich dann einbringen. Auch schreibe ich meistens von meinem jetzigen Leben: was ich jetzt, hier erlebe und empfinde und ich lasse mich nicht auf zukünftige Szenarien ein. Denn ich habe für mich begriffen, dass mir mein Kopfkino, was könnte alles passieren, unwahrscheinlich Angst gemacht hatte und das will ich bewusst nicht mehr. Deshalb habe ich auch alles für meine letzte Lebensphase geklärt. Ich habe auch schon kraftraubende, schwere Wochen erlebt, wo ich nicht wusste, ob ich die Intensivstation lebend verlasse. Doch bei all den schlimmen Stunden habe ich mich nicht mehr aufgegeben, sondern ich habe nach vorn geschaut und vertraut, gehofft und geglaubt. Und genau diese Einstellung möchte ich vermitteln: Es geht weiter, das Leben.

Und darum ist meine Lebensauffassung: bewusst positiv im Jetzt und Hier zu leben.

Gerne schließe ich mich Ilses Worten an: „Ich bin dankbar um die Unterstützung meiner Lieben, aber auch dafür, dass ich bisher nicht jede Minute auf Hilfe angewiesen bin.“

Und kann JF ebenso nur beipflichten, wenn er schreibt:„…Auch ein Weg. Einer von vielen. Die sich auch täglich bei jedem ändern können. Man ist flexibel.“


Als Schlusswort möchte ich Wangi noch einmal zitieren:„Das bedeutet doch aber nicht dass ich IMMER kämpfe. Natürlich geniesse ich, sogar die meiste Zeit und finde Ruhe und spaziere durch die herbstliche Natur und freue mich.“

So wünsche ich allen einen guten Weg, eine hilfreiche Lebensphilosophie. Wobei es für mich keinen falschen oder richtigen Weg, keine falsche oder richtige Lebensphilosophie gibt. Für mich gibt es nur: Den Weg, die Lebensphilosophie, denn nichts ist so veränderlich wie das Leben selbst.

Allen einen schönen Herbsttag und die Kraft, die Sonne zu genießen
Evelyn

Kerejon
03.10.2013, 02:07
Ihr Lieben,

huch. Auf einmal bin ich TO. Macht aber nix ;)

Ich wollte nur noch einmal betonen, dass ich den Begriff "kämpfen" im Bezug auf eine lebensbedrohende Situation sehr wohl als angemessen empfinde. Unsere Sprache ist so schön und vielschichtig, dass es hier natürlich auch negative, bzw. brachiale Assoziationen gibt, und diese sind zum Teil auch genauso bei mir zu fühlen. Gottlob ist jeder Mensch verschieden, einzigartig und Herr der Deutung seiner oder Ihrer Welt.
Ich bin Chirurg und habe viele krebskranke Patienten z.T. Operiert/ behandelt und nur selten habe ich jemanden NICHT kämpfen gesehen. Oft benutze ich dieses Wort in Gesprächen mit betroffenen Menschen und sehe wie es angenommen wird .

Szenenwechsel: auf einmal bin ich der Patient mit einem seltenen Tumor, zweimals operiert und bei der Visite der liegende Gesprächspartner.

Auf einmal bekommt man gesagt, dass im Angesicht dieser miesen Prognose nur noch der Kampf gilt, den die Therapie mit sich bringt.
Oft genug war ich seitdem davor diesen Kampf aufzugeben und wie einige Vorredner/innen einfach nur noch das Leben genießen sollte.

Aber nun nehme ich diese Pille wieder ein wie Smarties und trage die Konsequenzen. Hoffe , dass ich die Therapiezeit von 2 Jahren auch gegen alle Statistiken durchhalte.

Ich Kämpfe ja prinzipiell für MICH gegen den Tod, aber wenn ich meine leidenden Angehörige sehe, steht eine Aufgabe überhaupt nicht zur Diskussion.

Damit sagen möchte ich nur folgendes: ich habe Menschen gegen Krankheiten kämpfen sehen, ja sie sogar dazu aufgefordert. Und die Positivbeispiele bestärken mich auf meinem Weg. Für mich, aber auch für meine Angehörigen

Ich habe den Begriff "kämpfen" im Prinzip auf mich adaptiert, nichts weiter.

An der Krankheitsakzeptanz werde ich mich dann versuchen, wenn ich wieder auf trockenem Boden stehe.

Nur wie gesagt: jeder Mensch ist anders und wird seinen eigenen Weg der Krankheitsbewältigung gehen. Für mich seid Ihr sowieso alle irgendwie Helden ;-)

Liebe Grüße

Kerejon

Ilse Racek
03.10.2013, 10:37
@Evelyn :winke:


mir gefällt, wie Du die unterschiedlichsten Diskussionsbeiträge "auseinandergenommen" hast ;)

Vorher von mir nicht bemerkt, hast Du herausgegriffen, dass es ja durchaus darauf ankommt, WIE "kämpfen" verstanden wird und worauf unser Fokus gerichtet ist.

Mit Deiner Erklärung beispielsweise, wie Du es verstehst Dich einzubringen, kann ich auch bei mir selbst durchaus eine Art Kampf erkennen.

Gleichwohl was bleibt Betroffenen übrig :confused:

Aufgeben, Jammern, Lamentieren und sich hängen lassen - bei keiner meiner Mitstreiterinnen habe ich das in den vergangenen Jahren beobachten können :knuddel:


Du hast Recht - es gibt keinen falschen oder richtigen Weg...... der eigene Weg ist es, der vor einem liegt :winke:

Wangi
03.10.2013, 10:59
@ Kerejon

Guter Beitrag - Und das von jemanden vom Fach ;)

Ich sehe das auch so, wenn ich nicht mehr kämpfen würde würde ich mich mit der jetzigen Situation abfinden, das würde aber auch heißen dass ich aufgebe wieder besser essen zu können, wieder belastbarer zu sein, wieder mehr am Leben teilhaben zu können.
Und deshalb kämpfe ich weiter und das ist durchaus positiv gemeint. Denn ich möchte das Alles wieder besser können und gebe mich nicht mit dem jetzigen Zustand zufrieden und das ist auch gut so, denn wenn ich das schon gemacht hätte wäre ich heute nicht so weit, dann hätte ich immer noch eine PEG und wäre davon abhängig.
Und trotzdem geniesse ich auch meine bisherigen "Erfolge", das Eine schließt das Andere ganz bestimmt nicht aus.
Aber die Hände in den Schoß legen und meinen es ist alles soooooo schön wie es gerade ist ist nicht mein Fall :)
Aber wie schon Andere hier geschrieben haben, das ist Ansichtssache und für jeden Anders und ich sehe das wie Kerejon, jeder hier ist schon ein Held weil er den Kampf gegen die Erkrankung aufgenommen hat

Gruß Wangi

simi1
03.10.2013, 21:05
Hallo,

herzlichen Dank euch allen, dass ihr solche Einblicke in eure Gefühls- und Gedankenwelt um die Krankheit gebt. Ich habe jeden Beitrag mehrfach gelesen, darüber nachgedacht und versucht, eigene Antworten zu finden.

Das Thema "Kämpfen gegen die Krankheit" beschäftigt mich seit vielen Monaten und bringt mich oftmals um den Schlaf. Ihr habt nun alle aus eurer Sicht, der Sicht der Erkrankten, geschildert. Mich betrifft das Thema als Angehörige, als Mutter, die mitentscheiden musste, wie viel Kampf dem eigenen Kind zugemutet wird.
Unsere Tochter hatte natürlich mit zunehmendem Alter ein gewichtiges Mitspracherecht, aber die letzte Entscheidung, die Unterschrift, die mussten wir Eltern leisten. Erziehungsberechtigte ... Entscheidungsberechtigte in solch unsäglich schweren Situationen.

Ja und nun quälen mich Fragen und Zweifel. War es richtig, sie einem solchen Kampf auszusetzen? War es richtig, sie zum Kämpfen aufzufordern und zu motivieren? Denn es war Kampf, ob man das Wort mag oder nicht. Ein harter, erbarmungsloser Kampf gegen die Krankheit, die Symptome, die Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie.

Ein langjähriger Mitpatient unserer Tochter wollte sich nach einer neuerlichen Rezidivdiagnose vor zwei Monaten gegen das Kämpfen entscheiden. Angesichts des Leidensdrucks seiner Familie hat er dennoch einer weiteren Chemo zugestimmt. Wollte von deren Ergebnis abhängig machen, ob er sich weiterhin den heftigen Therapien aussetzt oder den von ihm favorisierten Palliativweg einschlägt und in der verbleibenden Zeit die Dinge tut, die ihm wichtig sind. - Im Zelltief bekam er eine schwere Infektion und ist daran vorzeitig verstorben. Die Schuldgefühle seiner Eltern wachsen ins Unermessliche.

Von außen betrachtet sah man die Erwartungshaltung, den Leidensdruck, die Hoffnungen, Wünsche und Seelennöte aller Familienmitglieder deutlicher, als man sich selbst in vergleichbarer Situation erlebt hat. Das hat meine Bedenken zusätzlich verstärkt, ob es richtig war, diesen Kampf aufnehmen zu lassen, diese Einverständniserklärungen zu unterschreiben, nicht die Alternativen gleichberechtigt aufgezeigt zu haben.

Verzeiht, wenn ich wirr geschrieben habe und vielleicht in meinen Gedanken nicht nachvollziehbar bin. Aber dieses Thema hinterlässt bei mir tägliches Gefühlschaos.

Alles Gute für euch
Simi

HelmutL
04.10.2013, 02:18
Hallo zusammen,

ich denke, es kommt sehr auf die momentane Situation und individuelle Voraussetzungen an, ob man den Begriff des Kampfes anwendet oder lieber was anderes. Ich denke weiterhin, es ist entscheidend, wem und zu welchem Zeitpunkt man was sagt. Die Wortwahl ist dabei absolut wichtig.

Man sollte den Partner, die Partnerin, den Freund, die Mutter, den Opa, als Arzt den Patienten genau da abholen, wo er/sie gerade steht. Dazu muss man sich als Angehöriger/Betroffener/Arzt sehr wohl in die Psyche und die Lage des oder der (anderen) Erkrankten hinein versetzen oder es zumindest versuchen. Natürlich läuft man dabei Gefahr sich zu irren. Unter Umständen zum falschen Zeitpunkt das Richtige sagen oder zum richtigen Zeitpunkt das Falsche und manchmal einfach die Klappe halten, was auch falsch sein kann. Das Risiko muss man eingehen, wenn man verstehen und helfen will. Alles andere wäre doch nur hohles Geschwätz und das unabhängig davon, wo man selber gerade steht. Ob nun als Betroffene/r, Angehörige/r, Hinterbliebene/r oder Arzt.

Genau das ist der Grund, warum ich mich an dieser Diskusion beteilige: ich möchte, soweit möglich, wissen und verstehen. Zum Teil aus meiner Vergangenheit begründet und zum anderen Teil, weil sich jeder hier in vielleicht ähnlicher, jedoch nur ganz selten in der gleichen Situation findet. Bei Mit-Patienten, Mit-Angehörigen und Mit-Hinterbliebenen lege ich mindestens den gleichen Maßstab an.

Einem/r frisch Diagnostizierten sagt man: Kämpfe! Danach: schau mal, was das Leben noch zu bieten hat. Bei einem frisch Erkrankten könnte das bedeuten: mach eine Weltreise, erfülle dir deinen größten Wunsch und dann ... Tschüß. Im finalen Stadium kann man nur noch die Hand halten. Egal, ob man krebsbedingt dieses letzte Stadium erreicht oder nicht, auf unserer aller persönlichem Weg gibt es tausend Zwischentöne. Auch ein Betroffener kann mir nicht erzählen, dass er einfach so dazu kam, das Leben nach mehr oder weniger erfolgreicher Behandlung als schön zu empfinden. Dazu gehört Kampf und ich bleibe bei dem Wort. Kampf im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, und oft genug flossen tatsächlich Blut, Schweiß und Tränen. Kampf gegen den Krebs, Kampf mit und gegen sich selbst. Kämpfen ist doch nichts negatives?

Das Ziel? Friede. Mit sich, dem Krebs, dem Leben. Glückwunsch an jeden, der das schafft. Auch dann, wenn es so ausgeht: es war schwer, aber auch sehr schön.

Was anderes. Als Angehöriger wollte ich keine Entscheidungen treffen, was das Leben ohne meine Frau betrifft. Als Hinterbliebener MUSSTE ich, ob ich das wollte oder nicht. Ich war gezwungen dazu. Ok, ich hätte es auch lassen können. Dann säße ich vielleicht heute in der Klapse oder schliefe unter einer Brücke. Ich hätte mich auch anders entscheiden können, dann könnte ich heute hier nicht schreiben. Leicht? Nein. Freiwillig? Nein. Mit einem Lächeln? Nein. Entscheidungen sind Entscheidungen. Auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung. Analog dazu: als Gesunder will ich jetzt keine Entscheidungen für mich treffen, sollte ich irgendwann mal an Krebs erkranken. Es genügt mir, dass ich dazu gezwungen werde, wenn es soweit kommen sollte. Was nicht heißt, ich mache mir gar keine Gedanken darüber. Als ehemaligem Angehörigen gehört das Gespenst namens Krebs aus gegebenem Anlass zu meinem Leben.


Liebe Grüße und allen eine gute Nacht,

Helmut

Wangi
04.10.2013, 10:50
Hallo Simi,

so eine Situation wie du sie beschreibst ist noch um Einiges schlimmer als NUR für sich entscheiden zu müssen.
Ich hätte genauso gehandelt wie du/ihr, solange noch ein Funken Hoffnung bestanden hätte hätte ich auch mein Kind motiviert zu kämpfen. Niemand kann in die Zukunft sehen, es hätte auch sein können dass der letzte Kampf deiner Tochter sie gesund gemacht hätte. Und wie du sie in deinen Beiträgen beschreibst war sie ja selber Diejenige die kämpfen wollte, sie wollte nicht aufgeben.
Ich kann aber verstehen dass du zweifelst und das kann dir leider auch niemand abnehmen.

Lieben Gruß
Wangi

Mathias974
05.10.2013, 16:02
Ich möchte als betroffener zum Thema Kampf etwas schreiben.
Meine Diagnose ist gerade mal 6 Monate alt. Ich habe Gallenblasenkrebs plus Lymphknotenmetastasen, wurde zweimal operiert, wobei die letzte Radikal war. Zwei Segmente der Leber raus, Gallenblase raus, Lymphknoten raus u.s.w.
Erst hieß es ich wäre zu jung für diese Krebsart, dann sie haben Krebs aber noch glück gehabt und dann halt die befallenen Lymphknoten.
Ich befinde mich nun seit 12 Wochen in der Chemo und habe noch mindestens 14 Wochen vor mir. Diese ganze Situation ist "KAMPF", egal wie man es sehen will. Die Chemo alleine fordert einen alles ab, mit jeden Zyklus wird es schlimmer. Jedesmal hängt man fünf Stunden an der Nadel bis alle Infusionen drin sind, das steckt man physisch und psychisch nicht einfach so weg und wer es sagt verdrängt da wohl mehr.
Ich habe mich zum Kampf entschieden und auch ich werde es sein der sich irgendwann, gegebenenfalls dagegen entscheiden wird, denn niemand trägt die eigenen Schuhe.
So gut ich die Angehörigen verstehen kann aber letzten Endes ist es meine Entscheidung wie und in wie viel Würde ich etwas beenden will.

simi1
05.10.2013, 21:59
Ich habe mich zum Kampf entschieden und auch ich werde es sein der sich irgendwann, gegebenenfalls dagegen entscheiden wird, denn niemand trägt die eigenen Schuhe.
So gut ich die Angehörigen verstehen kann aber letzten Endes ist es meine Entscheidung wie und in wie viel Würde ich etwas beenden will.

Und diese Entscheidung mussten letztlich wir für unsere Tochter treffen. Genau dies quält mich seit Monaten.
Natürlich gab es viele gemeinsame Gespräche mit und ohne Ärzte zu diesem Thema. Sie hat sich auch sofort für das Kämpfen entschieden und diese Entscheidung aufrechterhalten, bis es aussichtslos wurde.
Aber stellt man in einer solchen Situation die Alternativen wirklich objektiv und wertfrei gegenüber? Wohl kaum ....

Viele Grüße
Simi

Mathias974
05.10.2013, 22:28
Hallo Simi,

klar tut mir das leid für euch, ist sicherlich keine einfache Entscheidung gewesen.
Ich werde alles soweit abklären mit Patientenverfügungen, denn ich will nicht das sich andere darum kümmern müssen. Als schwer kranker Patient stehen dir ja heute Gott sei dank vielerlei Hilfen zur Verfügung. Auch das sind dann leider die unangenehmen Sachen über die man sich Notfalls Gedanken machen muss.

Was ich noch dabei sagen muss, ich habe da eh eine sehr scharfe Einstellung zu, ich habe selbst meinen Vater vor 3 Jahren verloren. Auch da war im Vorfeld geklärt wann Schluss ist, denn eines der größten Probleme ist die Angst vorm loslassen. Ich war froh als nach drei Tagen Todeskampf alles vorbei war, weil ich mich im Vorfeld schon damit auseinandergesetzt habe das es bald vorbei sein wird. Für einige hört sich das Herzlos an, was es mit Sicherheit aber nicht ist, ich habe nur im Leben schon vieles mitmachen müssen.

simi1
05.10.2013, 22:46
Hallo Mathias,

ich war damals auch froh, als mein Vater "endlich" gestorben ist. Er hatte eine unheilbare neurologische Erkrankung und konnte gar nichts mehr selbst tun - auch nicht sprechen.
Wobei ich sagen muss, dass sein Tod nur für uns, als pflegende Angehörige, eine Erlösung war. Er hatte trotz seines vollkommen hilflosen Zustandes einen unbändigen Lebenswillen. Wollte so lange durchhalten, bis die medizinische Forschung diese Krankheit heilen kann.
Im gesunden Zustand war er sogar ein Befürworter von Sterbehilfe bei aussichtslosen Prognosen. Als er selbst in dieser Situation war, wollte er nur leben leben leben.

Alles Gute für dich
Simi

HelmutL
06.10.2013, 03:50
So gut ich die Angehörigen verstehen kann aber letzten Endes ist es meine Entscheidung wie und in wie viel Würde ich etwas beenden will.

Hallo Mathias,

das ist richtig . Die Patientenverfügung drückt das aus, was der Vollmachtgeber 'will'. Sie gibt den Angehörigen (bzw. den Bevollmächtigten) und Ärzten allerdings nur Rechtssicherheit für den Fall der Fälle. Der Vollmachtgeber gibt seinen Willen kund und übergibt die Entscheidung in vollem Umfang an die Bevollmächtigten, sobald er (oder sie) nicht mehr selbst entscheiden kann.

Die Patientenverfügung nimmt den Bevollmächtigten jedoch keineswegs die Verantwortung ab, bzw. die Entscheidung, was dann tatsächlich getan wird. Der Bevollmächtigte im speziellen ist keineswegs gesetzlich, sondern lediglich moralisch verpflichtet, den Willen des Vollmachtgebers zu erfüllen. Außerdem wird sich bei bestimmten Entscheidungen, z.B. das Recht auf Leben, das Amtsgericht einschalten (bzw. muss eingeschaltet werden) und zum Ersten die Patientenverfügung selbst überprüfen und zum Zweiten, ob die Voraussetzungen für das Umsetzen der Verfügung überhaupt gegeben sind. Das zum Schutz des Patienten vor falschen und/oder willkürlichen Entscheidungen von Bevollmächtigten und Ärzten.

Der Vollmachtgeber sollte sich bewusst sein, welche Bürde und Verantwortung er den Bevollmächtigten auflastet. Denn sie sind es, die letztendlich eventuell über Leben oder Tod eines anderen Menschen bestimmen müssen.


Liebe Simi,

ich mag mir gar nicht auszumalen, wie das für mich wäre, solche Entscheidungen wie ihr als Eltern fällen zu müssen. Sicher habt ihr den Willen eurer Tochter respektiert, doch musstet ihr letztendlich die Entscheidungen unterschreiben und damit die volle Verantwortung übernehmen. Obwohl nach dem Willen eurer Tochter, kann ich mir Gewissenskonflikte, Zweifel, Angst, Trauer und durchwachte Nächte vorstellen. Vor allem auch jetzt noch, da eure Tochter nicht mehr zu kämpfen braucht. :knuddel:

Das ist der Kampf gegen den Krebs, dem die meisten Angehörigen ausgesetzt sind. Ein Kampf, in dem man oft nur hilflos an der Seite stehen kann. Schlimmstenfalls ist es so, dass dieser Kampf nicht damit endet, dass der des Betroffenen vergebens war. Denn während der Betroffene kämpft, kann dieser in der Regel seine Entscheidungen, oft mit der Unterstützung von Angehörigen/Ärzten, selbst treffen bzw. eine Fehlentscheidung eventuell revidieren. Ist dieser Kampf jedoch vorbei, müssen Hinterbliebene mit ihren Entscheidungen und, wenn auch sehr oft nur vermeintlichen, Fehlentscheidungen leben.

Ich finde es gut, dass sich Vertreter/Vertreterinnen aller Gruppen beteiligen und das sachlich und in gegenseitigem Respekt. Vielleicht hilft es dem oder der Einen oder Anderen mal für einen kurzen Augenblick über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es kann nichts schaden.


Alles Liebe und eine gute Nacht,

Helmut

J.F.
06.10.2013, 13:12
Hallo zusammen,

nun, ich begebe mich doch wieder in diese Gesprächsrunde (mit dem Begriff Diskussion verbinde ich andere Dinge = Assoziationen).

Mathias, Du befindest Dich mitten in der Therapiephase, also in der aktiven Zeit des Handels. Deine Gedanken über den letzten Weg ist normal, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur das Gespräch mit demjenigen, der die Vollmacht erhalten hat, wirklich klar und deutlich werden lässt was Du an Wünschen hast.

Evelyn, Du hast 2011 und dann erst wieder 2013 hier geschrieben, also immer außerhalb Deiner aktiven Krankheitsphase. Dein Weg erinnert mich ein bisschen an eine Bekannte, die ebenfalls sehr esoterisch angehaucht ist. Ein Weg. Ich bin erdverbunden ;). Aber dies ist völlig unwichtig, solange Dein Weg Dir hilft. Und das tut es wohl :). Aber aus Deinen Beiträgen kann man sehr wohl erkennen, dass auch Du Kämpfe ausgefochten hast. Bis hin zu diesem - Deinen Weg.

Du siehst, ich habe mir Deine Beiträge angeschaut.
Nur so nebenbei, ich bin ein weiblicher Schreiberling :D
Und noch etwas. Du hast mir die Frage gestellt, ob das Leben nur Kampf sei. Mmmh, da hast Du dann einen Satz wohl überlesen: Und geniesse in den Zwischenzeiten das Leben. Ich musste mich zwar von einigen Hobbys, wie dem wandern, schweren Herzens verabschieden, aber bei der Vielzahl der Hobbys fällt das dann wiederum nicht ins Gewicht :lach2:

Helmut hat vieles, was ich in anderen Worten ausgedrückt habe, ausführlicher dargelegt. Ja, Helmut, Du bist ein Akrobat des Wortes. Und das mit einer scheinbar leichten Feder. Bei Dir darf man davon ausgehen, dass Du nichts unüberlegtes schreibst :). Deswegen hast Du mich mit zwei Sätzen schon überlegen lassen, ob und was es mir und den anderen eventuell sagen soll. Gerade vorher habe ich in einem Thread gelesen, dass sich jemand gefreut hat einen Marathon wieder zu laufen. Und so die Hoffnung auf ein normales Leben gerade wieder einen Sprung nach vorne gemacht hat. Jeder hat so seine Ziele, die er mit Normalität verbindet. Wünsche, die er gerne wieder aufnehmen möchte, weil es ihm Spaß und Freude macht. Manche Hoffnungen sind klein, aber sie sind da. Wangi weiß genauso wie ich, dass selbst die kleinsten wiedergewonnenen Bewegungen einen Sieg darstellen. Selbst nach bald sieben Jahren gibt es Momente, da halte ich inne und denke, wau, das konnte ich gestern noch nicht. Diese stillen Momente sind Gold wert :). Werden aber vom Umfeld ggf. entgeistert wahrgenommen, weil man eben die Problematik nicht kennt, denn der Betroffene geht damit nicht hausieren. Warum auch? Denn nach sieben Jahren mit vielen großen und noch mehr kleinen Operationen ist man müde von seinen Auas ´s zu erzählen.

Kerejon, Du weißt schon, dass Ihr Chirurgen von vielen als ihr Schutzengel bezeichnet werdet? Mal davon abgesehen, auch Du bist ein Held.

Simi, auch hier hatte ich, wenn auch in meiner Art der Kurzform, hingewiesen, dass Angehörige Entscheidungen treffen müssen, die für alle letztendlich die Möglichkeit aufbietet weiter machen zu können. Was wäre wenn, warum habe ich das gemacht und viele andere Fragen werden Dich immer begleiten. Leider. Wir ein Volk der Dichter und Denker, wir denken manchmal zu viel. Grübeln würde man dann für die negativen Gedanken sagen. Die Diskussion mit sich selber bringt nichts, sie zieht nur runter. Denn bei einer Diskussion will einer der Gesprächsparteien Recht behalten, als Sieger vom Platz gehen. Lass es. Auch wenn es Dir jetzt nicht viel hilft, so ist eins sicher, Du hast ein offenes Auge und Ohr. Sonst hättest Du in Deinem Posting nicht schreiben können, was die Familie des Mitpatienten ausgestrahlt hat. Es wird ein langer Weg bis Du erkennst, dass es in diesem Moment die Entscheidungen waren, die getroffen werden mussten. Ansonsten bist Du bei der to-do-Liste von Helmut (Punkt 1 oder 3).

Chili, die (Chemo-)Threapien sind so unterschiedlicher Natur :). Ich komme aus dem Hautkrebsforenteil. Hier darf der Betroffene dreimal die Woche selber für (i.d.R.) 18 Monaten die Spritze setzen, da gibt es niemanden, der das macht. Also hat es der Betroffene zirka 216 x in der eigenen Hand eine Entscheidung zu treffen. Für oder gegen. Wer Infusionen bekommt, wird ebenfalls bei jedem Gang aus dem Haus vor der Entscheidung stehen: gehe ich oder gehe ich nicht. Das sich in den Stuhl setzen, auf die Liege legen etc ist dann die Folge der Entscheidung. Also auch wieder aktiv geworden.

Und wie wir alle mehr oder minder geschrieben haben, so gefällt mir Kerejon´s Aussage am Besten: An der Krankheitsakzeptanz werde ich mich dann versuchen, wenn ich wieder auf trockenem Boden stehe.

Genauso so ist es. Nur dauert es bei manch einem länger bis er wieder auf trockenem Boden steht.
Und sich neu orientiert hat. Manche Dinge muss man von der Lebensliste streichen, manche kommen neu dazu, andere bekommen eine neue Gewichtung. Das gilt auch für die Menschen, die einen begleiten :)

Und da wäre ich bei Ilse. Du schreibt häufig und gerne, dass Deine Familie und Dein Umfeld Dich unterstützt. Ich denke, dass hier auch das Lebensalter, in dem der Krebs auftritt, eine wesentliche Rolle spielt. Junge Menschen, Teenager, wollen nicht unbedingt mit Krankheit konfrontiert werden, ihr Schwerpunkt liegt im Leben erfahren, nicht ums Leben kämpfen. Wird man älter, so werden die Erfahrungen sich mehren und man hat mit seinen Freunden schon das ein oder andere gestemmt. Trotzdem gibt es Weggabelungen in allen Altersgruppen. Und dann ist wieder eine Entscheidung fällig. Mit oder ohne Kampf :D

In diesem Sinne :knuddel:

evelyn-wieda
06.10.2013, 18:15
Wie immer ein nettes Hallo in die Runde,

nachdem mein lieber Besuch weg ist und ich wieder Zeit für den PC finde, besuche ich das Forum und bin einfach erstaunt, denn es ist ja hier richtig viel Interessantes, Nachdenkens wertes geschrieben worden. Wirklich schön, wie offen hier alle diskutieren.

Ach ja, und da streite ich wieder mit mir selber wegen diesem Wort „Kampf“, was ich für mich irgendwie nicht mag. Jedoch bin ich nach dem Lesen und auch gerade wegen Ilses trefflichen Worten etwas nachdenklich geworden, musste über mich selber schmunzeln. Ich habe wohl gekämpft und kämpfe nach wie vor, nur, ich nenne es anders – für mich ist es ein Handeln, ein vielleicht manchmal straffes Vorwärtsgehen auf meinem Weg oder so etwas. So möge man es mir nachsehen, wenn ich nach wie vor das Wort kämpfen für mich selber nicht verwende, es eventuell mit meiner Benennung jedoch meine.

@ Kerejon
Schön wieder von dir zu lesen und dieses Mal klingt es für mich mutiger, weil es mutig macht, kraftvoller, weil es Stärke vermittelt und Raum fürs Vorwärtsgehen lässt. Und Helden sind wir irgendwie alle, jeder auf seine Art und Weise und du bist auch ein Held, der seinen eigenen Lebensweg meistert.

@ Ilse
Herzlichen Dank noch einmal für deine Worte und das Augenzwinkern, es hat mich über mich selber schmunzeln lassen und ja, Du hast Recht. Ist schon manchmal niedlich, wie man über sich und die Dinge nachdenkt und hingewiesen wird.

@ Simi
Mein tiefes Mitgefühl für dich und deine Familie. Du beschreibst sehr intensiv, wie sich Angehörige fühlen, wie sie leiden und oft an ihre Grenzen stoßen und dann noch schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen. Und ja, liebe Simi, du, ihr musstet Entscheidungen treffen so oder so – weil eure Tochter das noch nicht konnte. Und eure Entscheidung war die Entscheidung für die Hoffnung.

Im Nachhinein sieht es vielleicht falsch aus, doch es hätte auch anders ausgehen können, dann würde die Entscheidung richtig aussehen.

Von Herzen wünsche ich dir, dass du mit dir und deinen Entscheidungen irgendwann Frieden schließen kannst und dein tägliches Gefühlschaos aufhört sich zu drehen.
Alles erdenklich Liebe und viel Kraft für euch.

@ Helmut
Wie immer mag ich deine Diskussionsbeiträge sehr gerne lesen. Du drückst dich sehr gut aus und sprichst ehrlich an, was du empfindest und wissen möchtest.
Du schreibst z. B. "Dazu muss man sich als Angehöriger/Betroffener/Arzt sehr wohl in die Psyche und die Lage des oder der (anderen) Erkrankten hinein versetzen oder es zumindest versuchen.“

Das ist ein heikles Thema. Es gab eine Zeit, da wollte ich z. B. nicht, dass meine Lieben mich im desolaten Zustand sehen, dass ich vor ihnen jammere oder so und meine Lieben wiederum wollten nicht, dass ich ihre Ängste kenne, dass ich ihre Schuldgefühle wahrnehme. Ein Drama auf beiden Seiten. Bis wir uns ausgesprochen haben, bis wir offen miteinander geredet haben. Heute gehen wir alle sehr offen mit unseren Gefühlen um. Doch ich von mir kann nicht sagen, dass ich mich wirklich in die Psyche oder die Lage von meinen Kindern, meinem Freund, meinen Lieben … hinein versetzen kann, ich kann sie erahnen. Aber wir haben in dieser Zeit viel voneinander gelernt, ja sind sogar mehr zusammen gewachsen und wir achten und respektieren einander sehr. So ist für mich mein persönliches Umfeld einfach schön, harmonisch trotz vieler unterschiedlicher Meinungen und es trägt halt mit dazu bei, dass ich meinen Weg gehen kann.

Noch schwieriger wird es ja mit den Ärzten und Therapeuten. Ein offener, guter Arzt, der sich Zeit nimmt, der sich ehrlich mit mir auseinander setzt ist gar nicht so einfach zu finden. So bin ich ganz sehr dankbar, dass ich einen tollen Hausarzt gefunden habe, dass mich eine gute, taktvolle Onkologin begleitet, dass ich einen Internisten habe, der an mich glaubt, und ich Therapeuten an meiner Seite weiß, die mich alle so nehmen wie ich bin, die mich respektieren und achten und mit mir diskutieren und meine Einstellung kennen und anerkennen. Aber ich würde nicht behaupten, dass sie sich in mich hineinversetzen können und auch wollen oder müssen, jedoch finden sie oftmals die zur rechten Zeit die rechten Worte.

Und was mir persönlich total wichtig ist, ich vertraue ihnen total.

Ferner schreibst du:„Das Ziel? Friede. Mit sich, dem Krebs, dem Leben. Glückwunsch an jeden, der das schafft. Auch dann, wenn es so ausgeht: es war schwer, aber auch sehr schön.“
Wunderbar ausgedrückt. So wünsche ich, Frieden in sich spüren, in der Mitte sein und gut leben trotz all der Umstände, die so sind, wie sie sind und dann am Lebensende nicht nur an der letzten Phase gemessen zu werden, sondern als Person gesehen zu werden, die gerne gelebt hat, die das Leben genossen hat und glücklich war.
Danke.

@ Matthias
Ja, du, ich, wir entscheiden einzig und alleine, wie es weitergeht, ob es weitergeht.

@ J.F.
Schön das du wieder dabei bist, deine Beiträge bereichern die Diskussion und sorry, wenn ich in dir einen männlichen Schreiberling gelesen habe. Soll nicht noch einmal vorkommen, versprochen.
Da kannst du einmal sehen, dass ich mir wenig Mühe gegeben habe, herauszufinden, wer hinter J.F. steckt. Du hast dir hingegen verdammt viel Mühe wegen mir gegeben. Mir ist ja gar nicht bewusst gewesen, welchen „Schreibrhythmus“ ich hier im Forum zu Tage lege.

Doch warum denkst du, das hat etwas mit meiner aktiven Krankheitsphase zu tun? Hm, und überhaupt, was verstehst du unter einer „aktiven“ Krankheitsphase?
Und wenn du mit „esoterisch“ Glauben meinst, dann ist mein Weg nicht nur angehaucht, sondern dann ist er so. Ja, ich glaube und stehe auch dazu.

Nun möchte ich noch allen einen guten Abend wünschen, viele Momente, die einem gut tun.

Alles Gute
Evelyn

Kerejon
06.10.2013, 22:43
Liebe Evelyn,

Vielen Dank für Deinen Beitrag, ja für alle Deine Beiträge. Es ist in meinen Augen schon interessant, wie sehr dieses Thema und folgende Beiträge einen großen Zuspruch bringen. Ich lese Beiträge von Angehörigen ( teils trauernd) und Betroffenen, doch ein Muster in den niedergeschriebenen Gedanken sehe ich nicht, teils, weil es meine Situation nur unzureichend wiedergibt und ich mir auf keinster Weiße anmaßen möchte, diese zu beurteilen. Darum der Satz mit den Helden, denn... Um ehrlich zu sein, kostet es mich ein jedes mal eine nicht unerhebliche Überwindung hier etwas zu schreiben. Kämpfen oder nicht? Ist das überhaupt ein Kampf? Machen meine Zellen nicht sowieso was sie wollen? Ich stecke mittendrin in diesem Zwist und warte nur noch auf die Richtung in die sich die Waage neigen wird... Dann sehe ich weiter...

Euch meine besten WÜnsche und liebe Grüße

Kerejon

HelmutL
07.10.2013, 00:55
Naja, Kerejon,

es schadet bestimmt nicht, wenn man auf die Waage mal ein kleines Gegengewicht legt, um sie für sich günstiger zu stimmen. Deine Zellen machen nur scheinbar das, was sie wollen. Höchstens das, was sie nach den Regeln von Chemie und Physik tun müssen. Leider sind uns diese Abläufe, die Regeln, nicht so genau bekannt, als dass wir immer genau das richtige Gegengewicht fänden. Ein Gegengewicht gibt es, welches immer passt: das mentale, emotionale. Nicht zu unterschätzen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man als Betroffener oft mitten im Wald steht und nicht weiß, für welchen Baum man sich entscheiden soll. Versteht mich nicht falsch. Ich meine das in dem Sinne: welchen Baum verarbeite ich zu Brennholz, damit die Suppe am köcheln bleibt. ;)

Das ist auch genau das Gegengewicht von dem Evelyn und andere schreiben: "Sich nicht bestimmen lassen", "sich auf das Leben konzentrieren". Im Prinzip ist es ja auch ziemlich egal, wie man das ausdrückt. Ob so oder so. Der Weg ist das Ziel und da sind viele Mittel einfach nur recht.

Oben irgendwo hab ich mal von Wortbedeutung gesprochen. Oft lohnt sich auch die Mühe, mal bei Tante Wiki oder ihren Verwandten rein zu schauen, woher ein Wort kommt und was es im eigentlichen Sinne bedeutet. Der heutige Gebrauch, bzw. der persönliche Sinn, kann sich davon gewaltig unterscheiden.

Evelyn, ich gebe dir recht, was das Hineinversetzen in die Psyche anderer betrifft. Das ist ne gefährliche Kiste und Irrtümer können fatale Folgen haben. Ich bin ja kein Psychologe oder ähnliches und selbst die liegen manchmal daneben. Nur, ich habe eine wichtige Erfahrung gemacht: wenn man es zumindest versucht, sich der Gefahr bewusst ist, sich bewusst ist, vielleicht den anderen zu verletzen und/oder auch sich selbst und die eigene Angst davor beherrschen kann ... wie kann man sonst jemandem ernsthaft helfen? Im realen Gespräch schaue ich meinem Gegenüber in die Augen: sie sind das Fenster zur Seele. Ich beobachte ihn (oder sie) und mit etwas Erfahrung kann man durchaus sehen, ob man richtig oder falsch liegt und entsprechend reagieren und ganz vorsichtig weiter tasten oder einen Rückzieher machen. Das braucht schon etwas Mut. Hier, im geschriebenen Leben, ist das schon wesentlich schwieriger, manchmal unmöglich.

Zum Thema Entscheidungen. Eine Entscheidung ist immer richtig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen gefällt wurde. Selbst dann, wenn sie falsch war.

Für mich ist das eine eiserne Regel geworden. Hat lange gedauert. Ohne diese Regel hätte ich heute noch an so manchen Dingen gehörig zu knabbern. Nur die wenigsten Betroffenen oder Angehörigen sind Mediziner oder gar allwissend. Der Arzt hat seinen Beruf studiert und besitzt entsprechende Erfahrung und ein großes Fachwissen. Der Betroffene oder Angehörige ist meist absoluter Laie und soll von Null auf Hundert quasi zum Arzt werden? Man sollte sich dieses Umstandes schon bewusst sein oder es zumindest später werden. Natürlich gibt es Betroffene, die nach einiger Zeit in Bezug auf ihre Erkrankung so manchem Facharzt mehr als nur das Wasser reichen können. Doch das ist nicht die Regel.


Eine gute Nacht,

Helmut

PS: Übrigens, J.F., die Blumen behalte ich, die bekommst du nicht mehr zurück. ;)

Nochn PS: :confused: Wieso nur zwei (2) Sätze? :lach:

J.F.
07.10.2013, 10:15
Oben irgendwo hab ich mal von Wortbedeutung gesprochen. Oft lohnt sich auch die Mühe, mal bei Tante Wiki oder ihren Verwandten rein zu schauen, woher ein Wort kommt und was es im eigentlichen Sinne bedeutet. Der heutige Gebrauch, bzw. der persönliche Sinn, kann sich davon gewaltig unterscheiden.

PS: Übrigens, J.F., die Blumen behalte ich, die bekommst du nicht mehr zurück. ;)

Nochn PS: :confused: Wieso nur zwei (2) Sätze? :lach:


Hallo Helmut,

och :D, ich weiß die Definition von Diskussion schon und bin mir auch nicht zu schade Begriffe nachzuschlagen. Und sie dann trotzdem aus meiner Sicht nicht zu mögen und dies auch zu erläutern ;).
Und ist dies nicht gerade der Grund dieses Threads? Definitionen, Auslegungen zu besprechen, Vergleiche heranzuziehen?

Keine Angst, die Blümchen darfst Du getrost behalten :). Ich habe Dir diese schon des öfteren offeriert :) Wer kann, der kann ...

Ja, ich habe mich nur zweimal gefragt, hmmm, watt soll mir das sagen :zunge:

simi1
07.10.2013, 16:25
Hallo,

vielen Dank für eure Beiträge, die mich zum weiteren Nachdenken angeregt und auch ein wenig Entlastung für mein Gewissen gebracht haben.


Im Nachhinein sieht es vielleicht falsch aus, doch es hätte auch anders ausgehen können, dann würde die Entscheidung richtig aussehen

Du hast natürlich recht, Evelyn: Wir haben bei Erstdiagnose und den beiden vorangegangen Rezidiven im Nachhinein nie überlegt, ob unsere Entscheidung richtig war. Sie war ja in Remission, es ging ihr besser und wir hatten die Hoffnung, dass die Leukämie nicht wieder kommt. Im übertragenen Sinne galt das alte Sprichwort: Wer heilt hat recht!

Dennoch lassen sich Zweifel und Schuldgefühle nicht unterdrücken. Es drängt sich stets die Frage auf, ob uns die Hoffnung blind für die Realität gemacht hat. Oder um bei den Sprichworten zu bleiben: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Haben wir es vielleicht doch zu "weit getrieben"? War unser Handeln durch und durch verantwortlich? Gab es nicht im Therapieverlauf Stationen, an denen wir hätten innehalten und eventuell unsere Entscheidungen revidieren müssen?
Und die Kernfragen: Hat unser Verhalten möglicherweise unserer Tochter das Gefühl vermittelt, für uns kämpfen zu müssen? Haben wir sie unbewusst unter Druck gesetzt - ihr eine selbstbestimmte Entscheidung unmöglich gemacht?

Mit dem Wissen um den Ausgang, haben wir jedenfalls ganz klar zu lange gekämpft. Sie hatte keine Lebensqualität mehr. Wir konnten langgehegte Wünsche nicht mehr erfüllen.
Das sei alles nicht wichtig, meinte sie in ihren letzten Tagen, Hauptsache wir seien bei ihr und ließen sie nicht alleine. Alleine dieser Wunsch hat Erfüllung gefunden.

Lieben Dank und alles Gute euch allen
Simi

evelyn-wieda
07.10.2013, 19:31
Einen netten Gruß in die Runde,

Lieber Kerejon,
ich glaube, ein Muster wirst du auch nicht finden können. Weißt du, wir alle, ob Betroffene, Angehörige, Behandelnde sind alle anders mit eigenen Vergangenheiten, unterschiedlichsten Gedanken, Gefühlen, Diagnosen und all das prägt das JETZT des jeweiligen.

Genau aus diesem Grund sind für mich Krebsformeln, Prognosen oder Statistiken so was von wurscht, es ist für mich ein Zahlensalat, der mir nicht schmeckt. Ich bin kein Zahlenmix, ich bin ein Mensch und Menschen fallen aus all den festgeprägten Mustern heraus oder passen nicht hinein, weil sie so unterschiedlich sind wie Regentropfen und ja, auch hin und wieder Wunder erleben. Und davon gibt es glaube ich mehr, als wir denken.

Vielleicht magst du ja auch ein wenig Glaube, Hoffnung, Vertrauen in die eine Waagschale deiner Lebenswaage legen und aus der anderen Seite etwas Zahlensalat, Angst, Kopfkino nehmen.
Dein gemaltes Bild mit der Waage ist schön und treffend und ich male einfach einmal weiter. Denn ich weiß, wie schwer es war, sich überhaupt zu bewegen, weil ich eine Heidenangst hatte, in welche Richtung die Waagschale ausschlagen könnte.
Ich habe auch ausgeharrt, ich war versteinert.
Dann erkannte ich, dass das nur ein Stillstand war, ein immer tieferes Versinken und das wollte ich nicht mehr, ich wollte vorwärts gehen – egal wohin, nur vorwärts gehen und aus dem schwarzen Tal wegkommen. Und siehe da, schon mit einer kleinen Veränderung meiner Position sah ich Sonnenlicht – sprich, ich veränderte meine Einstellung und meinen Fokus.

So wünsche ich dir von Herzen, dass du ein ganz klein wenig die Waagschale beeinflusst und freue mich sehr, wieder von dir zu lesen.

Lieber Helmut
Na, was soll ich schon schreiben, wie: du hast dich wieder perfekt ausgedrückt. Bist ein Meister des Wortes und es ist gut, dass du hier bist.

Was du über das Hineinversetzen in die Psyche anderer schreibst ist höchst interessant und ja, es gehört eine gehörige Portion Mut und Fingerspitzengefühl dazu. Selber bin ich auch gerne so eine Zuhörtante und gebe meinen eigenen Senf kund. In einem anderen Thread habe ich einmal darum gebeten, dass mir die Beteiligten erklären, warum sie so denken. Ich konnte es nicht verstehen und wollte es unbedingt. Eine Frau antwortete mir sinngemäß: Du musst das auch nicht verstehen, weil du es auch gar nicht verstehen kannst, sondern es ist schon gut, wenn du es akzeptierst.
Und richtig. Sie hatte recht. Ich kann gar nicht wie andere fühlen und denken, aber ich kann sie achten, respektieren und akzeptieren. Dabei ist für mich wichtig, dass ich ungeheuer viel lernen kann und dass mich solche Diskussionen zum Nachdenken anregen und mir wieder neue Wege eröffnen.

Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Ferner schreibst du:Eine Entscheidung ist immer richtig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen gefällt wurde. Selbst dann, wenn sie falsch war.
Dem möchte ich mich einfach nur gerne anschließen.

Liebe Simi,

deine Zeilen berühren mich und ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, ein Kind zu verlieren. Aus all deinen Worten geht Traurigkeit und Ohnmacht hervor, die euch begleitet. Ich bin voller Mitgefühl für eure Situation, für dich.

Was ich lese, ist Liebe zu euer Tochter, große tiefe Liebe und das man um das Leben eines Kindes ringt, das man nicht verlieren will. All deine vielen Fragen, die du als Mutti stellst, verstehe ich.

Doch weißt du, wir sind Menschen mit Gefühlen und du kannst nicht einfach als Mutter mit einem Schalter deine Gefühle, deine Liebe zu deinem Kind ausschalten und plötzlich völlig rational denken und handeln. Das geht nicht. Hier sind andere Partner gefragt, wie Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten – sie sollten den anderen, klaren Blick haben und beratend zur Seite stehen. Es ist und war eine Ausnahmesituation, die so viele Entscheidungen gefordert hat und wo ihr einfach nach euren Empfindungen mit eurem Kind entscheiden musstet.

Keiner weiß, wie viel mehr und wie lange sie wirklich Lebensqualität gehabt hätte, wenn ihr euch anders entschieden hätte.

So erlaube ich mir einfach, dich zu umarmen. Danke, dass du so offen bist und ich ein Stück von deinem Weg spüre.

Ich wünsche dir liebevolle Erinnerungen mit deinem Kind und Kraft dafür, dass du irgendwann dein Kopfkino ausschalten kannst.

Alles Liebe
Evelyn

Und allen anderen wünsche ich eine Lebenswaage, die sich meistens in der Waage hält, und immer das eine oder andere Gewicht für einen positiven Ausgleich.

Evelyn

eldo
08.10.2013, 07:57
Ihr Lieben Alle,

es ist wohltuend, Eure Beiträge zu lesen und zu verarbeiten.

Dem, was die Evelyn geschrieben hat, ist nichts hinzuzufügen.

Ich wünsche Euch eine gute Zeit mit viel Kraft und auch Mut.

Manfred:winke:

HelmutL
08.10.2013, 10:48
Liebe Simi,

dem, was Evelyn dir geschrieben hat, ist nichts hinzu zu fügen. Ich möchte dir nur noch folgendes sagen: den Satz über Entscheidungen und das, was Evelyn über Gefühle schreibt, das habe ich sehr früh gewusst, doch bis ich das auch begriffen, verinnerlicht, akzeptiert habe, hat lange gedauert. Das Wissen alleine ist noch lange nicht die Erkenntnis. Ich weiß, das nagt und zerrt im Gewissen und lässt keine Ruhe. An anderer Stelle habe ich dir schon mal geschrieben: du brauchst Zeit. Nimm sie dir.

Ich glaube, der Schlüssel liegt darin, dass es für so einige Fragen keine Antwort gibt und die menschliche Lösung darin liegt, mit ihr irgendwann Frieden schließen zu können. Dazu vielleicht dieser Satz deiner Tochter:
Das sei alles nicht wichtig, meinte sie in ihren letzten Tagen, Hauptsache wir seien bei ihr und ließen sie nicht alleine.
Damit hat sie vollkommen recht. Mit 'nicht alleine' meinte sie nicht nur, dass ihr ihre Hand gehalten habt. Ihr habt zusammen gekämpft, gerungen, wie immer man es ausdrücken will und noch was ganz Wichtiges: ihr habt euch auch zusammen gefreut, wenn es ihr gut ging und habt sicher auch zusammen gelacht und hattet glückliche Stunden, Tage, Zeiten. So intensiv, wie ihr sie anders nicht gehabt hättet. Ihr habt auch schöne Dinge erlebt, für die andere ein ganzes Leben brauchen oder vielleicht niemals erleben. Ihr zusammen, die ganze Familie. Ihr habt das für sie und mit ihr gemeinsam getan. Alles! Nicht, weil 'man das so macht als Mutter oder Vater', sondern weil ihr euch geliebt habt. Dafür dankt sie euch in diesem Satz.

Der Professor meiner Frau rief mich auf dem Nachhauseweg aus dem Auto an und sagte mir entsprechendes. Ich wusste sofort, dass er recht hat. Doch es hat lange gedauert wirklich auch zu begreifen und zu verinnerlichen, dass das mein Schlüssel ist.

Ich kann gar nicht wie andere fühlen und denken, aber ich kann sie achten, respektieren und akzeptieren. Dabei ist für mich wichtig, dass ich ungeheuer viel lernen kann und dass mich solche Diskussionen zum Nachdenken anregen und mir wieder neue Wege eröffnen.
Wie andere fühlen und denken, das geht nicht. Stimmt. Doch bei aller Achtung und allem Respekt darf man Fragen stellen, wenn man verstehen will. Das mit dem Akzeptieren ist schon komplizierter. Den zweiten Satz kann ich voll unterstreichen. Ist ja auch der Sinn des miteinander Redens. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ich danach meine eigene Meinung revidieren muss.


Liebe Grüße und einen guten Tag,

Helmut

simi1
10.10.2013, 11:13
Liebe Evelyn,
lieber Helmut,

seit Tagen versuche ich nun eine Antwort auf eure wertvollen Beiträge zu formulieren. Leider vergeblich ...

Es wirbelt soviel in Kopf und Seele: Trauer, Schuld, Angst, Verzweiflung, Ohnmacht, Resignation, Hoffnungslosigkeit, Sehnsucht ... unbeschreiblicher Schmerz.

Andererseits ist da auch die Einsicht, dass nicht alles mit dem Verstand beherrschbar ist. Immer wieder blitzt ein Hoffnungsschimmer auf, irgendwann meinen Frieden mit allen Entscheidungen schließen und das Schicksal akzeptieren zu können.

Ja, beim Lesen und Überdenken eurer Worte spüre ich Hoffnung, dass eines Tages die schönen Gefühle die Oberhand gewinnen können: Erinnerung, Dankbarkeit, Freude, Zuversicht, Stolz, Frieden ... unendliche Liebe. Das gibt neuen Mut, die Tage anzugehen, sich durchzukämpfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Will jetzt gar nicht weiter Drumherum reden, wo passende Worte fehlen, sondern euch einfach von Herzen Dankeschön sagen - für eure Gedanken, für euer Einfühlungsvermögen, für eure Zuwendung, für euren Trost!

Liebe Grüße
Simi

evelyn-wieda
10.10.2013, 18:41
Liebe Simi,

manchmal braucht es keine Worte, weil man es fühlt. Ich mag dich ganz lieb still umarmen und ein wenig festhalten, mehr nicht, denn alles ist gesagt.

Es gibt da dieses Sprichwort: Die Zeit heilt alle Wunden.

Ich persönlich mag es nicht so. Viel treffender wäre für mich vielleicht, dass die Zeit einen anderen Blickwinkel ermöglichen wird und man dadurch etwas klarer sehen und loslassen kann. Wie ich Kerejon schrieb, steht man manchmal in einem schwarzen Tal und versinkt immer mehr. Doch irgendwann verändert man seinen Standpunkt nur durch eine kleine Bewegung und kann plötzlich die Sonne sehen. Für deine kleine Bewegung nimm dir Zeit, Helmut schrieb es dir ja schon, egal wie lange es dauert, denn die Sonne wartet immer auf dich.

@ Manfred
Schön von dir zu lesen.

So wünsche ich allen, dass ein Lichtblick scheint und man danach greifen kann.

Evelyn

Kerejon
18.10.2013, 00:20
Ihre lieben,

Ich würde gerne ein nicht so ganz geliebtes Thema anschneiden, welches mIch gerade betrifft, aber zu dem ich leibend gerne eine Antwort hätte.

Aufgabe, bzw. Aufgeben. Wie bereits erwähnt setzt mir die Tablettenchemo extremst zu und ich bin gerade an einem Punkt gekommen, an dem mir das Leben einfach keinen Spass mehr machen will. Bisweilen tue ich gar nichts mehr, halte mich von Laboruntersuchungen fern. Verweigere selbst ärztliche Hilfe und esse kaum noch irgendetwas. Es ist ja gar nichts weltbewegendes passiert aber so ganz langsam und schleichend ist bei mir so etwas wie Resignation eingekehrt. Ich nehme meine Chemos und nicht mehr am Leben Teil. Um ganz ehrlich zu sein verlässt mich auch die Lust am Leben.

Wie ist das bei Euch? Gab es gleiche Phasen in Eurer Krankheitsbewältigung?

Liebe Grüße

Chris

Wangi
18.10.2013, 01:46
Hallo Chris,

mir kamen zum Ende der Bestrahlung/Chemo auch solche Gedanken. Mir ging es sehr schlecht, ich konnte kaum noch etwas machen, war da schon 3 Wochen im Kh und konnte mich noch gerade so aufs WC schleppen.
ABER, meine beide erwachsenen Söhne waren zu der Zeit im Ausland, konnten mich nicht besuchen und ich hatte sie dadurch ja auch länger nicht gesehen. Und die wollte ich unbedingt wiedersehen und deshalb habe ich nicht aufgegeben!
Ich hatte regelrecht immer ein Bild vor Augen wie ich mich selber an den Haaren aus dem "Mist" heraus ziehe.
Ich kann deine Gedanken also verstehen, aber gib denen nicht nach so lange es sich lohnt weiter zu kämpfen.
Die Beschwerden der Behandlung gehen vorbei und danach ist das Leben meist wieder Lebenswert!
ich bin froh es überstanden zu haben und freue mich über jeden neuen Tag! :)

Liebe Grüße
Wangi

evelyn-wieda
18.10.2013, 11:46
Lieber Chris,

ja, ich hatte auch so eine Phase.

Weißt du, mir ging es ja schon bescheiden schön, bevor überhaupt die Ursache gefunden wurde – ich konnte kaum noch essen und musste mich permanent übergeben. Dann, nach der ersten Chemo fiel ich in ein Loch, mental wie körperlich. Ich habe nur noch gek… - es ging gar nichts mehr. Also ab ins Krankenhaus und dort hat man sich alle Mühe gegeben, mich zu stabilisieren. Ganze 10 Tage dauerte dieses Spiel bis ich wieder heim konnte. Entlassen wurde ich in einem jämmerlichen Zustand, schwach, matt, so, als ob jemand alle Freude, Kraft und Mut aus mir gezogen hätte. Ehrlich, damals dachte ich wirklich, ich schaffe das nicht und war auch dabei, mich aufzugeben. Aber da kam mein Freund ins Spiel. Er hat mich aufgerüttelt und mir klargemacht, dass ganz viel von meiner eigenen Denkweise abhängt, dass ich der Entscheider in meiner Welt bin.

Chris, damals entschied ich mich für das Leben, für das Annehmen der Diagnose und der Begleitumstände der Behandlungen. Und glaube mir, ich habe es bis zum heutigen Tag nie bereut. Das Leben ist einfach schön, wenn auch anders.

Klar gab es auch in der zurückliegenden Zeit schwere Stunden, da denke ich einfach an Anfang letzten Jahres, wo ich 8 Wochen in einer Spezialklinik war, und es ziemlich knapp war mit dem Leben. Aber da habe ich nicht an mir gezweifelt und ich hatte ganz viel Vertrauen in meinem Körper und in die Ärzte. Aufgeben kam für mich nicht in Frage, sondern vorwärts gehen und wenn es auch manchmal nur winzig kleine Schritte waren/sind.

Chris, ich mag dich noch fragen, was für dich momentan so schwer ist. Sind es körperliche Begleitumstände, die dich umhauen oder ist es die Psyche, die dich nicht zur Ruhe kommen lässt, die dich ständig anspannt, so dass dein Körper sich auch nicht erholen kann? Was verursacht deine Resignation, deinen Stillstand?

Wangi hat da ein schönes Bild für sich entwickelt, das finde ich richtig gut. Danke dafür.

Ich stelle mir z. B. auch bildlich vor, dass ich völlig gesund, frei und leicht tanze, umher springe, laufe und renne und glücklich bin.

Und ähnliche Bilder wünsche ich allen, die sich aus solchen Phasen ziehen.
Alles Gute
Evelyn

Chilipeperli
21.10.2013, 20:16
Lieber Chris

Ich denke die Phase der Resignation macht jeder Krebspatient früher oder später durch.
Mir ist diese Phase auch nicht unbekannt. Sie kam, als ich durch die Bestrahlung vor Schmerzen im Rachen, dem Geschmacks - und Speichelverlust auf Astronautenfood angewiesen war. Und ich aufgrund dessen meine Ausbildung unterbrechen musste. Dass ich die Ausbildung trotz der Therapie weiterfahren konnte, auch wenn es nicht immer einfach war, gab mir Halt. Das Essen bedeutete Lebensqualität für mich und auch die wurde mir genommen. Da hab ich mir ernsthaft überlegt, macht das alles noch Sinn. Ist es mir dieses Leiden wert?
Ich denke, du weisst selbst, dass eine Krebserkrankung nicht nur eine körperliche Erkrankung ist sond. auch die Psyche regelrecht herausfordert.
Aber was sind denn überhaupt die Gründe, weshalb du ans Aufgeben denkst? Vielfach ist ja nur ein kleines Problem der Auslöser dafür. Aber diese kleinen Probleme haben es oft in sich und wenn sie nicht ernst genommen werden, entsteht daraus ein grosses Problem.
Aber ich finde jede/r darf auch mal schwach sein. Man muss nicht immer stark sein. Es steht dir zu auch mal zu sagen:"Ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr". Das heisst nicht, dass du aufgeben tust. Viel eher ist es auch eine Stärke, einmal Schwäche zuzulassen.
Redest du denn mit irgendjemandem über deine Gefühle bzgl. der Krebserkrankung od. schreibst du einfach hier? Ich kann mir vorstellen, dass es für dich als Mann vom Fach nochmals viel schwerer ist gerade über eine Erkrankung zu sprechen die einem selbst betrifft. Ich kann mir vorstellen, dass du das Gefühl hast, dass man von dir erwartet, dass du stark bist und es schaffst. Aber du bist auch nur ein Mensch, ein Mensch mit Gefühlen der sich auch mal zugestehen darf schwach zu sein. Nimm deine Gefühle ernst und stehe dir zu, dass du momentan, die Schnauze voll hast.

Viel Kraft und alles Gute
Chili

Kerejon
22.10.2013, 00:02
Hallo Chili,

Um mal ganz ehrlich zu sein, hab ich die Schnautze gerade gestrichen voll.
Auslöser war ein Abendessen mit meinen Wltern, die es nach wie vor ignorieren, meine Situation anzunehmen. Bei jedem Telefonat muss ich sagen..." Hallo? Ich habe Krebs... " ... Und ich muss ein jedes mal wieder erklären, wie es um mich steht... Ganz einfach, weil meine Family überhaupt keinen U Gang mit der Erkrankung kennt. Ich schon. Kennst Du die Canditis? Ist die Phase, in der jeder Student im klinischen Stadium sich die schlimmsten Erkrankungen, die er sieht auf sich selbst ummünst.... Ich dachte eine lange Zeit, dass ich ALS erkrankt sterben werde.... Später hat sich das alles relativiert und auf einmal... BUMM?.. Krebs, und damit es auch gleich interessanter wird, einer der seltensten seiner Art.... Prima. Mit vierzig. Und dann nehme ich an Treffen meiner Familie Teil und alles stürzt in sich zusammen, ich will es nicht wahrhaben, wiegele ab und verdränge alles... Mit dem Erwachen am nächsten Tag setzten die Nebenwirkungen meiner Chemo wieder ein, und alles stürzt wie eine Welle über Dir zusammen. Trotzdem gehst Du arbeiten, und es ist Dir peinlich, dass Du bei der Patientenaufklärung Schweißausbrüche bekommst.Spätestens um 12 ist dann Schicht weil es nicht mehr geht .... Hier eine Lebensqualität zu finden fällt mir zumindest zur Zeit sehr sehr schwer....

Lieben Gruß

Chris

Chilipeperli
22.10.2013, 21:57
Ach... Chris:pftroest: Ich kann deine Gefühle sehr gut nachvollziehen.
Und die Situation in der du drinn steckt ist wirklich *Shit* Dass darfst du laut sagen. Du darfst diese Situation verfluchen und SOLLST sie auch verfluchen. Weil es einfach TATSACHE ist.
Ich verstehe sehr gut, dass es für dich sehr schwierig ist, dass deine Eltern, deine Situation bzw. deine Krankheit nicht akzeptieren. Vielleicht denken sie ja:"Ihr Sohn ist Arzt und dem kann nichts zustossen". Ich möchte in keiner Weise deinen Eltern etwas vorwerfen. Ich kenn sie nicht, ich lese nur deine Zeilen und mach mir meine Gedanken dazu.
Manchmal ist es auch so: dass Familienangehörige und Freunde bei so einer Diagnose Krebs so betroffen sind, dass sie erst einmal sprachlos sind.
Und wir möchten genau das Gegenteil, wir möchten sprechen.
Nicht Jammern, aber Gefühle austauschen und dass man uns einfach und dann ohne viele Worten einfach einmal in den Arm nimmt. Und besonders mit uns ganz normal umgeht!!
So erging es mir auf alle Fälle. Und meine Mam ist ebenfalls vom Fach ist, hatte es schwerer mit meiner Diagnose umzugehen als mein Pa, der nicht vom Fach ist!
Mein Tumor war auch ein seltener, dazu noch ein HNO-Tumor, was bei jungen Frauen noch seltener ist!
Leider ist es so, es kann jeden Treffen und dann immer zu dem Zeitpunkt, an dem man es am liebsten nicht haben möchte!
War bei mir nicht anders! Zuvor psychisch am Abgrund! Nach psychi-Klinik und zwei Jahre stationärem Aufenthalt wieder eine Ausbildung angefangen. Psychische Krankheit überwunden, dann BUMM... wie ich nicht schon genug hatte: Krebs!
Weisst du, manchmal habe ich fast das Gefühl, es braucht diese Erkrankungen! Darum, weil sie einem JETZT dazu zwingen etwas zu verändern, vielleicht etwas zu Retten was im Lot ist. So unverständlich das jetzt für dich tönen mag, es gibt auch ganz viele positiven Seiten, des Krebses! Auch wenn du es jetzt nicht siehst und ich das natürlich total gut verstehen kann!
Ich denke was du jetzt brauchst, ist Zeit, Zeit für dich wieder zu finden. Wieder auf den richtigen Pfad zu gelangen. Tu ganz viele Sachen dir gut tun! Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du das brauchst! Und schreibe dir all deine mise Laune vom Kopf.
Ich glaube dass du deinen Weg finden wirst auch wenn nicht heute oder morgen, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass du einen positiven Umgang mit deiner Erkrankung finden wirst. Lass dir einfach Zeit dazu und vergiss nicht, es gehört zum Leben auch negative Gefühle zu haben.

Weiterhin viel Kraft und alles Gute
Chili

mucki53
22.10.2013, 23:50
Hallo Chris,
ich habe lange überlegt, ob ich hier schreiben soll.
Keine Frage, Deine Diagnose ist Schxxx. Und Deine Gefühle sehr verständlich und uns wohl allen bekannt.
Aber besonders bei deinem letzten Post ist mir eines wieder aufgefallen:
Einerseits schreibst Du, Deine Eltern gehen nicht auf Dich ein, andereseits schreibst Du auch, dass Du verdrängst, abwiegelst, grade auch auf Familientreffen.
Hast Du denn Deinen Eltern auch mal Deine Gedanken und Ängste geschildert ? Oder meinst Du, es ist ihnen unangenehm oder gar egal ?
Hast Du überhaupt mal mit jemandem so richtig geredet, nicht als Arzt sondern als MENSCH ?
Ich habe den Eindruck, Du willst alles mit Dir alleine abmachen, hast Deine Krankheit noch nicht angenommen und akzeptiert.
Akzeptieren heisst, auch besser aktiv zu werden.
Das geht auch leichter, wenn man sich mit guten Freunden bereden kann, man reflektiert das dann selbst auch irgendwie anders.
Wenn Du das nicht möchtest/kannst, würde Dir vielleicht ein Psychoonko helfen.
Gerade weil Du vom Fach bist, vergisst Du evtl., dass Du ein Mensch mit Gefühlen, Ängsten und Zweifeln bist. Und denen MUSS man sich in unserer Situation stellen. Die Frage nach dem "warum" und "warum ich" helfen nicht weiter und Verdrängen kostet viel Kraft, die wir anderweitig brauchen.
Nimm DICH an, so wie Du jetzt bist, auch mit der Krankheit.
Das hat nichts mit Beschönigen oder krankhaftem Optimismus zu tun - wir alle haben schöne Tage und Durchhänger - sondern mit Aufatmen, Luft holen und sagen: Jetzt gilt's !
Und: Gibt Dir denn Deine Arbeit so viel, dass Du sie auch weiterhin machst, obwohl es Dir dreckig geht ? Oder ist sie auch ein bissl Flucht vor Dir selbst, den Gedanken, Ängsten und Zweifeln, die in "Freizeit" vielleicht erstmal überhand nehmen ?
Wenn ich Dir mit meinen Gedanken zu nahe getreten bin oder Dich geärgert habe, dann entschuldige bitte. Das ist nicht meine Absicht !
Ich möchte Dir - hoffentlich - damit helfen, Deinen jetzigen inneren Kampf (und Krampf) zu lösen, damit Du den gegen Deine Krankheit aufnehmen kannst.
Aber zunächst wünsche ich Dir, dass alle Übel der Chemo bald vorübergehen und sie Dir helfen kann :knuddel:.

Volker.M
23.10.2013, 13:20
Moin Chris!
Um mal ganz ehrlich zu sein, hab ich die Schnautze gerade gestrichen voll.
Auslöser war ein Abendessen mit meinen Eltern, die es nach wie vor ignorieren, meine Situation anzunehmen. Bei jedem Telefonat muss ich sagen..." Hallo? Ich habe Krebs... " ... Und ich muss ein jedes mal wieder erklären, wie es um mich steht...
Ich bin hier zufällig auf denen Post gestoßen, kenne deine Vorgeschichte (Krankheitsverlauf und Zeiträume) nicht, fühle mich aber bei deiner Situationsbeschreibung an meine aktuellen Erfahrungen erinnert.
Vor ca. 1 Jahr wurde bei mir ein Tumor mit 80%er Ausdehnung über einen Lungenflügel diagnostiziert. Dieser wurde dann mit Chemo auf ca. 50% Ausdehnung verkleinert und seit ca. 6 Monaten mit erhaltener Chemo unter Kontrolle gehalten.
Meine Mutter (Vater 1993 gestorben), wohnhaft im Nachbarort, hat es trotz des Wissens um meinen Zustand bis zum heutigen Tag Zeit nicht geschafft sich mit mir persönlich oder telefonisch in Verbindung zu setzen - Ausnahme ein Anruf mit Text auf dem AB (letzten Winter als ich im Krankenhaus wegen einer Infektion um mein Leben kämpfte): "Du kannst ja mal anrufen...". Ich habe bis heute nicht angerufen, da ich dieses Verhalten nicht akzeptiere.

Natürlich habe ich lange darüber nachgedacht, was meine Mutter dazu bringt sich so zu verhalten, wenn das einzige Kind unter einer Krankheit leidet, an der es jeden Tag sterben kann. Ich bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass sie selbst dermaßen große Angst vor einer ähnlichen (unheilbaren) Krankheit hat, dass sie sich einfach nicht in der Lage ist dieser offen in das Gesicht zu sehen. Meine Konsequenz daraus: Ich werde sie auch nicht damit "belästigen", denn sie ist einfach nicht stark genug (im Gegensatz zu meiner Frau) dieses Leben mit den möglichen Folgen zu ertragen.
Meine generelle Konsequenz für mein Leben daraus: Ich trenne mich von allen Menschen, die mir (meiner Meinung nach) nicht gut tun und mache keinen Unterschied zwischen Verwandtschaft oder anderen Personen.

Ich weiß nicht ob ich das Recht habe den Rat zu geben: Vielleicht wäre der richtige Weg, deine Eltern mit dem Thema nicht unter Druck zu setzen - so wie du es beschreibst, wirst du die gesuchte Anteilnahme wohl auch in Zukunft nicht finden. Es wird dich so aber weiter belasten und dir wichtige Kräfte für den Widerstand gegen deine Krankheit rauben.
Es gehören schon besondere persönliche Eigenschaften dazu, mit der Krankheit und mit uns als betroffene Menschen umzugehen. Letztendlich werden wir immer wieder feststellen, dass selbst Menschen die uns viel Verständnis entgegen bringen nicht in der Lage sein werden, unser Leben seit Diagnose unserer Krankheit nachzuvollziehen.

Cecil
23.10.2013, 18:33
Hallo,
zunächst einen freundlichen Gruß von mir in die Runde.

Eigentlich wollte ich in diesem thread nicht schreiben, weil mir das Thema nicht so liegt. Dennoch habe ich eifrig mitgelesen. Da Ihr nun aber auf das Thema „Eltern“ gekommen seid, hat mich dann doch nichts mehr gehalten.

Ich kenne die Situation recht gut. Meine Eltern haben mich und damit auch meinen Mann hinsichtlich unserer Kinder entlastet und mich zeitweise sogar körperlich gepflegt. Da zu dieser Zeit das einzig Spannende in meinem Leben der Verlauf meiner Behandlung war und auch ständig irgendetwas Neues passierte, fing ich beim Mittagessen regelmäßig davon an zu berichten. Und meine Eltern, insbesondere meine Mutter, reagierten zunehmend unwirsch mit Sprüchen wie „es ist doch nun vorbei ….“ (dazu muss man wissen, dass die Nachsorge nach SZT Teil der Behandlung ist), „ du hast es überstanden“ oder „andere Menschen sind auch krank“.

Reagiert habe ich so, wie ich es jetzt auch bei Euch vereinzelt lese. Ich musste mich erst mit einer Außenstehenden darüber austauschen, um zu verstehen, dass das die Art meiner Eltern war, mit dem anhaltenden Schock umzugehen. Weil es nun mal „nicht normal“ ist, dass die Kinder u. U. vor ihren Eltern gehen. Weil meine Eltern auch nicht mehr die Jüngsten und teilweise an ihre Grenzen gestoßen sind. Weil sie aus eben diesem Grund sowohl sich selbst als auch mir wieder mehr Normalität gewünscht haben. Das Gefühl, das alles (wieder) gut ist.

Hallo Chris,
auch ich wollte Dich gern einmal fragen, wenn ich darf, ob die Arbeit Dir mehr Ablenkung bietet oder Dich eher belastet? Dabei habe ich selbst festgestellt, dass manchmal beides gleichzeitig möglich ist …...

Kerejon
23.10.2013, 23:03
Hallo Cecil, ich möchte Dir hier exemplarisch antworten, schließe aber die Vorschreiber ( Chili, mucki et al ) mit ein.

Du hast den berüchtigten Nagel so ziemlich korrekt getroffen. Meine Eltern wollen einfach nicht glauben, dass Ihr Sohn an einer, in unserer Fanilie bislang seltenen Krankheit sterben wird. Ich habe den Eindruck, mein Vater hat das schon verstanden, aber mütterlicherseits bekomme ich immer wieder zu hören: " Ach Hör doch auf, du hast doch kein Krebs..." Sie sind traurig, verzweifelt und versuchen ihr Möglichstes, aber schaffen es doch nur unzureichend, die Situation zu begreifen. Nichts anderes wollte ich damit sagen.

Was meine Arbeit angeht:

Es tut weh.... Sehr weh. Ich quäle mich jedes mal in die Klinik, konnte jetzt aber einen Halbtagsjob vereinbaren. Denn es ist tatsächlich so, dass mich die Arbeit mit Patienten ablenkt. Ich kann mich voll und ganz einem anderen Schicksal widmen, helfen bei selbst Krebskranken und nicht selten teile ich meine Krankheit mit, was auf unglaubliche Reaktionen stößt. Ich trete den Patienten auf einer völlig anderen Ebene entgegen ohne meine fachliche Kompetenz gefährdet zu sehen. In sofern ist die Arbeit, so weh sie mir auch tut, das so ziemlich einzige, was mich voran treibt. Abgesehen von meiner Lebenspartnerin natürlich, selbst Ärztin, und in diesen Dingen ähnlich verkopft wie ich ;-)

Euch allen ganz liebe Grüße

Chris

Cecil
24.10.2013, 20:00
Hallo, Chris,

wenn ich jetzt noch einmal hier schreibe und auf das Thema „Kämpfen“ zurückkomme, dann bin ich mir bewusst, dass ich das vom hohen Ross herunter tue; ich weiß auch nicht, wie Tablettenchemo sich anfühlt, habe lediglich bei meiner Kur mal mit zwei Patientinnen am Tisch gesessen, die auch eine nehmen mussten.
Nenne es eine Zwangshandlung: Interessehalber habe ich mal geschaut, was sich bei Deiner Art von Krebs so tut. Dabei sprangen mich erkennbar mehrere Tyrosinkinase-Inhibitoren und Antikörper an. Später kommen vielleicht noch Immunkonjugate und irgendwann … um einiges später gibt es Vakzine, so wie bei HPV.
Vielleicht geht es tatsächlich darum, Zeit zu überbrücken, bis auch hier ähnliche Erfolge erzielt werden wie bei unseren chronischen Leukämien. Ich würde mir für Dich wünschen, dass es schon bald soweit ist.

Alles Gute!

Kerejon
24.10.2013, 21:43
Hallo Cecil,

Auf Zeit spielen wird bei mir nicht drin sein ;-) bei dieser seltenen Tumorart wird kaum geforscht, da es sich finanziell nicht lohnt, da nur marginale Nachfrage.

Wie ich schon irgendwo vorher schrieb, kenne ich die beiden führenden Köpfe, was die Behandlung angeht, persönlich und würde auch im fernen Ausland niemand anderen finden.

Es werden zur Zeit viele Chemos studiert, in Kombination od. alleine, aber in meinem Stadium hilft nur der Insketizidabkömmling ( DDT ) Mitotane mit 30 % Wahrscheinlichkeit. Wenns gut läuft, muss ich das Zeug 2 Jahre schlucken und dabei meine gesunde Nebenniere zerstören, Herr Addison lässt Grüßen.

Aber wie sagt man so schön? Kollateralschaden... :augen:

Liebe Grüße

Chris

Cecil
24.10.2013, 22:43
...
Es werden zur Zeit viele Chemos studiert, in Kombination od. alleine, aber in meinem Stadium hilft nur der Insketizidabkömmling ( DDT ) Mitotane mit 30 % Wahrscheinlichkeit. Wenns gut läuft, muss ich das Zeug 2 Jahre schlucken und dabei meine gesunde Nebenniere zerstören, Herr Addison lässt Grüßen. .....


.... nachdem Du bisher so viel Pech hattest, wünsche ich Dir im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit, dass Du jetzt einfach mal riesiges Glück hast. :winke: (Hier gibt es leider so gar nichts mit Kleeblatt oder Marienkäfer .....)

Evtl. schreib ich auch noch mal was in "seltene Krebsarten", wenn ich darf und Dir nicht zu nahe trete.

Kerejon
29.10.2013, 01:14
Hey Cecil,

Danke für Deine aufmunternden Worten. Ich gebe zu, ich baue psychisch zur Zeit extrem ab. Zwar gehe ich meiner Arbeit noch nach, beschränke mich aber bewusst, oder vielleicht auch unbewusst auf Leidensgenossen und implantiere venöse Ports... Die Aufklärungsgespräche sind jedes mal interessant.

Lieben Gruß

Chris

mucki53
29.10.2013, 01:59
Hallo Chris,
ich wünsche Dir ganz doll, dass Du bald aus Deinem seelischen Tief herauskommst !
http://www.wuerziworld.de/Smilies/girl/gi90.gif und http://www.smilies.4-user.de/include/Tiere/smilie_tier_312.gif (http://www.smilies.4-user.de) !

Cecil
29.10.2013, 07:46
Danke, Mucki,
davon braucht Chris jetzt ganz viel, glaube ich.

katgirl
29.10.2013, 22:10
@Chris: :pftroest:

LG

Chilipeperli
30.10.2013, 23:59
@Chris, lese ich richtig, dass du zugeben kannst, dass du psychisch z.Z. abbaust?

Mag vielleicht komisch klingen aber die Akzeptanz, dass du psychisch abbaust, zeigt, dass ein Prozess in dir stattfindet und ist bereits ein kleiner Schritt nach vorne!

Obwohl es natürlich sicher nicht gut ist, wenn es dir psychisch schlecht geht ist es wenigstens die Akzeptanz und darauf kann man aufbauen. Dieser Prozess kann dauern aber von meiner Seite her, weiss ich dass es möglich ist, Wege heraus zu finden.

Ich kann dich nur ermuntern weiter zu machen.

LG Chili

Kerejon
01.11.2013, 01:37
Liebe Chili,

Das hast Du genau richtig erkannt. Wollte es mir selbst lange nicht eingestehen, aber es ist so. Ich war heute beim Herzcheck ( u.a. Wegen meiner Hypertonie ) und ich muss jedem dort Elend vorgekommen sein, sie waren so nett und aufmunternd... Mitgefühl obwohl ich mich bemüht hatte, normal zu sein...

Werde mir nun psychoonkologischen Hilfe suchen... Hab's kapiert... :remybussi

Liebe Grüße

Chris

Chilipeperli
01.11.2013, 13:43
Lieber Chris

Danke für deine lieben Worte.

Ich kann etwas mit dir fühlen obwohl mein Weg und meine Prognosen sicher ganz aussehen als deine.
Trotzdem kenne ich das Gefühl der tiefsten Depression und weiss dass das Gefühl: "SHIT" ist.
Bei einer Depri ist es so, dass die Prognosen auf vollständige Heilung gut sind. Ich auf alle Fälle habe es geschafft und habe den Weg hinaus gefunden.
Wenn man mich allerdings fragen würde, welche Krankheit (Depression, Krebs) ich als schlimmer empfunden habe, dann kann ich ganz klar sagen: Depression!
Trotzdem sehe ich an meinem eigenen Beispiel sehr schön, dass es möglich ist Wege aus der Krankheit zu finden. Ich habe es sogar geschafft meine angefangene Ausbildung neben der Diagnose Krebs im selben Jahrgang in dem ich angefangen habe abzuschliessen! Naja das war aber auch nur möglich, weil ich eine gute Schülerin war.

Heiiii und nimm die Aufmunterungen an. Das hast du mehr als verdient, weil deine Situation wirklich "SHIT" ist und das muss man nicht schön reden. Wirklich NICHT. Ich glaube, dass dir alle hier Recht geben würden. Und wenn du dir vorstellst, ein Pat. von dir würde dir sagen, dass Krebs doch eine grauenhafte Erkrankung ist, dann würdest du ihm doch auch Recht geben und ihn aufmuntern. Oder liege ich falsch?
Du darfst auch zeigen, dass es dir schlecht geht! Kurios es tönen mag, es löst Spannung, weil man sich selbst sein kann.
Wenn man versucht sich zu verstellen, braucht das enorm viel Kraft. Ich habe das lange selbst praktiziert, aber dann gemerkt, dass das Labyrinth nur grösser wird als umgekehrt.
Und wiederum, ist es wichtig differenzieren zu können, wo man zeigt wie es einem wirklich geht!
Mein Beispiel dazu ist: Auf der Radio - Onko hatte ich einen Arzt. Er war grundsätzlich ganz ein lieber aber er konnte sich meiner Situation gegenüber nicht abgrenzen. Er tat sich sehr schwer und er tat mir leid, dass es ihm wegen mir nicht gut ging und fühlte mich verantwortlich ihm gegenüber. Aber ich konnte ja auch nichts dafür, dass ich auf der Radio - Onko landete und ich erwartete von ihm eigentlich das Gegenteil: Das er sich abgrenzen konnte, gerade weil ich ihm zeigen wollte, wie es mir ging, was ich ansonsten bei ganz wenigen Menschen machte. Und mir fiel es leichter professionellen Menschen zu zeigen wie es mir ging, da es ja ihr Alltag ist und sie mit so einer Diagnose Krebs nicht gleich den Weltuntergang sehen. Verstehst du was ich meine?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass du einen positiven Umgang mit deiner Erkrankung finden wirst. Ich möchte nicht beschönigen, dass es ein leichter Weg sein wird, aber wenn man möchte, kann es möglich sein und ich lese zwischen deinen Zeilen obwohl sie oft sehr negativ tönen trotzdem das Positive hinaus. Also... nur weiter so!

Alles Liebe und viel Kraft
Chili

mucki53
05.11.2013, 00:08
Lieber Chris,
DU hast den ersten Schritt getan, das freut mich !
Nun lasse auch Hilfe zu, egal, ob von Freunden oder von aussen.
Wir können und müssen nicht immer stark sein.
Wir müssen lernen, Geduld zu haben, mit uns selbst und anderen.
Wir müssen uns eingestehen, das nichts mehr so sein wird wie früher und dass wir auch mal schwach sein dürfen, ja müssen. Wir sind ja keine Übermenschen.
Das Entscheidende ist, dass wir immer wieder aus dem Loch herauskommen und irgendwann dem Schlechten auch was Gutes abgewinnen können.
Ich habe mich z. B. von den Menschen getrennt, die nicht gut für mich waren.
Mochte nicht mehr "everybodys Darling" sein.
Habe erfahren, wer wirklich gute Freunde und dass sie nicht mit Gold aufzuwiegen sind !
Unsere Ehe ist noch inniger geworden, was in unseren Fällen auch nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Ich wünsche Dir auf Deinem Weg alles erdenklich Gute und viel Kraft :knuddel:. Aber die hast Du, da bin ich sicher !

Kerejon
06.11.2013, 23:47
Hallo, ihr lieben.

Habe eine schreckliche Zeit aufgrund einer Medikationsänderung ala Blackjack zu bewältigen, und irgendwie ist jede Änderung der Medikation verheerend.

Kann kaum noch arbeiten, , bin rasch erschöpft, wechsle nachts mehrmals das Shirt ( B - Symptomatik lässt Grüßen ). Meine körperliche Verfassung verschlechtert sich von Tag zu Tag. Werde endokrinolog. jetzt durchgecheck und freue mich schon auf die anstehende PET- CT im Dezember :

Ich schreibe dies nur, dass Ihr nicht böse seid, wenn ich einige Zeit von der Bildfläche verschwinde.

Liebe Grüße an Euch alle...

Chris

Cecil
07.11.2013, 07:51
Hallo, Chris,

vielleicht wäre es dann auch in Ordnung sich vorübergehend krank schreiben zu lassen?
Dein Psychoonkologe könnte Dir eine (Gruppen-)Gesprächstherapie verordnen und ein Arzt für Rehabilitationsmedizin (oder auch jeder andere, aber der am ehesten) könnte mit Dir gemeinsam überlegen, welcher Sport derzeit der beste für Dich wäre und ihn Dir verordnen.
Bitte hol Dir Hilfe, die Dir zusteht und die Du brauchst!

Chilipeperli
07.11.2013, 11:27
Hallo, Chris,

vielleicht wäre es dann auch in Ordnung sich vorübergehend krank schreiben zu lassen?
Dein Psychoonkologe könnte Dir eine (Gruppen-)Gesprächstherapie verordnen und ein Arzt für Rehabilitationsmedizin (oder auch jeder andere, aber der am ehesten) könnte mit Dir gemeinsam überlegen, welcher Sport derzeit der beste für Dich wäre und ihn Dir verordnen.
Bitte hol Dir Hilfe, die Dir zusteht und die Du brauchst!

Mich Cecil anschliessen tue.

Vielleicht löst der Gedanke "Krankschreibung" ja ein Schwächegefühl in dir aus. Aber eigentlich, beweist es eine Menge Stärke!

Lass die Schwäche in dir zu und hab den Mut um eine Krankschreibung zu bitten.

Weiterhin alles, Liebe und Gute, v.a. aber viel Kraft und Mut
Chili

Kerejon
13.11.2013, 22:57
Einen schönen guten Abend,

Ich habe keine Ahnung was ich eigentlich schreiben wollte, aber mir war einfach mal wieder danach ;-)
Habe einige Untersuchungen hinter mir, habe mit Sorge die Ergebnisse und Interpretationen der Kollegen vernommen, selbige wieder verworfen und Nachts um drei Uhr wieder in den Gedankenkreisel aufgenommen.

Psychisch gesehen ändert sich nicht wirklich viel, allerdings ist die seelische Reaktion auf die letzte negative Nachricht lange her. Naja, relativ gesehen, wenn man bedenkt, daß ich nur noch in Wochen denke.

Was tut sich ? Die Todesangst hat vermeintlich abgenommen, schlägt im nächsten Moment um so mehr zu, man denkt einige Stunden nicht nach und umso mehr trifft einen die Erinnerung.

Die Lebenspartnerin leidet still vor sich hin und es brennt mir in der Seele, dies zu sehen, alleine wegen Ihr werde ich bei dem Gedanken an mein Ableben todtraurig. Vermutlich kennen andere Betroffene ähnliches.

Was ist es, was uns in einer solchen, uns existenziell bedrohenden Situation so denken lässt? Wenn das Kämpfen/ Bemühen um das Überleben über die erste Person hinaus geht und das Wohlergehen der geliebten Menschen dermaßen wichtig wird.

Eine extrem verwirrende Situation, die das alles nicht in besser verdauliche Happen aufteit, auch wenn man das Messer noch so schärft.

Euch alles Liebe

Chris

Volker.M
15.11.2013, 14:09
Hallo Chris!
Die Lebenspartnerin leidet still vor sich hin und es brennt mir in der Seele, dies zu sehen, alleine wegen Ihr werde ich bei dem Gedanken an mein Ableben todtraurig. Vermutlich kennen andere Betroffene ähnliches.
Ich kann deine Situation sehr gut nachvollziehen und bei mir sieht es ähnlich aus. Ich habe bereits vor ca. 1 Jahr gedanklich mit dem Leben abgeschlossen, eigentlich auch nicht das Gefühl noch etwas zu versäumen wenn es zu Ende geht - aber der Gedanke daran meine Frau mit dem voraussichtlichen Schmerz alleine zu lassen macht mich zu tiefst unglücklich.
Selbst wenn wir die Situation für uns durch viele Gespräche und realistische Betrachtung augenscheinlich im Griff haben, so steht an Ende doch eine unumkehrbare Situation als deren Leidtragender meine Frau stehen wird. Ich tue alles dafür, damit sich dieser Zeitpunkt so weit wie es nur geht heraus zögert und versuche meine Gedanken zu dem Thema so intern wie möglich mit mir selbst zu klären - mehr wird wohl auch dir nicht übrig bleiben.
Was ist es, was uns in einer solchen, uns existenziell bedrohenden Situation so denken lässt? Wenn das Kämpfen/ Bemühen um das Überleben über die erste Person hinaus geht und das Wohlergehen der geliebten Menschen dermaßen wichtig wird.
Ich behaupte mal, dass es wir uns als Betroffene in unserer Endphase auf die Dinge des Lebens konzentrieren die uns wichtig sind. Ich kann es für mich sogar noch extremer ausdrücken: Seit dem ich mein zu erwartendes Schicksal kenne, trenne ich mich immer mehr von für mich unwichtigen Menschen und wende mich denen zu, die in der Lage sind meine Situation zu akzeptieren. Ich fühle mich da wohl so ähnlich, wie ein Behinderter im Rollstuhl, der akzeptiert werden und kein Mitleid will. Erklärungen und Krankheitsbeschreibungen habe ich inzwischen auf ein Minimum reduziert.

Leider bleibt mir nichts anderes als zu sagen: Es ist eine Sache zwischen dir und dem Partner - ich wünsche euch alle Kraft der Welt, damit ihr damit Leben könnt.

conquerer
19.11.2013, 00:56
Das Wort Kampf umschreibt es doch alles sehr treffend, im übertragenen Sinn. Mein schlimmster Albtraum war es immer, diese Krankheit irgendwann zu bekommen. Und wenn ich vielleicht keine Familie hätte, würde ich das alles gelassener sehen. Man will doch niemanden zurück lassen und sein kind noch aufwachsen sehen.

Aber irgendwie ist man doch immer am kämpfen. Sei es mit Versicherungen, Behörden oder anderen Dingen, die einem das ganze auch noch erschweren.

Bei mir ist es oft so, das ich denke lohnt sich das für mich noch. Geht das Euch auch so ?

In der momentanen Situation merke ich dann wieder, das es Zeit ist sich von menschlichem Balast zu trennen. Manche Menschen, die die Krankheit noch nicht kennenlernen mussten, verstehen die Denkwweise eines Krebskranken wohl nicht. Da gibt es Teile der Familie, die es sowieso kaum interessiert was mit Einem ist oder auch Freunde, die nicht verstehen das man vielleicht nicht in der Stimmung ist weg zugehen.

Alles in Allem muss man sich ein dickes fell wachsen lassen und auch mal deutlich sagen können: Nein.

Vielleicht ist das auch ein Gesellschaftsbild was man da in sich trägt. Arbeiten und Sparen damit man es später mal schön hat. Wenn ich heute schon Mittdreissiger sehe, die sich Gedanken machen wie ihr Leben in 30 Jahren wird und die Rente gesichert ist, muss ich manchmal in mich hineinschmunzeln.

Wichtig ist doch das wir im hier und jetzt leben und nicht in Jahrzehnten und diesen Kampf werden wir wohl bis zum bitteren Ende ausfechten. Für mich ist es wichtig, das wenn es mich Morgen treffen sollte, ich sagen kann: Ich habe gelebt...

Ich denke für einen Mediziner ist das noch einen Zahn härter, sein Schicksal zu akzeptieren.

evelyn-wieda
30.11.2013, 19:52
Ein liebes Hallo an Alle.

Und nein, ich kann meine Klappe nicht halten, geht nicht und so möchte ich dir, lieber Chris, meine Gedanken zu deinen Gedanken sagen.

Ja, ich weiß, wie es einen umhaut, wenn negative Befunde offen gelegt werden. Dabei habe ich einen Vorteil dir gegenüber, denn ich höre nur „das Grobe, Unausweichliche“ und will und wollte keine Details wissen. Aber sie galt es zu verdauen, aufzunehmen, ja noch besser anzunehmen.
Dann hatte ich ja die Wahl mich in diese Situation fallen zu lassen und mich wieder dem Kopfkino hinzugeben oder aber nach wie vor das Kopfkino auszuschalten, aus diesem Karussell auszusteigen. Stopp zu sagen. Die Notbremsen ziehen, um im Hier und Jetzt bewusst zu leben.

Weißt du, keiner, wirklich keiner weiß, was morgen passieren wird und wenn ich heute schöne Dinge erlebe, mich an einem Geruch, einem Bild, einem Buch, einem Gespräch, einer Person, einer Situation erfreuen kann, dann freue ich mich.

Das mit den Angehörigen ist ein anderes Ding. Ja, es tut weh, sie leiden zu sehen und zu wissen, sie leiden wegen mir. Meine Tochter ist immer so wütend, wenn es mir schlecht geht, weil sie dann stets ohnmächtig und hilflos ist/war. Anfangs hat uns diese Situation sprachlos gemacht, ein jeder hat für sich getrauert und auch geweint. Bis wir offen darüber gesprochen haben und uns das Loslassen des Anderen gegönnt haben.
Auch der Gedanke an meinem Lebenspartner, ihn alleine zurücklassen mit all der Bürde und der Ungewissheit, der Angst, schafft er es finanziell überhaupt? Wie wird er weiter leben? Das hat mich total fertig gemacht, ja verzweifelt und leer. Auch hier hat mir, hat uns ein offenes Gespräch geholfen und dann meinte er: „Mach dir mal keine Sorgen um mich, ich komme zurecht und alles wird gut. Mach dir doch deine Last nicht noch schwerer mit meinen Angelegenheiten, die du sowieso nicht ändern oder gar lösen kannst. Und wenn du etwas für mich tun möchtest, dann erledige es jetzt, hier: Schmeiße all den Ballast ab und lebe, genieße deine Zeit mit mir, dann kann ich doch auch diese Zeit genießen und mich freuen und gar frei sein, dann leben wir. Was kommen mag, das wissen wir beide nicht. Es zählt doch für uns das Heute, was wir einfach feiern werden!“ Und das haben wir dann auch getan.

Chris, du fragst: "Was ist es, was uns in einer solchen, uns existenziell bedrohenden Situation so denken lässt? Wenn das Kämpfen/ Bemühen um das Überleben über die erste Person hinaus geht und das Wohlergehen der geliebten Menschen dermaßen wichtig wird.“


Angst, würde ich meinen, einfach nur Angst. Angst um das eigene Leben und Angst um die Angehörigen, wir wollen sie nicht verletzten, ihnen weh tun, sie leiden sehen und schon gar nicht um unsertwegen. Oder?

@ Conquerer, du fragst: Bei mir ist es oft so, das ich denke, lohnt sich das für mich noch. Geht das Euch auch so?

Nein, gar nicht. Im Gegenteil, ich gönne mir das, was ich mir gönnen kann und es lohnt sich doch alle male, Freude zu haben, glücklich zu sein, das Leben zu spüren, das bin ich mir Wert. Ja, ich bin es wert zu leben und mir etwas zu gönnen. Da gibt es so einen schönen Spruch, finde ihn leider nicht und sage ihn so aus den Gedanken heraus:

„Und wenn ich wüsste, ich würde morgen sterben, so pflanzte ich heute noch einen Baum!“

Diese Aussage finde ich sehr schön und für mich und meine Einstellung treffend, denn das Leben geht weiter, immer weiter.

So wünsche ich allen einen schönen ersten Advent.
Alles Liebe
Evelyn

NancyChemnitz
12.12.2013, 15:58
Hallo,
Mein name ist Nancy. Ich bin 21 jahre alt und habe dieses Jahr die Diagnose Hirntumor bekommen.Ich bin leider nur mit Handy online aber ich würde alles dafür geben zu sehen, dass ihr hier noch aktiv seit und ich jemanden zum reden finden würde. Ich fühle mich so alleine weil ich zu niemanden Kontakt habe oder finde der ähnliches erlebt hat und noch nicht über 50 ist. Nichts gegen das Alter, aber es ist einfach ein Unterschied.
Ich würde mich riesig über eine Reaktion freuen.
Ganz liebe Grüße.
Nancy

HelmutL
12.12.2013, 19:08
Hallo Nancy,

erstmal herzlich willkommen in diesem Forum. Ganz sicher ist es ein Unterschied ob 21 oder Ü-50.

Bei spezifischen Fragen zum Hirntumor guckst du hier (da ist das Alter wohl eher irrelevant):

Hirntumor - http://www.krebs-kompass.de/forumdisplay.php?f=19

Zum Austausch mit jungen Krebspatienten guckst du hier:

Forum für junge Krebsbetroffene (U25-Forum) - http://www.krebs-kompass.de/forumdisplay.php?f=69


Alles Gute,

Helmut

Kerejon
14.12.2013, 03:11
Hallo Nancy,

Herzlich Willkommen in dem besonderen Forum, in dem miteinander und nicht übereinander debattiert wird.
Das wichtigste hat Helmut ja schon erwähnt. Aber hier auch noch mal von mir:
Falls Du Fragen hast und Hilfe brauchst..... Nur zu.. ;-)

Gute Besserung

Chris

urbs123
16.02.2014, 11:27
Ja ich bin keine Krebskämpferin, bitte seid mir nicht böse, ich wurde im juni2013 3 Mal operiert und war 10 Tage intensiv, es hat mich keiner gefragt ob ich das will. Es gab eine Nacht, da wäre ich fast gestorben. Und in der willenlosen Phase der Chemo dachte ich mir oft es wäre so leicht gewesen.

Wärend der chemo kam ich mir vor wie eine arme Büßerin, ich habe trotzdem gekämpft aber nicht gegen die krankheit, sondern gegen Spitalsstrukturen, wollte immer möglichst schnell nach Hause. Zu Hause habe ich auch nicht gekämpft, ich war nur da, für meine Kinder so gut es ging.

Im Moment sind einmal keine Anzeichen für den krebs da. Das ist nicht mein Verdienst. das Chemogift hat seine Arbeit getan. Ich habe nur erduldet.

Da ich vermutlich noch bauchfellmetastasen habe, die nur nicht sichtbar sind, wird die Krankheit wieder kommen. Was soll ich da kämpfen???? Ok ich mache Bewegung, (soll gut sein) Avastin alle 3 Wochen, (soll auch gut sein), aber das ist kein kampf.

Und bitte es ist wurscht was ich denke oder andere denken, wenn die Krankheit wieder kommt ist sie da. Bis dahin weine ich , habe Angst, lache ich , flirte mit meinem Freund, verusuche zu leben trotz Krankheit. So und jetzt muss ich mit meinem sohn englisch lernen.

Wangi
16.02.2014, 22:08
Hallo Urbs,

du sagst du hast Kinder? Und du hast nicht für sie gekämpft?

Meine Kinder, 2 erwachsene Söhne, waren und sind meine Motivation zu kämpfen! So lange bis es wirklich nicht mehr geht. Und die würden mir auch in den Hintern treten wenn ich das nicht mache :).

Das hat mich auch die 5 qualvollen Wochen im Kh aushalten lassen und auch ich wäre da fast gestorben, aber ich wollte die Beiden wieder sehen, konnten mich in der Zeit nicht besuchen da sie beide im Ausland waren.
Und wenn ich nicht gekämpft hätte wäre ich heute wohl nicht mehr da.

Das man kämpft heisst doch nicht dass man die Krankheit nicht annimmt; seinen Körper nicht unterstützt oder nicht an seine Psyche denkt. Kämpfen heisst für mich ich habe nicht aufgegeben und ich biete dem Krebs Paroli. Und das werde ich wieder tun falls er wieder kommt!

Gruß Wangi

Suewal
17.02.2014, 23:06
Ja ich bin keine Krebskämpferin, bitte seid mir nicht böse, ich wurde im juni2013 3 Mal operiert und war 10 Tage intensiv, es hat mich keiner gefragt ob ich das will. Es gab eine Nacht, da wäre ich fast gestorben. Und in der willenlosen Phase der Chemo dachte ich mir oft es wäre so leicht gewesen.

Wärend der chemo kam ich mir vor wie eine arme Büßerin, ich habe trotzdem gekämpft aber nicht gegen die krankheit, sondern gegen Spitalsstrukturen, wollte immer möglichst schnell nach Hause. Zu Hause habe ich auch nicht gekämpft, ich war nur da, für meine Kinder so gut es ging.

Im Moment sind einmal keine Anzeichen für den krebs da. Das ist nicht mein Verdienst. das Chemogift hat seine Arbeit getan. Ich habe nur erduldet.

Da ich vermutlich noch bauchfellmetastasen habe, die nur nicht sichtbar sind, wird die Krankheit wieder kommen. Was soll ich da kämpfen???? Ok ich mache Bewegung, (soll gut sein) Avastin alle 3 Wochen, (soll auch gut sein), aber das ist kein kampf.

Und bitte es ist wurscht was ich denke oder andere denken, wenn die Krankheit wieder kommt ist sie da. Bis dahin weine ich , habe Angst, lache ich , flirte mit meinem Freund, verusuche zu leben trotz Krankheit. So und jetzt muss ich mit meinem sohn englisch lernen.



Liebe Urbs,

mit dem Sohn englisch lernen und mit deinem Freund flirten - das ist schon ein Teil deines Kampfes. Genau darin besteht für mich das Kämpfen: aus jedem Tag das an Normalität herausholen, was eben geht. Mal mehr mal weniger. Was bitte soll das sonst sein ausser kämpfen???? Habe gesehen, du bist auch im Ö-Forum. Tja, gegen die KH Strukturen kämpfen empfinde ich im nachhinein als recht sinnlos, schade um die Kraft und Zeit - also wenns wieder soweit ist, Augen zu und durch. Und sonst: mach alles, was dein Zustand erlaubt und dir guttut. Und wenn es keine Bewegung ist - auch recht, dann mach was anderes. Hauptsache es verursacht ein gutes Gefühl. Ach ja, und das Gefühl in den Fingerkuppen kommt wieder.......bei mir hat es mehr als 6 Monate gedauert, aber es kam.......ich bin auch erst 40 und fühl mich doch ein wenig jung für meine ständigen Dates mit dem Sensenmann (ein paarmal war es schon ganz knapp), aber zum Selbstbemitleiden, seien wir doch mal ganz ehrlich zu uns, haben wir einfach keine Lebenszeit mehr übrig!

Und hast du nicht erwähnt, du bis Lehrerin - ist doch super, dich hätte der Krebs auch in einem schlimmeren Umfeld treffen können....

Schick dir mal viele positive Gedanken zur freien Entnahme, wenn du sie nicht willst, dann schick sie mir doch bitte zurück:zunge: .

lg
Sylvia

mucki53
29.04.2014, 01:14
Ich schubse den Thread mal wieder hoch.
Chris -Kerejon, wie geht es Dir ?

Kerejon
06.05.2014, 23:43
Hallo Mucki,

Danke der Nachfrage und gerne stelle ich ein Update meinerseits ein:

Nach der erneuten und niederschmetternden Rezidivdiagnose im Dezember wurde ich Ende Januar als letzte kurativen Option und nach langen Diskusionen in verschiedenen Tumorboards radikal operiert, heißt Niere, Milz, Pankreasteil und Zwerchfellteil komplett entfernt. Resektionsgrenzen waren leider wieder mal knapp und schon ein Lymphknoten befallen.
Im Moment nähere ich mich dem Ende einer Adjutanten Bestrahlung mit gesamt 60 Gy und harre sonst der Dinge die kommen mögen.

Aber, ganz ehrlich, nach dem zweiten Rezidiv in eineinhalb Jahren sehe ich nicht mehr so rosig in die Zukunft, da es auch sehr ausgedehnt war.

Liebe Grüße

Chris

evelyn-wieda
11.05.2014, 12:30
Hallo Chris,

manchmal machen Zeilen sprachlos. Es ist schön von dir zu hören, auch wenn das, was ich von dir höre nicht ganz so schön ist.

Fühle dich lieb :pftroest: und ich hoffe, dass du trotz allem jetzt und hier gute Momente findest, du weißt ja, ich sage immer: Das Leben findet hier und heute statt, auch wenn manchmal das Leben nicht so nett ist.

Alles Liebe und Gute für dich, und ich würde mich freuen, wieder von dir zu lesen.

Evelyn

mucki53
17.05.2014, 02:18
Lieber Chris,
ich hätte lieber bessere Nachrichten von Dir gelesen, aber das Leben ist nunmal kein Ponyhof.
Und unsere Krankheiten auch nicht.
Vor allem wünsche ich Dir, dass Du die Bestrahlungen gut hinter Dich bringst, mit möglichst wenig Nebenwirkungen und gutem Erfolg.
Und dass die "sprachlose" Zeit mit Deiner Frau hinter Euch liegt und Ihr alles zusammen durchsteht.
Wenn es Dir danach ist, schreib doch öfter mal.
Lass Dich lieb :knuddel: und hab ein schönes Wochenende.

Kerejon
20.05.2014, 02:48
Hallo Ihr lieben,

Die Bestrahlung ist nun... Bislang ohne gravierende Nebenwirkungen... Beendet.

Ende Juno Stürze ich mich hoffnungsfroh ins nächste PET und hoffe das beste.

Den Urlaub bis dahin werde ich hoffentlich diesmal genießen können, ungeachtet der Folgeergebnisse..

Lieben Gruß

Chris