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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie geht ihr mit eurer Trauer um?


Sonnee
23.12.2013, 23:16
Hallo ihre Lieben,

ich habe am 11.11.2013 meinen Mann an AML verloren. Er hat insgesamt 8 Jahre gekämpft.

Mich würde interessieren, wie ihr mit eurer Trauer umgeht bzw. was euch hilft. Ich habe bei mir nämlich das Gefühl bzw. Angst nicht "normal" zu sein. Ich bin irgendwie tränenleer und fühle mich leer. Ich habe einfach Angst, dass ich die Trauer verdränge und dass es mich dann irgendwann überrollt.

Liebe Grüße
Sonnee

fraunachbarin
24.12.2013, 08:51
liebe sonnee
mein mitgefühl zum tode deines mannes.
mach dir bitte keinen kopf, es gibt keine unnormale trauer. jede trauer verläuft anders. es gibt aber trauerphasen und ich denke, du bist noch in dem stadium des schockes und ignorierst. d.h., daß du es nicht wahrhaben willst, daß dein mann gegangen ist. was ja auch sehr verständlich ist. laß dir zeit, es wird sicherlich noch aus dir ausbrechen.
vielleicht hilft dir das schreiben hier im forum. schreib wie es war, als dein mann ging. durch deine zeilen wird es dir nochmals bewußt und kann dann eventuell aus dir ausbrechen. aber mach dir bitte keinen druck.
ich wünsche dir trotz allem ein schönes weihnachtsfest.
liebe grüße von tine

Sonnee
24.12.2013, 09:13
Liebe Tine,

danke für deine Zeilen. Damit beruhigst du mich schon ein Stück. Mir ist durchaus klar, dass jeder Mensch anders ist und dadurch auch anders trauert, aber irgendwie hatte ich bei mir ein ungutes Gefühl.
Auf der anderen Seite glaube ich, dass ich schon kapiert hab, was passiert ist und ich mittlerweile einfach nicht mehr so viel weinen kann. Als wir Ende August erfahren hatten, dass die Leukämie wieder zurück war, war das wie ein Faustschlag ins Gesicht und ich habe tagelang nur geweint, weil ich gewusst habe, dass mein Mann keine Chance mehr hat (er wurde nämlich schon zweimal transplantiert).
Ich glaube fast, dass damals schon sehr viel bei mir passiert ist. Hoffe ich zumindest.
Wünsche dir schöne Weihnachten!
Liebe Grüße
Sonnee

Scania143
24.12.2013, 11:34
Liebe Sonnee,

auch ich habe im September meinen Mann verloren und bis heute kann ich nicht wirklich weinen bzw lasse mir von Außenstehenden nichts oder nur wenig anmerken. Das ging soweit, dass mich vor ein paar Wochen eine Arbeitskollegin angesprochen hat ob es mir gut geht, da sie den Eindruck hat ich bin ein Meister im verdrängen. Auch mein Chef meinte ich soll es raus lassen, nur wie, ich weiß es immer noch nicht. Solange ich arbeite und denn Kopf voll habe mit allem anderen denke ich nicht darüber nach, aber wenn ich aus dem Geschäft raus gehe fährt mein Mann mir dauernd im Kopf rum. Ich kann auch kaum auf den Friedhof, weil ich immer das innere Gefühl haben ich müsste ihn ausgraben, aber weinen, neine weinen kann ich nur ganz selten.
Ich für meinen Teil habe das Gefühl das direkt nach Diagnosestellung meine Trauer eingesetzt hat. Da war es für mich als reißt jemand ein Stück aus mir raus. Mir haben auch die Worte einer Nachbarin, sie hat Ihren Mann auch Mitte 40 verloren, sehr geholfen. Bei einem Gespräch kurz nach dem Tod ihres Mannes hat sie mir damals gesagt - es ist auch Liebe jemanden gehen zu lassen. Er fehlt mir an allen Ecken und Enden und doch bin ich dankbar dafür das er nicht mehr leiden muss.
Trauer für dich wie du es für dich richtig hälst und gib nichts auf dein Umfeld. Wenn es dir zum lachen ist dann lache, wenn zum weinen dann weine.

Marianne

a_nna
24.12.2013, 20:23
zur Trauer gehören nicht unbedingt Tränen oder das, was "man von Dir erwartet". Trauer findet im Inneren, kaum an der Oberfläche, statt.
Ich weiss nicht genau, was Deine Umwelt von Dir erwartet ... sollst Du die Tapeten von der Wand reissen oder in den Wochen nach dem Tod auch Dein Leben einstellen ?

Zur Trauer gehört eigentlich ein rücksichtsvolles Umfeld, wenn es denn Rücksicht nimmt. Die Pflicht, ein Jahr Schwarz zu tragen, Spiegel zu verhängen und sich kaum nach draußen zu bewegen, um nicht einen anderen Mann kennen zu lernen - das ist Gott-sei-Dank nicht mehr adäquat.

Wenn Du Dich selbst und bewusst im Spiegel anschauen kannst bist Du auf dem richtigen Weg. In der ersten Zeit ist dies Vielen nicht möglich.

Du schreibst von einem achtjährigen Krankheitsverlauf. Acht Jahre unter erheblichem Stress, mit diversen Gedanken und Ängsten, und viel Zeit, in der man sich die Fragen nach dem Sinn und dem Weitergehen stellen kann. Das bereitet sicher auch vor.

Umgang mit Trauer: es sind Stufen, die mal nach unten aber auch nach oben führen. Genauso wie eine (lebensbedrohliche) Krankheit. Das ist nichts Neues, aber manchmal überraschend. Eine mir wichtige Erfahrung ist das Hören auf die innere Stimme, auch wenn sie noch so chaotisch scheint. Sie hat mir immer richtig geraten. Das ist auch eine Wette mit sich selbst, eben nicht das zu tun, was andere erwarten. Und das Ventil dort zu suchen, wo ich Vertrauen habe. Wenn gar nichts mehr geht, geht`s auf Deutsch gesagt nur noch ins Bett. Wenn das nicht, nach draußen, egal zu welchen Konditionen, bevor die Decke fällt.

Ich glaube, es steckt auch eine große Portion Neugier in jeder Angst bzw. Unbefindlichkeit in der Trauer: "wo stehe ich und werde mich hinbewegen ?", "ist das normal ?", "tut es mir gut, wie fühlt es sich an ?" ... sich auf sich zu besinnen ist alles andere als egoistisch. Deine Umwelt hätte ja nichts von Dir, wenn Du es allen recht machen wolltest und dabei keinen Schatten mehr wirfst. Trauer ist eine Ausnahmesituation, nie planbar, nie gerade passend oder gleich vorbei.

shahan
25.12.2013, 07:00
Liebe sonnee

Ich habe genau wie du meinen Partner an AML verloren, vor exakt 20 Tagen...nach drei Monaten Kampf und als gesund entlassen, ist dieser v...Krebs in noch agressiverer Form zurückgekommen.
Fassungslos, Tränenlos, Hilflos...ich funktioniere, gehe arbeiten, kümmere mich um die Kinder, jedoch in stillen Momenten überschwemmt mich der Schmerz und ich traure sehr um meinen Schatz, mit dem ich 25 Jahre geliebt und gelebt habe.
Ich wünsche dir für die Zukunft viel Kraft und Unterstützung in dieser schweren Zeit.

l.G.
shahan

Sonnee
25.12.2013, 23:52
Hallo ihr Lieben,

erstmal herzlichen Dank für eure Antworten und es tut mir leid was euch passiert ist! Das Leben ist einfach manchmal grausam.

@Scania143: Bei dir habe ich das Gefühl, dass du mir aus der Seele sprichst. Genau das, was du hier schreibst, kenne ich von mir. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist.

@a nna: Vielen Dank für deine Tipps. Du hast Recht. Keiner hat das mitgemacht und ich muss das tun, was ich für richtig halte und mir gut tut.

@shahan: Auch bei dir kann ich einige Parallelen entdecken. Ich hoffe, dass es irgendwann nicht mehr so weh tut. Wurde dein Partner transplantiert?

Ich wünsche euch allen viel Kraft und Ausdauer diese schwere Zeit zu überstehen!
LG

Gusima
26.12.2013, 11:31
Hallo, liebe Trauernden,
ich habe auch vor kurzem meine innig geliebte Mutter verloren und dachte die erste Zeit, dass ich verrückt werden würde. Ich wollte nach Konzept trauern, aber das ging nicht. Ich versuche die Gefühle, die mich gerade so überfallen, auf meine Art auszuleben. Mal schreie ich vor Schmerz, dann heule ich vor mich hin, dann habe ich Wut auf den Verstorbenen, dass er mich verlassen hat (ja, das gehört auch dazu) und ich mich so verlassen fühle ohne Mama.
Das alles braucht seine Zeit, bei dem einen länger, wie bei dem anderen.
Ich habe, glaube ich, einen Weg für mich gefunden, der mir gut tut.
Ich fange an, mit meiner Mama zu plaudern, so, als ob sie noch da wäre. Manchmal können wir sogar zusammen lachen, wenn alte Erinnerungen hoch kommen, die lustig waren. So fühle ich mich mit meiner Mama sehr verbunden. Ich mache in Gedanken vieles mit ihr und fühle die Einsamkeit nicht mehr so erdrückend. Was nach dieser Phase kommt, weiß ich nicht, aber es wird irgendwann wieder etwas leichter und erträglicher werden, auch wenn man das in der schlimmsten Phase nicht glauben will/kann.
Manchmal tröste ich mich damit, dass wir die Verstorbenen ja vielleicht wiedersehen, wenn wir dahin kommen, wo sie jetzt sind, aber da bin ich mir nicht so sicher.
Wir dürfen uns als Hinterbliebene nicht zu sehr vernachlässigen, denn unser Leben geht oder muss ja weiter gehen.

Ich fühle mit Euch und wünsche Euch ganz viel Kraft und Mut.
ALLES WIRD GUT.

Noch einen zufriedenen 2. Weihnachtstag wünscht Euch

Gusima

shahan
26.12.2013, 12:56
Liebe Sonnee

Nein mein Partner wurde nicht transplantiert, es wäre nicht nötig sagten die Aerzte, weil Pedro eine seltene Untergruppe-Gen hatte, das heilbar wäre. Nach drei Stark-Chemo-Blogs sollte/wurde er als "geheilt" entlassen.
Mein Schatz hatte die ganzen drei Monate extreme Schmerzen, von den Rippen zum Rücken bis hinunter zu den Knien. Es war so grausam ihn so leiden zu sehen.
Ich habe ihn begleitet von der ersten Sekunde bis zu seinem letzten Atemzug, für das bin ich dankbar, zugleich aber auch unglaublich wütend, dass diese sch...Krankheit meinen starken Mann innert so kurzer Zeit dahingerafft hat.
Irgendwann schreibe ich die ganze Leidensgeschichte meines Schatzes, um vielleicht anderen, die wie ich überrollt wurden ein wenig Klarheit zu vermitteln.
Dir wünsche ich viel viel Kraft für deinen weiteren Weg, ich brauche dies auch, nehme jeden Tag wie er kommt und bin in Gedanken ganz nah bei meiner grossen Liebe.

L.G.
shahan

hermannJohann
26.12.2013, 14:10
Hallo Sonnee,
mir geht es so, dass ich Zeiten und Orte des Trauens erlebe. Bei der Arbeit kann ich keine Traurigkeit zeigen. wie sollte ich auch vor Studentinnen und Studenten meine Gefühle zeigen. Ich will auch nicht anderen Leuten zeigen, dass ich traurig bin. Natürlich gibt es auch einen Unterschied zwischen Mann und Frau. "Jungen weinen nicht." Traurig bin ich daher lieber allein. Über Weihnachten hatte ich Besuch aus dem Ausland: die Tochter meine Frau, Schwiegersohn und Enkelinnen. Wir haben auch Städte und Weihnachtsmärkte besichtigt. Einmal zeigte ich ihnen, die Karte, die mir meine Frau zu Geburtstag schrieb. Auf dem Bild sind zwei Möwen mit dem Spruch "Die schönsten Dinge im Leben erlebt man immer gemeinsam" Damals hatte meine Frau die Hoffnung, dass die Chemo-Therapie diesmal erfolgreich sein werde.Das schrieb sie dann auch in der Karte und wünschte uns eine schöne Zeit Aber dann wollte ich die Karte doch nicht übersetzen. Ich zog mich 5 Minuten zurück.
mit besten Grüßen
Hermann

Cecil
26.12.2013, 17:10
Hallo, Hermann,
ich habe immer ein wenig in Deinem thread "Vom Sinn und Unsinn des Lebens" mitgelesen; unbewusst macht man sich da wahrscheinlich immer auch ein Bild von den Schreibenden.
Jetzt lese ich hier, dass Du Vorlesungen hältst und die Tochter Deiner Frau mit Familie aus dem Ausland kam, um die Feiertage mit Dir zu verbringen.

Auch wenn der Spruch auf der Karte "Die schönsten Dinge im Leben erlebt man immer gemeinsam" sicherlich weiterhin seine Berechtigung behält, heißt das doch nicht, dass nicht trotzdem noch weitere schöne Dinge passieren können, oder?

hermannJohann
26.12.2013, 20:06
Hallo Cecil,
das der einzelne Vogel ohne den zweiten Vogel noch schöne Dinge erlebt, ist möglich. Mir ging es hier um den Umgang mit Trauer. Meine Frau schrieb damals: "Leider erleben wir jetzt eine sehr sehr schwierige Zeit: meine schwere Krankheit gibt uns keine Ruhe und keine Freude. sie kostet uns sehr viel Kraft und Nerven.wünschen wir uns, dass diesmal die Behandlung erfolgreich sein wird und wir noch eine lange schöne Zeit zusammen erleben." Zwei Monate später war sie tot. Deshalb macht die Karte den alten Vogel traurig.
mit besten Grüßen
Hermann

HelmutL
26.12.2013, 23:12
Hallo Hermann,

du fragst: "Wie geht ihr mit der Trauer um?" Meine Antwort: apathisch, depressiv, leugnend, nachdenklich, interessiert, neugierig, kämpferisch bis aggressiv.

Ich kann dich gut verstehen. Du siehst nur beide Vögel. Einer ist nicht mehr da. Kein Wunder, das der zurück gebliebene Vogel an nichts anderes denkt. Er will und kann nichts anderes akzeptieren. In deiner Situation mehr als verständlich. Mir ging es genau so. Vor fünf Jahren hätte ich jeden, der sagt, dass es besser wird, aus dem geschlossenen Fenster werfen können. Bis ich dann lernte, dass es in dieser Beziehung zwei Arten von Menschen gibt. Zum Ersten die, die keine Ahnung haben und denen einfach nichts besseres einfällt und dann auf der anderen Seite die Menschen, die es aus eigener Erfahrung wissen und/oder den Mut haben, sich auf uns ein zu lassen.

Das Problem ist, wenn man getröstet werden soll, dass man zwar hört, doch nicht glaubt oder gar erfasst. Das ist auch gar nicht der Sinn des Trostes. Ich denke, der ist eher: ich bin da, höre dir zu, versuche dich zu verstehen und versuche dir zu helfen indem ich versuche, ein Körnchen Hoffnung pflanzen. Dass aus diesem Samenkorn eine kräftige Pflanze wird, dafür muss der Getröstete schon selber sorgen. Niemand kann ihm das abnehmen. Einen Gedanken zu haben, ihm zu glauben oder ihn gar zu akzeptieren heißt noch lange nicht, ihn auch wirklich leben zu können.

Auf die Trauer, vor allem in diesem Maß, wird man nicht und kann man sich nicht wirklich vorbereiten. Man wird quasi ins kalte Wasser geworfen. Doch damit nicht genug: selbst wenn man glaubt, mal nicht bis zum Hals darin zu stecken, kommt garantiert von irgendwo ein Eimer mit eiskaltem Wasser geflogen. Auch heute noch, nach fast 6 Jahren, kenne ich diese Situation sehr gut. Das Leben und man selbst nach dem Verlust und mit der Trauer will neu erlernt sein. Harte Arbeit.


Liebe Grüße,

Helmut

Sonnee
27.12.2013, 10:01
Hallo Hermann,

mir gehts es in beruflicher Hinsicht ähnlich. Ich bin nämlich Lehrerin und habe mit Kindern zu tun. Aber ich finde, dass sie wirklich gut reagiert haben. Das war echt toll und hat mir Kraft gegeben. Aber wirklich traurig kann ich in der Schule auch nicht sein.

Ich bin jetzt froh, dass Weihnachten vorbei ist. Ich war überrascht, dass Weihnachten so schlimm sein wird. Damit habe ich nicht gerechnet.

Liebe Grüße
Sonnee

Rachel
31.12.2013, 17:28
ich habe wiederrum 5 tränenreiche monate hinter mir, ich habe soviel geweint das es für das ganze leben genug ist. jeder geht anders mit trauer um und auch ich wußte nicht das weihnachten so schlimm werden wird. damit habe ich nicht gerechnet und das hat mich total überfahren.

lg gitti

hermannJohann
03.01.2014, 18:11
Die Geburtstagskarte hat sich nicht verändert. Zwei Möwen stehen auf zwei Steinen und schauen aufs Meer, aber in meiner Vorstellung ist ein Vogel nicht mehr da. Meine Frau schrieb damals: “Leider erleben wir jetzt eine sehr sehr schwierige Zeit: Meine schwere Krankheit gibt uns keine Ruhe und Freude, sie kostet uns sehr viel Kraft und Nerven. Wünschen wir uns, dass die Behandlung diesmal erfolgreich sein wird und wir noch eine lange schöne gemeinsame Zeit erleben.“ Das vergangene Jahr war schrecklich, dieses Jahr kann nicht mehr schlimmer werden. Ich habe nicht mehr so viel zu verlieren. Vielleicht ist das ein kleiner Trost
Liebe Grüße an Alle
Hermann

HelmutL
03.01.2014, 21:33
Hallo Hermann,

das glaube ich dir aufs erste Wort, dass das vergangene Jahr für dich schrecklich war. Wie es aussieht, habt ihr Beide euch intensiv mit der Krankheit und den möglichen Folgen auseinander gesetzt. Ist das so? Ein ähnliches Foto habe ich auch und auch ähnliche Gedanken dazu.

Ob dieses Jahr nun schlimmer oder besser wird, kann man so einfach nicht sagen und nicht mehr viel zu verlieren? Ich glaube doch und weiterhin, dass man diese beiden Jahre nicht so ohne weiteres vergleichen kann.


Liebe Grüße,

Helmut

hermannJohann
04.01.2014, 14:16
Hallo Helmut,
ich habe ganz bewusst geschrieben „nicht so viel zu verlieren“. Mehr als im Jahr 2013 kann ich wohl nicht mehr verlieren. Ein bisschen zu verlieren habe ich auch jetzt noch. Im letzten Jahr haben wir mehrfach die Situation erlebt, in der ein schneller Tod möglich war. Ihr erster Abschiedsbrief an mich stammt zum Beispiel vom 2. März 2013. Damals hatte sie einen Infekt, was bei einer Chemo -Therapie mit Topotecan gefährlich ist. „Leider geht es mir schlechter, das Fieber steigt. Deswegen muss ich Dir sehr bittere Worte schreiben...“ Sie hat dann in dem Brief geregelt, was nach ihrem Tod passieren solle. Später hatte sie wieder mehr Hoffnung und wehrte sich gegen die schlechte Prognose. Dann gab es wieder Krisen. Einige Psychologen unterscheiden Trauerphasen. Die haben wir mehrfach durchlaufen, aber nicht so schön geordnet, wie es in den Büchern steht. Nach ihrem Tod im August geht es so weiter. Manchmal kann ich mich gut ablenken, dann aber kommt es wieder hoch. Manchmal denke ich, ich könne ein normales Leben ohne sie führen, falle damit aber schnell auf die Nase.
Liebe Grüße an Alle
Hermann

LilSpooky
08.01.2014, 21:23
Hallo...
ich gehe scheinbar auch komisch mit Trauer um, und frag daher hier in dem Thread nach....
ich hab im Angehörigenbereich schon geschrieben, dass vor kurzem meine Mutter gestorben ist, und natürlich war zuvor und alles während des Sterbeprozess für mich sehr heftig und es gab Phasen, da dachte ich, dass ich nicht wusste,wie ich damit klar kommen werde, wenn es dann soweit ist und hab mich Fragen bzgl der Situation meiner Mutter gefragt.
jetzt ist es soweit, aber eigentlich habe ich sehr viele Momente, in denen es mir persönlich gut geht, ich aber auch weiß, was passiert ist und vllt mal 5min Trauer aber dann ist wieder alles okay..
wenn dann bin ich noch in einer 'unklar was passiert mit mir jetzt'-Phase, vllt eher Orientierungslos und Verwirrt..wobei die diese Zustände kenne ich von mir schon andersweitig, muss nicht direkt wegen meiner Mutter sein...mich nannte mal jm Konfuzius^^ weil ich so konfus und verwirrt immer im Leben stand...
zb..
mein Vater kommt im Vergleich sehr schwer mit der Tod meiner Mutter klar... ist wesentlich mehr am Trauern... fühl mich dann schon schuldig gegenüber ihm, wenn ich schon wieder lachen und grinsen kann...

Frag mich daher immer in wie weit muss man gar trauern?! ... gerade wenn zwei Menschen anders trauern und es sich gar 'beisst'...weil man sich so manchmal missversteht??...

LG

cicabohna
08.01.2014, 22:52
Mir war von der ersten Sekunde der Diagnose, nein sogar schon bei der Gelbsucht, irgendwie bewusst, dass das kein gutes Ende nimmt. Ich glaube auch, dass ich damals schon anfing um ihn und unser Leben zu trauern. Ich habe mich Tag für Tag in diesen 15 Monaten ein Stück mehr von ihm verabschiedet. Mir ging es nach seinem Tod vorallem am Anfang "sehr" gut. Ich habe ihn aber zb bei der Beisetzung so nah bei mir gespürt und er hat mir Kraft gegeben. Ich hatte an diesem Tag mehr Kraft als die ganze Trauergemeinde zusammen. Und das brachte mich zur Erkenntnis, dass es ihm wieder sehr gut gehen muss. Sonst könnte er mich nicht so sehr stützen. Dann hatte ich das Gefühl er habe mich immer ein wenig mehr losgelassen und in mein neues Leben entlassen. Das war sehr schwierig und ich hatte auch Angst dass ich dann doch noch irgendwann durchdrehen würde. Aber fühle ihn immer noch bei mir und interessiere mich mittlerweile deswegen sehr für mediale Fähigkeiten. Mir hilft der Gedanke dass da noch mehr ist und ich nicht spinne weil ich fühle was ich glaube zu fühlen.
Alles Liebe

fraunachbarin
09.01.2014, 08:31
liebe lilspooky..
erst mal mein inniges mitgefühl zum tode deiner mama.
es gibt keine "komische trauer". jeder trauert anders. mach dich da also nicht verrückt, trauer auf deine art und weise.
ich wünsch dir alles erdenklich gute.
stille grüße von tine

hermannJohann
10.01.2014, 17:11
Ich sitze im Büro, es ist Feierabend. Aber was soll ich zuhause, da ist sonst niemand. Ich habe auch keine Lust, Bekannte zu besuchen. Der Tag begann mit einer Arbeitsbesprechung, dann aber ich gearbeitet. Während der Arbeit habe ich mich ganz gut unter Kontrolle und ich kann mich ablenken. Das Problem ist das Privatleben. Am liebsten würde ich es abschaffen. Freunde und Bekannte möchte ich ungern belastet. Manchmal telefoniere ich per skype mit der Tochter meiner Frau und ihrer Familie. Wenn sie mich fragen, wie es mir geht, sage ich: Danke gut. Sie müssen ihr Leben dort im Ausland leben. D. und M. sind berufstätig. Die ältere Enkelin möchte gerne Medizin studieren und braucht daher ein gutes Abitur. In ihrem Abschiedsbrief hat mich meine Frau gebeten, die Enkelinnen zu unterstützen. Das werde ich tun, wenn sie mich brauchen. Aber jetzt ist es besser, sie nicht zu belasten. Die Familie hat mich über Weihnachten besucht, ich hatte mich gut unter Kontrolle. Traurig sein kann ich besser alleine. So hat jeder seine Form zu trauern,

Luisa.Hope
10.01.2014, 19:26
Hallo !

Lil. mein Beileid. Meine Mutter ist fast 4 Monate tod, bei mir ändert sich die Trauer desöfteren, mal so mal so.

Hermann, mir geht es auch so ähnlich wie Dir wie Du hier in dem Thread geschrieben hast., ich habe schon öfters von Dir gelesen.

Mir geht es heute Mittel. Nicht schlecht, aber auch nicht gut.

Viele Grüße

Viki
10.01.2014, 21:50
Traurig sein kann ich besser alleine. So hat jeder seine Form zu trauern,

Hermann, du sprichst mir aus der Seele, so geht es mir auch. Meiner Familie gegenüber reiße ich mich immer enorm zusammen. Ich glaube nicht, dass jemand weiß, wie sehr mir der Verlust meiner Mutter noch zu schaffen macht.

Ich denke oft darüber nach, wieso das so ist. Warum versuche ich meine Trauer nicht zu zeigen? Warum weine ich nur allein?
Weil meine Trauer mir gehört, weil es meine Mutter war. So habe ich das Gefühl, ich bin ihr noch nahe. Während ich das schreiben, kommt mir schon der Gedanke wie verrückt das ist.

Alles Liebe euch allen
Viki

HelmutL
11.01.2014, 00:38
Guten Morgen (inzwischen),

so richtig Trauern kann man wirklich am besten alleine. Ist auch meine Meinung. Man kann sich gehen lassen und braucht auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Ich denke, dass es da manchmal ganz gut ist, wenn niemand zu Hause ist. Da kann man weinen, schreien, seinen Gefühlen freien Lauf lassen.

Auf der anderen Seite ist es sicher nicht gut, wenn man die Trauer ganz alleine für sich leben und haben will. Man isoliert sich damit, stellt sich ins Abseits. Darf man sich dann noch wundern, wenn einen niemand versteht? Wenn andere glauben, es ginge einem gut? Was sollen sie dann anderes denken?

Irgendwann kam bei mir die Angst, zu einem Sonderling zu werden. Das wollte ich nicht sondern eine wie auch immer geartete Normalität. Nach meiner Erfahrung lässt sich das nur im Dialog mit anderen erreichen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als auf die Menschen um mich herum (und manchmal auch gänzlich fremde) zu zu gehen. Natürlich mit aller Vorsicht ihnen gegenüber. Auch auf die Gefahr hin, mal vor den Kopf gestoßen zu werden oder ins Leere zu laufen und ja, vielleicht auch mal jemanden zu verletzen. Doch ich denke, die Menschen in unserem Umfeld sind bei entsprechender Abwägung und vorsichtiger Dosierung der, wenn auch persönlichen, Wahrheit belastbarer, als wir uns vorstellen (und wir selbst auch). Das ist auch eine Chance für die Anderen: das wirkliche Leben vielleicht ein bisschen besser zu verstehen und aus unserem Fehler zu lernen.

Denn es sind unter anderem unsere Träume, die sich als Luftschlösser erwiesen haben. Jetzt müssen wir bitter lernen, dass das Leben kein Traum ist. Ob wir wollen oder nicht. Niemand sucht sich das aus.


Liebe Grüße,

Helmut

hermannJohann
12.01.2014, 15:42
Hallo Helmut,
vielen Dank. Vielleicht ist es wirklich richtig, Trauer auch mit anderen zu teilen.Aber das Thema ist sehr persönlich. Heute habe ich meine Aufzeichnungen von Jahr 2013 durchgelesen. Über einiges könnte ich mit Freunden nicht sprechen, die mich, meine Frau und unsere Angehörigen kennen.Dabei ginge es weniger um mich als um Freunde und Angehörige. Jeder kann sich fragen, ob er sich immer richtig verhalten hat. Zum Beispiel können die Geschichten über die Arthrose ihrer Freundin meine Frau nerven in einer Situation, in der es um ihr Überleben für einige Monate geht.Später war die Freundin dann wieder hilfreich. Das ist nur ein Beispiel
mit besten Grüßen
Hermann.

Mel_1
12.01.2014, 19:34
In der heutigen Zeit des Internets und vielen Plattformen, ist es leichter, Gruppen zu finden, die sich gegenseitig aufrichten.
Ich bin in einer Gruppe bei Facebook für junge Witwen und Witwer und wir, die das schon länger hinter uns haben, fangen die Menschen auf, die frisch mit solch Verlusten umgehen müssen.
Von daher finde ich auch den Kompass hier gut, da kann jeder seine Trauer schreiben und andere bauen auf.
LG

HelmutL
12.01.2014, 20:34
Hallo Mel,

du hast sicher recht, was das Internet angeht. Einerseits gibt es diese Gruppen und Foren (sie sind durchaus ein Segen für viele) und dort fällt es in der Anonymität leichter, über sehr persönliche Dinge zu schreiben, andererseits stehe ich auf dem Standpunkt, dass ein Gespräch Auge in Auge mit einem/einer echten Freund/Freundin nicht durch das Netz zu ersetzen ist.

Um mal ein Beispiel beim Namen zu nennen: der Partner/die Partnerin fehlt ja nicht nur zum Strümpfestopfen. Es fehlt auch (und das ist sehr wichtig) die körperliche Nähe, die Sexualität. Gewiss nicht zu Anfang, doch das kommt irgendwann. Das sind Dinge, die ich aus Eigenschutz wohl kaum in aller Ausführlichkeit und in aller Offenheit im I-Net posten würde. Hier nicht und auch nicht anderswo und schon gar nicht auf Facebook (auch nicht in einer Gruppe), wo man sich in der Regel mit Realnamen, Mail-Addy und vielleicht sogar Adresse kennt.


Hallo Hermann,

sicher, Trauer hat sehr persönliche und intime Aspekte. Da braucht man schon einen echten Freund oder Freundin und sehr viel gegenseitiges Vertrauen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich solche Freunde finden lassen, wenn man denn vorsichtig sucht. Dazu gehört schon eine gute Portion Mut. Doch es lohnt sich. Ich hatte das Glück, gleich 2 von dieser Sorte Freund zu finden.

Eine Freundin, wie du sie beschreibst, hatte Myriam auch. Zwei Tage vor ihrem Tod kam sie in die Wohnung und jammerte über ihre ach so furchtbaren Zahnschmerzen. Ich hätte sie an die Wand klatschen können. Erst viel später dämmerte mir, was der Grund dazu war: sie sah, was mit meiner Frau los war und wusste sich nicht anders zu helfen, um nicht vor ihr in Tränen aus zu brechen. Ansonsten hatte diese Freundin meine Frau treu begleitet. Wofür ich ihr heute noch dankbar bin, auch wenn der Kontakt zu mir dann abriss.

Wir, als Trauernde, müssen manchmal erst erklären, was los ist mit uns. Woher sollen sie es wissen? Ich sage ja nicht, dass das leicht ist. Sie müssen ja nicht sofort den richtigen Rat zur Hand haben. Alleine das Zuhören reicht oft und manchmal dürfen und sollen sie Fragen stellen. Gute Freunde sitzen uns mit Empathie und viel Geduld gegenüber. Die meisten guten Gedanken findet man weniger im stillen Kämmerlein, denn eher im Dialog. Mal eine Ablenkung ist ja auch nicht schlecht, um aus dem Hamsterrad der Trauergedanken ausbrechen zu können. So. wie du es z.B. auch in deiner Arbeit findest. Doch gerade dort findet wohl eher selten ein Gedankenaustausch statt.


Liebe Grüße,

Helmut

Mel_1
13.01.2014, 08:35
Hallo Helmut,

ich geb Dir REcht, vieles kann man natürlich nicht in Foren etc schreiben.
Aber für viele ist es einfach nur gut, dass sie nicht alleine sind und andere solch Schicksal auch zu tragen haben.
Viele finden sich in ihrer TRauer in anderen Beispielen wieder und können sich da Unterstützung holen, da es leider im Umfeld oft dazu kommt, dass die Mitmenschen nicht mehr damit umgehen können, bzw nix mehr davon hören wollen.
Lesen wir leider sehr oft, dass sich die Bekannten etc zurückziehen um ihre heile Welt zu erhalten.
Oft bilden sich aus diesen Forengruppen auch kleinere Gruppen, wo man sich real trifft und was unternimmt und somit wieder etwas ABwechslung ins Leben bringt.
LG
Mel

yvonne75
13.01.2014, 16:13
Liebe Sonnee,

auch mein Beileid von meinerseits. Ich habe meine Ma am 06.12.2013 verloren. In meinen Armen ist Sie ganz ruhig eingeschlafen.

Bis kurz nach der Beisetzung war gar keine Zeit zum Nachdenken und trauern, aber danach.... Weihnachten 2013 war sehr schlimm!!!!!!!!!!!! So nach und nach wird einem bewußt, was man nicht mehr hat und einem fehlt! Was ich für mich tue... Ich rede sehr viel mit Ihr. Manchmal denke ich, dass ich verrückt bin, aber ich glaube, dass es eine Art Verarbeitung ist meinerseits. Alle 2 Tage gehe ich an Ihr Grab und zünde eine Kerze an. Ich sitze da, weine und rede sehr viel mit Ihr. Ich muss dazu sagen, meine Ma ist mit 59 Jahren verstorben an dieser schrecklichen Krankheit . Ich bin erst 38 Jahre. Immer wieder frage ich mich, warum nur SIE? Mit 30 Jahren hat sie die Krankheit bekommen und 29 Jahre sich gequält. Als Tipp kann ich nur geben. Rede mit besten Freunden oder mit Personen darüber, denen Du vertraust! Falls Du mit der Trauerbewältigung nicht klar kommst, wende Dich evtl. an Selbsthilfegruppen oder an einen Psychologen. Ich habe es nicht bereut, diesen Schritt zu tun, weil ich damit riesengroße Probleme habe. Zur Reha war ich ebenfalls .... Es hat gut geholfen.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall ganz viel Kraft, Mut und Selbstbewußtsein...

Ich drücke Dich :knuddel:

Yvonne

yvonne75
13.01.2014, 16:28
....ich bin es gleich nochmal....

Als Trauerbewältigung habe ich ein Album von den letzten Lebenswochen meiner Mutter erstellt. Ich habe sehr viele Bilder von Ihr und Ihrem Umfeld. Habe Notizen mir gemacht und somit "nur für mich" ein Album erstellt. Nennen wir es ein "Abschied nehmen" oder "Andenken". Die Fertigstellung des Albums hat mir sehr viel Kraft gekostet, habe dabei viele Tränen geweint, viel nachgedacht und jedes Mal, wenn mir danach ist... Schlage ich das Album auf. Meine Ma hat ihre letzten Tage in einem Hospiz verbracht und ihr wurden dort nochmal die schönsten Tage bereitet. Ich denke sehr gern an die Zeit zurück, da auch das Personal topp war. Ich habe in den Monaten sehr viel zu mir gefunden und es hat mich der Abschied von meiner Ma, vor allem die letzten Sekunden sehr sehr sehr geprägt.