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Melanie1812
24.07.2014, 17:51
Ihr Lieben,

mein Pa ist vor 2 Wochen nach 1,5 Jahren Krebsdiagnose und 2 Chemotherapien gestorben. Ich habe mir freigenommen und ihn 2 Monate lang in den Tod begleitet. Als er starb, hab ich seinen Kopf in meinen Händen gehalten.

Ich bin in dieser Zeit so sehr gewachsen und kann es mittlerweile als das Schönste betrachten, dass ich je erlebt und gegeben habe.

Wenn man aufhört mit dem Schicksal zu hadern, es annimmt wie es ist, den Menschen loslässt - und die eigene Traurigkeit als das wahrnimmt was sie ist, ein Zeichen für die Liebe, die man zu dem Menschen empfindet.


Ich habe in der Zeit sehr viele Gedanken aufgeschrieben, was mir geholfen hat alles zu verarbeiten - und diese würde ich gern mit Euch teilen.

www.tumblr.com/blog/ichworte


Ein kleiner Auszug:

Heute habe ich meinen Pa beerdigt.

Als die über hundert Menschen irgendwann weg waren, bin ich allein zurück zum Grab. Seine Musik in den Ohren, tränenüberströmt - hab ich getanzt. Gelacht, geweint und getanzt.
Mein Herz zerspringen gefühlt und doch gemerkt das es ganz bleibt.

Ganzer ist als jemals zuvor.

Melanie1812
24.07.2014, 17:59
Das habe ich vor einem halben Jahr geschrieben...

Mein Papa stirbt.
Schon die Operation vor 3 Wochen hat sämtliche Hoffnung auf “noch mehrere Jahre” umgeschmissen … aber es war mehr eine leise Ahnung, die man auch mit Hoffnung verdrängen konnte. Jetzt ist es wortwörtlich ausgesprochen.

Es dreht sich nicht mehr um Jahre, sondern um Monate.
Ich hab an dem Blick der Ärztin gesehen, wie entsetzt ich sie angesehen haben muss. Es hat sich in ihrem Gesicht gespiegelt.

Mein Papa sitzt da, strahlt. Macht noch ein Witzchen: “Dann müssen wir jetzt den Spaßfaktor erhöhen”. Ach, 36 Monate sind auch Monate.

Er sieht kerngesund haus. Die bisherigen Chemotherapien haben seine Haare gut überstanden, das was er abgenommen hat, steht ihm auch noch gut. Eine gesunde Gesichtsfarbe, strahlende, leben-wollende Augen. Er wirkt so gesund.

Man hat irgendwie bestimmte Bilder von Krebskranken im Kopf, bei denen es sich nur noch im Monate handelt. Das was ich sehe - entspricht keinem davon. Umso surrealer ist es, umso schwieriger zu vereinbaren, zu verstehen. Auch und gerade für ihn.

Man will festhalten, kann ihn doch noch anfassen. Fühlt sich schlecht, sich ein baldiges Ende auszumalen und sich die Welt ohne ihn vorzustellen. Und fürchtet doch nichts mehr. Man kann sich nicht auf den Tod einstellen. Und genau daran scheitert meine Seele. Man würde gern und denkt und sucht und ordnet und malt sich aus - und es wird so weit entfernt von dem sein, was dann eintrifft. Emotional.
Man kann sich nicht vorbereiten - und genau das ist die Angst. Vor Gefühlen, die in diesem Ausmaß noch nie da gewesen sind. Vor Angst, Wut, Ohnmacht, Trauer, Überforderung, Verzweiflung.

Und doch merke ich, dass ich nicht daran zerbrechen werde. Das ich das alles fühlen will und darf. Wie schlimm wäre die Beziehung zwischen uns, wenn sich sein Tod als “ein leichtes” anfühlen würde. Ich kann ihn gehen lassen. Und ich lebe weiter, wenn er stirbt.

Das habe ich die meiste Zeit meines Lebens anders gesehen. “Wenn er stirbt, sterbe ich auch.” Dachte ich. Ich bin dankbar, dass er sich so viel Zeit gelassen hat, dass ich in einem warmen, liebevollen Umfeld sanft fallen und aufgefangen werde. Dass ich innerlich so viel Stabilität entwickelt habe, daran nicht mit zu sterben.

Alles ist gut. Es ist eine Prüfung des Lebens. Es werden heftige Gefühle sein. Aber es sind Gefühle, die einem zeigen das man lebt. Gefühle der Liebe.
Ob Freude oder Trauer, ob Liebe oder Schmerz – ich bin bereit mich dem zu ergeben, was das Leben gerade für mich bereit hält. Es ist mein Weg - und das schlimmste wäre es, ihn nicht anzunehmen, als den meinen.

Die Menschen um mich herum heiraten, bekommen Kinder. Ich bin der ewige Single - weil ich mich bisher nicht binden wollte - oder konnte. Man weiß es nicht. Bei den anderen zieht “neues” Leben ein - bei mir die Auseinandersetzung mit dem Tod. Verlust. Natürlich wünsche ich mir die andere Qualität, Familie, Mutter zu werden -aber im Widerstand mit dem zu sein was ist, ist glaub ich der größte Schmerz.

Ich werde mich in Hingabe üben. Hingabe an das Leben, zu dem der Tod und das Loslassen dazu gehört.

So sehe ich es aktuell, wenn ich ganz nah bei mir bin.

Ich werde es sicher auch noch ganz anders sehen, die Welt, den lieben Gott, die Ärzte, das Schicksal hassen. Hadern, dass so ein wunderbarer und wichtiger Mensch – der für mich meine ganze Familie darstellt – von mir genommen wird. Ohne, dass es einen ersichtlichen Grund gibt. Aber die Gründe geben nicht wir. Vielleicht wird seine Seele an anderer Stelle gebraucht, hat seine Aufgabe in diesem Leben erfüllt.

Und ich erlaube mir jetzt schon, auch im Widerstand zu sein, weil alles was ist, dazu gehört.

Es ist eine Prüfung. Es wird eine intensive Zeit. Und intensiv ist nie schlecht.
So bringt der Tod einen dazu, zu fühlen, das man lebt.
Und liebt.

Von ganzem Herzen.

Katrin1983
27.07.2014, 19:27
Liebe Melanie,

ich habe gerade deine Zeilen gelesen und hatte Tränen in den Augen. Es sind wunderbare Zeilen aus denen so viele Liebe spricht... und natürlich auch Trauer. Beides gehört wohl unweigerlich zum Leben dazu.

Du hast Recht, mit dem Thema Tod eines geliebten Menschen kann man sich im Vorfeld nur sehr schwer auseinandersetzen. Man kann sich dieses schlimmes Gefühl des Verlustes einfach vorher noch nicht ausmalen.

Meine Mutter hat leider nach vorangegangenem Brustkrebs nun Metastasen am Rippenfell. Ich hänge so sehr an ihr. Mir ihren Verlust vorzustellen schmerzt unendlich.

Ich wünsche dir alles Liebe und ganz viel Kraft