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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie geht Ihr mit Aggressionen um?


Jedimeisterin
18.06.2016, 17:59
Hallo alle Zusammen,

wie geht ihr mit Aggressionen eurer krebserkrankten Angehörigen um?
Momentan habe ich einen Familienangehörigen (Lungenkrebs), der ziemlich
aggressiv zu einem ist. Er kann ja irgendwie nichts dafür. Meistens gehe
ich dann, wenn es mal wieder zum Ausbruch kommt. So gute Nerven zum
Aushalten habe ich im Moment nicht.

LG Andrea

Hermine81
18.06.2016, 21:20
Ja, das kenn ich bei Mama zeitweise auch... ich versuch dann ruhig zu bleiben und mich in sie zu versetzen.
Ich weiss ja, dass es nichts persönliches ist und das hilft mir darüber hinweg zu sehen. Es muss so furchtbar sein mit dem Gedanken um die Krankheit, den eventuellen Schmerzen und Einschränkungen zurecht zu kommen, da denk ich gehen einem einfach die Nerven durch.
Ab und an kommen mir zwar die Tränen, aber nicht wegen der Agression und Gereiztheit sondern vielmehr weil mir das alles so unendlich leid tut und ich ihr nichts abnehmen kann... und das nach alldem was sie für uns getan hat.
Mir tut es gut mit anderen Menschen, anderen Familienangehörigen oder Freunden zu sprechen und mir immer wieder vor Augen zu halten dass es prinzipiell ja nicht gegen uns geht.
Hart ist es aber trotzdem... :embarasse

Somebody_Else
19.06.2016, 09:50
Hallo Andrea,

ich kenne die Situation auch. Auch wenn man tendenziell solchen Mitteln skeptisch gegenüber steht: Was hälst du von Antidepressiva (für deinen Angehörigen, nicht für dich)?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass solch ein Mittel Aggressionsspitzen abdämpft. Manchmal kommt es noch vor, aber insgesamt hat es gut geholfen.
Das Antidepressiva hat jedoch auch Nebenwirkungen. Gute (Appetitsteigerung) und schlechte ("lebhafte Träume", manchmal auch tagsüber).

Vielleicht ist es ja einen Versuch wert?

Jedimeisterin
19.06.2016, 16:27
Hallo alle Zusammen,

@Hermine81: Leider habe ich keine guten Nerven. Liegt aber auch daran, dass
ich zu Hause ein sehr anstrengendes autistisches Kind mit Pflegestufe 2 habe.
Ich bekomme Vorwürfe und auch Vorschriften (die ich gefälligst auszuführen
habe) geknallt. Und das geht gar nicht. Sie haben auch nichts mit dem Krebs-kranken zu tun. Und mit dem Vorschriften kann man mich mal:angry:

@Somebody Else: Mein Angehöriger kriegt Tavor gegen seine Epilepsie (durch
Metastasen im Gehirn ausgelöst). Dieses Medikament macht aggressiv, hält
aber auch bis jetzt seine Anfälle (Status) im Schach. Hier geht es auch um
Lebensqualität. Antipressiva, hört sich gut an, aber da komme ich kein Schritt
weiter. Läßt sich eh nichts sagen.

Ja, die ganze Situation mit meinem Geschwisterteil und ihrem Mann (der Krebserkrankte) ist traurig genug. Er hat Krebs im Endstadium und ist im Hospiz. Da ist noch meine Mutter (ist im Pflegeheim), die nachmittags irgendwie Ansprache brauch. Da kümmern sich meine beiden Geschwister und
ich drum. Mein Geschwisterteil ist mega überbelastet, hat auch ziemlich schlechte Laune, auch gegenüber mir. Nur was soll ich machen. Mein Autist
bringt mich und meinen Mann an Rande unserer Kapazitäten mit seiner
Weglauftendenz, Lautstärke, Schlafstörungen. Ich halte schon meinen Mund,
wenn es um das Thema "Überlastung" geht. Sonst haben wir hier noch den
Supergau. Erst war alles voller Hoffnungen und dann wird alles zunichte
gemacht. Sche.... Krebs

LG Andrea

derax
19.06.2016, 18:01
Hallo zusammen
Zu diesem Thema kann ich auch etwas berichten.
Ja zu Anfang bekam ich auch viel Aggressionen ab. Ne ganze Weile konnte ich mich zusammen reißen. Doch irgendwann kam der Punkt wo auch ich als fühlender und sehr verletzter auch meine Grenzen abstecken musste. Betroffener hin oder her, auch wir als Angehörige haben Gefühle, leiden und brauchen Zuspruch.
Natürlich ist das ein heikeles Thema aber sich völlig aufzugeben und mit sich alles machen zu lassen kam bei mir nicht mehr in Frage.
Ich muss aber auch sagen, das es seit der sehr intensiven Aussprache sehr viel besser läuft.
Wir haben alle Gefühle und müssen irgendwie damit klar kommen.....
Allen wünsche ich viel Kraft.....
Lg derax

Jedimeisterin
19.06.2016, 19:23
Hallo Derax und alle Anderen,

wichtig ist auch, dass man sich eine Auszeit nimmt. Damit man auch wieder selber klar kommt. Und auch Kraft tanken kann.

Ich verschwinde demnächst in den Urlaub. Egal, ob das akzeptiert wird oder
nicht. Ich brauche Abstand und neue Kräfte. Behindertes Kind und Krebser-
krankter kosten Kraft. Auch wenn man mit der Erkrankung Krebs nicht jeden
Tag zu tun hat. Es betrifft ja irgendwie die ganze Familie.

LG Andrea

zarah
10.07.2016, 14:48
Jedimeisterin, habe ich das richtig verstanden:

Du hast einen anstrengenden, behinderten Sohn? Deine Schwester einen mit schwerster Krebserkrankung im Sterben liegenden Mann? Und ihr beide zusammen eine pflegebedürftige Mutter, um die ihr euch kümmert? Alles gleichzeitig?

Ey, kein Wunder, dass ihr euch anzickt. Das ist die totale Überlastungssituation für alle Beteiligten. Been there, done that. Bei uns war es ähnlich mit den Mehrfach-Baustellen.

Urlaub ist eine gute Idee. Mir hat in der Situation vorübergehend auch ein niedrig dosiertes, beruhigendes und schlafförderndes Antidepressivum für mich selbst durchaus geholfen. Und Sport: Wann immer möglich raus auf's Rad. Den Kopf freipusten lassen und den Stress wegstrampeln.

Jedimeisterin
18.07.2016, 19:19
Hallo Zarah,

mir hat mein Urlaub sehr geholfen. Ich bin mich auf deutsch gesagt einfach
abgetaucht. Mein Geschwisterteil ist vermutlich nicht sehr begeistert, dass
ich plötzlich einfach weg war. Ich möchte nicht dauernd Rechenschaft ablegen
müssen. Komme mir hier schon bald vor wie im Käfig vor. Außerdem kann ich
mir nicht aussuchen, wann ich Urlaub nehme, da behindertes Kind auch noch
schulpflichtig ist. Über die allgemeine Belastungssituation würde man ja im
Normalfall ja auch reden. Aber bei der Situation Krebs im Endstadium und
die daraus resultierende Belastung, da sag ich lieber nichts. Verständnis kann
ich nicht erwarten. Damit muss ich eben leben.

Wenn ich mal so darüber nachdenke, ist es vielleicht auch möglich ähnlich wie bei der normalen Pflege alter oder behinderter Menschen ein ähnliches Netzwerk (damit auch die Angehöriger
Krebserkrankter auch entlastet werden) aufzubauen? Wie sieht es bei euch aus? Bei meiner Schwester scheint das Netzwerk nicht so vorhanden zu sein. Mein Schwager hat damals schon
beklagt, dass keiner ihn so richtig besucht außer die Familie.

LG Jedimeisterin

Tinele
18.07.2016, 23:07
Krebs hat das Stigma Tod . Damit will keiner was zu tun haben. Dementsprechend schwer wäre es da , so ein Netzwerk aufzubauen ..... Leider ziemlich normal , daß irgendwann nur noch die Familie kommt - wenn man Glück hat .