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OpaTochter 07.09.2012 10:58

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
ich glaub das ist das Wetter oder die Jahreszeit.

Bei uns ist es gerade GENAU SO!!!
Ich gestehe ich bin etwas froh, wenn meine wieder nach Hause fahren. :o

Vielleicht wird mein Pa dann ja wieder umgänglicher. Außerdem ist nächste Woche Kontroll CT - Daumen drücken -

El_Desparecido 07.09.2012 11:16

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Ach Mari,

ich weiss genau, was du meinst.
Unsere Väter haben am Montag die erste Chemokeule reingewürgt bekommen.
Meiner war am 2. Tag total aggressiv und mit allem unzufrieden. Mit sich, mit uns, mit der Situation, mit den Schwestern, mit allen.

Ich habe darüber mit der Ärztin gesprochen und sie hat mir gesagt, dass das durchaus von der Chemo kommen kann. Sie sagte, man kann sich nicht wirklich vorstellen, was die Chemo im Körper anrichtet und dass es recht normal sei, ersteinmal an der Wirkung zu zweifeln, weil man gefühlt noch kränker wird. Daraus kann dann logischerweise auch Mutlosigkeit und Depristimmung entstehen.

Was kannst du dabei machen?
Nicht viel, fürchte ich. Ausser genau dem, was du machst. Da sein.

Ich stelle auch fest, dass ich zunehmend dünnhäutiger werde. Bisweilen auch aggressiv gegenüber Leuten, die das nicht verdient haben. Zum Beispiel auch gegenüber meiner Mutter. Ich merke das immerhin sofort und entschuldige mich, aber ich muss wirklich aufpassen, dass ich mich nicht emotional überfordere.
Im Moment bin ich auch in Kaputtmachstimmung.
Irgendwas, Hauptsache kaputt.
Die Scherben lassen grüßen.


Ich drück dich, Mari.

Larimari 07.09.2012 11:56

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
ja, das kenn ich. oh gott, ich kenns. ich bin grad nicht mehr ganz in zerstoerlaune. wobei, ich war ja die letzten wochen auch auf rosa-brille-pillen. mittlerweile arbeite ich wieder. und das tut gut. einfach mal kurz rauskommen, energie tanken und dann wieder heim fahren.

und, ich hab mir naechstes wochenende fuenf tage mit meinem freund gegoennt. natuerlich mit den eltern abgesprochen. mein partner lebt in den staaten, und wir sehen uns eh viel zu selten. und als papas diagnose kam, dachte ich, ich sehe ihn so gut wie gar nicht mehr. jetzt nutze ich den moment, und mach mich fuer fuenf tage auf den weg. :D das baut mich auf.

man kann sich wirklich nicht vorstellen, was bei so einer chemo passiert, und auch nicht bei der bestrahlung. nach aussen hin wirkt mein dad gar nicht so arg eingeschraenkt. er ist gut zu fuss, kann eigentlich noch alles machen. ist halt nur irgendwie niedergeschlagen. und genervt, dass er so viele medis nehmen muss. ich werd ihn morgen oder am sonntag mal vor der arbeit zu einem kleinen spaziergang schleifen. hoffe, das hilft ein bisschen.

ich wuensche euch allen wirklich alles, alles gute!

opatochter: das wochenende wird sonnig und warm! ich hoffe, das gibt gute laune! :) und gute ergebnisse

und auch dir, carlos, und deinen eltern wuensche ich eine gute zeit!

lg,
mari!

Larimari 09.09.2012 23:56

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hui, mal wieder daheim. Also bei mir daheim. Tut gut.

Hab grad noch mal schnell bei meinen Eltern angerufen. Mein Dad hat mir nen Einlauf verpasst, die Mama sei schon im Bett und so spät anrufen ginge doch nicht... :) aber es geht ihm okay. Und das ist für mich wichtig.

Ich freu mich schon auf das Wochenende mit meinem Freund. Dann noch drei Tage frei bei meinen Eltern.

Mein Dad kann sich immer noch nicht mit der Situation anfreunden. Er sieht sich als Sklave seiner Medikamente. Und pdas Schwummrige, das wohl durch die Kopfbestrahlung verursacht wird, findet er unheimlich. Auf der einen Seite mag er es aber auch nicht, dass wir Aufgaben übernehmen, die sonst explizit seine Aufgaben sind. Und das macht mir Hoffnung, dass er doch noch aus seiner ersten Depression und Lethargie herauszuholen sein wird....

Und jede Tag denke ich mir, wenn doch nur die Behandlung gut anschlägt...
Ich wünsche uns das so sehr...

Wie geht's denn euch allen? Hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende. :)

El_Desparecido 10.09.2012 11:45

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Mari,

es freut mich sehr, dass du deinen Freund nächstes Wochenende sehen wirst.
Meine Freundin entpuppt sich als einziger Anlaufhafen für mich, die Verständnis für meine Situation aufbringt und instinktiv das Richtige tut oder eben auch nicht tut.
Ich wünsche dir einige erholsame und intensive Tage mit deinem Liebsten.

Mein restlicher Freundeskreis erweist sich leider als überfordert mit der Situation. Um es mal diplomatisch zu formulieren.
Aber gut, dass soll nicht meine Sorge sein. Zumindest nicht jetzt.

Ich wünsche euch viel Kraft, Mari.

Larimari 10.09.2012 11:54

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Mein Freund tut, was er auf die Distanz tun kann. Und das ist gut.

Meine Freunde und Kollegen, naja, die meisten sind selbst in irgendeiner Form mit Krebs und/oder Tod in Kontakt gekommen, von daher hab ich da echt Glück. Auch wenn ich anfangs, grad in der Arbeit, Bedenken hatte.

Ich mach mir nur grad echt Sorgen um meinen Dad. Die Bestrahlung macht ihn ziemlich schlapp. Er macht zwar noch alles. Aber irgendwie verliert er ein bisschen das Vertrauen in seinen Körper. Weil er halt schnell erschöpft ist. Er traut sich grad selbst bestimmte Sachen nicht mehr so zu... Hoffe, dass bessert sich wieder. Das ist grad mein, wie die letzten Posts zeigen, Auf- und Abthema...

Danke für die guten Wünsche!

El_Desparecido 10.09.2012 12:17

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Ich hoffe mit dir.

Das man bei so einer Diagnose und Therapie das Urvertrauen in seinen Körper und dessen Leistungsfähigkeit verliert, erscheint mir mehr als nachvollziehbar.

Es wird vermutlich seine Zeit brauchen, bis man (unsere Väter) sich damit arrangiert hat, die Ansprüche an sich selbst den geänderten Umständen anzupassen.
Erfreulich finde ich, dass dein Vater den Anspruch hat seine bisherigen Aufgaben weiterhin zu übernehmen, auch wenn ihm im Moment der Mut fehlt.
Darauf lässt sich aufbauen, denke ich.

Ich drück dich.

Sonnenschein_2012 10.09.2012 17:00

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hallo Svenja,

was gibt es bei Dir Neues?

LG
Sonnenschein

Larimari 11.09.2012 11:38

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
hallo ihr lieben!

hey ainu, das mit der umschulung klingt doch gut. ich wuensch dir ganz viel kraft dafuer! hab gestern auch mit ner kollegin gesprochen. ich wollte in den naechsten drei jahren so ein bwl-aufbaustudium machen, hab mir schoen alles geplant, und dann kam mein dad. aber ich habe beschlossen, dass ich es doch in angriff nehmen muss, denn die sorge um sich selbst darf nicht vernachlaessigt werden. und ich hoffe, dass du die gelegenheit auch gut nutzen kannst, nicht nur fuer dich, auch fuer deinen kleinen! viel glueck!

mein dad mosert, und er sagt mittlerweile voll oft schei**, das wort kam sonst nicht so oft in seinem vokabular vor. er schlaegt sich tapfer. hat halt magen-darm-trouble, und das nervt ihn... und er ist ein ungeduldiger medikamentennehmer. kapiert nicht, dass z.b. mucofalk etwas ist, dass ne zeitlang braucht, um zu wirken. wir sind hier grad noch am lernen... :D

ich fiebere mit leicht schlechtem gewissen dem donnerstag entgegen, und freue mich darauf, am freitag erstmal meine lieblingseisdiele am rand von little italy zu besuchen, und leerzufressen! :rotier2:

El_Desparecido 12.09.2012 12:47

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hey Mari,

ich kann dich total gut verstehen, dass du das BWL Studium trotz aller Widrigkeiten durchziehen möchtest.
Vielleicht schwingt da auch ein bisschen Trotz mit, nach dem Motto: Jetzt erst Recht und ich werde mir vom blöden Universum bestimmt nicht in die Suppe spucken lassen.
Einerseits finde ich das gut und richtig.

Andererseits sehe ich auch die Gefahr sich zu übernehmen und das du dich aufreibst auf zu vielen Baustellen.

Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass ein berufsbegleitendes Studium ein ziemlicher Kraftakt ist, vor allem wenn man mit dem Anspruch antritt, wirklich das Beste aus diesem Studium zu machen. Und so schätze ich dich ein.
Und je nachdem ob dein Arbeitgeber oder du das Studium bezahlst, steckt auch ein finanzieller Druck oder Erwartungshaltung dahinter.

Schon bemerkenswert wie sich manche Geschichten gleichen und Wege kreuzen.
Ich habe für das kommende Wintersemester genau dasselbe geplant, allerdings in einer etwas anderen Fachrichtung und für mich entschieden, es erst einmal aufzuschieben. Auf jeden Fall werde ich es nachholen. Auf jeden Fall. Aber alles zu seiner Zeit.

Du schreibst, du hättest deine Entscheidung schon getroffen. Ich möchte dich nicht davon abbringen, nur meine Sicht der Dinge anbieten.

Deine gemischten Gefühle wegen des Urlaubs kann ich auch gut nachvollziehen. Aber ich bin mich auch sicher, dass dein schlechtes Gewissen unnötig sein wird und du im nachhinein froh sein wirst, gefahren zu sein.
Und hey, New York bedeutet (neben Bauchschmerzen von zu viel Eis) doch wohl vor allem Ablenkung, Hektik und Trubel. Das wird dir gut tun und damit allen Beteiligten.

Ich wünsche dir gute Reise und eine schöne Zeit mit deinem Freund!

Sonnenschein_2012 12.09.2012 13:14

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Svenja,

gratuliere zu der Umschulung. Ich meine, Du bist auf einem guten Weg, um mit der Situation irgendwie klar zu kommen.

Mir gehts momentan nicht gut, habe das Gefühl, ich bin in eine Depression hineingeschlittert. Könnte nur noch dasitzen und weinen. Ich hab kein Ziel mehr, wozu hoffen und kämpfen und bangen.. es ist doch nur ein Spiel auf Zeit... 2 - 3 Monate mehr... was bringt das? Es ist alles so sinnlos.

Liebe Grüße
Sonnenschein

Larimari 12.09.2012 17:13

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hey Carlos!

Danke für die guten Wünsche. Das mit dem Studium ist nicht gar so akut. Man kann's gut in einzelnen Modulen machen, und jederzeit einsteigen. Da ich es in Eigenregie mache, ist auch der Zeitdruck nicht so hoch. Das wird schon werden.

Wir waren heute beim heimischen Onkologen. Der ist sehr nett. Und mein Dad fühlt sich gut betreut. Der Arzt will nämlich, dass mein Dad jeden zweiten Tag anruft und seinen Zustand schildert. :D so eine Art von Zuwendung findet der Dad spitze. Blutwerte heute gut. Ich hab ihn heute schon ein bisschen spazieren geschickt. :D

Und morgen darf ich auch ein bisschen spazieren...

Ich wünsch euch allen alles Gute!

Larimari 14.09.2012 17:45

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Kaum weg von Zuhause, schon hängt man am Telefon, um sich im 10-Minuten-Takt über die Lage der Dinge zu informieren. :rolleyes: Loslassen, na klar...

Aber heute ist mein Dad ganz alleine zum Arzt gegangen. Zu Fuß, wohlgemerkt! :) es ist komisch. Er wirkt ja gar nicht wirklich krank, nur von zeit zu zeit ein wenig erschöpft, aber trotzdem machen einem solche kleinen normalen ereignisse Freude. Etwas, worüber man sonst nie nachgedacht haette...

El_Desparecido 19.09.2012 15:15

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Mari,

ich hoffe du hattest tolle Tage mit deinem Freund in New York und konntest dich ein bisschen ablenken. Vielleicht ist sogar die Taktung der Anrufe in die Heimat niedriger geworden.

Die Freude über an sich normale Ereignisse kann ich vollkommen nachvollziehen.
Bei meinem Vater ist das so, wenn ich es schaffe ihn zum lachen zu bringen. Irgendwie hat das oft mit anzüglichen Bemerkungen oder mit ironischen Kommentaren über seinen Zustand zu tun.
Wenn er lacht oder sich freut muss ich mich ganz oft dazu zwingen auch zu lachen und nicht zu heulen.
Krasser Scheiß.

Geht bei deinem Vater die Chemo nächste Woche auch weiter?

Larimari 20.09.2012 00:24

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
jupp, am dienstag gehts weiter...

mein dad ist ein bisschen gefrustet von den nebenwirkungen. er ist ein bisschen grobmotorisch geworden. zumindest faellt ihm beim laufen auf, dass er den fuss ein bisschen unkontrolliert abrollt... der arzt meint, das geht vorbei. die blutwerte sind in ordnung. und er verliert haare. aber nur am kopf, von der bestrahlung. wenn das so weiter geht, sieht er bald aus wie telly savalas. ein bisschen schmaler vielleicht. und ohne lolli...
bin grad seit nem tag daheim, und hab ueberall haare von meinem dad an den klamotten. ich glaube, er will den radikalen schritt nicht gehen, sondern sich von jedem haar einzeln verabschieden.

oh, oh, und irgendwas von dem zeug, was er nimmt, verursacht ungeheure flatulenzen... der arme kerl, ehrlich, er tut mir so leid. wir lachen zwar oft darueber, und scherzen, dass er unsere heimeigene biogasanlage ist, aber es ist ihm sehr unangenehm. vor allem, wenn er irgendwo unter leuten ist, wo er nicht ohne weiteres mal einen fahren lassen kann... und er traut sich nicht, darueber mit dem doc zu sprechen... ich hoffe, mein zureden hilft, und er thematisiert es am freitag. sonst muss ich mitgehen.

ich hatte ja gehofft, dass, wenn ich wieder daheim bin, ein kleines wunder passiert und alles wieder normal ist. aber der krebs ist immer noch da. ich hab ein bisschen schiss vor der naechsten runde chemo, und vor der untersuchung danach... aber ich versuche, nicht daran zu denken. alles, was weiter in der zukunft liegt, interessiert mich gerade noch nicht.

ist dein dad denn nun mittlerweile nach hause gekommen? ich hoffe, ihr habt alles gut in den griff bekommen.

ganz liebe gruesse,
mari

Larimari 21.09.2012 11:49

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
wir haben heute eine muetze gekauft. fuer meinen dad. sein haupthaar wird immer lichter. der arme leidet total darunter. naja, er war sein lebtag lang ein eitler balkano. und stolz auf seine haare. aber weils jetzt doch immer kaelter wird, und auf dem kopf fast nix mehr ist, mussten wir ins lokale herrenmodegeschaeft, und einen schicken schieber organisieren. der steht ihm gut. die verkaeuferin war auch sehr nett. hat gleich kapiert, was los ist. und sitzt wahrscheinlich immer noch in ihrem laden und versucht, die haare meines vaters aus den muetzen zu pulen, die er anprobiert hat. :D

ich hoffe, dass sich der dad schnell an seine neue muetze gewoehnt. und an seinen kahlen kopf...


Edit: habe ich eigentlich in letzter zeit mal gesagt, wie sehr ich meinen Vater liebe, und wie unglaublich fertig mich der Gedanke an seine Krankheit, ihre besch***ene Hinterfotzigkeit und unvorhersehbarkeit und ihren letztendlich doch klaren Ausgang macht? Ich könnt schreien vor Wut und Angst und Hilflosigkeit...

Mirilena 22.09.2012 10:15

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Mari,

ich lese immer still bei dir mit... Ich wollte dich nur mal eben wissen lassen, dass ich dich trotz der widrigen Umstände sehr, sehr gern lese. Du hast einen großartigen Humor und ich denke, dass du mit deiner entwaffnenden, offenen und herzlichen Art deinem Papa unheimlich gut tust. Letztlich ist Lachen immer noch die beste Medizin, denn die lenkt von all dem Kummer ab.

Auch wenn es dir bestimmt oft sehr, sehr schwer fällt...

Ich drücke ganz fest die Daumen, dass die Chemo bei deinem Papa gut anschlägt!!!

Liebe Grüße
Miriam

Larimari 25.09.2012 01:03

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
danke miriam! :)

ich bin grad tatsaechlich aber sehr duennhaeutig. mein dad hatte heute, als ich mit ihm telefonierte, schlechte laune, weil zum einen die bestrahlung seinen bewegungsapparat beeintraechtigt - er hat das gefuehl, er laeuft nicht mehr so gut -, auf der anderen seite ihn der arzt beim bluttest fast zwei stunden hat warten lassen... das wiederum hat mir die laune verdorben, ich hoffe, dass die motorischen stoerungen nur voruebergehend sind, aber es macht mir angst. und als ich heute abend heimkam, musste ich wieder mit entsetzen fest stellen, dass es wohl wirklich besser gewesen waere frisurentechnisch einen radikalen schnitt zu vollziehen. mittlerweile hat er naemlich nur noch ein paar jaemmerliche haerchen auf dem kopf. und das sieht so traurig aus. hey, ich konnte nicht anders, ich wollte zwar nicht, aber ich hab echt losgeflennt wie ein kind, als ich ihn gesehen habe...

ich hoffe, dass bald wieder eine grosse portion mut mit der post kommt. koennt ich im augenblick wirklich gebrauchen...

El_Desparecido 25.09.2012 11:47

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Ach Mari,

ich kann dich so gut verstehen. Alles was du schreibst kommt mir sattsam bekannt vor.
Das Drama mit den Haaren habe ich auch durch. Erst habe ich meinem alten Herren den Schnurrbart abgenommen, weil die halbe Suppe drin hingenblieb. Erstmals ohne Schnurrbart seit 50 Jahren...Dann liess er büschelweise Haare auf dem Kopfkissen und ich sollte sie ihm abrasieren. Als ich nächsten Tag mit dem Langhaarschneider ins Krankenhaus kam, sagte er "Nee, doch nicht.", um sie dann 2 Tage später doch von einem Krankenpfleger zu rasieren.
Da musste ich auch echt schlucken.
Genau wie du.
Ich nehme an, dass der geschorene Kopf und die dennoch kahlen Stellen die visuelle Bestätigung für die Krankheit liefern. Wir blicken im wahrsten Sinne des (Sprich)wortes in das fahle Antlitz der Realität, der Krankheit. Da welkt des Stärksten Verdrängungsfähigkeit dahin.

Das dir die abnehmenden motorischen Fähigkeiten Sorge und Angst bereiten, ist auch nur zu verständlich.
Ich kann dir aber versichern, dass du auch das akzeptieren lernen wirst.
Ich konnte das auch erst nicht glauben, aber auch das wird irgendwie zur Normalität.
Ich beginne langsam zu begreifen, was der Satz "Auch in der Nazizeit war zwölfmal Spargelzeit" wirklich bedeutet.

Ich kenne dich zwar nicht wirklich, aber nach allem was ich von dir lese, bist du eine starke Frau und tolle Tochter. Du bist die Tochter deines Vaters und ihm dankbar dafür, dass du so geworden bist, so werden konntest, wie du jetzt bist. Und gibst ihm so viel davon jetzt zurück, wie du kannst.
Weil du ihn so liebst, schmerzt es so.
Diese Art von Liebe ist meiner unbedeutenden Meinung nach mit das wertvollste und Kraft spendenste, was man empfinden kann.
Du wirst den Mut für jeden Tag aus dieser Liebe schöpfen, da bin ich sicher.

Und für die schlechten Tage, an denen du daran zweifelst, möchte ich dir zurufen: "Hey Mari, du machst das toll und dein Vater kann wirklich stolz auf seine Tochter sein!"

Fühl dich gedrückt.

Larimari 28.09.2012 00:36

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
hola carlos!

danke fuer die aufmunternden worte.

es geht schon wieder. naja, es geht mal wieder, dann geht es mal wieder nicht. es ist ein staendiges auf und ab.

heute ist der zweite zyklus chemo losgegangen. man wird wohl fuer den rest einen port anlegen. er hat blaue flecken, die sich nur langsam zurueckbilden, vielleicht auch wegen des cortisons, das er bekommt. er bekommt die chemo jetzt vor ort, in einer netten, kleinen tagesklinik. und dort hat er heute leute beobachtet, und mit einer frau geratscht, die wohl - so empfand er es - viel schlechter beieinander war als er. das hat ihn wohl wieder ein bisschen versoenlicher gemacht. auf jeden fall haben wir heute abend noch einen netten plausch gehabt. er war gar nicht gereizt.

ich hab jetzt endlich mal zwei tage frei. werde bei meinen eltern bleiben. aber ich werde mich anstrengen, auch ein bisschen zu entspannen. :D klingt komisch, ist aber so.

ist dein dad noch im krankenhaus?

Katrin111 03.10.2012 13:33

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hallo Ihr Lieben,

ich hab schon ein paar Mal in diesem Forum gelesen und hab mich jetzt angemeldet.

Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Ihr beschreibt dieses Gefühlschaos, in dem ich mich auch grad befinde, so gut und sprecht mir aus dem Herzen.

Meine Mutter hatte vor ca. 2 Jahren Brustkrebs. Nach der Behandlung (erst Chemo, dann OP und Bestrahlung) sah es eigentlich ganz gut aus, si war sogar wieder arbeiten. Und dann kam im Januar der Schock: Rückfall im Bereich der Leber/Lunge, keiner weiß was genaues, aber es ist wahrscheinlich CUP - Cancer unknown primarcy (Mestastasenbildung ohne den Ursprungsherd zu kennen). Ihr Zustand wurde im Februar so schlecht, dass die Ärzte sie aufgegeben hatten, aber dann wurde es wieder besser. Seitdem bekommt sie Chemo - palliativ.

Seit September ist sie nun wieder im Krankenhaus. Sie hat Wasser im Bauch. Und entweder die Nebenwirkungen von der Chemo belasten sie so stark oder wenn die Chemo ausgesetzt wird, dann schreiten die Metastasen weiter fort.

Ich würde ihr so gern helfen, aber diese Hilflosigkeit... Auch das man einen lieben Menschen, der mal gesund und stark war, in so einem Zustand sehen muss und ihm nichts helfen kann, ist so belastend.

In meiner Situation kommt noch hinzu, dass ich ca. 100 km von meinen Eltern entfernt wohne, d. h. ich fahre zur Zeit jedes WE hin und kümmere mich um den Haushalt, meine Eltern etc. Ich hab dadurch aber kaum mehr Zeit für mich, mal was zu unternehmen etc. Und wenn ich es tun würde, sind da dann auch wieder die Schuldgefühle. Ich hab da einfach kein Gefühl dafür, was richtig ist und was mich auch nich kaputt macht..

Mit meinen Freunden kann ich, ähnlich den Beiträgen, auch nicht wirklich drüber reden, da es für sie halt nur nen Moment ist, wenn wir reden, und sie nicht wirklich nachvollziehen können, wie es mir geht.

Es tut daher sehr gut, in diesem Forum zu schreiben. Ich wünsche uns allen die Kraft, die wir alle bitter nötig brauchen und hoffe, wir können uns hier ab und zu austauschen.

Viele Grüße, Katrin

Larimari 18.10.2012 11:25

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
jetzt haben wir den salat.

ich hab bis vor kurzem immer noch mit meinem dad gescherzt, dass er jetzt, wo er lungenkrebs hat, zumindest nicht mehr unter altersdemenz leiden muss. weit gefehlt. er hatte am montag naemlich eine krise, lungenentzuendung. und es wurde ein schnell wirksames antibiotikum verschrieben. jetzt hatte dieses medikament jede menge nebenwirkungen, unter anderem auch verwirrung und desorientierung und so.
naja, in kombination mit dem fieber, dem infekt, dem wassermangel und den kopfmetas hat das antibiotikum dann gestern zu einem einwandfreien akuten delirium gefuehrt. will sagen, mein dad ist - temporaer, so sagt der arzt, und ich hoffe, er hat recht - verrueckt geworden. es sind die schlimmsten momente meines lebens. ehrlich, er hat sich innerhalb von 24 stunden massivst veraendert, ist jetzt ein verwirrter alter mann, der nur wirres zeug brabbelt, ungeheuer unlogisches zeug macht... das, was man sich nie fuer seine eltern gewuenscht hat. es ist schlimm.

ich hoffe, dass keiner von euch sowas durchmachen muss. augen auf bei antibiotika!!!

Mirilena 18.10.2012 21:28

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Hallo Mari,

so ein Sch...!!!! Mein Vater hatte auch so eine fiese Lungenentzündung. Das ist bei Lungenkrebs wohl eine häufige "Begleiterscheinung". 5 Wochen hat er im Krankenhaus gekämpft und dann hatte er's geschafft und durfte endlich wieder nach Haus! Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass es deinem Papa sehr bald wieder besser geht und er sich von den fiesen Nebenwirkungen des Antibiotikums erholt und wieder der "Alte" ist. Kopf hoch und ein wenig Geduld, Mari! Ich weiß, wie schwer es ist und vor allem wie schrecklich es ist, deinen Vater nun so zu erleben.

Liebe Grüße
Miriam

Larimari 18.10.2012 23:35

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
hi miri, hi svenja!

ja, es ist eine bescheidene situation. der papa ist heute ins krankenhaus eingeliefert worden. die heimpflege hat nicht optimal funktioniert. wir haben uns die groesste muehe gegeben. aber es war irgendwann einfach zu schwer, ihm was zu trinken zu verabreichen. da mein bruder behindert ist, sind wir ja schon mit so sachen wie windeln und aehnlichem ausgestattet, somit konnten wir auf dads neuen zustand gut reagieren. letztendlich hat der doc aber gemeint, krankenhaus ist sinnvoller.
ich war erstmal geschockt, klar, wir versuchen immer, ohne kh zurecht zu kommen, aber mittlerweile bin ich beruhigt. er liegt auf der intensivstation, was anfangs nicht angedacht war, aber seine natriumwerte sind sehr schlecht. ich finde es gut, weil ich mir denke, dass er dort besser beobachtet wird in seinen sonderbaren verhaltensweisen. ich hoffe, dass sie ihn wieder herstellen koennen. die symptome der lungenentzuendung sind schon fast weg. das fieber war heute nicht mehr arg hoch. aber die verwirrtheit ist immer schlimmer geworden.
sie haben heute noch ein schaedel ct gemacht. und ich hab mit dem arzt vereinbart, dass no news good news sind. und bisher hab ich nix von ihm gehoert. ich hoffe, dass er mich nicht vergessen hat, sondern wirklich nix zu melden hatte.

drueckt daumen, dass er seinen verstand zurueck bekommt. (ich finde die vorstellung, dass die letzte erinnerung an meinen dad, ein brabbelnder, verwirrter alter man sein soll, und nicht mein dad, wie ich ihn kenne, ziemlich erschreckend) und dass wir die bloede lungenentzuendung auch in den griff kriegen.

ich knock mich jetzt aus. fast 48 stunden ohne schlaf sind zu viel...

El_Desparecido 19.10.2012 11:35

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Mari,

eigentlich weiss ich gar nicht was ich schreiben soll.
Life is a bitch?
Schlimmer geht immer?
Ich weiss es nicht.

Wohl weiss ich aber, wie schrecklich das für dich sein muss. Für dich ist mein größter Albtraum wahr geworden.

Auch wenn du dich hilflos und machtlos, ungenügend empfinden magst im Moment. Sei sicher, dass das was du tust, deine Liebe, deine Sorge, Fürsorge, Kümmern, Hoffen und Bangen alles andere als ungenügend ist und ganz und gar nicht selbstverständlich.
Alles was ich von dir lese ist letztlich von großer Liebe zu deinem Vater, zu deiner ganzen Familie geprägt.

Du machst das großartig. Und deine ganze Familie ist sicher unglaublich froh und dankbar, dass es dich gibt.

Ich wünsche deinem Vater viel Kraft und alles Gute.

Du machst das großartig, Mari.

Pass auf dich auf.

Meine Daumen sind gedrückt. Alle Beide.

Larimari 20.10.2012 12:16

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
ich habe heute meine erste nacht im krankenhaus verbracht. als watchdog. es ist eine sehr sonderbare situation.

mein vater ist von der intensiv auf die innere verlegt worden. er hatte gar keine lungenentzuendung, sondern bronchitis. auf der intensiv hatte er einen kleinen atemaussetzer, woraufhin die beschlossen haben, ihn auf normalstation zu legen, um lebensverlaengernde massnahmen zu vermeiden. mein dad will keine.

er ist immer noch im delirium. es ist schwer mit anzusehen.

mittlerweile liegt, in ermangelung eines kurzpflegeplatzes, auch mein bruder bei meinem dad im zimmer. am montag wird er in ein heim verlegt. fuer meine mom der absolute albtraum.

irgendwie bricht die familie grad ein wenig auseinander.

irgendwo auf dem balkan organisiert gerade jemand fuer uns einen grabplatz mit allem drum und dran. ich schaetze, wir muessen vorbereitet sein.

Larimari 20.10.2012 13:18

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
news from the hospital. da wohne ich naemlich jetzt. quasi als dauerwatchdog.

es ist wohl doch ne lungenentzuendung. die aerzte waren grad da, und haben gemeint, dass sie doch antibiotika geben muessen. und die natriumzufuhr erhoehen, weil er da extrem niedrige werte hat. ich weiss nicht, was ich von dem ganzen halten soll...

ich wuenschte nur, er waere wieder klar im kopf...

ich meine, wenn er jetzt gehen mag, ist das okay. aber ich haett schon gerne noch einiges beredet. vielleicht muessen wir es irgendwann nachholen. an einem anderen ort als andere leute. an reinkarnation zu glauben finde ich momentan irgendwie troestlich...

Larimari 20.10.2012 15:32

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
oh, und uebrigens. nach diesem praktikum im krankenhaus, weiss got, wie lange es noch dauert, kann ich mich direkt als pflegehilfskraft bewerben. lagern, medikamente verabreichen, absaugen - kann ich machen. auch mein ekelpegel ist dramatisch gesunken. man lernt so viel ueber die fragilitaet des menschen an so einem ort.

so, und jetzt muss ich, glaub ich, wieder erbrochenes wegwischen...

hooray for life quality :(

Mirilena 20.10.2012 18:11

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Ach mensch, Mari! Das ist ja alles echt bescheiden! Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist... Dazu kommt bei dir jetzt auch noch der akute Schlafmangel. Pass ein bißchen auf dich auf, ja? Wie Carlos geschrieben hat, es ist wichtig, dass du auch auf dich achtest!!!

Was sagen denn die Ärzte zur Verwirrtheit deines Papas? Ist das auf die Medikamenteneinnahme zurückzuführen? Mein Vater hatte letztes Jahr auch so eine schlimme Lungenentzündung kurz vor Beginn seiner Chemo... Die Lungenentzündung haben sie im Krankenhaus dann in den Griff bekommen. Allerdings hatte er auch einen PLeuraerguss und es folgte ein langwierige Behandlung mit Drainage etc. Ich fand es so schrecklich, als ich meinen Vater so verkabelt und geschwächt in seinem Bett liegen sah und diese seltsamen Geräte um ihn herum, die pumpten und so gruselige Sauggeräusche machten. Aber er war klar bei Bewusstsein... Das machte wohl vieles einfacher.

Hast du schon Ergebnisse wegen des Schädel-CTs erhalten? Ich wünsche euch von Herzen, dass du "no news" erhältst!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ich wünschte, ich könnte dir irgendetwas Gutes tun. Ich drücke ganz fest die Daumen, dass dein Vater zunächst einmal wieder zu sich kommt und du mit ihm sprechen kannst.

Alles Liebe,
Miri :pftroest:

Larimari 21.10.2012 10:50

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
das schaedel ct war nur ein ganz banales, ohne kontrastmittel. um hirnblutungen auszuschleissen. zu den metastasen koennen sie da nix sagen. sie wollen erst die entzuendung in den griff bekommen, heisst es.

letztendlich schlaeft er sehr viel. was wahrscheinlich okay ist. sein verwirrtheitszustand ist aehnlich wie die letzten tage. manchmal ist er etwas fokussierter, dann kann man aber auch nur kleine sachen erfragen, wie hunger und durst.

die vorstellung, dass er jetzt bis zu seinem ende in diesem zustand verweilen koennte, find ich am tragischsten. wir haben ja mal tatsaechlich von vorzeitigem lebensausstieg gesprochen in faellen, wo es einem nicht lebenswert erscheint. ich weiss, dass mein geistig anwesender dad die aktuelle version seiner selbst nicht ertragen koennte.

ich versuche, auf mich zu achten. weiss allerdings nicht so genau, wie das vonstatten gehen soll. schlafen geht grad nur mit hilfe. koerperlich bau ich rapide ab. macht sich gut fuer die figur, aber schlecht fuer die geistige verfassung. ich kriech schon auf dem zahnfleisch daher, und dabei kann es noch ewig dauern.

es war ein fuerchterlicher schock, als wir erfahren haben, dass papa krebs hat. die sache mit der ploetzlichen verwirrung aber toppt es noch um ein vielfaches. ich haette meinen dad so gerne nicht in einem solchen zustand gesehen. :(

danke fuer eure lieben worte. das internet ist momentan mein einziger weg nach draussen, glaub ich.

danke!

Mirilena 21.10.2012 12:16

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Guten Morgen Mari,

irgendwie war mir gerade so, als solle ich noch einmal hier reinschauen... Schlafen ist auf jeden Fall gut!!! Am besten, dein Paps schläft jetzt so viel er kann. Ist wahrscheinlich die beste "Medizin" und außerdem bekommt er dann auch gar nichts mit von alldem, was um ihn herum passiert.

Hast du denn auch mal eine Ablösung? Wäre großartig, wenn du auch mal ein paar Stunden am Stück schlafen könntest. Und du musst dich ein wenig zwingen, Nahrung zu dir zu nehmen und viel trinken. Ich weiß, ich klinge jetzt schon wie "Mutter Beimer", aber ich mache mir auch Sorgen um DICH. Außerdem bin ich tatsächlich Mama;)

Vielleicht tut es dir auch ganz gut, wenn du mal für ein oder zwei Stunden das Krankenhaus verlassen kannst und ein wenig spazieren gehst. Mir hat das immer geholfen, einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.

Ich weiß aber nur zu genau, was du meinst. Es tut schon verdammt weh zu sehen, wie der eigene Vater körperlich in rasantem Tempo abbaut. Wenn er dann aber auch noch so verwirrt ist, dann ist das ungleich härter. Man hat einfach das Gefühl, nicht mehr zu ihm durchdringen zu können und ich hatte manchmal auch den Eindruck, mein Vater sei schon "vorher" gegangen. Es tut schrecklich weh. Aber Mari, du tust nun wirklich alles für deinen Vater. Mehr geht einfach nicht! Du bist eine ganz, ganz tolle Tochter und ich wünschte mir, dass sollte ich jemals in so einer Situation sein, meine Tochter dann auch so an meiner Seite kämpft.

Und wenn es irgend möglich ist, dann husch jetzt mal für ein Weilchen nach draußen und schnupper ein wenig Herbstluft...

Ich denke an euch
Miri

Larimari 21.10.2012 12:28

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
hallo miri!

danke fuer deine nachricht. nette worte tun gerade sehr gut. gott sei dank sind alle nett hier. und aufmerksam.

spazieren gehen, ja, das ist eine gute idee... bisher ist es immer so krankenhaus-daheim-krankenhaus. wobei ich zuhause schon immer versuche zu schlafen. gestern nacht ist meine mutter im kh geblieben. ich konnte also durchpennen. das hat auch geholfen. jetzt ist sie daheim, und ruht sich aus, organisiert sachen und so, und ich halte wache.

die einzigen freuden des tages, ausser klitzekleinen erfolgserlebnissen bei meinem dad, wenn er mal nen becher selber haelt, oder seinen brei gegessen hat, oder mal sinnvoll auf eine frage antwortet, sind die telefonate mit meinem freund, gelegentliche freunde und der schlaf.

irgendwelche weltlichen beduerfnisse hab ich gar nicht mehr... ich seh aus wie ein, naja, wie man halt so aussieht, wenn man jeden morgen einfach nur anzieht, was einem in die hand faellt. ich hab keine ahnung, was in der welt passiert. das ist komisch.

El_Desparecido 21.10.2012 13:34

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Liebe Mari,

ich denke an dich.
Ich habe heute wie jeden Herbst Bäume gepflanzt. Guerillamäßig an allen möglichen und unmöglichen Orten Kastanien und Eicheln, die ich letzte Woche sammelte, verbuddelt. Bestimmt 25 Kilo. :)
Viva la revolucion!

An einer wie ich fand besonders passenden Stelle, habe ich für dich, deinen Dad, deine Mutter und deinen Bruder jeweils eine Handvoll vergraben. Da wird, da bin ich sicher, euer eigener kleiner Hain entstehen.

Du bist wirklich eine tolle Tochter, glaube mir. (chakachaka)
Und screw das Weltliche.
Das "gute" an Extremsituationen ist tatsächlich, dass es Perspektiven und Bedürfnisse zurecht rüttelt. Zumindest wenn man es zulässt. Und das tust du.

Fühl dich gedrückt.

I.J. 21.10.2012 15:48

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
...wenn sich die Angehörigen abwenden..weil sie nicht mehr können...weil sie nicht mehr wollen...weil sie jetzt ihr eigenes Leben leben wollen...weil ihr Therapeut ihnen sagt, sie müßten sich um sich selber kümmern....sage ich.."Ja. ich kann es verstehen..es ist in Ordnung..mach Dir bitte keine Soregn um mich...genieße Deinen Urlaub...kümmere Dich um Dich selbst...ich komme zurecht..es geht mir gut." ...und fühle mich unendlich alleine...dem Tod noch näher...keine Kraft alleine zum Arzt zu gehen, keine Kraft und kein Geld die Medikamente aus der Apotheke abzuholen...keine Kraft einkaufen zu gehen....warten auf einen Anruf der niemals kommt....warten auf einen Besuch der niemals kommt....Hunger...das Alleine sein ertragen und lernen alleine sein zu genießen um alleine zu gehen...

Larimari 21.10.2012 23:31

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
hallo i.j.,

der thread hat den namen "die sorge um sich selbst", aber wenn du dir die beitraege ansiehst, wirst du sehen, dass die leute, die hier schreiben es mit der "sorge um sich selbst" nicht so genau nehmen.

ich schreibe diesen beitrag aus einem krankenhausbett, wo ich heute nacht liege und wache halte, damit mein kranker dad und mein kranker bruder jemanden da haben. das ist natuerlich nichts, was ich auf dauer und generell so darstellen kann. ich muss arbeiten, und ich muss manchmal auch durchschlafen. aber es ist das, was ich im augenblick hauptsaechlich tue...

was du schreibst erschuettert mich sehr. ich weiss zwar, wie es sich anfuehlt, wenn man sich ueberfordert fuehlt, und gerne alles hinschmeissen moechte, weil man gerne wieder die hauptfigur in seinem eigenen leben sein moechte. aber bestimmte dinge muss man als angehoeriger einfach tun. nicht, weil es irgendeine konvention verlangt, sondern einfach weil, ach, ich kanns nicht beschreiben, man tut es einfach.

es tut mir sehr leid, dass du so haengen gelassen wirst. es muss schrecklich sein, wenn man nicht in der lage ist, so basalen beduerfnissen wie essen nachzukommen, weil niemand da ist, der einem hilft, einkaufen zu gehen. ich hoffe, ich weiss nicht, wie ich es sagen soll, ich hoffe, dass, ich weiss nicht...
wie machst du's dann? wie klappt es, sich alleine durchzubringen in einer solchen situation?

ich wuensche dir leute! egal ob angehoerige oder nicht, ich wuensche dir leute, die helfen. und die dir das gefuehl geben, nicht alleine zu sein. ich weiss nicht, wo man solche leute herbekommt. aber ich wuensche sie dir trotzdem.

so, und jetzt muss ich mal ein aeuglein zu tun. das ist zwar nicht gute wachkunst. aber nach 18 stunden wach, und davon 14 im krankenhaus bin ich grad ein wenig k.o.
in diesem sinne alles gute!

oder mit den worten von edward r. murrow:

good night and good luck!

Mirilena 22.10.2012 11:15

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Guten Morgen Mari,

die Idee von Carlos finde ich sehr, sehr schön...Überall Bäume pflanzen... Ich stelle mir gerade vor, wie da ein paar Kastanien für euch wachsen werden. Bäume haben so etwas Beständiges.

Hast du denn wenigstens ein paar Stunden schlafen können? Wie geht es deinem Vater heute? Ist schon ein klitzekleines bißchen Besserung in Sicht? Ich hoffe es so sehr!!!

Ist schon schlimm, wenn man alles ganz alleine durchstehen muss wie es bei I.J. ofensichtlich der Fall ist. Kann ich mir gar nicht vorstellen. Auch ich wünsche da Menschen, die bereit sind, eine Hand zu reichen und Dinge zu übernehmen, damit es ein wenig leichter wird.

Und dir, liebe Mari, wünsche ich trotz allem einen schönen Tag bzw. zumindest ein paar schöne Augenblicke, die ein wenig von der Schwere und Traurigkeit von dir nehmen können.

Take care
Miri

Larimari 22.10.2012 14:27

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
die idee vom familienhain finde ich superschoen, hab beim lesen ein paar traenchen darueber verdrueckt. wollt das gestern eigentlich noch schreiben, doch dann kamm wieder mal was dazwischen, und dann hab ichs wohl ein bisschen vergessen. :(

bei uns gehts grad drunter und drueber, vor allem emotional. es ist krass, was fuer ein spektrum an gefuehlen in so einer extremsituation aufkommt. wut, trauer, zweifel... es ist der wahnsinn. vor allem, weil ein supersensibler arzt die visite gemacht hat, mit einer entourage aus genauso unfaehigen. (gott sei dank hab ich den arzt waehrend einer darmspiegelung unter narkose schon mal getreten. seit heute weiss ich, er hat es verdient!) "wenn der so bleibt, koennens ihn dann nicht pflegen, gell?", meinte der prof zu meiner mom. bloedes arschloch.

ich wusste mir nicht weiter zu helfen, und hab nochmal den onkologen vom dad angerufen, der nochmal meinte, dass er immer noch am temporaeren delirium fest haelt. er meinte auch, dass selbst im kontrastmittellosen ct bestimmte auffaelligkeiten, die fuer metastasen als ursache spraechen, sichtbar sein muessten.

meine mom ist fertig. wenn sowohl mein bruder als auch mein dad ins heim kommen, fallen ihre gesamten einkuenfte weg. sie hat ja nie gearbeitet, sondern war immer die pflegerin von meinem bruder. mit einem satz hat es dieser bloede arzt geschafft, meine mutter total verrueckt zu machen. bin stinksauer!

jetzt warten wir auf den herren, der uns sagt, obs mit dem heimplatz fuer meinen bruder hinhaut. saubloede zeiten. unglaublich saubloede zeiten...

Larimari 22.10.2012 21:06

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
so, hier noch ein kurzer abendbericht.

wir haben eine kurzzeitpflegestelle fuer meinen bruder. 25km weg in der nachbarstadt. er kommt dort morgen hin. meine mom hat heute, wie die letzten tage schon, gepackt wie eine wilde. es muss ziemlich viel zeug mit. sie ist fertig mit der welt. fuer meine mom bricht eine welt zusammen. eigentlich brechen saemtliche welten gerade zusammen. ich weiss nicht, wie sie das alles schafft. sie ist eine tapfere frau.

dad ist grad wieder in einer schlechteren phase des deliriums. aber heute hat er irgendwann gemeint, dass sein kopf nicht so mag wie er will, und dass ihn das nervt. und irgendwann hab ich so heulen muessen, und hab gemeint, dass ich ihn so lieb hab. und dann hat er meinen kopf in seine haende genommen, und meinte, er haette mich auch lieb. und dann hats mich zerbroeselt. und ich weiss nicht, ist es mein dad, oder ist es das delirium, was da spricht.

ab morgen duerfen wir wahrscheinlich nicht mehr im krankenhaus uebernacht bleiben. ich weiss nicht, wie das gehandelt wird, obs vielleicht doch klappt, wenn ein bett frei ist. mal gucken. es wird jetzt organisatorisch etwas komplizierter. weil wir natuerlich auch zu meinem bruder muessen.

auf jeden fall befinden uns meine mutter und ich auf irgendeinem komischen weg, der immer auch von loslassen gepraegt ist. es klingt vielleicht komisch, aber wir muessen in der lage sein, zu sagen, es ist okay, wenn sie gehen. sonst schaffen wir das alles nicht.

so, jetzt geh ich mit meiner mom kuscheln!

bis morgen!

Mirilena 23.10.2012 09:11

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Ach Mari,

ich musste gerade heftig schlucken, als ich deinen Abendbericht gelesen habe... Es war nicht das Delirium, sondern dein Papa, der da zu dir gesprochen hat. Das war ein wacher und sehr bewusster Moment, den er da hatte und mit dir geteilt hat. Und ich finde es ganz wunderschön, dass ihr euch gesagt habt, wie lieb ihr euch habt. Auch die Geste deines Vaters, als er deinen Kopf hielt... Das berührt mich sehr.

Es erinnert mich sehr an die Zeit meines Vaters, da er mit Morphium vollgepumpt und zugepflastert war, ständig vor sich hindämmerte und dann auch Gestalten und Stimmen wahrnahm, die wir nicht wahrnehmen konnten. Das muss ihn sehr beschäftigt haben, denn er sagte auch ganz verzweifelt zu mir: "Siehst du, jetzt bin ich nicht nur krank sondern werde auch noch bekloppt im Kopf..." Ich habe ihm dann ruhig erklärt, dass er aufgrund der starken Medikamente all diese Stimmen hört und seltsame Gestalten sieht.

Es ist eine so schwere Zeit, die ihr da jetzt durchmacht. Und gleichzeitig gibt es diese so kostbaren Momente, wie du es jetzt erfahren hast. Diese Nähe, Intensität und Innigkeit. Und Mari, ich kann dir nur den Tipp geben, genau diese Momente mit allen Sinnen aufzusaugen, ganz fest in deinem Herzen einzuschließen, jede Berührung auszukosten, den Geruch deines Papas aufzunehmen, dem Klang seiner Stimme zu lauschen... Wie ich dich "kenne", tust du das ohnehin.

Gemeinsam werdet ihr das durchstehen und deine Mutter ist wirklich eine sehr tapfere Frau! Gut, wenn ihr euch gegenseitig in den Arm nehmen könnt. Ach, fühle dich aus der Ferne ebenfalls in den Arm genommen und gehalten...

Alles Liebe
Miri

El_Desparecido 23.10.2012 11:17

AW: Die Sorge um sich selbst...
 
Zitat:

Zitat von Larimari (Beitrag 1148604)
es klingt vielleicht komisch, aber wir muessen in der lage sein, zu sagen, es ist okay, wenn sie gehen. sonst schaffen wir das alles nicht.

Liebe Mari,

das klingt ganz und gar nicht komisch, sondern absolut richtig und folgerichtig. Man könnte diese Einsicht bestimmt sogar philosophisch betrachten und für wertvoll befinden.

Ich bin mir genau wie Miriam sicher, dass dein Dad zu dir sprach. Und das dich dieser innige, gegensätzliche Moment der Liebe und des Verlustes "zerbröselt" hat, kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Ich habe irgendwann vor 5 Wochen angefangen meinem Vater morgens und abends zu sagen, dass ich ihn lieb habe.
Es werden die Momente sein, an die ich mich später erinnern möchte und werde.

Ich bin im Gedanken bei dir, Mari.
Und wünsche dir Zuversicht, Stärke und Ausdauer für die kommende Zeit.
Was so viel heisst wie: mach einfach weiter so wie bisher!
Du machst das großartig!

Ich drück dich.


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