Einzelnen Beitrag anzeigen
  #52  
Alt 03.03.2011, 11:33
Christa1960 Christa1960 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 28.02.2011
Beiträge: 27
Standard AW: Bin so traurig..er geht

Dienstag vormittag, nach meinem letzten Post, habe ich mich nochmal eine Weile neben meinen Mann gelegt.Er war im Dämmerschlaf. Ich habe ihm zugeflüstert: "ich trage Dich in meinem Herzen für immer. Du darfst gehen, wenn Du nicht mehr kämpfen magst." Seine Mundwinkel gingen runter, er hat es wohl registriert, was ich sagte. Dann meinte er nur "jetzt möchte ich schlafen."
Ich lag neben ihm, den Kopf an seiner Schulter. In Gedanken habe ich gebetet. Habe mit meinem toten Papa und Oma gesprochen. Sie gebeten ihm zu helfen, mir zu helfen, uns zu helfen. Ihn hier abzuholen auf seinen Weg.
Plötzlich schüttelte er den Kopf und sagte:nein, nein ich kann nicht.

Das war dann der Punkt, an dem ich fertig war. Sicher auch wegen Schuldgefühlen...aber ich empfand auch einen Teil Wut. Sorry.

Bin aufgestanden und aus dem Schlafzimmer gegangen...merkte, wie ich kaum die Kraft zum Laufen aufbrachte.In der Küche hab ich dann nur noch geweint...fix und fertig. Knapp 8 Wochen unmittelbare Sterbebegleitung...meine Nerven haben einfach schlapp gemacht. Hab mich dann erstmal von meinem Sohn wieder halbwegs aufrichten lassen. Beerdigung hab ich mir erspart...vermutlich hätte man mich raustragen müssen - die Kraft hatte ich nicht mehr.Aber eins habe ich erkannt: ich habe immer versucht, alles zu leisten, was er sich wünscht...JETZT geht es auch darum, was ich kann und nicht nur, was er will.

So habe ich dann mit meinem Mann geredet. Er hat natürlich gemerkt, daß was nicht in Ordnung ist. Ich hab ihm erklärt, daß ich diese ständige Präsenz im Schlafzimmer einfach nicht ertrage. Er fragte, ob er in ein Pflegeheim gehen soll...ich sagte:nein, darum geht es nicht...es geht um die ständige Anwesenheit direkt hier. Ich muss da zwischendurch mal raus, sonst liege ich bald daneben. So haben wir uns darauf geeinigt, daß es ihm genügt, wenn ich in der Wohnung bin oder er mich (weil z.B. mal im Garten) über ein Walkie-Talkie rufen kann. Das gab natürlich erstmal Luft...endlich raus aus der "Isohaft" (wie gemein, das zu denken...für ihn gibt es die Möglichkeit nicht).

In dem gespräch hat er dann geäußert, daß er sich quält.
- wieso hat er das vorher nie gesagt?? wieso hab ich es nicht gemerkt??? Ich hab doch immer gedacht "Zum Glück muß er nicht leiden" - aber das ist halt er:tapfer, bloß keine schwäche zeigen. Er hat Albträume, Angst, seine Schmerzen bekommt er immer weniger in den Griff mit den vorhanden Medikamenten. Hat dauernd Schluckauf, der ihn sehr quält. Kann kaum Tabletten schlucken.

Und er hat mir erzählt, was er mittags geträumt hat:
Wir sitzen nebeneinander auf einer Klippe. Vor uns ist es "sicher", hinter uns geht es bodenlos runter. Er droht nach hinten zu kippen, wünscht sich von mir Hilfe und ich sitz da und tue nix...schubs ihn weder nach vorn, noch nach hinten (seine Worte).
Hab ihn gefragt, warum er sich nicht nach vorn beugt: dazu fehlt mir wohl die Kraft. und warum er sich nicht fallen lässt: weiß ich nicht, vielleicht angst.

Hab ihm erklärt, dieser Traum zeigt genau unsere Situation:Nach vorn kann ich ihn nicht schubsen, ich kann ihn ja nicht heilen. Festhalten kann ich ihn auch nicht...ich MUSS ihn ja loslassen. Aber nach hinten schubsen kann ich ihn halt auch nicht.

Er machte den Vorschlag, doch vielleicht regelmäßig eine Krankengymnastik kommen zu lassen...in der Zeit wär ich ja dann auch entlastet. Ich sagte keine richtige Antwort. Er fragte was ich denke. Meine Frage: eine ehrliche Antwort? - ja, bitte .... ich denke, dafür ist es zu spät. Darauf äußerte er sich auch entsprechend, eben daß er dieses Gefühl eigentlich auch hat.

Er sagte: wenn der Arzt kommt,möchte ich am liebsten, daß er mir etwas gibt und ich einschlafen kann. meine Antwort: das wird nicht möglich sein, sterbehilfe ist hier verboten.Aber man kann evtl etwas machen um dich ruhiger zu stellen, gegen Deine Schmerzen und deine Angst etwas tun.Aber den wunsch danach, den musst du dem Arzt selber sagen, das darf ich nicht.
Wir einigten darauf, daß ich dem Arzt nachmittags die Situation schildere, um ihm die Kraft zu sparen und er dann mit dem Arzt seine Wünsche bespricht.

So, kleine Pause...schreib gleich oder später wieder weiter
(weiß nicht, wie lang ein Post hier sein darf...wär doch ärgerlich, wenn die ganzen Buchstaben weg sind, weil zu lang)

Bis dahin erstmal: an Euch Alle!!

Geändert von Christa1960 (03.03.2011 um 11:50 Uhr)
Mit Zitat antworten