AW: Hilflos
Liebe Träne74,
es ist immer ein trauriger Anlass, wenn sich ein neues Forumsmitglied meldet. Kurz vorne weg, ich bin selbst betroffen und das, was man aus heutiger Sicht als austherapiert bezeichnen kann.
Ich hoffe nicht, dass jemand eine ähnliche Situation erlebt oder erlebt hat. Betroffene können manchmal nicht oder aber nur sehr schwer über ihre Situation sprechen, aber ein komplettes Verschweigen vor dem Partner dürfte dann doch die Ausnahme sein. Niemand kann beurteilen oder entscheiden, was die richige Art und Weise ist mit der Krankheit umzugehen. Viele hier haben die Situation bei sich oder ihrem Partner erlebt und jeder hat sehr individuell reagiert. Nicht zu vergessen die Patienten, die wie Dein Mann reagieren und sich nicht mit der Krankheit beschäftigen wollen. Ich habe im Krankenhaus viele getroffen, die nicht wirklich wissen wollten, wie es wirklich um sie steht und die sich still der Behandlung ergeben haben. Von diesen liest Du hier sehr selten. Nichts davon ist falsch oder richtig. Die Entscheidung muss jeder für sich treffen und damit aber auch leben. Dein Man hat offensichtlich eine Entscheidung getroffen, eine sehr einsame, aber eine Entscheidung war es dennoch. Er hat entschieden sich nicht behandeln zulassen, er hat entschieden Dich zu heiraten ohne Dir Bescheid zu sagen, er hat Deinen Sohn da mit reingezogen ohne Dich zu fragen. Ich weiss, dass das jetzt sehr brutal klingt, aber auch Du musst eine Entscheidung treffen. Er hat Dir leider keine Wahl gelassen, Dich damit auseinander zu setzen, als Ihr noch ein Paar, eine Lebensgemeinschaft gewesen seid. Diese Zeiten liegen nun leider hinter Euch, Du bist ausgezogen, hast Deinen Weg im Leben gesucht. Du musst auch an Deinen Sohn denken, für den Du ebenso Verantwortung trägst wie für Dich. Bevor Du Dich beim jetzigen Stand der Dinge irgendwo mit reinziehen lässt, frage Dich ganz genau, was Du bereit bist zu geben - und was nicht. Ohne in die Einzelheiten gehen zu wollen, einen totkankenen Menschen zu begleiten, kostet enorm viel Kraft. Dein Mann hat unterwegs sehr viel Porzellan zerschlagen und begründet dies mit der Angst Dich zu verlieren. Der Plan hat nicht funktioniert! Keine krankheit ist eine Ausrede für alles. Also frage Dich, was kannst und willst Du tun. Aus dieser Situtaion heraus nun aus Gefälligkeit eine alte Beziehung wieder kitten zu wollen, wird Deine Kräfte vermutlich schnell überfordern. Je nach dem wie alt Dein Sohn ist, frage auch ihn, was er davon hält und wie er dazu steht, ihn betrifft das genauso wie Dich. Letzendlich treffe eine freie Entscheidung und lasse Dich zu nichts nötigen. An der Vorgeschichte lässt sich jetzt nichts mehr ändern und es ist nicht Deine Schuld! Weder die Erkrankung, noch seine Art damit umzugehen. Solltest Du ihm helfen wollen, überlege Dir aber auch die Bedingungen. Möchtest Du dass er irgendetwas macht oder nicht mehr macht? Verlangst Du Offenheit von ihm oder was auch immer. Hilfe kann nicht unter allen Umständen stattfinden!
Für alle hier ist es schwer, ihren Weg zu finden. Nicht umsonst drehen sich viele Beiträge nicht um die eigentliche Krebserkrankung, sondern um die psychischen Auswirkungen. An manchen Tagen halte ich es mit mir selbst schon nicht aus. Wie mag es da den Menschen in meiner Umgebung gehen? Der Kontakt zu einigen Freunden, Bekannten und Verwandten ist nahezu abgebrochen, da sie nicht mit der Konfrontation mit der Krankheit klar kommen und das nehme ich ihnen wirklich nicht übel. Ich möchte auch nicht, dass sich die Menschen in meiner Gegenwart unwohl fühlen - einfordern kann und möchte ich das aber auf keinen Fall. Niemand ist verpflichtet mir beizustehen! Ich gehöre zu den Menschen, die das Problem Krankheit frontal angehen, so viel wie möglich wissen möchten und dann auch entscheiden, wie es weitergeht. (Radikale) Offenheit ist für mich dabei fester Bestandteil und auch das ist manchmal für die Umstehenden nicht einfach.
Liebe Grüße und viel Kraft
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast.
George Bernard Shaw
Geändert von umhlaza (02.07.2011 um 16:23 Uhr)
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