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Alt 30.01.2013, 02:07
Sinneswandel Sinneswandel ist offline
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Standard AW: Mein Vater, Malignes Melanom

Hallo Alwina,

ich schreibe Dir das schon heute Nacht, da ich nicht weiss, ob die Zeit drängt, lies aber bitte auch die vorherige Nachricht von mir.

Während der Sedierung kannst Du vielleicht auch darauf achten, dass seine Lippen befeuchtet sind, das heisst, mit etwas Mandelöl oder in regelmässigen Abständen mit einem Eiswürfel befeuchten.
Erzähl ihm Geschichten, gerne auch von Deiner Vorstellung von dem Ort, an den er jetzt geht. Erzähl ihm von wunderbar schönen Dingen, die ihn jetzt erwarten. Sehr oft kann man feststellen, dass die Atmung ruhiger wird dadurch und dass sich der Körper entspannt, das siehst Du am Hals und an der Spannung in den Händen. Oder erzähl ihm von Julies Traum.
Sag ihm, ganz ruhig und entspannt, dass er keine Angst haben muss vor gar nichts.
Es kann dann Stunden, aber auch durchaus ein paar Tage (eher selten) dauern.

Wenn es „geschafft“ ist....nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Bleib da sitzen solange Du es für richtig erachtest. Rede mit ihm, verabschiede Dich. Niemand weiss genau, wann der Sterbeprozess beendet ist. Mach ein kleines Ritual...öffne zum Beispiel ein Fenster, damit er gehen kann und zünde eine Kerze an, damit er den Weg findet.
All das hilft Dir, Dich zu verabschieden. Irgendwann wirst Du mir Recht geben, diese Dinge, diese Rituale helfen uns, der Trauerprozess wird dadurch eingeleitet und einfacher.
Den Arzt verständigen etc.etc. hat jetzt keine Eile. Hab keine Angst wenn Du ein „Röcheln“ hörst, das ist nur die Luft, die aus der Lunge entweicht. Andere sagen, es ist der „Odem“ der sich auf die Reise macht.

Und jetzt zu Deiner Tochter:
Als 4-jährige gibt es da normalerweise keine Probleme. Allerdings sollte man ein paar Sachen beachten.
Ich nummeriere das jetzt, das ist einfacher:

1. Nicht sagen „er hat uns verlassen“ oder „er ist weggegangen“. Das könnte Angst machen, dass sie von noch mehr Leuten verlassen wird. Ausserdem könnte sie dann denken, er ist gegangen, weil sie etwas angestellt hat oder nicht brav war.
2. Nicht sagen, „er schläft“ oder „er ist eingeschlafen“. Das könnte bewirken, dass sie denkt er kommt wieder und dass sie auf ihn wartet oder aber, dass sie Angst vor dem Einschlafen und dem Zubettgehen bekommt.
3. Nicht sagen, „er ist im Himmel“. Das könnte dazu führen, dass sie ihm nachreisen will.
4. Nicht sagen“Gott hat ihn zu sich geholt“. Je nachdem, was sie irgendwann mal glauben will, es könnte sein, dass sie damit negativ beeinflusst wird. Das würde aber jetzt zu lange dauern, das zu erklären. Ausserdem hast Du ein Problem, wenn Du ihr sagst „Opa ist im Himmel“ und sie geht mit zur Beerdigung und es sagt jemand „Opa ist da im Grab“. Kinder sind nicht dumm.
5. Nicht sagen „Opa war krank und ist gestorben“. Das könnte dazu führen, dass sie bei jedem der eine Grippe hat, Angstzustände bekommt. Wenn, dann musst Du betonen „Opa war SEHR,SEHR,SEHR krank und ist gestorben“.
6. Nicht sagen „Opa war alt und ist gestorben“, das könnte verursachen, dass sie Angst bekommt, die Oma oder Euch zu verlieren. Für eine 4-jährige sind alle Erwachsenen alt.

Ausserdem:

1. Sagen „Du bist nicht schuld, niemand ist schuld“
2. Sagen „Opa hat Dich sehr lieb und er ist ganz ganz stolz auf Dich“
3. Sagen „Ich bin auch sehr traurig, dass er nicht mehr da ist“
4. Sagen „Opa war sehr, sehr, sehr krank und hatte ganz, ganz, ganz starke Schmerzen und deshalb hat sein Körper beschlossen jetzt zu sterben damit der Opa keine Schmerzen mehr hat“.
5. Sagen, dass alle alles versucht haben, dass der Opa wieder gesund wird, dass es aber vorkommt, dass das alles nicht genug ist wenn jemand sehr, sehr, sehr krank ist.

Vorallem:

1. Zeig ihr Deine Trauer, weine vor ihr, zeig, dass es ganz schlimm ist auch für Dich und dass Du ihn genauso vermisst.
2. Erklär ihr, was es bedeutet, wenn jemand stirbt. Wenn Dir nichts einfällt, sag ihr ehrlich, dass Du es nicht erklären kannst, weil keiner wirklich weiss, was Sterben und Tod ist.
3. Gib ihr zu verstehen, dass sie ihre Fragen ruhig stellen soll und frag sie, was sie denkt.
4. Gib ihr ganz klar zu verstehen, dass Opa nicht mehr wiederkommt und dass sie ihn nicht mehr sehen wird.
5. Verbiete ihr nicht, zur Beerdigung zu gehen aber bestehe auch nicht darauf. Lass sie entscheiden und sag ihr (sofern sie mitgeht) dass sie fragen soll, wenn sie etwas nicht versteht und erklär ihr was alles vor sich geht. Wenn sie nicht mitgeht, solltet Ihr ein kleines Abschiedsritual machen für den Opa. Zum Beispiel, dass sie ihm noch ein Bild malt, das ihr mit in den Sarg legt oder dass sie ihm eins Ihrer Stofftiere mitgibt, das auf Opa aufpassen soll (kann man auch machen wenn sie mit zur Beerdigung geht), dass Ihr eine Kerze anzündet und einen Blumenstrauss in den Fluss oder Bach werft oder ein Papierschiffchen mit einer Kerze drin treiben lässt etc.etc.

Du hast den „Vorteil“ dass Deine Tochter bei Deinem Vater die Tumore und seine Veränderung gesehen hat. Deshalb wird sie eher verstehen, dass Opa eben sehr, sehr krank war und deshalb gestorben ist.

Hilfreich können auch Bücher speziell für Kinder sein, in denen das Thema Tod erklärt wird.
Hier bin ich nicht mehr ganz auf dem Laufenden aber vielleicht wäre „Und was kommt nach Tausend?“ ganz gut. Einfach mal in einer Buchhandlung schauen und altersbezogen aussuchen.
Die Bücher sind meist in der Form eines Märchens oder einer tollen Geschichte, so können sich Kinder ihre eigenen Gedanken machen und ihre Phantasie spielen lassen, was sich positiv auf den Trauerprozess auswirkt.

Alles Liebe
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