Hallo ihr Lieben,
tja, wie beschreibe ich den heutigen Tag?
Meine Stiefma war heute morgen schon recht früh (gegen 6) wach und saß zuerst nur auf ihrer Kante, mit geschlossenen Augen, kippte wie immer hin und her, nach links und rechts und rauchte ihren Sauerstoffschlauch. Ich hab ihr dann die Medikamente gebracht. Leider ist es jetzt so, dass ihr das Schlucken immer schwerer zu fallen scheint und sie wollen am Dienstag mit einer Pumpe (?) anfangen. Nachdem sie sie geschluckt hatte, bat ich sie, sie gleich zur Toilette bringen zu dürfen, da ich mich auch fertig machen wollte für die Kirche...ihre Antwort war immer ein nein, nein, nein. Mir war es allerdings wichtig, dass ich sie vorher noch mal zur Toilette bringen konnte, da ich die liebe Dame vom Hospiz damit nicht belasten wollte. Sie ältere Dame und gesundheitlich geht es ihr nicht zum Besten.
Irgendwann hatte ich sie dann soweit, sie wollte gehen...allerdings erwiesen sich die wenigen Meter bis ins Bad zu einem Kraftakt, mit dem ich nicht gerechnet hab. Ich musste den Rolli dirigieren, sie stützen, gleichzeitig auf den Sauerstoffschlauch achten, damit sie mit dem nicht hängenbleibt und ihr helfen, den Wagen vorwärts zu schieben...im Bad wollte sie sich dann ständig in die Wanne setzen und sie war recht hartnäckig dabei. Bis sie dann auf der Toilette war und wir mit der gleichen Prozedur wieder zurück im Schlafzimmer waren, da war echt ne ganze Stunde vergangen...
Ich hab mich dann fertig gemacht für die Kirche (gewaschen u. angezogen), hab ihr erklärt, wer auf sie aufpasst und wohin ich gehe. Außerdem hab ich ihre klare Minute genutzt, um ihr zu sagen, dass ich mit meinen Kräften am Ende bin und ich es nicht mehr alleine schaffe. Dass sie mir nicht böse sein soll, aber ich mich dafür entscheiden muss, sie in die Hände von erfahrenen Pflegern zu geben. Jemand der sie auch waschen kann und nicht an ihrer Hartnäckigkeit scheitert, weil sie sich nicht vom Fleck bewegen will. Wie schon gesagt, verstärkt sich der Geruch im Zimmer immer mehr und ich möchte nicht Schuld sein, wenn es durch mangelnde Hygiene kommt.


Und jemand, der andere Möglichkeiten hat, ihr die notwendigen Medikamente zu geben...anders als ich es handhaben muss mittlerweile. Hab ihr erklärt, dass die Palliativ zwar im Krankenhaus integriert ist, aber die Menschen dort ganz anders sind. Netter, freundlicher und vor asllem ungezwungener.
Ja...und damit hab ich dann was angerichtet

. Sie rief immerzu Nein, nein, nein - ich will nicht zurück, ich will das nicht, nein. Als ich dann erwiderte, dass ich nicht mehr so weiter machen könne, kam ein Satz, der mich wütend und traurig zugleich machte, der mich entsetzen lies: Dann bring ich mich um!
Jo, wie soll man da reagieren? Erwidert hab ich nur, dass sie das nicht müsse und dass ich mich nicht erpressen lasse. Dass der Krebs den Kampf schon lange gewonnen habe, woraufhin sie gleich wieder verneinte, es gebe noch Hoffnung. Ich weiß, dass mit dem Krebs hätte ich mir klemmen sollen
Und dann blieb sie stur sitzen, obwohl ich mehrfach bat, dass sie sich bitte hinlege...jedesmal hab ich Angst, sie kippe mir nach vorne und schlägt sich den Kopf auf oder an. Immerhin zieht sie ständig den Rolli zu sich, weil da ja ihre gedachten Zigaretten drauf liegen. Erst als die Dame vom Hospiz kam, da legte sie sich hin und ist seitdem auch nicht wieder aufgestanden. Ab und zu konnte ich ihr was zu trinken oder ihre Medikamente (mit Müh und Not) geben oder ich hab mit einem Tuch ihre Lippen befeuchtet, aber das war es...sie liegt nur da und starrt an die Decke oder schläft. Als ob ein Schalter umgelegt wurde. Klack.



Und so liegt sie immer noch da...
Ich bin gespannt, wie die Nacht wird. Mit dem SAPV-Team sind wir überein gekommen, dass sie jetzt ihr Morphium gespritzt bekommt. Was mit den restl. Medikamenten passiert - keine Ahnung. Ich werd's sehen.
BIs bald und seid lieb gegrüßt
Lupi
P.S.:
Liebe Steffi (mama1950),
danke für deine lieben Worte. Ich habe deinen Post auch gelesen und kann nur erahnen, wie es in dir aussieht. Die Worte von Marbie finde ich persönlich am Besten. Sie sagt genau das, was ich denke. Allerdings möchte ich noch was hinzufügen.
Die Metastasen bei meiner Stiefma haben in gut 2 Wochen für einen so rapiden Absturz gesorgt. Und sie bekommt es nicht mal mit, sie hat kaum noch eine klare Minute...die Medikamente und auch der Sauerstoffmangel tun ihr Übriges. Liebe Steffi, deine Mama hat dich ganz gewiss aus tiefstem Herzen geliebt, denn nur ein Mensch, dessen Gefühle aus welchem Grund auch immer so verletzt sind, der ist zu solchen Reaktionen fähig. Nur der, der jemanden liebt, kann denjenigen auch "hassen". Nur da ist der Wunsch, denjenigen zu verletzen, besonders groß. Der Mensch ist leider so, warum auch immer.
Und wer als Mutter Töchter und Söhne hat, wird bestätigen können, dass man als Mutter eine ganz andere Anforderung an die Tochter stellt, als an den Sohn. Vätern ergeht es nicht anders...
Oft ist es auch so, dass Menschen sich diese Krankheit nicht immer eingestehen wollen. Sie glauben daran, dass es alles wieder gut wird, auch wenn es feststeht, dass es nicht so ist...ich möchte hier keinem die Hoffnung nehmen, dass liegt mir fern. Was ich damit sagen will ist, hätte deinen Mama diese Metastasen und ihren nahenden Tod akzeptiert, dann wäre sie gewiss auf dich zugekommen um sich auszusöhnen. Ich gehe deswegen davon aus, da ich diese Situation ein wenig anders bei meiner Stiefmama mitmache...sie will keinen sehen, ich darf keinen informieren, denn sie glaubt fest daran, dass sie wieder gesund wird und keiner darf sie so sehen, so wie sie jetzt aussieht. Und auch ihrer Schwester, mit der sie "zerstritten" ist, auch die darf ich nicht informieren. Du siehst, es ist eine unglaubliche Last, die auch auf den Schultern deines Bruders lastete...fass dir ein Herz und schreibe ihm ein paar liebe Zeilen. Bitte ihn um ein Treffen vor der Beerdigung, erkläre ihm die Situation . Es hilft fast immer, die Leute in solchen Momenten mit einer Art Schuldeingeständnis zu entwaffnen, aber bitte lade nicht zuviel Schuld auf dich selbst. Und wenn du zur Beerdigung gehen willst - dann geh. Das kann dir niemand verbieten, und das lass dir von niemanden verbieten. Sie war deine Mama. Es ist dein gutes Recht.
Fühl dich einmal fest gedrückt

Lupi