Einzelnen Beitrag anzeigen
  #562  
Alt 11.06.2013, 15:12
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.03.2007
Ort: Dreiländereck
Beiträge: 1.986
Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

"Moin, Hartmut."
"Moin. "
"Schon länger wach?"
"Jou."
"Ja, warum gibt's dann noch keinen Kaffee?"
"Oh, vergessen. Sorry."
"Jetzt leg doch mal die Zeitung zur Seite. Hast du keinen Hunger? Frühstück?"
"Mhmmm."
"Was jetzt? Bisschen einsilbig heute Morgen?"
"Erstens: Vielleicht. Zweitens: Moment."
"Boah. Ich mach MIR jetzt was zum Frühstück."
"Jaaaa. Ist ja schon gut. Ich komme."
....
"Also. Was hast du da gerade gelesen?"
"Von einem Truthahn und einem schwarzen Schwan."
"Aha. Und?"
"Eigentlich hat das Interview nichts mit uns zu tun. Weder sind wir reich, noch spekulieren wir an der Börse."
"Was hat das mit Truthähnen und schwarzen Schwänen zu tun? Oder wir?"
"Es geht um Bücher von Nassim Nicolas Taleb über Theorien zu den Finanzmärkten."
"Neee, das hat nun wirklich nichts mit uns zu tun. Da gibt es keine Verbindung."
"Doch."
"Hä?? Ich kenne in dem Zusammenhang nur Bulle und Bär. Nix von Truthahn und Schwan."
"Dann lass mich dir mal erklären ...."
"OK. Bin gespannt. Noch'n Brötchen?"
"Jou, gerne. Also .... die Geschichte vom Truthahn ist folgende: der junge Truthahn lebt auf einer Farm. Der Farmer gibt ihm täglich was zu futtern und sorgt dafür, daß er nicht krank wird. So lebt der Truthahn gesund und glücklich. Ge- und beschützt in einer großen Gemeinschaft und wird groß und stark."
"Jou, ein gutes Leben. Gibt es einen Haken?"
"Thanksgiving."
"Ups!"
"Jepp. Ups .... das kannst du laut sagen."
"Hm. Ich glaube, ich weiß was du meinst. Du meinst: du, ich, wir alle sind Truthähne?"
"Sind wir. Und der Farmer, das ist für uns das Leben."
"Aha?"
"Der Truthahn hatte ein unerschütterliches Vertrauen zu seinem Farmer. Er hat ihm zu Essen gegeben und ihm ein friedliches, glückliches Leben ermöglicht. Er erwartet absolut nichts Böses von ihm. Warum auch? Bis dann ..."
".... Thanksgiving."
"Du sagst es. Thanksgiving."
"Das wäre dann, analog, für dich der Grund gewesen, daß du dein Norwegen verlassen musstest und für mich der Tod von Myriam."
"Taleb hat das natürlich auf die Finanzwelt bezogen. Auf Börsenkräche. Auf Ereignisse, die niemand vorhersehen konnte oder wollte. Das Geschäft mit dem Geld, das alle so gut ernährte, bricht zusammen. Obwohl man mit so was immer rechnen muß. Eigentlich. Nur, wer macht das schon? Wer bereitet sich auf so was vor, solange alles läuft wie geschmiert?"
"Ist es nicht im normalen Leben auch so? Wer macht sich schon Gedanken darüber: was wäre wenn? Das wird doch alles auf die ganz lange Bank geschoben. Wenn man sich überhaupt solche Gedanken macht. Ach Quatsch, ich doch nicht ... so denkt man doch, oder?"
"Genau so. Selbst wenn, dann liegt doch immer alles in weiter Ferne ... denkt man."
"Heute nicht mehr."
"Ja, heute nicht mehr. Wir haben den schwarzen Schwan ja auch gesehen. Er hat uns sogar gebissen. Wenn man so will."
"Schwarzer Schwan?"
"Ja. Der schwarze Schwan ist ein Synonym für unvorhergesehene, aus-der-Bahn-werfende Ereignisse, welche man nicht bedacht hat."
"Was du alles weißt ...."
"Wer lesen kann, ist klar im Vorteil."
"Danke. Doch lesen reicht nicht."
"Was denn noch?"
"Denken!"
"OK. Dann denke ich mal, daß es nett wäre, wenn du mir noch ein Brötchen rüber reichst."
"Aber gerne doch, Hartmut."
...
...
"Helmut?"
"Ja?"
"Ob uns noch mal so ein dicker, fetter schwarzer Schwan über die Füße läuft?"
"Ganz sicher sogar. Ob nun so oder so."
"Jou. Ob nun so oder so. Thanksgiving auf jeden Fall. Irgendwann."



Alles Liebe,

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
Mit Zitat antworten