Einzelnen Beitrag anzeigen
  #10  
Alt 09.07.2013, 10:13
Juli100 Juli100 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.03.2013
Beiträge: 63
Standard AW: So wortlos und so viele Fragen

Sunny, um da keinen falschen Druck aufzubauen: Ich glaube niemand erwartet, dass Du jetzt der Krebs-Experte wirst, der den Ärzten sagt, wo es lang geht. :-) Nur dass Du das nicht falsch verstehst. Aber ich glaube auch ein Vorteil davon, dass der Betroffene das nicht alles selber recherchiert, ist, dass man vieles liest, was einem eher die Hoffnung nimmt als zu steigern. Aber plötzlich kommt dann jemand oder ein Artikel über eine Erfolgsgeschichte, die auf die eigene Situation passt und man denkt: Siehste, klappt also manchmal doch! Das erzähle ich dann auch gerne meiner Frau. Deswegen fand ich dieses eine Buch auch so gut. Da sind viele Fälle drin, die abgeschrieben waren („nur noch ein paar Monate“) und es aber doch geschafft haben.
Also ich erinnere mich auch an eine Szene bei dem Arzt mit der Hyperthermie, die fast schon lustig war. Erst sagt er uns auch wieder, das sei nicht heilbar und sagte, wir sollten uns nicht mit diesen 5-Jahres-Statistiken verrückt machen. Und fügt dann hinzu: „Wobei, selbst das ist ja nicht sicher, es gäbe auch Fälle, wo jemand nach diesen 5 Jahren noch mal erkrankt ist“. Da dachte ich mir „Hätte der jetzt nicht einfach mal den Mund halten können?“ Und dann schließt er seinen Vortrag mit „Es ist ganz wichtig, dass sie Mut haben und positiv denken.“ :-) Danach habe ich ihm dann aus der Nase gezogen, dass es auch in seiner Praxis Fälle gibt, wo Leute seit über 15 Jahren palliativ leben und denen es ganz gut geht. Warum erzählt er das nicht selber mal??? Es ist zwar anständig von den Ärzten, dass sie einem nichts Unseriöses versprechen - aber ein bisschen besser verkaufen könnten sie ihre Erfolge schon. Denn echte Erfolgsgeschichten machen einem doch Mut!

Wie ich verstanden habe, ist bei Euch jetzt erst mal die Frage, was Dein Vater überhaupt hat und woher das in der Schulter kommt. Die ganzen Heilungschancen/Statistiken etc. hängen dann davon ab, welcher Krebs das ist, in welchem Stadium er ist usw. Und wenn Du den konkreten Krebs kennst, kannst Du auch in die spezifischen Unterforen gehen. Da habe ich auch bzgl. Gebärmutterkrebs interessante Sachen gefunden, u. a. eine Erfolgsgeschichte von jemandem mit ebenfalls schon Metastasen in der Lunge.
Du musst auch damit rechnen, dass es mentale Rückschläge geben wird. Bei uns war das als ich voller Hoffnung diese Laser-Spezialisten ausgemacht hatte und dann dachte „Mensch super, jetzt lasern die das alles weg und fertig“, aber mir dann alle 3 Experten absagten und erstmal zur systemischen Chemo rieten. Da haben wir dann gesagt: OK, das ist dann wohl das Sinnvollste - also konzentrieren wir uns darauf im Sinne von „Was kann man parallel machen, was ist sinnvoll, woher weiß man ob die Chemo anschlägt, lasse ich einen Port legen usw.?“
Aber dann gibt es auch Höhepunkte. Zum Beispiel wurde bei meiner Frau zwischendrin ein Röntgenbild gemacht und es waren kaum mehr Metastasen sichtbar. OK, jetzt denke ich mir, dass ein Röntgenbild nicht so genau ist usw. - aber diese skeptische Haltung behalte ich für mich. Ohne dass ich meine Frau damit belaste, mache ich mir Gedanken: „Was ist, wenn am Ende doch wieder viele Metastasen übrig sind, was kann man dann machen, gibt es irgendeinen Arzt/Mediziner meines Vertrauens mit dem ich mal darüber reden könnte?“. Ich versuche also einfach schon mal auf eine Negativnachricht vorbereitet zu sein und etwas vorzuarbeiten (wenn man das so nennen kann), ohne sie damit verrückt zu machen.
Aktuell gehen meiner Frau die gleichen Gedanken durch den Kopf. Sie konnte jetzt nicht so gut schlafen, weil ihr auch durch den Kopf geht „Was ist , wenn das alles nicht klappt?“. Dann beruhige ich sie und sage „Dann sollten wir nicht in Panik verfallen. Dann schicken wir noch mal den Lasertypen die CTs und vielleicht ist es jetzt operabel. Aber lass uns erst mal das Ergebnis abwarten, bevor wir uns verrückt machen.“ Ich selber überlege mir schon Sachen und wenn ich dann echt etwas finde, was eine Option wäre, dann erzähle ich es auch.
Also nicht falsch verstehen: Ich will meiner Frau nichts vormachen. Sie weiß genau, dass sie medizinisch gesehen „unheilbar krank“ ist. Aber ich sage ihr das nicht jeden Tag und versuche nach berechtigter Hoffnung zu suchen.

Geändert von Juli100 (09.07.2013 um 10:19 Uhr)
Mit Zitat antworten