AW: Wechsel vom Angehörigen zum Hinterbliebenen
Nun ist morgen schon wieder eine Woche vorbei. Irgendwie kann ich momentan meine Gefühle nicht so recht sortieren. Es war beabsichtigt und dennoch ist es seltsam zu sagen, der erste Todestag meines Mannes war „schön“. So geht es uns jedoch auch, wenn wir uns an seine Beerdigung erinnern. Auch da ist es uns gelungen, uns in seinem Sinne zu verabschieden, mit fast keinen Kompromissen.
Auslöser für die Überlegung, w i e der erste Todestag aussehen sollte, war ein Gespräch mit unserem jüngsten Sohn. Er meinte eines Tages zu mir, dass wir im Oktober jetzt nur noch traurig sein können. Da ist Papas Geburtstag, den wir nicht mehr mit ihm feiern können und er ist gestorben. Klare Logik für einen 12-jährigen. Im Gespräch meinte ich zu ihm, dass das kein Grund ist, traurig zu sein (leicht gesagt) und dass wir es eigentlich auch anders sehen können. Im Oktober feiern wir ab jetzt 2x Papas Geburtstag. Einmal den hier auf der Erde, weil er ja für uns alle, die ihn lieb haben so wichtig ist, sonst hätten wir ihn ja nicht gekannt. Und dann werden wir Papas Geburtstag in „Nangiala“ feiern (Gebrüder Löwenherz kennt ihr vielleicht)weil es dort bestimmt sehr schön ist und Papa nicht mehr krank werden kann u.s.w Und so ist der Gedanke entstanden. Ich besprach die Sache mit meinen älteren Kindern und die fanden diese Idee auch gut. Für uns war es letztlich auch Gelegenheit, uns bei all jenen zu bedanken, die sich nicht von uns abgewendet haben, die uns durch diese schreckliche Zeit begleitet haben und uns nach wie vor zur Seite stehen.
So schrieben wir Geburtstagseinladungen und jeder verteilte sie an die Menschen, ohne die wir es noch schwerer gehabt hätten und haben
Ein wenig gemischte Gefühle hatte ich schon, wie es wohl aufgefasst wurde – hatte ich ja auch eine Einladung an unseren Hausarzt geschickt, muss aber sagen, die Reaktionen waren allesamt positiv, es war wohl jeder irgendwie überrascht, dass man einen Todestag auch „so sehen kann“ und es auch durchzieht, aber lächerlich fand es offensichtlich niemand.
Und so war ich abgelenkt, mit Vorbereitungen beschäftigt und irgendwie selbst leicht amüsiert bei dem Gedanken, was Claus nun wohl denkt, wenn er den ganzen Trubel beobachtet. Und das Schmunzeln kam während des ganzen Tages, denn ich hörte ihn, seine Kommentare, sah seinen amüsierten Blick. Er war so nah, so gegenwärtig.
Natürlich flossen auch Tränen, aber es waren nicht dies schrecklichen, die wir alle kennen, nicht diese, die alles in Frage stellen und Dich fast wahnsinnig werden lassen. Es waren eher solche der Rührung und ja sogar irgendwie auf seltsame Weise des Glücks. Vielleicht auch, weil ich an diesem Abend wirklich begriff, dass es unwichtig ist, wieviele "Freunde" wir aussortieren müssen, die die bleiben, auf die kommt es an und diese wenigen Menschen sind mir so nah und machen mich glücklich.
Der beste Freund von Claus musste alleine kommen, da seine Frau derzeit in Kur ist. Diese wunderbare Freundin ließ als erstes die Tränen fließen. Sie schickte eine Geburtstagskarte, so liebevoll geschrieben und die Worte passend gewählt, dass es mir wirklich die Kehle zuschnürte : „Ich wünsche Euch allen mit Claus ein schönes Fest und bin in Gedanken bei Euch.“ Sie versteht….
Eine der größten Freuden war, dass unser Hausarzt und seine Frau auch der Einladung gefolgt sind, dass sie sich mit uns erinnert haben und mir Gelegenheit gaben, mich zu bedanken u.a. dafür, dass unser Arzt zwar keine Chance hatte, das Leben meines Mannes zu retten, aber dafür gesorgt hat, dass er in Würde sterben konnte.
Auch die jüngeren – die Freundinnen meiner Tochter – überraschten mich und brachten tatsächlich „Geburtstagsgeschenke“ mit. Liebevoll ausgesucht im Wissen, dass Griechenland unser Land ist.
Tja, dass Claus anwesend war, hab ich euch ja schon dieser Tage geschrieben. Ich würde so gerne wissen, was sie jenseits der Regenbogenbrücke gemacht und gedacht haben. Aber ich glaube, Claus weiß, dass dies alles der verzweifelte Versuch ist, unser Leben mit ihm weiterzuleben. Ich hoffe, es ist ok für ihn.
Wir saßen zusammen bis in die frühen Morgenstunden, weinten und lachten. Und waren uns sehr nah aber vor allem war Claus uns allen sehr nah an seinem ersten Geburtstag in seinem neuen Leben.
Ich weiß, dass das alles vielleicht etwas seltsam klingt, vielleicht werde ich ja tatsächlich auch verrückt und merke es nicht richtig, aber es hat sich gut angefühlt, wir haben einen besonderen Tag daraus gemacht. Wie kann ich glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dass es unseren Lieben jetzt besser geht und dann an dem Tag, an dem sie ihr neues Leben begonnen haben nur weinen? Das war mein Gedanke – besonders auch, weil ich Maxi ja mit diesen Worten immer tröste.
LG und danke fürs Zuhören
Andrea, vielleicht vor Schmerz verrückt....
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
|