AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?
Lieber Helmut,
es tut mir wirklich leid dass sich unsere Mütter so quälen müssen. Ich denke meine Mama wird deiner in den nächsten 24h Stunden folgen.
Es ist unglaublich schwer aber es gab für mich am Samstag eine Wende im denken. Mir wurde bewußt das sie sterben wird. Sowas erzählt man und redet drüber aber am Samstag hat es dann wirklich klick gemacht. Wir sagten ihr alle das wir auf uns aufpassen werden und sie ruhig loslassen kann. Sie kann sich schon seit Dienstag nicht mehr mitteilen und wir sind uns nicht sicher was sie noch mitbekommt. Es tut einfach nur weh eine so starke Frau so leiden zu sehen. Ich habe mir ernsthaft Gedanken über die aktive Sterbehilfe gemacht. Denn das was im Moment mit ihr passiert ist dass was sie niemals wollte. Meine Schwester und mein Vater haben sich aber dagegen entschieden da sie sich nicht sicher waren sich irgendwann Vorwürfe zu machen. Die rechtlichen Konsequenzen wären mir egal. Ich kann nicht verstehen warum Gott sie nicht zu sich holt, kapiere den Sinn dieses unglaublichen Leidens nicht. Sie hat mich noch 2 Mal kurz erkannt am Wochenende, wenn mein Vater sie streichelt geht sie auf Abwehr. Er versucht ihre wirren leisen Worte zu verstehen aber da ist nichts mehr zu verstehen. Ich mußte am Sonntag wieder hier her fahren da ich heute und morgen auf jeden Fall arbeiten muß. Ich habe so ein schlechtes Gewissen meinen Vater und meine Schwester (29J.) in dieser schweren Situation alleine zu lassen. Ich habe Angst vor den Vorwürfen die ich mir machen werde.
Meine Mitarbeiter haben sich mittlerweile an eine "plötzlich in Tränen ausbrechende" Cheffin gewöhnt ... es ist mir egal. Ich muß mich nur anstrengen die Probleme anderer Leute nicht zu belächeln. So hart es klingt aber die Welt dreht sich weiter egal wieviel ein einzelner Mensch leiden muß während die Sonne auf und wieder untergeht- unbeeindruckt. ja es stimmt es Sterben täglich kleine Kinder an Hunger und wir hatten das Glück uns verabschieden zu können, bei einem Unfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall wäre es anders gewesen....... Aber es ist menschlich sein Schicksal als das schlimmste anzusehen.
Lieber Helmut ich bin mir sicher dass auch für uns die Zeit kommen wird in der wir in Frieden an unsere jetzigen Gedanken zurückdenken können. Ich bin mit meinen Gedanken bei dir.
Den anderen möchte ich Sorry sagen ich will hier nicht mit meinen Gedanken für eine negative Stimmung sorgen. Aber ich weiß nicht wo ich diese Gedanken sonst loswerden soll. Meine Freunde erscheinen mir einfach zu schwach für die Wahrheit.
Liebe Grüße
Simone
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