Meine liebe Michi,
wieviel Leid muss ein Mensch allein nur aushalten??

Ich würde so gern etwas tun, nur um Dir ein wenig mehr Zeit für Dich und Deine Liebsten zu schenken. Doch uns allen sind die Hände gebunden, wir stehen hilflos daneben und verzweifeln selbst an soviel Leid.

Deine Worte über die Angehörigen - sie waren so lieb und einfühlsam. Mein Vater ist vor 3,5 Wochen eingeschlafen. Auch er konnte die letzten Monate keinen inneren Frieden finden, konnte und wollte es nicht akzeptieren - auch wenn die Schmerzen immer furchtbarer wurden, wollte er doch nicht gehen. Seine letzten Stunden waren sehr qualvoll, weil er keine Luft mehr bekam. Doch der Tod kam für ihn letztendlich als Erlösung, er hat in den ewig dauernden Stunden seines Todeskampfes gesagt: bitte helft mir, bitte lasst mich gehen!
Und wir haben ihn gehen lassen. Als die immer höher werdende Dosis Morphium endlich wirkte, wurde er immer ruhiger und ruhiger und schlief sanft und ruhig ein.
Oh je - darf ich Dir sowas überhaupt erzählen und schreiben?? Es tut mir leid, sollte ich Dir jetzt zu nahe getreten sein. Der Schmerz sitzt so tief. Ich habe ihn tief,tief unten in mir vergraben. Doch an manchen Tagen kriecht er langsam hoch und nimmt mir mein Lächeln aus dem Gesicht.

Meine liebe Michi, ich drücke Dich so sehr - doch ich weiß keinen Weg, um Dir inneren Frieden zu geben. Hast Du schon einmal mit einem Psychologen gesprochen?? Oder Menschen, die anderen Menschen beim Sterben begleiten?? Ach, ich weiß auch nicht. Bevor ich Deinen Kummer noch schlimmer mache, höre ich lieber für heute auf.

Du bist ein wundervoller Mensch.

Deine Sonja