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Alt 23.03.2007, 15:09
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Registriert seit: 30.11.2006
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

ach leute,

im moment ist es wieder so richtig schwer. vielleicht wühlt auch das forum und dieser thread meine gedanken auf ... ich kann immer nur an ihre letzten tage denken. da war sie durch die medikamente irgendwie wie ein kleines kind. immer erstaunt, mit aufgerissenen augen ... ich sehe deutlich den montag abend vor mir. ich bin in ihr zimmer. sie war nicht da. ich bin schon erschrocken. ihre nachbarin sagt mir aber, sie ist im bad, duschen. was hab ich mich gefreut. als sie dann mit der schwester nach einer weile rausgekommen ist, da schaut sie mich erstaunt mit großen augen an. wie ein kleines kind vor dem christbaum. sie hat sich gefreut. und zu schwester sagt sie dann (so atemlos wie sie die letzten tage war) das ist meine tochter. ganz stolz war sie *verdammt, ich heule* ...

oder ihre magensonde. die war mit so nem klettband an ihrem schlafanzug befestigt. das der schlauch nicht immer stört. da hatten sich dann paar haare drin verfangen. die hab ich dann raus und das klettband und den schlauch gerichtet ... meine mutter fingert mit dran herum ... schaut die haare an, die ich in der hand habe und sagt "aber sie haben doch gesagt, ich behalte meine haare" ... hab sie dann beruhift, dass das nicht von der chemo war sondern von ihrem klettband ... *schnief* ...

was sie immer für sachen gesehen hat. uhren, die falsch gehen, wo gar keine uhren waren ... und immer dieser erstaunte ausdruck ... ach mama ...

@ hase
manchmal, wie jetzt gerade, leide ich schon... und weiß gar nicht, wie ich das überstehen soll. aber diese momente sind halt meist recht kurz. im großen und ganzen lebe ich mein leben weiter wie vorher. und realisiere auch nicht so richtig, das meine mutter nicht mehr da ist ... also nur vom kopf her. gefühlsmäßig ist es mir oft nicht klar. da denke ich mir dann einfach oft, wie es sein kann, dass ich das so leicht wegstecke, das meine geliebte mama nicht mehr da ist. aber es ist natürlich so, wie du schreibst. unsere mama hätten nie mals gewollt, dass wir aufgeben, leiden, uns selbst vergessen ... sie hätte doch genau das gewollt ... das wir weiter machen. tapfer sind ... ja, das hat meine mama gewollt. und irgendwie hat sie auch gewusst, dass ich das so machen werde. sie hat noch gesagt, um helmut und mich macht sie sich keine sorgen. wir zwei machen das schon.

ich bin auch sehr sehr froh, dass ich nach ihrer diagnose jeden abend bei ihr war. einfach nur bei ihr. ich am computer, sie vor dem fernseh. ich lesend, sie vor dem computer. wir beide zusammen vor dem computer. in der küche einfach nur zusammensitzen. gott, ich bin so froh. ich konnte noch mal intensiv mit ihr zusammen sein. aber die zeit reicht natürlich nie. und im nachhinein denke ich mir, ich hätte auch mehr fragen, mehr mit ihr reden sollen. bin ich vielleicht zu wenig auf sie eingegangen? aber ich denke, jeder macht das auf seine weise. und meine mutter kannte mich schon so lange. ich hoffe, sie weiß, wie es mir zumute war ...

ich frage mich eben auch, ob sie angst hatte. ob ich ihr da doch hätte helfen können? und auch, ob sie dann im krankenhaus wusste, dass sie sterben muss? wir (mein stiefvater und ich) haben es nicht wirklich gewusst. vielleicht geahnt. aber das es so schnell geht. wusste meine mama es? hatte sie aufgegeben? wollte sie gehen? hat sie deswegen die magensonde und ihre zugänge selbst entfernt? weiso habe ich nicht versucht, mit ihr darüber zu sprechen? weshalb habe ich sie nicht gefragt? hätte sie mich noch verstanden? hätte sie mir geantwortet ... lauter offene fragen ...

@ marita
deine mutter hat sicher auch starke schmerzmittel bekommen. die verwirren ja auch teilweise etwas. wie gesagt, meine mutter war auch sehr verwirrt. hat die meiste zeit geschlafen und wenn sie aufgewacht ist auch oft phantasiert. sie hat auf den boden gezeigt, gesagt "ach, jetzt hat sally ja doch aufgefressen" dabei war sally gar nicht da. die hat unter der uhr an der wand eine andere uhr gesehen, die falsch gegangen ist ... solche dinge.

natürlich denke ich mir auch, dass meine mama an sich weiß, dass wir sie nie absichtlich alleine gelassen hätten. bzw. versuche ich mich selbst davon zu überzeugen. aber anders wäre es mir einfach lieber gewesen. es wäre jetzt vielleicht einfacher für mich. evtl. wäre da ein vorwurf weniger, den ich mir mache. wobei sie laut dem pfleger ja nicht mehr wach war.

ich glaube langsam immer mehr, dass sie aufgegeben hat und gehen wollte. allein wegen den schläuchen, etc. und dann hoffe ich einfach, dass etwas dran ist, dass viele leute einfach allein sterben wollen. und sich dabei wohl fühlen und glücklich sind. wir haben danach dann noch gesagt, sie hat sich einen guten tag "ausgesucht". den 12.12.2006. den können wir nicht vergessen. das hätte zu meiner mutter gepasst *lächelschnief*
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es wird schon wieder
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es wird nie wieder wie vorher
irgendwann wird es
aber nicht wieder (pirko)
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